Wenn heute in Politik und Gesellschaft die derzeit eklatanten Probleme unseres Sozialstaates, sowie das neuere Modell des "aktivierenden Staates" diskutiert werden, wird mithin immer auch das Konzept der Zivilgesellschaft/ Bürgergesellschaft thematisiert. Doch was steckt eigentlich hinter diesen beiden Begriffen und wo haben sie ihren Ursprung?
Empirische Forschungen legen nahe, dass über die eigentliche Bedeutung des Begriffs "Zivilgesellschaft" und dem dahinter stehenden Konzept allgemein Unklarheit herrscht. In Umfragen wird der Begriff kaum für das gehalten, was er verkörpern soll, so der Meinungsforscher Manfred Güllner . Ein Drittel der Befragten glaubt, es gehe um "Zivildienst" oder um Abgrenzung vom Militär.
Ein wesentlicher Grund für die derzeit hohe Konjunktur der Begriffe ,,Zivilgesellschaft/ Bürgergesellschaft" muss in den gesellschaftlichen Umbruchphasen in Osteuropa gesehen werden. Bei der Auflösung der ,,realsozialistischen" Systeme spielten zivilgesellschaftliche Aktivitäten eine entscheidende Rolle. In Polen, Ungarn und der Tschechoslowakei orientierten sich die jeweiligen Oppositionsbewegungen an Konzepten, die mit dem Begriff "Zivilgesellschaft" verbunden waren. Zivilgesellschaft wurde dort verstanden als eine in Opposition zum Staate stehende Bürgergesellschaft, die sich einen politischen und öffentlichen Raum erkämpfte, der unabhängig vom Staat war.
Heute, nach dem Wegfall der "Systemkonkurrenz", sind die liberalen Demokratien des Westens gehalten, sich wieder intensiver mit den eigenen Problemen zu beschäftigen. Tiefgreifende soziale und ökonomische Umbrüche, schwindendes Vertrauen in die Problemlösungskapazitäten politischer Institutionen, nachlassende Bindungsfähigkeiten von Parteien und gesellschaftlichen Großorganisationen, gewachsene Partizipationsansprüche mündiger Bürger sowie elementare Veränderungen der Sozialstruktur moderner Gesellschaften stellen den eingespielten Betrieb der parlamentarischen Demokratien vor neue Herausforderungen. Immer mehr Bürgerinnen und Bürger wollen sich heute aktiv an den politischen Geschehnissen beteiligen. Sie stellen sich gegen den "repräsentativen Absolutismus" einer Parteiendemokratie, "die ihren Bürgerinnen und Bürgern nur alle vier Jahre am Wahlsonntag Mitsprache gewährt" . Tilman Evers zufolge solle der Parteiendemokratie mit dem Konzept der Bürgergesellschaft eine "außerparlamentarische Öffentlichkeit" entgegengehalten werden.
Inhaltsverzeichnis
- Einleitung
- Zu den Begriffen „Zivilgesellschaft/ Bürgergesellschaft“
- Aus historischer Sicht
- John Lockes \"body politic\"
- Zivilgesellschaft bei Montesquieu
- Zivilgesellschaft bei Tocqueville
- Die postmarxistische Deutung des Begriffes Zivilgesellschaft bei Gramsci
- Zivilgesellschaft aus heutiger Sicht
- Die Funktion der Zivilgesellschaft bei Jürgen Habermas
- Bürgergesellschaft bei Ralf Dahrendorf
- Das Verhältnis Staat vs. Zivilgesellschaft – Befunde, Aussichten, Probleme
- Zur aktuellen Situation
- Begründung und Legitimation der Bürgergesellschaft
- Zu den Akteuren der Zivilgesellschaft
- Engagement im liberal- individualistischen Diskurs
- Engagement im Diskurs über Gemeinschaft und Gemeinwesen
- Staatliches Handeln in der Zivilgesellschaft
- „Aktivierender Staat“ – das moderne Staatsverständnis der Zivilgesellschaft
- ,,Moderner Staat – Moderne Verwaltung“ – Ziele und mögliche Probleme
- Regionale Unterschiede
- Grenzen des bürgerschaftlichen Engagements
- Fazit
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Die Arbeit analysiert das Konzept der Zivilgesellschaft/ Bürgergesellschaft und seine Bedeutung in der heutigen Gesellschaft. Ziel ist es, das Verständnis des Begriffs zu beleuchten, seine historische Entwicklung zu untersuchen und seine Rolle im Verhältnis zum Staat zu beleuchten. Die Arbeit strebt danach, die aktuelle Situation der Zivilgesellschaft zu beleuchten und einschlägige Diskurse im Zusammenhang mit bürgerschaftlichem Engagement zu analysieren.
