Die Societas Europaea (SE) – eine alternative Rechtsform für grenzüberschreitend tätige Unternehmen?


Seminararbeit, 2007

25 Seiten, Note: 1,7


Leseprobe


Gliederungsübersicht

Abkürzungsverzeichnis

Literaturverzeichnis

Gliederungsübersicht

1. Überblick zum Gesetzgebungsstand der

2. Notwendigkeit einer Europäischen Rechtsform für Aktiengesellschaften

3. Vergleichende Betrachtung ausgewählter Merkmale
3.1 Gründungsmodalitäten
3.1.1 Voraussetzungen zur Gründung
3.1.2 Primäre Gründungsformen der
3.1.3 Die sekundäre SE-Gründung
3.1.4 Zusammenfassung und Einschätzung
3.2 Gestaltungsmöglichkeiten der Verwaltungsstruktur
3.2.1 Das Dualistische System
3.2.2 Das Monistische System
3.3 Mitbestimmung
3.4 Sitzverlegung
3.5 Rechnungslegung
3.6 Besteuerung
3.7 Betrachtung weiterer Faktoren

4. Schlussbetrachtung

Abkürzungsverzeichnis

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

1. Überblick zum Gesetzgebungsstand der SE

Schon im Dezember 2000 auf dem EU-Gipfel in Nizza haben sich die Staats- und Regierungschefs der EU-Mitgliedstaaten auf die Schaffung einer Europäischen Gesellschaft geeinigt. Über die Ausgestaltung allerdings herrschte lange Zeit Dissens.

Am 8.10.2004 trat dann die Verordnung über das Statut der Europäischen Gesellschaft, die Societas Europaea, auch als SE bezeichnet[1], in Kraft.[2] Anzumerken hierbei ist, dass die Gesetze nicht nur für Mitgliedstaaten der EU sondern auch für Mitgliedstaaten des Europäischen Wirtschaftsraumes gelten.[3]

Der deutsche Gesetzgeber hat mit dem am 28.12.2004 im BGBl. 3675 erschienenen Gesetz zur Einführung der Europäischen Gesellschaft, weiterhin als SEEG bezeichnet, den Weg für die „deutsche“ Europäische Aktiengesellschaft geebnet. Das SEEG besteht mit dem Artikel 1 aus dem SE-Ausführungsgesetz[4], weiterhin als SEAG bezeichnet, und dem Artikel 2 aus dem SE-Beteiligungsgesetz[5], weiterhin als SEBG bezeichnet. Das SEAG ist die Ausführung der so genannten SE-Verordnung[6], das SEBG die Umsetzung der Richtlinie[7] zur Ergänzung des Statuts der Europäischen Gesellschaft hinsichtlich der Beteiligung der Arbeitnehmer.

2. Notwendigkeit einer Europäischen Rechtsform für Aktiengesellschaften

Um einen einheitlichen Binnenmarkt in der EU zu verwirklichen, bedarf es der Beseitigung von Handelshindernissen ebenso wie der Schaffung von Möglichkeiten für Unternehmen, die über Ländergrenzen hinweg agieren, sich einheitlich zu strukturieren, um so Produktionsfaktoren ökonomisch international bzw. EU-weit einsetzen zu können.

Bisher waren und sind die nationalen Gesellschaftsrechte der einzelnen Mitgliedstaaten der EU doch recht verschieden.[8] Dieses führt bei Unternehmen, die in der EU expandieren wollen zu Mehrkosten, steigender Komplexität mit allen verbundenen Nachteilen[9], und somit ganz klar zu Wettbewerbsnachteilen im Vergleich zu US-Amerikanischen Unternehmen. Damit die EU im politischen Bereich ihren Einfluss stabilisieren und weiter ausbauen kann, ist es unabdingbar, dass sie auch im wirtschaftlichen Bereich auf den internationalen Märkten Fuß halten muss. Ein Grundstein dazu ist die Schaffung einer Europäischen Aktiengesellschaft.

Diese Arbeit will einen Überblick über die neue Rechtsform geben und dabei Vergleiche zur bestehenden, nationalen, deutschen Aktiengesellschaft ziehen, um so einen Überblick, an für Entscheidungen der Rechtsformwahl relevanten, Faktoren zu geben. Hierzu betrachtet die Arbeit einige ausgewählte Merkmale. Zunächst soll auf die Gründung bzw. die Gründungsmodalitäten eingegangen werden, dann sollen Aspekte der Verwaltungsstrukturen aufgezeichnet werden. Anschließend sollen Gesichtspunkte der Mitbestimmung erläutert werden, auf etwaige steuerliche und bilanzielle Besonderheiten eingegangen werden, um so letztendlich eine Aussage über die Geeignetheit einer SE als alternative Rechtsform für grenzüberschreitend tätige Unternehmen vornehmen zu können.

