Wirtschaftliche und energetische Energieflussbetrachtung der Fernwärmeversorgung der Stadt Wiesbaden


Bachelorarbeit, 2019

67 Seiten, Note: 1,3


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

Abstract

Danksagung

Abbildungsverzeichnis

Abkurzungsverzeichnis

Tabellenverzeichnis

1 Einleitung
1.1 Das Unternehmen
1.2 Motivation
1.3 Relevanz
1.4 Ziel dieser Arbeit

2 Grundlagen
2.1 Beschreibung des Gesamtsystems
2.2 Fernwarmevergleich Deutschland - Wiesbaden
2.3 Warmelastgang
2.4 Das Netz

3 Losungsansatze
3.1 Identifikation der Optimierungspotenziale
3.2 Kennzahlen der Fernwarme
3.2.1 Input-Output-Faktor
3.2.2 Anschlussdichte
3.2.3 SpezifischeVerluste
3.2.4 Vorlaufu. Rucklauf
3.2.5 Durchflusse

4 Praktische Auswertungen
4.1 Datenquellen
4.2 Datenschutz
4.3 Statistische Uberlegungen
4.4 Modell der Warmeprognose
4.5 Monitoring Cockpit

5 Ergebnisse
5.1 Wirtschaftliche Betrachtung
5.1.1 Datengewinnung
5.1.2 Netzsanierung
5.1.3 Analyse des Einsparpotenzials
5.2 Zielabgleich

6 Zukunftsanalyse

7 Diskussion und Fazit

Literaturverzeichnis

Anhangsverzeichnis

Abstract

Diese Bachelorarbeit beschäftigt sich mit der Energieflussbetrachtung der Fern-wärme in Wiesbaden. Dabei wird das gesamte System analysiert, die Optimierungs-potenziale herausgearbeitet und letztlich auch bewertet. Im Bezug darauf wird der Nutzen eines Energiecontrollingportals (ECS) dargestellt und die wichtigsten Kenn-zahlen im Monitoring festgelegt. Weiterhin wird ein statistisches Modell zur Abschät-zung der witterungsbedingten Wärmeabgabe durch eine Regression erstellt, was zur Ermittlung der Lastspitzen dient. Da die Informationsdichte aus dem Netz und der Kunden immer wichtiger wird, müssen diese kontinuierlich fernausgelesen wer-den. Dazu werden Stichproben erhoben und in dieser Arbeit ein Modell für eine geschichtete Stichprobenauswahl erstellt. Basierend auf den Ergebnissen dieser Arbeit werden diese diskutiert und im Gesamtsystem eingeordnet.

Danksagung

Mein besonderer Dank geht an den Betreuer dieser Arbeit seitens der ESWE Ver-sorgungs AG Herrn Dipl.-Ing. Sven-Helge Wilk. Ohne ihn wäre diese Arbeit nicht möglich gewesen, denn er hat mich mit Rat und Tat bei der Erstellung dieser Arbeit unterstützt. Nicht nur seine fachlichen, sondern auch seine emotionalen Stützen und Motivation haben mir sehr bei der Erstellung dieser Bachelorarbeit geholfen. Aber auch seine Kritik hat in mir neue Denkanstöße angeregt, welche mich weiter zum Ziel brachten.

Mein Dank gilt auch Herrn Rupert Wieser, der mich mit seiner Arbeit über Kennzah-len in der Fernwärme an der TH Rosenheim angeregt hat mich auch vermehrt mit dieser Thematik zu beschäftigen.

Nicht zuletzt bedanke ich mich auch bei Herrn Prof. Dr. Gabriel für seine Betreuung dieser Arbeit. Durch den regelmäßigen Kontakt zu ihm hat auch er mich zu neuen Gedankengängen angeregt.

