Erst seit Ende der siebziger Jahre des letzten Jahrhunderts widmeten sich die Historiker einem Thema, das bis dahin eher selten und dann auch meist nur von „Insidern“ behandelt wurde: die Euthanasieverbrechen im Nationalsozialismus. Hunderttausende Menschen – darunter viele Kinder und Jugendliche – wurden in einem bis dato ungekannten systematischen Prozess erfasst und getötet, um die „Gesundheit des Volkskörpers“ zu garantieren. Diese Menschen waren vor allem körperlich oder geistig Behinderte, aber auch Verhaltensauffällige, also Kategorien, die nicht in das Weltbild der Nationalsozialisten von der starken Herrenrasse passten. Meist unter Vorwänden wurden Menschen regelrecht zusammen getrieben und systematisch ermordet. Aus dem „Therapieren“ der Krankheiten des Volkskörpers – um bei dieser Wortwahl zu bleiben – wurde eine gnadenlose, systematische Ausmerze aller Krankheitsanzeichen. Diese Entwicklung hatte ihre Wurzeln weit vor der Zeit des Nationalsozialismus und kam dort zumeist in Fachkreisen – in der Ärzteschaft und in der Psychiatrie/ im Heil- und Anstaltswesen – auf. Sie spitzte sich bis zum Ende von Hitlers Regime immer weiter zu und war sozusagen der Ausgangspunkt – oder wenn man so will die „Generalprobe“ – der so genannten Endlösung, der Massenvernichtung von Millionen von Menschen. Unter den Opfern der euphemistisch „Euthanasie“ genannten Vorgänge waren eine sehr hohe Zahl an Kindern und Jugendlichen, die auf Grund angeborener Behinderungen oftmals nur einige Monate alt oder später auf Grund bestimmter Verhaltensmuster als untragbar bezeichnet wurden. Eines der Zentren dieser Mordmaschinerie war dabei Leipzig. Hier gab es mehrere spezielle Einrichtungen, die sich um die eugenischen Maßnahmen „kümmern“ sollten. Vor allem in Bezug auf die Kindereuthanasie war Leipzig zentral: hier wurde das erste Kind getötet, der so genannte „Initialfall“, außerdem waren hier Persönlichkeiten tätig, die in den Entwicklungen eine wichtige Rolle spielten, so z.B. der Arzt Werner Catel.
Die vorliegende Arbeit setzt sich sowohl mit den Ursprüngen der nationalsozialistischen Euthanasie auseinander, als auch mit den Vorgängen während der NS-Diktatur. Einen Schwerpunkt bilden dabei die Entwicklungen in Leipzig und die damit eng verbundenen Vorgänge der Kindereuthanasie.
Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung
2. Begriffe
3. Historische Entwicklungen vor 1933
4. Entwicklungen während des NS-Regimes
4.1 Erste Phase „Prävention und Zwang“
4.2 Zweite Phase „therapeutisches Töten“
4.3 Dritte Phase „Wilde Euthanasie“
5. Euthanasie in Leipzig
6. Kindereuthanasie
6.1 Der Fall „K.“
6.2 Entwicklungen
6.3 Personen
7. Entwicklungen nach 1945
8. Literatur:
1. Einleitung
Erst seit Ende der siebziger Jahre des letzten Jahrhunderts widmeten sich die Historiker einem Thema, das bis dahin eher selten und dann auch meist nur von „Insidern“ behandelt wurde: die Euthanasieverbrechen im Nationalsozialismus. Hunderttausende Menschen – darunter viele Kinder und Jugendliche – wurden in einem bis dato ungekannten systematischen Prozess erfasst und getötet, um die „Gesundheit des Volkskörpers“ zu garantieren. Diese Menschen waren vor allem körperlich oder geistig Behinderte, aber auch Verhaltensauffällige, also Kategorien, die nicht in das Weltbild der Nationalsozialisten von der starken Herrenrasse passten. Meist unter Vorwänden wurden Menschen regelrecht zusammen getrieben und systematisch ermordet. Aus dem „Therapieren“ der Krankheiten des Volkskörpers – um bei dieser Wortwahl zu bleiben – wurde eine gnadenlose, systematische Ausmerze aller Krankheitsanzeichen. Diese Entwicklung hatte ihre Wurzeln weit vor der Zeit des Nationalsozialismus und kam dort zumeist in Fachkreisen – in der Ärzteschaft und in der Psychiatrie/ im Heil- und Anstaltswesen – auf. Sie spitzte sich bis zum Ende von Hitlers Regime immer weiter zu und war sozusagen der Ausgangspunkt – oder wenn man so will die „Generalprobe“ – der so genannten Endlösung, der Massenvernichtung von Millionen von Menschen. Unter den Opfern der euphemistisch „Euthanasie“ genannten Vorgänge waren eine sehr hohe Zahl an Kindern und Jugendlichen, die auf Grund angeborener Behinderungen oftmals nur einige Monate alt oder später auf Grund bestimmter Verhaltensmuster als untragbar bezeichnet wurden. Eines der Zentren dieser Mordmaschinerie war dabei Leipzig. Hier gab es mehrere spezielle Einrichtungen, die sich um die eugenischen Maßnahmen „kümmern“ sollten. Vor allem in Bezug auf die Kindereuthanasie war Leipzig zentral: hier wurde das erste Kind getötet, der so genannte „Initialfall“, außerdem waren hier Persönlichkeiten tätig, die in den Entwicklungen eine wichtige Rolle spielten, so z.B. der Arzt Werner Catel.