3. Vergleichende Betrachtung ausgewählter Merkmale

3.1 Gründungsmodalitäten

Im Gegensatz zur deutschen AG dürfen an der Gründung der SE ausschließlich juristische Personen beteiligt sein, wohingegen die deutsche AG sogar als Ein-Personen-AG existieren kann.[10] [11]

Die Neugründung durch natürliche oder juristische Personen durch eine Geld- oder Sacheinlage ist im Gegensatz zur deutschen AG für die SE nicht möglich.

Bei den Möglichkeiten zur Gründung einer SE unterscheidet man zwischen 4 primären Gründungsformen und einer sekundären.

3.1.1 Voraussetzungen zur Gründung

Um eine AG zu gründen bedarf es, gemäß § 7 AktG, mindestens 50.000 € Grundkapital, das durch Bar- oder Sacheinlagen erbracht werden kann. Wie erwähnt, kann die AG direkt von einer einzelnen Person, nach § 2 AktG, gegründet werden.

Als Voraussetzungen zur Gründung einer SE gehört zum einen die Mindestgröße von 120.000 Euro Stammkapital[12], nach Art. 4 Abs. 2 SE-VO, sowie die Erfüllung des Prinzips der Mehrstaatlichkeit, auf das in dieser Arbeit später noch eingegangen wird. Das Mehrstaatlichkeitsprinzip soll die SE von national geprägten Gesellschaften abgrenzen und die Verwendung auf grenzüberschreitende Sachverhalte beschränken, wobei es allerdings genügend Möglichkeiten gibt es zu umgehen, so dass das Mehrstaatlichkeitsprinzip allein als formeller Aspekt zu beurteilen ist.[13] Die höhere Anforderung an das Grundkapital im Vergleich zur deutschen AG ist nicht weiter auffällig, da sie sich mit 120.000 € ungefähr im Europäischen Mittel befindet.[14] Zu berücksichtigen ist allerdings, dass die 120.000 € lediglich eine Mindestforderung auf europäischer Ebene sind, die nationalen Gesetzgeber können, nach Art.5SE-VO, gemäß ihren Bestimmungen für Aktiengesellschaften auch höhere Volumina vorschreiben, die dann für die Unternehmen gelten, die mit ihrem Sitz in dem entsprechenden Mitgliedstaat eingetragen sind. Der Mindestbetrag beträgt, nach §8Abs.3AktG, für die deutsche Aktiengesellschaft 1 EUR pro Aktie, aufgrund Art.5SE-VO gilt das gleiche für die SE, da die EU hier den nationalen Gesetzgebern die Ausgestaltung zur Erhaltung und Änderung von Kapital, ebenso wie Vorschriften zu Aktien, Schuldverschreibungen und sonstigen Wertpapieren, überlässt.

Da die Aktiengesellschaft quasi aus dem Stehgreif, bei Erfüllung der genannten Voraussetzungen, gegründet werden kann, soll nun auf die Gründungsmodalitäten der SE eingegangen werden, die weitaus reglementierter als die der AG sind.

3.1.2 Primäre Gründungsformen der SE

Als primäre Gründungsformen werden die Gründungsvarianten bezeichnet, bei denen sich unter den gründenden Unternehmen noch keine SE befindet. Die sekundäre SE-Gründung setzt eine Mutter-SE voraus.

3.1.2.1 Die Gründung durch Verschmelzung

Laut Art.2Abs.1SE-VO können Aktiengesellschaften[15], die nach dem Recht eines Mitgliedstaates gegründet worden sind und ihren Sitz und Hauptverwaltung in der Gemeinschaft haben, sowie das Mehrstaatlichkeitsprinzip erfüllen, eine SE durch Verschmelzung gründen. Das Mehrstaatlichkeitsprinzip findet sich noch mehrfach im Statut zur SE wieder und beinhaltet, dass mindestens 2 der betreffenden Unternehmen dem Recht verschiedener Mitgliedstaaten unterliegen. Die Verschmelzung zweier deutscher AGs ist somit ausgenommen.