Abbildungsverzeichnis

Abbildung 1 Beteiligungen der ESWE

Abbildung 2: Schlusselfunktionen in der Warmeerzeugung, eigene Darstellung

Abbildung 3 Erzeugerstruktur

Abbildung 4 Erzeugung von Warme aus Primarenergie, eigene Darstellung

Abbildung 5 Schematische Darstellung des Warmekreislaufs, eigene Darstellung

Abbildung 6 Jahreslinie Verbundnetz, eigene Darstellung

Abbildung 7 Jahreslinie Klarenthal, eigene Darstellung

Abbildung 8 Aufbau der Rohrleitung (Horlacher & Helbig, 2018, S. 894)

Abbildung 9 statistische Zusammenfassung der Gruppe A

Abbildung 10 Prognose der Leistung uber einen Tag, eigene Darstellung

Abbildung 11 PDCA-Zyklus, (nach Schellong, 2016)

Abbildung 12 einfache Bewertungsmatrix, eigene Darstellung

Abbildung 13 Kostenbetrachtung Gorlitz, eigne Darstellung

Abbildung 14 gewichtete Bewertungsmatrix, eigene Darstellung

Abkürzungsverzeichnis

ESWE ESWE Versorgungs AG

BlmSchG Bundes-lmmissionsschutzgesetz

ECS Energie Controlling System

KWKG Kraft-Warme-Kopplungsgesetz

BMHKW Biomasseheizkraftwerk

BHKW Blockheizkraftwerk

KWK Kraft-Warme-Kopplung

MVA Mullverbrennungsanlage

EEB EEB Enerko Energiewirtschaftliche Beratung GmbH

HAST Hausanschlussstationen

Tabellenverzeichnis

Tabelle 1 Verbundnetz - Erzeugung und Verteilung

Tabelle 2 Klarenthal - Erzeugung und Verteilung

Tabelle 3 Ist-Stand der Datenquellen, eigene Darstellung

Tabelle 4 Einteilung der Anschlusse in Gruppen

Tabelle 5 Auswertung der Stichproben

Tabelle 6 Potential durch Rohrsanierung

Tabelle 7 monetare Potenzialbewertung

Tabelle 8 Kapitalwert der Rohrsanierung

Tabelle 9 Berechnung der Amortisationszeit

Tabelle 10 Analyse des Einsparpotenzials

1 Einleitung

Die Bachelorarbeit soll auf die Fragestellung eingehen, was der Profit eines ECS (Energie Controlling System) für ESWE bedeutet und wie dieser Profit mittels Bord-mitteln (Änderung der Verhaltensweise) oder Investments genutzt werden kann und dabei die energetischen und wirtschaftlichen Energieflüsse betrachtet und gegebe-nenfalls zu optimiert.

Dazu soll zunächst das Gesamtsystem betrachtet und beschrieben werden. Das bedeutet, dass die Einflussfaktoren auf den Wärmeschöpfungsprozess und den Energiefluss durch ein Monitoring–Cockpit überwacht werden. Durch die dazuge-wonnene Transparenz mithilfe des Monitoring können Erkenntnisse gewonnen wer-den, mit denen die Effizienz gesteigert werden kann.

Mit Verhaltensänderungen in der Erzeugung ist es möglich einen Teil der geforder-ten Transparenz zu steigern, jedoch steigt die Komplexität der Anforderungen mit dem Fortschritt. Das bedeutet, dass ohne einen hohen Grad an Transparenz eine weitere Optimierung der Effizienz ohne Investments nicht zu leisten ist.

Um Erkenntnisse zu schöpfen, sind verlässliche Datenquellen unerlässlich. Diese Datenquellen sind auf der Erzeugerseite, dem Verteilungsnetz und der kundensei-tigen Verhaltensweise zu gewinnen und auszuwerten. Neben der Quelle der Daten spielt auch ihre Qualität eine wichtige Rolle, welche es zu erhalten gilt. Es werden bereits einige Daten aus den Heizkraft- und Heizwerken, beide nachfolgend nur Heizwerke genannt, mit dem Monitoring erfasst. Allerdings sind die kundenseitigen Daten nur jahresweise verfügbar, weshalb ein Pilotprojekt startet, welches die Auf-gabe hat, Lastgangdaten der Kunden zu erfassen, zu übermitteln und im Monitoring sichtbar zu machen. Ebenso müssen die Daten aus den Heizwerken, welche bereits vorliegen bewertet werden und eventuelle Datenlücken erschlossen werden.

