Leseprobe
Geschichtliche Entwicklung
Anfang des 19. Jahrhunderts bildeten sich die ersten sozialen Initiativen heraus. Wirtschaftliche und soziale Verelendung brachten Hungersnot und Arbeitslosigkeit in der Bevölkerung hervor. Dies führte zu wachsenden Anspannungen zwischen den unterschiedlichen gesellschaftlichen Gruppen und Klassen. Die sich daraus entwickelten sozialen Initiativen unterstützten Arme und Waisen dabei die schwierigen Lebenslagen zu bewältigen. Dies sei auch aus der Sicht der gehobenen Klassen notwendig. Dadurch wurde ein öffentlicher Diskurs über soziale Hilfen angeregt und sich mit der weiterführenden Entwicklung einer Profession befasst. In der ersten Entwicklung wurden bildungsreformische Ideen von Vertretern wie Fröbel, von Humboldt und Herbart formuliert. Die Formulierungen können auch als erster Versuch einer Differenzierung zwischen Arbeits- und Handlungsfeldern Sozialer Arbeit verstanden werden.
Die ersten Umsetzungen wurden diesbezüglich von Pestalozzi vorgenommen. Pestalozzi erweiterte das Vorgehen Waisenkindfürsorge durch einen neuzeitlichen Bildungs- und Erziehungsgedanken, der die traditionellen Auffassungen der Armenfürsorge praktisch und theoretisch kommuniziert sowie Grundgedanken der Hilfeleistung und der Erziehung beziehungsweise Bildung systematisch miteinander verknüpft. Die reformpädagogischen Ansätze Pestalozzis wurden von späteren Vertretern weiter verwendet. So befasste sich Wichern mit der Entwicklung einer familienorientierten Anstaltserziehung. Knapp 50 Jahre nach den ersten sozialen Initiativen, also im Jahre 1850, wurde das erste Mal der Begriff der Sozialpädagogik erwähnt. Dieser war dabei noch an interne Diskussionen der Pädagogik gebunden.
Eine Weiterentwicklung fand in der Weimarer Republik statt. Es wurden Verknüpfungen von gesetzlichen Regelungen mit Institutionen angestrebt, was in der Etablierung von Jugend- Wohlfahrts- und Gesundheitsämtern resultierte. In den „Goldenen 20ern“ begünstigte die Aufbruchsstimmung die Herausbildung und Institutionalisierung von Sozialpädagogik. Die Ergebnisse zeigten sich in einer wachsenden Verfügbarkeit von Kindergärten, Erziehungsheimen, Jugendämtern und in der Jugendarbeit. Dadurch wurde auch der Diskurs um die Soziale Arbeit selbst angeregt und so kam es, dass unterschiedliche Vorstellungen zu Sozialer Arbeit kommuniziert wurden. Paul Natorp verstand unter Sozialpädagogik die Erziehung von und durch die Gemeinschaft und setzte sich für die Abkehr von traditionellen Ansichten ein, in der Sozialpädagogik lediglich als Interaktion zwischen zwei Personen diente. Alice Salomon und Gertrud Bäumer befassten sich mit der berufs- und sozialpädagogischen Prägung Sozialer Arbeit. Aloys Fischer verwies auf den Verberuflichungsaspekt und befasste sich mit den Folgen des beruflichen Handelns von Helfen und Erziehen. Hierzu erkannte Herman Nohl, dass eine Verknüpfung unterschiedlicher gesellschaftlicher Einflüsse notwendig ist, um Pädagogik für gesellschaftliche Entwicklung zugänglich zu machen. Er entwickelte daraus eine erste Theorie. Ab 1950 intensivierte man die Suche nach einer disziplinären Konturierung Sozialer Arbeit und ergänzte das bereits erschlossene Wissen um internationale Erkenntnisse. 1970 wurde die Theorieentwicklung durch eine fortschreitende Politisierung und gesellschaftliche Fundierung bestimmt, was zu einer gesellschaftstheoretischen Selbstverständigung führt.
Gegenstand und Begriff
Soziale Arbeit ist ein komplexer Gegenstand, der in seiner Komplexität nur schwer allumfassend zu definieren ist. Sie versucht sich in ein einheitliches Funktionssystem zu rahmen und sich von anderen Systemen, wie dem Rechts- und Gesundheitssystem, abzugrenzen, orientiert sich in ihrem Handeln jedoch an deren Vorgaben. Dies begründet sich zum einen durch eine Vielfalt von Begriffen aus Aspekten der Geschichte, System, Theorie und Praxis. Soziale Arbeit kann verstanden werden als System der Praxis, Qualifikation und der Forschung, was sich in der Ausübung, an der Arbeit am und mit den Klientel versteht. Sie soll diese dazu befähigen, in Zusammenarbeit mit einem/r Sozialarbeiter/in individuelle und nachhaltige Lösungsstrategien für herausfordernde Lebenssituationen zu entwickeln und neue Möglichkeiten durch Hilfestellungen aufzuzeigen. Sie stellt für den/r Sozialarbeiter/in notwendige Kenntnisse, Fertigkeiten und Handlungsmöglichkeiten zur Verfügung, damit dieser sich in einer wachsenden Angebotslandschaft besser zurechtfinden kann. Soziale Arbeit bezieht sich dabei auf verschiedene Handlungsfelder mit Inhalten der Unterstützung, Hilfe, und Beratung. Soziale Arbeit handelt dabei im Sinne des Staates und wird stellvertretend über Institutionen gesteuert. Sie kann dahingehend als ein Praxissystem mit institutionellen Angeboten verstanden werden, das in der Vielschichtigkeit stark gegliedert ist und mit unterschiedlichen Einrichtungen zusammenarbeitet. Soziale Arbeit orientiert das Handeln dabei zum einen an den individuellen Bedürfnissen des Klientels, zum anderen hält sie festgelegte Vorgaben in Form von Regelungen und Gesetzen ein.
Soziale Arbeit kann als eine Art Überbegriff für die Sozialarbeit und Sozialpädagogik gesehen werden. Die Etablierung einer Forschungskultur innerhalb der Sozialen Arbeit hat dazu beigetragen, dass in der jüngsten Entwicklung eine Differenzierung von Sozialarbeit und Sozialpädagogik nicht mehr tragbar ist. Gründe hierfür sind, dass sich die Inhalte aus wissenschaftlichen Fächern, Berufsgruppen und Ausbildungsinhalten sich nicht mehr wesentlich voneinander unterscheiden. Aus historischer Sicht differenzierten sich die Ausdrücke der Sozialarbeit und Sozialpädagogik voneinander.
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