3.1.2.2 Die Gründung einer Holding-SE

Bei der Gründung einer Holding-SE nach Art.2Abs.2SE-VO sind nicht nur Aktiengesellschaften, sondern auch Gesellschaften mit beschränkter Haftung[16] als Gründungsgesellschaften zugelassen. Das Prinzip der Mehrstaatlichkeit gilt auch hier, wird aber um eine Erweiterung ergänzt. Für die Gründung einer Holding-SE genügt es nach Art.2Abs.2lit.bSE-VO, wenn mindestens zwei der beteiligten Unternehmen seit mindestens zwei Jahren eine dem Recht eines anderen Mitgliedstaats unterliegende Tochtergesellschaft oder eine Zweigniederlassung in einem anderen Mitgliedstaat haben. Der Begriff der Tochtergesellschaft wird, nach herrschender Meinung, nach Art.1 der Konzernbilanz-Richtlinie bestimmt.[17]

Die Gründungsgesellschaften bestehen nach Art.32Abs.1SE-VO fort, während die SE mit mindestens 50 % der stimmrechtverschaffenden Anteile, nach Art.32Abs.2Satz3 und 4 SE-VO, als Einlage erschaffen wird. Die Gesellschafter, die ihre Anteile eingebracht haben, erhalten nach Art.33Abs.4SE-VO Aktien der SE.

3.1.2.3 Die Gründung einer Tochter-SE

Bei der Gründung einer Tochter-SE ist die Gruppe der möglichen Gründungsunternehmen am weitesten gefasst. Hier kommen, nach Art.2Abs.3SE-VO die Gesellschaften im Sinne des Art.48Abs.2EGV, sowie juristische Personen des öffentlichen und privaten Rechts in Frage. In Deutschland kommen alle Gesellschaften des bürgerlichen Rechts und des Handelsrechts in Frage.[18] Auch hier gilt das erweiterte Mehrstaatlichkeitsprinzip, welches auch bei der Gründung von Holding-SEs zur Anwendung kommt.

3.1.2.4 Die Umwandlung in eine SE

Nach Art.2Abs.4SE-VO kann eine Aktiengesellschaft i.S.d. Anhang I SE-VO in eine SE umgewandelt werden, wenn sie seit mindestens 2 Jahren eine dem Recht eines anderen Mitgliedstaates unterliegende Tochtergesellschaft hat. Nach Art. 37 SE-VO verliert die Gesellschaft dabei nicht ihre bisherige Rechtspersönlichkeit. Anzumerken ist, dass bei dieser Variante, nach Art.37Abs.3SE-VO, im Zuge der Umwandlung der Sitz nicht in einen anderen Mitgliedstaat verlegt werden darf.

3.1.3 Die sekundäre SE-Gründung

Nach Art.3Abs.2SE-VO kann eine bereits bestehende SE die Gründung einer SE-Tochter vornehmen. Bemerkenswert dabei ist, dass einer bestehenden SE die Möglichkeit gegeben wird ohne Einbezug weiterer SEs oder anderer Gesellschaften eine neue SE zu gründen.[19] Somit ist auch das Konstrukt mehrerer hintereinander geschalteter SEs, die ihren Sitz auch in unterschiedlichen Mitgliedstaaten[20] haben können, möglich.[21]

3.1.4 Zusammenfassung und Einschätzung

Die Voraussetzungen zur Gründung einer SE sind also ungemein höher als zur Gründung einer AG. Im Sinne des „Gesetzgebers“ der EU soll die SE eine Möglichkeit für Unternehmen darstellen, die bereits Erfahrung auf dem EU-weiten Wirtschaftmarkt haben und damit auch einen Bezug zur EU. Die Rechtsform der SE soll international eine prestigeträchtige Stellung einnehmen, deshalb sind die Anforderungen formal noch so konstruiert, dass sie momentan für Unternehmen in Frage kommen sollen, die schon eine gewisse „Erfahrung“ aufweisen.

Allerdings erlaubt die praktische Auslegung der Vorschriften die Umgehung dieser Hindernisse. Die Gründung einer Tochter-SE zum Beispiel steht vielen größeren Mittelständlern zur Verfügung.[22] Die meist exportorientierten Mittelständler verfügen oft über Tochtergesellschaften im EU/EWR-Ausland. Bedingung ist, dass die Tochtergesellschaft lediglich schon 2 Jahre bestehen muss. Es müssen nicht einmal wirtschaftliche Tätigkeiten nachgewiesen werden.