- Begriffliche Klärung von „Zivilgesellschaft/ Bürgergesellschaft“
- Historische Entwicklung des Konzepts
- Das Verhältnis von Staat und Zivilgesellschaft
- Akteure und Diskurse des bürgerschaftlichen Engagements
- Das Konzept des „aktivierenden Staates“ und seine Auswirkungen
Zusammenfassung der Kapitel
- Einleitung: Diese Einleitung führt in das Thema „Zivilgesellschaft/ Bürgergesellschaft“ ein, erläutert die Bedeutung des Konzepts in der heutigen Zeit und beleuchtet die Ursachen für dessen aktuelle Relevanz. Sie zeigt auf, dass der Begriff „Zivilgesellschaft“ in der Gesellschaft oft missverstanden wird und beleuchtet die Rolle der zivilgesellschaftlichen Aktivitäten im Wandel von „realsozialistischen“ Systemen.
- Zu den Begriffen „Zivilgesellschaft/ Bürgergesellschaft“: Dieses Kapitel befasst sich mit der Definition der Begriffe „Zivilgesellschaft“ und „Bürgergesellschaft“ und erklärt die Unterschiede und Gemeinsamkeiten zwischen diesen Begriffen.
- Aus historischer Sicht: Dieses Kapitel beleuchtet die historische Entwicklung des Konzepts der Zivilgesellschaft und diskutiert verschiedene Denker, die sich mit diesem Thema auseinandergesetzt haben. Es untersucht die Ansichten von John Locke, Montesquieu, Tocqueville und Gramsci, um die historischen Wurzeln und verschiedenen Deutungen des Begriffs „Zivilgesellschaft“ zu verdeutlichen.
- Zivilgesellschaft aus heutiger Sicht: Dieses Kapitel präsentiert moderne Denker wie Jürgen Habermas und Ralf Dahrendorf, die sich mit der Bedeutung der Zivilgesellschaft in der heutigen Zeit auseinandersetzen. Es beleuchtet die Funktion der Zivilgesellschaft im modernen Staat und analysiert die Rolle des bürgerschaftlichen Engagements.
- Das Verhältnis Staat vs. Zivilgesellschaft – Befunde, Aussichten, Probleme: Dieses Kapitel beschäftigt sich mit der komplexen Beziehung zwischen Staat und Zivilgesellschaft. Es analysiert die aktuelle Situation, beleuchtet die Legitimation und die Akteure der Zivilgesellschaft und betrachtet verschiedene Diskurse rund um das bürgerschaftliche Engagement. Darüber hinaus werden das staatliche Handeln in der Zivilgesellschaft, das Konzept des „aktivierenden Staates“ und regionale Unterschiede diskutiert.
Schlüsselwörter
Die Arbeit befasst sich mit zentralen Begriffen wie Zivilgesellschaft, Bürgergesellschaft, bürgerschaftliches Engagement, staatliches Handeln, aktivierender Staat, liberale Demokratie, sozialer Staat, neoliberale Politik, Globalisierung, Individualisierung, gesellschaftliche Umbrüche, Partizipation, Diskurse, Akteure und Probleme der Zivilgesellschaft.
- Arbeit zitieren
- Matthias Rischer (Autor:in), 2002, Bürgerschaftliches Engagement in der Zivilgesellschaft, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/8739