Die vorliegende Arbeit setzt sich sowohl mit den Ursprüngen der nationalsozialistischen Euthanasie auseinander, als auch mit den Vorgängen während der NS-Diktatur. Einen Schwerpunkt bilden dabei die Entwicklungen in Leipzig und die damit eng verbundenen Vorgänge der Kindereuthanasie. Da diese jedoch nicht vollständig von dem Gesamtprozess zu trennen sind, soll dieser Betrachtung die Klärung wichtiger Begrifflichkeiten sowie der Blick auf die erwähnten historischen Wurzeln und auf die einzelnen Phasen der Euthanasie vorausgehen. Zuletzt wird der Vollständigkeit halber noch kurz auf Entwicklungen nach Ende des Krieges 1945 eingegangen. Im gesamten Text soll dabei verdeutlicht werden, dass es sich bei diesem Thema nicht um ein rein nationalsozialistisches handelt, sondern demgegenüber die Ärzteschaft einen entscheidenden Teil der Verbrechen mit zu verantworten hat.
2. Begriffe
Um die Vorgänge zu verstehen, müssen im Vorfeld einige zentrale Begrifflichkeiten geklärt werden. Dazu gehören neben Begriffen, wie „Euthanasie“ oder „Eugenik“ vor allem auch die Konzepte des Faschismus bzw. Nationalsozialismus, da meiner Meinung nach die Entwicklungen nur verstanden werden können, wenn man die ideologischen Grundlagen kennt.
Der Faschismusbegriff hat seine Wurzeln in nationalistischen Bewegungen in Italien, die mit dem „Marsch auf Rom“ durch Benito Mussolini am 28. Oktober 1922 zu einer totalitären Einparteiendiktatur in dem Land führten. Faschismus ist sowohl ein politischer Kampfbegriff, als auch ein wissenschaftliches Konzept. Der Begriff leitet sich ab vom lat. fasces – „Bund“ oder „Bündel“, eines der zentralen Symbole der nationalen Bewegungen in Italien. Wurde Faschismus als fascismo zuerst auf Mussolinis Regime bezogen, wurde er später semantisch ausgeweitet auf eine Vielzahl anderer Gruppierungen und Regimes in Europa (Nationalsozialisten, British Fascists, jeunesses patriotes u.a.). Nach dem Zweiten Weltkrieg bezeichnete Faschismus „als Gattungsbegriff überwiegend radikal nationalistische, auf eine umfassende gesellschaftliche Integration, politische Erneuerung und soziale Mobilisierung zielende Bewegungen und Gruppen […], die sich ebenso scharf gegen den marxistischen Sozialismus, Kommunismus und Liberalismus wandten wie gegen die Demokratie und parlamentarisch-pluralistische Regierungssysteme“ (Bauerkämper 2006, S.16).