Vorerst muss die Gesellschaft als AG bestehen. Das muss evtl. mit einem notwendigen Rechtsformwechsel bewerkstelligt werden. Nach dem Umwandlungssteuerrecht wäre dieser auch steuerneutral. Anschließend wird die AG direkt in eine SE umgewandelt. Auch kostentechnisch sollte dieser Vorgang begrenzt sein, da die Umwandlung in AG und anschließend in SE juristisch in einem Schritt vollzogen werden kann. Gemäß Art.37Abs.2SE-VO verliert die AG durch die Umwandlung nicht ihre Rechtspersönlichkeit, so dass auch hier Steuerneutralität vorliegt.

Zunächst erstellt der Vorstand der Gesellschaft einen Umwandlungsplan, nach Art.37Abs.4SE-VO, wofür wohl einfache Schriftform[23] genügt. Dieser Umwandlungsplan muss spätestens einen Monat vor dem Hauptversammlungstag offen gelegt und dem Betriebsrat zugesendet werden. Der Vorstand tritt dann mit den Arbeitnehmervertretern in Verhandlung über die Arbeitnehmerbeteiligung in der SE.[24] Wenn keine besonderen Regelungen ausgehandelt wurden, gelten in der SE die bisherigen Mitbestimmungsregelungen weiter. Anschließend muss, wenn die Aktionäre das verlangen[25], der Vorstand einen Umwandlungsbericht erstellen, der rechtliche und wirtschaftliche Auswirkungen der Umwandlung erläutert.

Nach Art.37Abs.6SE-VO ist durch einen oder mehrere unabhängige Sachverständige zu bescheinigen, dass das Grundkapital die Mindestgröße erfüllt. Die Hauptversammlung hat dann dem Umwandlungsplan nach Art.37Abs.7SE-VO zuzustimmen und die neue Satzung zu genehmigen. Aufgrund der Anwendung nationaler Durchführungsbestimmungen ist, nach §§65Abs.1Satz1,73 UmwG, eine Mehrheit von mindestens 75% des bei der Beschlussfassung vertretenen Grundkapitals erforderlich.

Zuletzt erfolgen die Eintragung im Handelsregister sowie die nationale und die europaweite Bekanntmachung im Bundesanzeiger und im Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften.[26]

Die Umgehungsproblematik wurde auch in der Literatur vielfältig aufgegriffen - aber mit dem Resultat, dass sich der Europäische Rat und die Kommission dieser bewusst waren.[27] Zumal bemerkte die Kommission sogar selbst, dass eine GmbH die sich in eine SE verwandeln wolle, sich zunächst in eine AG transferieren muss.[28]

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass die Voraussetzungen für eine Gründung der SE doch relativ überschaubar umgangen werden können. Das Argument, dass eine SE sich nur unter vielen zu beachtenden Bedingungen gründen lässt, und nur für wenige Unternehmen in Frage kommt, dürfte damit entkräftet sein.

3.2 Gestaltungsmöglichkeiten der Verwaltungsstruktur

Das Interessante an einer SE ist die Möglichkeit der flexiblen Wahl der inneren Struktur, die die Verhältnisse zwischen Leitungsorganen und Anteilseignern bestimmt. Die SE-VO gibt hier mit dem Art.38lit.b das dualistische sowie das monistische System vor. Gemeinsam ist beiden die Hauptversammlung der Aktionäre.

Das Wahlrecht ist wahrscheinlich das revolutionäre Element der Europäischen Aktiengesellschaft.[29] Denn das deutsche Aktiengesellschaftsrecht, das bislang stark dualistisch geprägt war, kannte ebenso wie z.B. das britische, eine Wahlmöglichkeit in dieser Form, nicht.[30] (In Frankreich dagegen gab es diese Wahlmöglichkeiten schon vor der Einführung einer SE.)

Die Ausübung des Wahlrechts ist, nach Art.38lit.bSE-VO in der Satzung festzuhalten, woraufhin aber zu schließen ist, dass die SE zu gegebener Zeit einen oder auch mehrere Systemwechsel vornehmen kann.[31]

Das Wahlrecht der SE ist demzufolge ein großer Vorteil im Vergleich zur deutschen AG - wenn es denn für betreffende Unternehmen notwendig ist. Zumindest aber garantiert es doch eine gewisse Flexibilität, nicht zuletzt aufgrund der möglichen Wechsel der Verwaltungsstruktur.