Da der qualitative Nutzen des ECS dem Aufwand zum Betrieb gegenübersteht, muss der wirtschaftliche Faktor bewertet werden und durch die gewonnenen Er-kenntnisse und den daraus folgenden Maßnahmen Einsparmöglichkeiten zur Refi-nanzierung aufzeigen.

1.1 Das Unternehmen

Die ESWE Versorgungs AG ist ein in der Landeshauptstadt Wiesbaden ansässiger Energieversorger. Sie ging einst aus den Stadtwerken der Stadt Wiesbaden hervor, woraus sich aus der Abkürzung der Stadtwerke „SW“ phonetisch „ESWE“ ableiten ließ. Seit mehr als 85 Jahren ist die ESWE nunmehr lokaler Energieversorger und versorgt die Kunden mit Wasser, Gas, Strom und Fernwärme. Dabei setzt die ESWE auf drei Säulen: Ökologie, Ökonomie und Technologie. Weiterhin ist das Un-ternehmensklima ein Erfolgsgarant, auf den die ESWE setzt. Aktionäre, Unterneh-mensführung und Belegschaft identifizieren sich mit der ESWE und tragen so moti-viert für eine störungsfreie Versorgung in der Landeshauptstadt bei. Als Aktienge-sellschaft hat die ESWE zwei Aktionäre. Neben der Landeshauptstadt Wiesbaden ist das die Thüga AG, welche 49,38% der Anteile hält und der strategische Partner der ESWE ist. Durch deren Beratung und technisches Knowhow, bietet sie der ESWE Kompetenz zu stetigem Wachstum.

Die ESWE ist mit ihren Beteiligungen und Tochterunternehmen neben der Versor-gung mit Wasser, Gas, Strom und Wärme auch mit der 100%-Telekommunikation-stocher WITCOM breit aufgestellt (siehe Abbildung 1 Beteiligungen der ESWE). Im Rahmen der Energiegewinnung aus Erneuerbaren Energien runden die Beteiligun-gen an Windparkanlagen das Portfolio der ESWE ab. Dabei wird der regionale Markt durch das wachsende Portfolio gestärkt und die Kunden profitieren von den zukunftsweisenden, zum Teil internationalen Forschungs- und Entwicklungsprojek-ten mit dem Ziel durch den Einsatz innovativer Technologien das Klima unserer Städte und unseres Planeten zu verbessern (ESWE Versorgungs AG, Wir über uns).

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 1 Beteiligungen der ESWE

Quelle: eswe-versorgung.de/unternehmen/wir-ueber-uns.html

1.2 Motivation

Durch die Neuanschaffung und im Zuge dessen auch die Einführung des ECS Pro-gramms, kann der Energiefluss und die dabei erzeugt Wärme gut abgebildet wer-den. Durch die geplante Optimierung ist eine Einsparung des Inputs in Form von Gas, Öl, Strom und zugekaufter Wärme aus Biomasse sehr wahrscheinlich. Daraus ergibt sich ein monetärer Mehrwert, der die ESWE sowohl ökologisch als auch öko-nomisch voranbringt. Der Zusammenhang aus dem technischen und wirtschaftli-chen Aspekt fällt genau in das Themengebiet des Wirtschaftsingenieurs. So eignet sich diese Arbeit zur Erlangung des Bachelorgrades im Wirtschaftsingenieurwesen.