Der Faschismusbegriff ist sehr widersprüchlich, er wird einerseits als Widerstand gegen Modernisierungsprozesse gesehen, andererseits auch als revolutionäre Kraft. Die verschiedenen faschistischen Regimes sind dementsprechend ebenfalls sehr unterschiedlich, trotzdem gibt es eine Art „Minimal-Definition“. Diese beinhaltet unter anderem das Führerprinzip, den Nationalismusgedanken, Autoritarismus, Militarismus und ein gewaltsames Machtstreben (Gewalt ist als Ziel und Mittel legitimiert) und Elitegedanken. Der deutsche „Radikal-“ oder „Hitlerfaschismus“ muss vom italienischen und anderen faschistischen Regimes abgegrenzt werden, Kennzeichen sind eine Rassenideologie basierend auf dem Sozialdarwinismusgedanken, damit verbunden der Erneuerungsgedanke (des Volkes), die Ausrottung des jüdischen Volkes, ein übersteigerter Gemeinschaftskult, Totalitarismus, Kulturpessimismus. Die Überlegenheit der deutschen Rasse und die angestrebte rassische Homogenität des deutschen Volkes sind besondere Kennzeichen des Nationalsozialismus. Beide Begriffe sind also eng miteinander verbunden aber nicht deckungsgleich!
Nationalsozialismus ist sowohl Weltanschauung als auch eine politische Bewegung. Nach dem ersten Weltkrieg etablierten sich republikfeindliche, nationale Kräfte, eine davon war die NSDAP, deren Anhänger 1933 – unter Adolf Hitler – in Deutschland eine totalitäre Diktatur schaffen konnten. Damit einher gingen enorme Entwicklungen: die Gleichschaltung sämtlicher politischer, wirtschaftlicher und gesellschaftlicher Institutionen – darunter auch die Ärzteschaft und die Psychiatrie – sowie die Unterordnung des Individuums unter die Volksgemeinschaft. Gerade die letztgenannten Gruppen schienen sich aber gar nicht erst dagegen zu wehren, sondern verstanden dies vielmehr als eine Chance ihre sozialhygienischen und rasseideologischen Vorstellungen unter verbesserten Umständen umzusetzen. Grundlegend für den so genannten „Führerstaat“ waren ein völkisch-rassischer Nationalismus, sowie Bestrebungen, wie Imperialismus, Antisemitismus und Militarismus. Ideologiemittelpunkt war die „arische Herrenrasse“, gekennzeichnet von „reinem Blut“, Stärke und Schönheit. Diese war höherwertig im Gegensatz zu anderen Menschenrassen (Rassentheorie) und zu einer Herrschaft über die „Minderwertigen“ bestimmt (dazu zählten Völker, Nationen aber auch Individuen), ebenso zur „Befreiung der Welt vom Judentum“. Das Individuum hatte in dieser Volksgemeinschaft keinerlei Bedeutung, die Gemeinschaft hatte Vorrang vor dem Einzelnen: „Du bist nichts, dein Volk ist alles!“ (Hitler). In dieser Gemeinschaft von gleichgeschalteten, einheitlichen Menschen war kein Platz für Kranke oder Behinderte. Es galt ein „Gesetz des Stärkeren“ entsprechend dem Prinzip des Sozialdarwinismus: Schwache und Kranke wurden ausgemerzt, ihnen (und anderen Gruppen) wurde ein Existenzrecht abgesprochen: „Meine Pädagogik ist hart. Das Schwache muss weggehämmert werden. In meinen Ordensburgen wird eine Jugend heranwachsen, vor der sich die Welt erschrecken wird. Eine gewalttätige, herrische, unerschrockene, grausame Jugend will ich. Jugend muss das alles sein. Schmerzen muss sie ertragen. Es darf nichts Schwaches und Zärtliches an ihr sein. Das freie, herrliche Raubtier muss erst wieder aus ihren Augen blitzen. Stark und schön will ich meine Jugend.“ (Hitler).
Der Begriff Euthanasie stammt aus dem Griechischen und bedeutet wörtlich übersetzt „schöner Tod“. Euthanasie ist ein sehr unscharfer Begriff, dessen Bedeutung nicht eindeutig ist und einen starken Bedeutungswandel durchgemacht hat. Demnach muss der Begriff immer in seinem historischen Kontext gesehen werden.