3.2.1 Das Dualistische System

Das dualistische System sieht nach Art.38lit.bSE-VO ein Leitungsorgan sowie ein Aufsichtsorgan vor. Diese Struktur gleicht somit der von dem deutschen Aktiengesetz vorgegebenen, mit Vorstand und Aufsichtsrat.

Nach Art. 39 Abs. 3 SE-VO darf niemand gleichzeitig Mitglied des Aufsichtsorgan, sowie des Leitungsorgans sein, was auch den Bestimmungen des deutschen Aktiengesetzes entspricht. Allerdings ist es, nach Art. 47 Abs. 1 SE-VO, möglich, dass eine Gesellschaft, oder eine andere juristische Person, Mitglied eines Organs sein kann, wenn das nationale Recht des Sitzstaates der SE nichts anderes bestimmt. Solch eine Ausgestaltung hinsichtlich der Beteiligung an Organen sieht das deutsche Aktiengesellschaftsrecht gemäß §§76Abs.3,100Abs.1AktG nicht vor, und ist deshalb ein kleiner Vorteil für die SE, wenn das Sitzland diese Gestaltung zulassen sollte.[32]

Es ist darauf hinzuweisen, dass die SE-VO eine starke Leitungsautonomie der Organmitglieder, durch deren persönliche Absicherung, vorgibt. Nach Art.46Abs.1SE-VO, werden diese für einen festgelegten Zeitraum, der 6 Jahre nicht übersteigen kann, bestellt. Im Vergleich mit dem deutschen Aktiengesellschaftsrecht scheint es keine großen Unterschiede zu geben, beinhaltet aber auch, dass die Organmitglieder und damit auch die Aufsichtsratmitglieder nicht vorzeitig abberufen werden können. Nach Art.46Abs.2SE-VO können sie auch, in Abhängigkeit der Satzung, mehrfach wiederbestellt werden.[33] Nach deutschem Aktiengesellschaftsrecht, gemäß §84Abs.1AktG, bestellt der Aufsichtsrat die Vorstandsmitglieder auf höchstens fünf Jahre. Eine erneute Bestellung, ebenfalls auf höchstens 5 Jahre, ist genau wie bei der SE auch hier möglich. Allerdings kann nach deutschem Aktienrecht die Bestellung zum Vorstandsmitglied der AG einfacher als bei der SE widerrufen werden. Nach §84Abs.3AktG sind das grobe Pflichtverletzung, Unfähigkeit zur ordnungsmäßigen Geschäftsführung oder Vertrauensentzug durch die Hauptversammlung.

3.2.2 Das Monistische System

Diese hier vorgestellte Verwaltungsstruktur kannte das deutsche Aktienrecht bisher nicht, für die AG ist zwingend die oben beschriebene Variante zu verwenden.

Das monistische Leitungssystem basiert auf der Zusammenlegung der Funktionen von Leitungs- und Aufsichtsorganen, nach Art. 38 lit. b SE-VO, auf ein Verwaltungsorgan. Die Zahl der Mitglieder des Verwaltungsorgans wird dabei, laut Art. 43 Abs. 2 SE-VO, nach der Satzung bestimmt.

An dieser Stelle soll kurz darauf hingewiesen werden, dass die Umsetzung der SE-VO, in geltendes nationales Recht, den Mitgliedstaaten obliegt, die ihre Freiheiten haben, die Hülle einer Europäischen Aktiengesellschaft mit ihren Gesetzen zu füllen. Die Bundesrepublik Deutschland, in ihrer kurzen Geschichte, kannte bislang kein solches System.[34] Dementsprechende Schwierigkeiten stellten sich auch bei der Umsetzung ins nationale Recht, die dann mit umfangreichen Regelungen in §§ 20-49 SEAG erfolgte.[35]

Die BRD hat sich nun für eine Aufteilung der Leitung auf ein Verwaltungsorgan und den so bezeichneten geschäftsführenden Direktoren entschieden. Dieses Konzept entspricht in etwa dem französischen président-directeur général der französischen Societé Anonyme.[36]

Der Verwaltungsrat benennt die Direktoren bzw. den Direktor, der auch Mitglied des Verwaltungsrats sein kann. Diese Direktoren sind, nach §40Abs.2SEAG, für die laufende Geschäftsführung verantwortlich. Der Verwaltungsrat dagegen ist für die „Gesamtleitung“, weil er nach §44Abs.2SEAG den Direktoren Weisungen erteilen kann, und er nach §22Abs.1 SEAG dafür legitimiert wurde, verantwortlich.