1.3 Relevanz

Aus den Erkenntnissen dieser Arbeit soll ein Weg geschaffen werden die Effizienz der Fernwärmeerzeugung und -bereitstellung zu steigern. In einer Zeit, in der die Emissionen aus fossilen Brennstoffen besonders kritisch betrachtet werden, rückt die ökonomische als auch ökologische Gesamtbetrachtung in einen besonderen Fokus. Werden die fossilen Brennstoffe effizienter genutzt, so rückt die Wärmeer-zeugung nicht nur ein Stück weiter zum Optimum, sondern richtet die Fernwärme-erzeugung auch in eine bessere Stellung im Sinne des BImSchG (vgl. §1 Abs. 1 BImSchG). Ebenso bedeutet eine Effizienzsteigerung eine monetäre Einsparung von Finanzmitteln. Neben dem finanziellen Aspekt gilt es natürlich auch mehr Ka-pazitäten in der Wärmeerzeugung, speziell an den Feuerungsanlagen, optimierter zu nutzen. So kann ein Mehrbedarf an Wärme, bzw. Lastmaxima (Lastspitzen) in den kommenden Jahren besser abgedeckt werden. In Abb.1 sind diese Zusammen-hänge graphisch dargestellt und zeigen den Nutzen dieser Bachelorarbeit auf. Der Wirtschaftlichkeitsaspekt steht auf der höchsten Ebene, korreliert aber ebenso mit der Versorgungssicherheit und dem Umwelteinfluss. Dabei sind die Effizienzsteige-rung, die Verbesserung der Kapazitäten und die Flexibilität in der Bereitstellung von Wärme die Schlüsselfunktionen, um o.g. Problem zu lösen (siehe Abbildung 2). Eine Steigerung der Effizienz hat positive Einflüsse auf alle der drei Faktoren. Eine Effizienzsteigerung bedeutet, dass weniger Input (Erdgas-H als fossiler Brennstoff und Strom zur Verteilung im Fernwärmenetz) benötigt wird. Hieraus entsteht selbst-verständlich ein wirtschaftlicher Vorteil, der die Aufwendungen zur Ressourcen-bereitstellung senkt. Da nun weniger fossile Brennstoffe eingesetzt werden müssen, sinken auch die aus der Verbrennung entstehenden Emissionen in die Umwelt. Bi-lanziell betrachtet wird hieraus ein weiterer Nutzen der Umweltverträglichkeit be-dient. Die EU hat sich als Ziel bis 2050 gesteckt, die Emissionsausstöße gegenüber den Werten aus 2008 um 80% zu senken. Dieses Ziel kann natürlich nur erreicht werden, wenn der Anteil der Erneuerbaren Energien (EE) steigt. Im Fall der Fern-wärmeerzeugung in der Landeshauptstadt Wiesbaden wird neben den Feuerungs-anlagen mit fossilen Brennstoffen auch Wärme aus Biomasse gewonnen. Diese Bi-omasse kann als CO2- neutral behandelt werden und wird damit als Erneuerbare Energie betrachtet. So steigt der prozentuale Anteil der EE mit der Senkung des Einsatzes von Erdgas und Erdöl. Es werden bereits mehr als 60% der Fernwärme aus Erneuerbaren Energien und hocheffizienten KWK-Anlagen unter einem Primärenergiefaktor fpe von 0,26 (vgl. konventionelle Gasheizung fpe 1,1; Holzpelletkessel fpe 0,26) erzeugt (EEB Enerko Energiewirtschaftliche Beratung GmbH, 2018).

Die Kapazit ä tsauslastung der Erzeugungsanlagen mit den besten Umwandlungswirkungsgraden zu steigern, eröffnet die Möglichkeit einer wirtschaftlicheren Ausnutzung der Feuerungsanlagen. Das heißt, dass bei mehr Betriebsstunden aus effizienteren Anlagen mit gleichem Input mehr Wärme bereitstellt werden kann. Gleichzeitig bedeutet das, dass die Anlagen mit geringerem Wirkungsgrad nicht betrieben werden müssen.

Durch einen Ausbau der Kapazitäten wird die Versorgungssicherheit erhöht, da das Wärmepotenzial laut Prognosen der ESWE in den kommenden Jahren steigen wird. Mit mehr Kapazitäten, unbeachtet ob eigenerzeugt oder zugekauft, kann schneller und flexibler auf die Lastspitzen und -Schwankungen eingegangen werden. Daraus lässt sich als dritte Schlüsselfunktion die Flexibilit ä t eingrenzen. Die Versorgungssicherheit in der Wärmebereitstellung geht meist zu Last der Umwelt, was durch den Ausbau von EE oder KWK-Anlagen aufgefangen werden kann. Die gesteigerte Flexibilität im Betrieb der Anlagen, lässt so, wie oben beschrieben, einen positiven Einfluss bei gesteigerter Versorgungssicherheit und somit auch Wirtschaftlichkeit zu.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 2: Schlüsselfunktionen in der Wärmeerzeugung, eigene Darstellung