Erstmals wurde Euthanasie im 5. Jahrhundert v.Chr. als εύθανασία verwendet, in der epikurischen Philosophie mit der Bedeutung eines leichten bzw. schmerzlosen Todes, bei Cicero dagegen eher als guter, ehrenvoller Tod. Mit zunehmender Ausbreitung des Christentums wurde der Begriff bis über das gesamte Mittelalter nicht verwendet. Erst zu Beginn des 17. Jahrhunderts tauchte er erneut auf. Als „euthanasia“ 1605 in einem Werk von Francis Bacon benannt, hat Euthanasie eine völlig andere Bedeutung. Hier wird erstmals von einer ärztlichen Handlung gesprochen, die den Todeskampf (Agonie) eines Sterbenden erleichtern soll. Bis ins 19. Jahrhundert wird der Begriff jedoch von seiner alten Bedeutung, wie des schmerzlosen Todes, überlagert. Im gleichen Jahrhundert erfährt Euthanasie einen erneuten Bedeutungswandel. Hier wird der Begriff als Sterbebegleitung ohne Lebensverlängerung angesehen, eine Beschleunigung des Sterbens wird ausdrücklich abgelehnt, auch wenn dies ein starkes Leiden des Sterbenden bedeutet. Das Leben zu erhalten wird als höchstes Ziel der Medizin gesehen(Hippokratischer Eid).
Diese Überzeugung vertrat man bis zur Wende zum 20. Jahrhundert, dort weitete sich der Begriff dann stark aus, seine Bedeutung kehrte sich geradezu um. Biologistische und rassehygienische Ansätze konnten in Gesellschaftstheorie, Psychiatrie- und Sozialpolitik Fuß fassen. Schon vor dem ersten Weltkrieg setzte eine Kontroverse ein, bei der es vor allem um einen Gesetzesvorschlag von Roland Gerkan ging, der eine Tötung auf Verlangen vorsah. Hier wird Euthanasie erstmals als „Sterbehilfe“ gesehen, und zwar nicht nur bei Agonie, sondern auch bei unheilbar Kranken und Behinderten (deren Krankheit bzw. Behinderung nicht unbedingt zum Tod führen muss), wobei man nicht von einem expliziten Einverständnis des Betreffenden ausging. Die Euthanasiedebatten der Zeit sind stets eng verbunden mit dem Begriff der Sterilisation.
Der bereits erwähnte rassehygienisch-sozialdarwinistische Diskurs, der zu diesem Zeitpunkt in vielen Ländern einsetzte, hatte natürlich auch in Deutschland Fachkreise sowie Öffentlichkeit bewegt. Die Diskussionen um Rassehygiene in Deutschland fanden ihren Anstoß wahrscheinlich in einem Preisausschreiben der Firma Krupp aus dem Jahre 1900 , dieses hatte das Thema „Was lernen wir aus den Prinzipien der Descendenztheorie in Beziehung auf die innerpolitische Entwickelung und Gesetzgebung der Staaten?“(siehe Büttner, 2007). So gab es um die Jahrhundertwende gerade in der Medizin sowie im Anstaltswesen eine zunehmend verschärfte Debatte um den Wert von Menschen, Sterilisationsforderungen setzten auch in kirchlichen Organisationen ein, so in der Inneren Mission. Die Kontroverse erreichte mit der Veröffentlichung einer Schrift von Karl Binding und Alfred Hoche ihren vorläufigen Höhepunkt, der Titel war „Die Freigabe der Vernichtung lebensunwerten Lebens. Ihr Maß und ihre Form.“ (Leipzig, 1920). Schon dieser Titel zeigt, in welche Richtung die Debatten noch führen werden: Euthanasie gilt als Synonym für „schmerzlose Tötung“ (im Gegensatz zum schmerzlosen Tod bisher), sozialdarwinistisches und rassehygienisches Gedankengut nimmt hierbei eine zentrale Stellung ein. Die Bedeutung der Euthanasie geht also weg vom Einzelnen, der von seinem Leid erlöst werden soll, hin zur Eugenik.
Entsprechende Entwicklungen sind in vielen Ländern zu beobachten, nicht nur in Deutschland. Erste Sterilisationen – nicht nur im Kaiserreich – gab es ebenfalls um die Jahrhundertwende. Beispiele für entsprechende Gesetze gab es unter anderem in den USA, Schweden oder Dänemark, die erste Sterilisation in Europa wurde in der Schweiz durchgeführt. In Deutschland dienen die Diskussionen als Legitimationsbasis für den Massenmord im Nationalsozialismus.