Solch eine zentralistisch geprägte Leitungskultur scheint für Tochtergesellschaften internationaler Konzerne als auch für kleine und mittlere Unternehmen geeignet zu sein, zumal die Direktoren jederzeit abberufen werden können.[37]

Auch im monistischen Verwaltungsmodell sind, wie im dualistischen, juristische und natürliche Personen, nach Art.47Abs.1SE-VO, als Organmitglieder zugelassen.

In der deutschen SE wird die Zahl der Mitglieder des Verwaltungsrats nach dem SEAG gemäß §23 bestimmt. Ab einem Grundkapital von mehr als 3 Millionen Euro muss der Verwaltungsrat aus mindestens 3 Personen bestehen. Die Höchstzahl bestimmt sich anhand der Größe des Grundkapitals und beträgt bis zu 1.500.000 Euro neun Mitglieder, bei mehr als diesem Betrag bis zu 10Millionen Euro aus 15 Personen und bei einem Grundkapital größer als 10Millionen Euro aus bis zu 21 Mitgliedern. Der Verwaltungsrat setzt sich dabei gemäß §24Abs.1SEAG zusammen aus den Verwaltungsratsmitgliedern der Aktionäre und, soweit eine Beteiligung der Arbeitnehmer vorgesehen ist, auch aus Verwaltungsratsmitgliedern der Arbeitnehmer.

Das monistische System ist also eine interessante Gestaltungsmöglichkeit für Unternehmen, die stark mehrheitsbestimmt sind, wie zum Beispiel Familienunternehmen, die auch die Vorteile einer Aktiengesellschaft nutzen wollen.

3.3 Mitbestimmung

Die Mitbestimmung hat in Deutschland eine lange Tradition und ist in den einzelnen Mitgliedstaaten der EU sehr unterschiedlich ausgestaltet.

Die Mitbestimmung der Arbeitnehmer in der SE wird durch die SE-Richtlinie[38] und deren Umsetzung im SEBG[39] geregelt. Die Regelungen zur Mitbestimmung waren es auch, die die Verhandlungen zur Einführung einer Europäischen Aktiengesellschaft so lange ins Stocken gerieten ließen. Letztendlich einigte man sich auf den Grundsatz, dass die Mitbestimmung nicht durch ein einheitliches europäisches Modell geregelt wird, sondern dass die SE ein bestehendes Modell nationaler Herkunft übernimmt, es sei denn, ihre Satzung beschließt etwas anderes, wenn Entsprechendes zwischen dem Leitungs- oder Verwaltungsorgan und der Vertretung der Arbeitnehmer ausgehandelt wurde. Diese Verhandlungsrunde wird in der SE-Richtlinie als besonderes Verhandlungsgremium bezeichnet. Prinzipiell ist aber davon auszugehen, dass bei bestehender Mitbestimmung in einer der Gründungsgesellschaften, diese auch in der neuen SE berücksichtigt wird; wenn keine Mitbestimmung vorhanden war, die SE nicht verpflichtet ist, Mitbestimmung der Arbeitnehmer einzuführen.[40] Da Mitbestimmung also „Verhandlungssache“ ist, steht zu befürchten, dass dies auch zu Lasten der Arbeitnehmerbeteiligung missbraucht wird. Allerdings wurden hier verschiedene Regelungen getroffen, um einen solchen Missbrauch zu verhindern. So ist es nach §43SEBG untersagt, den Arbeitnehmern Beteiligungsrechte zu entziehen oder vorzuenthalten, was der §45SEBG mit der Androhung von Freiheitsstrafe bis zu 2 Jahren oder Geldstrafe noch bekräftigt.[41]

Für die Gründung durch Umwandlung gelten zudem weitere Besonderheiten zum Schutz der Arbeitnehmer.[42]

Erwähnenswert ist außerdem, um der internationalen Prägung der Gesellschaft Rechnung zu tragen, dass die Arbeitnehmervertreter im Aufsichts- oder Verwaltungsrat, nach §36Abs.1SEBG, anteilig aus den Mitgliedstaaten, in denen die SE Arbeitnehmer beschäftigt, stammen sollen.

[...]


[1] Laut EG-Verordnung Nr. 2157/2001 Art. 1 Abs. 1.

[2] EG-Verordnung Nr. 2157/2001 des Rates vom 08.10.2001 über das Statut der Europäischen Gesellschaft, weiterhin als SE-VO bezeichnet.

