In der westlichen Welt gibt es sicherlich kein bekannteres Gebet als das Vaterunser – also die Worte, die Jesus im Matthäus- und Lukasevangelium spricht, um den Menschen ein Gemeinschaftsgebet zu lehren. Aber inwieweit ist diese Lehre verstanden worden? Wissen alle heutigen Christen mit den Worten des Vaterunsers noch etwas anzufangen, oder ist es zu einem leeren Gebet geworden, das nur aus Tradition in der Liturgie der Kirche erhalten geblieben ist? Oder anders gefragt – wie verständlich sind überhaupt die so leicht dahin gesprochenen Worte dieses Gebets?
Nur ein Beispiel – so heißt es: „Und führe uns nicht in Versuchung!“ Doch hat Jesus wirklich so zu Gott gebetet? An anderen Stellen der Bibel steht nämlich geschrieben, dass der ‚Teufel‘ der Versucher ist und, dass Gott gerade von der Versuchung befreit. Mehr noch: „Niemand sage, wenn er versucht wird, dass er von Gott versucht werde“, steht im Jakobusbrief der Bibel (1, 13). Und Paulus betont: „Bisher hat euch nur menschliche Versuchung getroffen. Aber Gott ist treu, der euch nicht versuchen lässt über eure Kraft, sondern macht, dass die Versuchung so ein Ende nimmt, dass ihr‘s ertragen könnt.“ (1. Kor 10, 13). Dennoch betet die Christenheit in den kirchlichen Konfessionen bis heute zu Gott „Führe uns nicht in Versuchung“. Aber warum – wenn doch Gott ohnehin niemanden in Versuchung führt?
Was also meinte Jesus, als er dieses Gebet sprach – und vor allem, welches Gebet sprach er wirklich? Um sich nun der Ursprungsform des Vaterunsers anzunähern, soll jede Bitte einzeln auf ihren Inhalt und Wortlaut untersucht werden und dann jeweils punktuell entschieden werden, welche Version wahrscheinlich die ursprünglichere ist. Auch wenn sich diese Arbeit vorrangig mit der Fassung des Matthäus befasst – welche ja auch zunächst mit dem Vaterunser in Verbindung gebracht wird, da ihr Wortlaut eher dem des heute üblichen Vaterunsers entspricht – soll auch der Text des Lukas immer wieder zum Vergleich herangezogen werden. Eine Exegese des Vaterunsers in der Fassung des Evangelisten Matthäus kann also nur unter ständiger Berücksichtigung des Lukas-Textes vollständig sein. Anhand eines Übersetzungsvergleiches sollen zunächst Schlüsselworte und Unklarheiten in der Bedeutung gefunden werden. Diese sollen dann im Folgenden diskutiert und – auch im synoptischen Vergleich mit Lukas – auf ihre ursprüngliche Bedeutung durchleuchtet werden. Weiterhin sollen die Übersetzungen der drei bekanntesten Bibelausgaben im jeweiligen Vergleich analysiert werden.
Inhaltsverzeichnis
- I. Einleitung
- II. Textzusammenhang bei Matthäus und Gebets-Gliederung
- Die Anrede
- 1. Bitte
- 2. Bitte
- 3. Bitte
- 4. Bitte
- 5. Bitte
- 6. Bitte
- 7. Bitte
- III. Gattung und Geschichte
- IV. Gebetsanalyse
- V. Doxologie
- VI. Resümee
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Diese Arbeit befasst sich mit der Exegese des Vaterunsers, dem wohl bekanntesten Gebet der westlichen Welt. Die Hauptaufgabe besteht darin, die Ursprungsform und den Wortlaut des Gebets zu erforschen, indem die einzelnen Bitten des Vaterunsers analysiert und mit der Version des Lukasevangeliums verglichen werden.
- Analyse des Wortlauts und des Inhalts jeder einzelnen Bitte
- Vergleich der verschiedenen Versionen des Vaterunsers (Matthäus und Lukas)
- Untersuchung der Gattungszugehörigkeit des Vaterunsers (Bittgebet, Lobgebet)
- Diskussion der Überlieferungsgeschichte des Vaterunsers
- Analyse von Schlüsselwörtern und Unklarheiten in der Bedeutung
Zusammenfassung der Kapitel
- Einleitung: Die Einleitung stellt die Relevanz und Aktualität des Vaterunsers in Frage, indem sie den Leser auf die Bedeutung und die Interpretation des Gebets im heutigen Kontext hinweist. Sie thematisiert außerdem die Schwierigkeit, die Ursprungsform des Gebets zu ermitteln.
- Textzusammenhang bei Matthäus und Gebets-Gliederung: Dieses Kapitel analysiert den Kontext des Vaterunsers im Matthäusevangelium, insbesondere innerhalb der Bergpredigt. Es behandelt die strukturelle Gliederung des Gebets und identifiziert die verschiedenen Bitten und deren eschatologische und anthropologische Bedeutung.
- Gattung und Geschichte: Dieser Abschnitt beleuchtet die Gattung des Vaterunsers und die Überlieferungsgeschichte. Es wird diskutiert, ob es sich um ein Bittgebet oder ein Lobgebet handelt, sowie die Frage nach der Ursprache und Urversion des Gebets.
- Gebetsanalyse: Dieses Kapitel untersucht die einzelnen Bitten des Vaterunsers im Detail. Es werden Schlüsselwörter und Unklarheiten analysiert, und der Vergleich mit der Version des Lukasevangeliums wird gezogen. Der Fokus liegt darauf, die ursprüngliche Bedeutung des Gebets zu verstehen.
Schlüsselwörter
Die Arbeit beschäftigt sich mit zentralen Themen wie der Exegese des Vaterunsers, dem Vergleich der Matthäus- und Lukas-Versionen, der Gattungszugehörigkeit des Gebets, der Überlieferungsgeschichte und der Bedeutung der einzelnen Bitten. Weitere wichtige Schlüsselwörter sind: Bittgebet, Lobgebet, Eschatologie, Anthropologie, Synoptische Evangelien, Aramäisch, Hebräisch, Zwei-Quellen-Theorie, Logien-Quelle Q, Schlüsselwörter, Unklarheiten, Bedeutung, Übersetzungen.
- Arbeit zitieren
- David Liebelt (Autor:in), 2007, Das Vaterunser - Exegese zu Mt. 6, 9-13 mit Bezugnahme auf Lk. 11,2-4, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/90596