1.4 Ziel dieser Arbeit

Aus der in 1.2 beschriebenen Relevanz ergeben sich konkrete Fragestellungen, die mithilfe dieser Arbeit beantwortet werden sollen. Eine Fragestellung ist, wie genau sich die wirtschaftlichen und energetischen Energieflüsse in der Fernwärme verhal-ten und ob ein Optimierungspotenzial von 1-5% der eigenerzeugten Wärme möglich ist. Aus dieser Frage ergibt sich ein Teilziel – der Herausarbeitung der Optimie-rungspotentiale. Diese Optimierungspotentiale sollen zusammengefasst werden und nach Möglichkeit auch in ihrem Einfluss und der Machbarkeit bewertet werden. Ein weiteres Ziel dieser Arbeit ist die Erstellung eines statistischen Modells, mit des-sen Hilfe Wärmeabnahmen der Kunden in das Gesamtsystem eingeordnet werden sollen. Mit einer genügend großen Stichprobe soll also auf eine Grundgesamtheit geschlossen werden. So wird eine Transparenz in den Teilnetzen der Wärmever-sorgung geschaffen. Ebenso ist ein Ziel dieser Arbeit, eine erste Übersicht über die Zukunftsentwicklung der Fernwärme zu geben, sodass noch weitere Abschlussar-beiten folgen, um aufgedeckte Potenziale zu bearbeiten.

2 Grundlagen

2.1 Beschreibung des Gesamtsystems

Die Stadt Wiesbaden betreibt zusammen mit der Thüga AG die Fernwärmeversor-gung für Wiesbaden. Dabei werden beide Geschäftspartner in der ESWE Versor-gungs AG zusammengeschlossen. Die Landeshauptstadt Wiesbaden hält 50,62 Prozent der Anteile, die Thüga AG die restlichen 49,38 Prozent (ESWE Versorgungs AG, 2019). Das Fernwärmenetz ist nicht im gesamten Stadtgebiet ver-fügbar, sondern an das 109 km lange Fernwärmenetz gebunden. Insgesamt sind ca. 140 MWth Erzeugerleistung im Netz angeschlossen, welche sich aus gasbefeu-erten Kesseln und BHKW-/ Biomasseanlagen (=KWK-Anlagen) zusammensetzen (vgl. Abbildung 3).

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 3 Erzeugerstruktur

Quelle: (EEB Enerko Energiewirtschaftliche Beratung GmbH, 2018)

Im Jahr 2017 wurden über dieses Fernwärmeverbundnetz 250 GWh Wärme an ca. 1200 Endkunden verkauft. An diesem Fernwärmenetz sind sowohl private Haus-halte als auch öffentliche Einrichtungen angeschlossen, welche über die Heizwerke versorgt werden. Diese Heizwerke sind im Stadtgebiet aus der historischen Ent-wicklung des Fernwärmenetzes verteilt und so ergab sich ein immer größer wer-dendes Netz aus Fernwärmeleitungen. Durch das KWK- Gesetz ist die ESWE verpflichtet ihre hocheffizienten Feuerungsanlagen mit Kraft-Wärme-Kopplung un-verzüglich und vorrangig zu betreiben (vgl. §3 Abs. 1 KWKG).

In Wiesbaden wird die Fernwärme hauptsächlich in zwei Bereiche unterteilt:

1. Das Verbundnetz (Primärnetz, 82,98 km Trassenlänge)
2. Klarenthal (Sekundärnetz, 20,06 km Trassenlänge)

Dem Verbundnetz gehören vier Heizwerke an. Diese vier Heizwerke (HW) sind das HW Europaviertel, HW Hainerberg, HW Aukamm und HW Airfield. Das Verbundnetz zeichnet sich durch besondere Merkmale aus. Die in Wiesbaden ansässigen Lie-genschaften der U.S. Army werden mit Fernwärme versorgt. Hierzu bestehen ge-sonderte Verträge, welche bestimmte Abnahmepunkte (=Abrechnungspunkte) defi-nieren. Jenseits dieser Abnahmepunkte wird kein Verlust der Trasse berücksichtigt. Als weitere Besonderheit im Verbundnetz ist das BMHKW zu nennen. Das BMHKW mit einer thermischen Einspeiseleistung von 25 MW erzeugt einen großen Teil der im Verbundnetz verkauften Wärme. Die ESWE kauft hier die aufbereitete Wärme im Netz ab. Dadurch entstehen für die ESWE keine Verluste der Erzeugung. Der benötigte Strom zum Betrieb der Netzpumpen ist ebenfalls schon im Preis beinhal-tet. Diese Erkenntnis ist im Verlauf dieser Arbeit von besonderer Bedeutung. Abbil-dung 4 zeigt den schematischen Prozess der Wärmegewinnung aus Primärener-gien. Der Prozess v.l.n.r. zeigt den Einsatz von Erdgas, Biomethan und/oder Heizöl zum Betrieb von Warmwasserkesseln und BHKWs. Die BHKWs sind, im Gegensatz zu den Warmwasserkesseln, KWK-Anlagen. Durch die Verbrennung von Gas (Erd-gas/ Biomethan) oder Heizöl wird mit einen Generator Strom erzeugt und die Ab-wärme zur Warmwasserbereitung genutzt. Dadurch arbeiten die BHKWs sehr effi-zient mit einem Wirkungsgrad von ca. 80-85%, denn eine getrennte Erzeugung von Strom und Wärme hätte einen signifikant schlechteren Wirkungsgrad. Im Fernwär-menetz werden insgesamt drei BHKWs betrieben. Diese stehen im HW Klarenthal und haben eine Leistung von 5,0 MWel und 5,6 MWth. Der Strom dient neben der Eigenversorgung des Heizwerks auch der Einspeisung in das Stromnetz. Eine Be-sonderheit bei den BHKWs ist die Befeuerung mit Biomethan an zwei von drei An-lagen, weshalb diese das ganze Jahr über betrieben werden. Die Wärme aus Warmwasserkesseln und den eben genannten BHKWs wird dann abzüglich der Umwandlungsverluste aus dem Wärmegewinnungsprozess in das Fernwärmenetz eingespeist. Hierzu sind in jedem Heizwerk Pumpen im Betrieb, welche den nötigen Druck aufbringen, um die Zirkulation des Warmwassers auch am entferntesten Ort des Netzes, genannt der Netzschlechtpunkt, gewährleisten zu können. Das ist nö-tig, da zwischen dem Medium Wasser und der Transportleitung Reibung auftritt. Höhenunterschiede sind aufgrund des geschlossenen Systems nicht zu überwinden (statischer Druck), nur die genannten Reibungsverluste müssen mit dem dynami-schen Druck überwunden werden. Zusätzlich wird, um das Fernwärmenetz ausrei-chend versorgen zu können, Wärme aus dem BMHKW eigespeist.

Durch das thermische Potential zwischen dem Warmwasser in der Trasse und der Bodentemperatur treten Verluste in der Verteilung auf. Diese Verluste werden als Übertragungs- oder Verteilungsverluste bezeichnet und können nicht vermieden werden. Zur Minderung dieser Verteilungsverluste werden erdverlegte Kunststoff-mantelrohre verwendet, welche im Gegensatz zu herkömmlichen Rohrleitungen aus Haubenkanälen die Medien besser gegeneinander isolieren. Nach allen Verlusten, wie bereits beschrieben, wird die Wärme in den einzelnen Liegenschaften abge-nommen. Dabei ist in jeder Liegenschaft ein Wärmeübertrager verbaut, welcher die Wärme aus dem Fernwärmenetz abnimmt und der Liegenschaft zur Verfügung stellt. Jede HAST der Abnehmer hat eine vertraglich festgehaltene Anschlussleis-tung. Das bedeutet, dass die maximale Wärmeabnahme begrenzt ist. Technisch wird das durch Regelventile realisiert, die die Durchflussmenge des Warmwassers und damit auch die maximal nutzbare Wärmeenergie regeln.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 4 Erzeugung von Wärme aus Primärenergie, eigene Darstellung