[3] Das sind neben den Mitgliedstaaten der EU Island, Liechtenstein und Norwegen. Die Anwendbarkeit folgt aus dem EWR-Vertrag vom 1. 1. 1994 zusammen mit der Umsetzungsverpflichtung des Gemeinsamen EWR-Ausschusses Nr. 93/2002 v. 25. 6. 2002.

[4] Gesetz zur Ausführung der Verordnung (EG) Nr. 2157/2001; vom 22. Dezember 2004, BGBl. I S. 3675.

[5] Gesetz über die Beteiligung der Arbeitnehmer in einer Europäischen Gesellschaft, vom 22. Dezember 2004, BGBl. I S. 3675, 3686.

[6] Verordnung (EG) Nr. 2157/2001 des Rates vom 8. Oktober 2001 über das Statut der Europäischen Gesellschaft.

[7] Richtlinie 2001/86/EG des Rates vom 8. Oktober 2001 zur Ergänzung des Statuts der Europäischen Gesellschaft hinsichtlich der Beteiligung der Arbeitnehmer.

[8] Siehe auch Entwurf eines Berichts über den Vorschlag für eine Verordnung des Rates über das Statut der Europäischen Gesellschaft (SE), Europäisches Parlament, 1989/0218(CNS)

[9] Wie Fragen der Zuständigkeit, Leitung, Verantwortungsbereiche und Mitbestimmung.

[10] Nicht zu verwechseln mit dem nicht amtlichen Begriff der Ich-AG, der lediglich eine Bezeichnung für Arbeitslose ist, die einen Existenzgründungszuschuss erhalten.

[11] unter bestimmten Umständen ist auch eine Ein-Personen-SE möglich, siehe Becker, Die französische Societas Europaea, AG 19/2005, S. R451 ff.

[12] Zur Begriffsklärung: Grundkapital wird der Wert der ausgegebenen Aktien einer Aktiengesellschaft bezeichnet, das man zur Gründung aufbringen muss, als Stammkapital bezeichnet man die bei einer GmbH von den Gesellschaftern zu erbringende Kapitaleinlage.

[13] siehe auch Casper, Numerus Clausus und Mehrstaatlichkeit bei der SE-Gründung, AG 4/2007, S. 97-105.

[14] die französische Société Anonyme verlangt 37 000 Euro, bzw. 225 000 Euro wenn die Gesellschaft an der Börse notiert; die italienische società per azioni mindestens 120.000 €; und die britische Public Limited Company, mindestens 50.000 £ also rund 72.000 € Grundkapital.

[15] i.S.d. Anhang I der SE-VO, Kommanditgesellschaften auf Aktien sind ausgeschlossen.

[16] i.S.d. Anhang II der SE-VO.

[17] siehe auch Schmidt, „Deutsche“ vs. „britische“ Societas Europaea (SE), JVW 2006, S. 146; ebenso Bayer, in Lutter/Hommelhoff, Europäische Gesellschaft, 25, 31.

[18] siehe auch Schmidt, „Deutsche“ vs. „britische“ Societas Europaea (SE), JVW 2006, S. 144.

[19] Schmidt, „Deutsche“ vs. „britische“ Societas Europaea (SE), JVW 2006, S. 156.

[20] Kals, in Kals/Hügel, SEK, Vor § 17 SEG – Gründung der SE, Rn. 36; Schwarz, SE-VO, Art. 3 Rn. 24.

[21] Schmidt, „Deutsche“ vs. „britische“ Societas Europaea (SE), JVW 2006, S. 378.

[22] Siehe auch, INF 21/2006 S. 833, Die Europäische Aktiengesellschaft (SE): eine Gesellschaftsform (auch) für den Mittelstand.

[23] Nach Heckschen, in: Widmann/Mayer, Umwandlungsrecht, Kommentar, Bonn Stand Juli 2006, Anhang 14, Rz. 379 ff., weil die Umsetzung des Umwandlungsplans, nämlich die Zustimmung durch die Hauptversammlung, der notariellen Beurkundung bedarf und damit das Bedürfnis nach Belehrung der Beteiligten und materieller Richtigkeitsgewähr erfüllt ist; anders dagegen Schwartz, SE-VO, Verordnung (EG) Nr. 2157/2001 des Rates über das Statut der Europäischen Gesellschaft (SE), Kommentar, München 2006, Art. 37, Rz. 29; in der Praxis ist diese Frage mit dem zuständigen Registergericht abzustimmen.

[24] Siehe 5. Mitbestimmung.