Nach 1945 ist der Begriff Euthanasie durch die Entwicklungen im Nationalsozialismus mit einer negativen Konnotation behaftet. Er wird im Kontext des Massenmordes gesehen und nicht als Synonym für die ursprüngliche Begrifflichkeit „Sterbehilfe“. Heute wird der Begriff der Bioethik oftmals als „Nachfolger“ der Euthanasie gesehen, entsprechende Entwicklungen haben sich also bis in die Gegenwart fortgesetzt.
Eng mit dem Begriff der Euthanasie verbunden ist die „ Eugenik “. Die Bezeichnung ist zusammengesetzt aus dem altgriechischen „eu“ (gut) und dem lateinischen „genus“ (Geschlecht) und wird mit Rassenhygiene oder auch Erbhygiene übersetzt. Die deutsche Übersetzung wurde von Alfred Ploetz begründet. Eugenik ist die „historische Bezeichnung für ein ideologisch-wissenschaftliches Konzept, das sich – bezogen auf die Erkenntnisse der Humangenetik – mit Problemen der Verbesserung der Erbanlagen künftiger Generationen befasst. Schon an dem Namen Ploetz wird klar, dass die Initiativen in diese Richtung vor allem von der deutschen Ärzteschaft ausgingen, aber auch von der Wissenschaft und dem Psychiatrie- und Anstaltswesen. Deutlich wird das an dem Beispiel der „Gesellschaft für Rassenhygiene“ die 1905 als erste ihrer Art in Europa gegründet wurde. Sie wurde gegründet von Vertretern aus der Psychiatrie, von Ärzten, Ethnologen, Hygienikern, Genetikern und sogar Zoologen. Im Nationalsozialismus führte die Eugenik u.a. zu Zwangssterilisation von Menschen, denen ‚erbliche Minderwertigkeit’ zugesprochen worden war und bildete schließlich auch mit die ideologische Grundlage für die Vernichtung so genannten ‚lebensunwerten’ Lebens“ (Roche-Lexikon 1998).
Der Begriff wurde 1883 von Francis Galton, einem Vetter Darwins, geprägt. Er verstand darunter eine Wissenschaft, die den Anteil gesunder Erbanlagen durch „Zucht“ gegenüber „erbgeschädigten“ Anlagen zu vergrößern suchte. Dies sollte einerseits durch die Förderung Gesunder und die Verhinderung der Fortpflanzung „Erbkranker“ realisiert werden. Ein Mittel dazu war die Zwangssterilisation. Wie schon oben erwähnt, beruhte die Idee der Eugenik auf den damaligen Kenntnissen auf dem Gebiet der Humangenetik, die vor allem von sozialdarwinistischem Gedankengut geprägt war.
Daher will ich an dieser Stelle auch kurz auf den Begriff des Sozialdarwinismus eingehen. Die Idee des Sozialdarwinismus entstammt, wie der Name schon sagt, dem Konzept des Darwinismus. Dieser besagt, dass es in der Tier- und Pflanzenwelt eine auf Selektion basierende Evolution gibt. Hierbei setzen sich diejenigen Geschöpfe durch, die die größte Anpassungsfähigkeit und somit die größte Überlebenschance haben, dies wird auch oft als „Gesetz des Stärkeren“ bezeichnet. In der komplementären Gesellschaftstheorie (Sozialdarwinismus) wird Selektion ebenfalls als Triebfeder der Evolution gesehen, das Überleben nur der Stärksten ist von zentraler Bedeutung für die gesellschaftliche Entwicklung. Menschen sind von Natur aus ungleich, demnach können im Kampf um die knappen Ressourcen nur die Stärksten überleben – dies sei ein Naturgesetz. Die „arische Herrenrasse“ ist stärker als andere Rassen, deswegen könne nur sie überleben. Behinderte, Juden, Sinti und Roma und andere Gruppen gehören nicht zu dieser überlegenen Rasse, auch wenn sie auf deutschem Boden leben. Diese einseitige Auslegung beachtet jedoch nicht, dass der Mensch als höher entwickeltes Wesen den Evolutionsannahmen nicht mehr so stark untersteht, wie zum Beispiel Tiere – soziale und andere Faktoren haben eine höhere Bedeutung.
Aus dieser Idee wurden rassistische Theorien entwickelt und sie war bestimmend für die Eugenik des Nationalsozialismus.
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- Arbeit zitieren
- Steffen Schönfelder (Autor:in), 2007, Die "Vernichtung lebensunwerten Lebens" oder der Umgang mit Behinderten im Dritten Reich, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/89992
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