Dieser Weg (Heizwerk zu Kunde) wird als Vorlauf bezeichnet, der Weg zurück (Kunde zu Heizwerk) als Rücklauf bezeichnet. In Abbildung 5 wird dieser Zusam-menhang schematisch dargestellt. Abbildung 5 zeigt auch die parallele Wärme und Stromerzeugung zwischen den Heißwasserkesseln (links im Bild) und den BHKWs (rechts im Bild). Beide arbeiten mit einem Verbrennungsprozess, weshalb durch die Verbrennung Abwärme entsteht.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 5 Schematische Darstellung des W ä rmekreislaufs, eigene Darstellung

Damit diese Ab(-gas)wärme nicht ungenutzt über den Kamin abgeführt wird, wird mit einem Wärmeübertrager dieses Abgas genutzt, um wieder Wasser aufzuberei-ten und in den Vorlauf einzuspeisen. Der Wärmeübertrager wird auch Economizer genannt und ist eine relativ einfache Möglichkeit den Umwandlungswirkungsgrad zu verbessern.

2.2 Fernw ä rmevergleich Deutschland - Wiesbaden

Dieser Abschnitt soll die Einordnung der Fernwärmenutzung in Wiesbaden in die Nutzung deutschlandweit einordnen. Dies dient zum besseren Verständnis und zur Vergleichbarkeit des Fernwärmenetzes in Wiesbaden.

Im Jahr 2017 wurden 75.118 GWh (Fern-)Wärme in ganz Deutschland an die Kun-den abgegeben. Dabei lagen die durchschnittlichen Wärmeverluste des Netzes bei 12 – 14 % (Werte aus den Jahren 2000-2017). Auch deutschlandweit ist Erdgas mit 71% der größte Primärenergieträger in der Fernwärmeerzeugung (AGFW - Der Energieeffizienzverband für Wärme, Kälte und KWK e.V., 2018).

In Wiesbaden spielt neben Erdgas und Heizöl die Biomasse eine große Rolle. Wie in Tabelle 1 Verbundnetz - Erzeugung und Verteilung zu sehen ist, ist Wärme aus Biomasse der größte Posten der Wärmegewinnung. Aus dieser Tabelle kann man entnehmen, dass die Verteilung, im Vergleich zum Wärmeverlust des Netzes in ganz Deutschland, nur bei 8-11% liegt. Diese Werte sind sehr gut und lassen sich durch gut isolierte Kunststoffmantelrohre mit großem Nenndurchmesser erklären. Nur ganz moderne Netze können auf Werte von 6 – 8% kommen (Horlacher & Helbig, 2018, S. 886). Die Übertragung aus dem Netz Klarenthal in das Verbundnetz kommt aus der wärmeabnahmeschwachen Sommerzeit, in der die KWK-BHKWs weiter betrieben werden und im Netz Klarenthal aufgrund der geringen Nachfrage nicht abgegeben werden können.

Die Umwandlungsverluste betragen ca. 18 – 19%, was einen Umwandlungswir-kungsgrad der Wärmeerzeuger von ca. 80% bedeutet. Kessel auf dem neuesten Stand der Technik können Wirkungsgrade von ca. 90 – 95% erzielen. Da die Kessel im Stadtgebiet Wiesbadens größtenteils nicht mehr auf dem aktuellen Stand sind, lassen sich so diese vermeidlich schlechten Wirkungsgrade von 80% erklären. In-nerhalb der Wärmetauscher in den Heizkesseln entstehen durch den Verbren-nungsprozess Ablagerungen. Diese Ablagerungen verschlechtern den Wärmeüber-gang zwischen den Wärmeübertragungsmedien und wirkt als Isolationsschicht. Trotz des geringen Anteils an Restsalzen im Wasser entstehen auch Ablagerungen im Kessel. Diese isolieren wie auch die Ablagerungen aus der Verbrennung und verhindern einen optimalen Wärmeübergang. Durch regelmäßige Wartung können diese Ablagerungen entfernt werden, um die den Wirkungsgrad des Wärmetau-schers zu verbessern.