[25] Gemäß Art. 18 SE-VO gilt § 192 Abs. 3 UmwG analog; der Verzicht bedarf allerdings der notariellen Beurkundung.

[26] Gemäß Art. 13, 14, 15 SE-VO.

[27] So auch Schmidt, „Deutsche“ vs. „britische“ Societas Europaea (SE), JVW 2006, S.155.

[28] Bezug auf die SE-VOE 1989, Begründung, BT-Drs. 11/5427, S.4 .

[29] Vgl. Hommelhoff, AG 2001, 279, 282; sowie Hirte DStR 2005, 653,657.

[30], Schmidt, „Deutsche“ vs. „britische“ Societas Europaea (SE), JVW 2006, S. 471.

[31] siehe auch Schindler, Europäische Aktiengesellschaft, S. 57; Schwarz, SE-VO, Art. 38 Rn. 10, Art. 59 Rn. 22, Thoma/Leuering NJW 2002, 1448, 1451.

[32] Lutter, Europäische Aktiengesellschaft - Rechtsfigur mit Zukunft?, BB 1/2002, S. 5; Hommelhoff, Einige Bemerkungen zur Organisationsverfassung der Europäischen Aktiengesellschaft, AG 6/2001, S. 283.

[33] Hommelhoff, Einige Bemerkungen zur Organisationsverfassung der Europäischen Aktiengesellschaft, AG 6/2001, S. 283.

[34] Deutschland an sich allerdings schon, aber zu früheren Zeiten, worauf hier aber nicht weiter eingegangen wird.

[35] Schmidt, „Deutsche“ vs. „britische“ Societas Europaea (SE), JVW 2006, S. 584.

[36] Vgl. Article L225-51-1 Code de Commerce, abrufbar unter http://www.legifrance.gouv.fr.; siehe auch Brandt, Ein Überblick über die SE in Deutschland, BB Beilage 13, Heft 8/2005

[37] Siehe Lutter, Die Europäische Aktiengesellschaft - Satzungsgestaltung bei der "mittelständischen SE", BB 46/2005, S. 2474; Wenz, Einsatzmöglichkeiten einer Europäischen Aktiengesellschaft in der Unternehmenspraxis aus betriebswirtschaftlicher Sicht, AG 4/2003, S. 185 ff.; Kallmeyer, Europa-AG: Strategische Optionen für deutsche Unternehmen, AG 4/2003, S. 197 ff.

[38] Richtlinie 2001/86/EG des Rates vom 8. Oktober 2001 zur Ergänzung des Statuts der Europäischen Gesellschaft hinsichtlich der Beteiligung der Arbeitnehmer.

[39] SE-Beteiligungsgesetz, Gesetz über die Beteiligung der Arbeitnehmer in einer Europäischen Gesellschaft, vom 22. Dezember 2004, BGBl. I S. 3675, 3686.

[40] Auch als „Vorher-Nachher-Prinzip“, in Erwägungsgrund Nr. 18 SE-Richtlinie bezeichnet; vgl. auch Nagel, DB 2004, 1299, 1301; sowie Brandt, Ein Überblick über die Europäische Aktiengesellschaft (SE) in Deutschland, BB Beilage 13, Heft 8/2005 S. 4.

[41] Siehe auch Reichert/Brandes, ZGR 2003, 767, 776.

[42] Brandt, Ein Überblick über die Europäische Aktiengesellschaft (SE) in Deutschland, BB Beilage 13, Heft 8/2005 S. 4.

Ende der Leseprobe aus 25 Seiten

Details

Titel
Die Societas Europaea (SE) – eine alternative Rechtsform für grenzüberschreitend tätige Unternehmen?
Hochschule
Helmut-Schmidt-Universität - Universität der Bundeswehr Hamburg  (Betriebswirtschaftslehre, insbesondere Investition, Finanzierung und Betriebswirtschaftliche Steuerlehre)
Veranstaltung
Allgemeine Betriebswirtschaftslehre
Note
1,7
Autor
Jahr
2007
Seiten
25
Katalognummer
V88789
ISBN (eBook)
9783638029742
ISBN (Buch)
9783638927833
Dateigröße
533 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Societas, Europaea, Betriebswirtschaftslehre, Europäische Aktiengesellschaft, SE
Arbeit zitieren
Daniel Drobek (Autor:in), 2007, Die Societas Europaea (SE) – eine alternative Rechtsform für grenzüberschreitend tätige Unternehmen?, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/88789

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