Tabelle 1 Verbundnetz - Erzeugung und Verteilung zeigt auch, dass insgesamt 29% der eingesetzten Wärmeenergie auf dem Weg von Erzeugung über Verteilung bis zum Kunden ungewollt abgeführt werden. Das bedeutet, dass 1,29 Anteile Wärme (Input) aufgewendet werden müssen um 1 Anteil Wärme (Output) an den Kunden abzugeben. Diese Kennzahl ist unter 3.2.1 Input-Output-Faktor weiter beschrieben.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Tabelle 1 Verbundnetz - Erzeugung und Verteilung

Betrachtet man allerdings das Sekundärnetz in Klarenthal, so sieht man, dass die Werte nicht zu den innerdeutschen abweichen. Mit 14-15% in den Jahren 2015 bis 2017 liegt das Netz Klarenthal leicht über den Angaben des AGFW. Im Jahr 2018 sind die Verteilungsverluste deutlich gestiegen, was auf eine mögliche Leckage o­der anderweitig beschädigte Rohrleitungen deuten kann. Letztlich kann ein stetiger Anstieg der Übertragungsverluste wahrgenommen werden. Zum Teil stammen die Rohrleitungen in Klarenthal noch aus den 1960er- Jahren, sind also bald 60 Jahre in Betrieb. Die technische Nutzungsdauer dieser Fernwärmeleitungen beträgt ca. 50-60 Jahre, was zeigt, dass eine Sanierung der veralteten Rohrleitungen in den kommenden Jahren unumgänglich ist. Die Isolierungen an diesem Netz sind nicht so gut, wie sie in neuen Rohrleitungen eingesetzt werden und mit steigender Be-triebszeit treten häufiger Undichtigkeiten auf. Auch die Umwandlungsverluste sind höher als im restlichen Stadtgebiet (Verbundnetz) von Wiesbaden. Diese negativen Eigenschaften des Sekundärnetzes und der Erzeugeranlagen in Klarenthal sind ausschlaggebend für die Werte, welche in Tabelle 2 Klarenthal - Erzeugung und Verteilung dargestellt sind.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Tabelle 2 Klarenthal - Erzeugung und Verteilung

2.3 Wärmelastgang

Die Wärmebereitstellung im Verbundnetz aus dem Jahr 2018 wird in der Jahreslinie dargestellt (siehe Abbildung 6). Die Werte sind stundenbasiert und über das Jahr mit 8760 h kumuliert. Auf der Abszisse sind die Jahresstunden in h/a und auf der Ordinate die abgegebene Leistung in MWth aufgetragen.

Dort ist zu erkennen, dass die maximal erforderliche Leistung von 55 MWth nur in wenigen Stunden im Jahr benötigt wird. Deutlich ist auch zu erkennen, dass bei ca. 3000 h/a eine Leistung von mindestens 30 MWth (3000 h/a – 0 h/a) bereitgestellt wurde. Diese charakteristische Kurve in den Einteilungen von stellt die Heizperioden dar. In den Wintermonaten (siehe 1.) wird wesentlich mehr Wärmeenergie benötigt als in den Sommermonaten (siehe 3.). In ungefähr 2000 Stunden pro Jahr (siehe 2.) ist eine Übergangsphase zu erkennen, in der die Be-darfsmenge kontinuierlich und stärker abnimmt, als zur Sommer- oder Winterzeit. In diesem Zeitraum sind besonders die privaten Haushalte ein ausschlaggebender Faktor, da die Präferenz als auch die Wahrnehmung der Raumtemperatur stark va-riiert und so länger bzw. kürzer geheizt wird. Deutlich erkennbar ist eine Grundleis-tung im Wärmenetz von ca. 4 MWth. Diese lässt sich auch bei hohen Außentempe-raturen ablesen, da neben der Raumwärme auch die Warmwasserbereitung einen Teil der Fernwärme ausmacht.

[...]

Ende der Leseprobe aus 67 Seiten

Details

Titel
Wirtschaftliche und energetische Energieflussbetrachtung der Fernwärmeversorgung der Stadt Wiesbaden
Note
1,3
Autor
Jahr
2019
Seiten
67
Katalognummer
V900826
ISBN (eBook)
9783346207982
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Fernwärme, Ingenieur, BWL, Wirtschaft, Energie
Arbeit zitieren
Eric Block (Autor:in), 2019, Wirtschaftliche und energetische Energieflussbetrachtung der Fernwärmeversorgung der Stadt Wiesbaden, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/900826

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