Leseprobe
Inhaltsverzeichnis
Abkürzungsverzeichnis
A. Historie und Grundsätzliches zur GmbH
B. Normzweck und Anwendungsbereich des § 43 GmbHG
I. § 43 I GmbHG
1. Legalitätspflicht
2. Ordnungsgemäße Unternehmensleitung
3. Treuepflicht
II. § 43 II GmbHG
1. Adressaten
2. Haftungsbeginn und Haftungsende
3. Pflichtverletzung
4. Verschulden
5. Schaden
III. § 43 III GmbHG
IV. § 43 IV GmbHG
C. Haftung des Geschäftsführers bei unternehmerischen Entscheidungen
I. Ordentliche Geschäftsführung
1. Entscheidungsfindung
2. Abgrenzung zur Fehlentscheidung
II. Corporate Governance
III. Business Judgement Rules
D. Ergebnis
Literaturverzeichnis
Abkürzungsverzeichnis
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
A. Historie und Grundsätzliches zur GmbH
Am 10.05.1892 trat das Gesetz betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung in Kraft, welches damit die Gründung einer GmbH gesetzlich ermöglichte. Bereits im Jahr 1913 existierten fünfmal so viele GmbHs wie AGs. Während die GmbH in der Zeit des Nationalsozialismus einen starken Gründungsrückgang und viele Auflösungen zu verzeichnen hatte, änderte sich dies in den Jahren darauf. Denn in der 1949 gegründeten BRD erlebte die GmbH erneut einen Aufschwung, der ab der Wiedervereinigung Deutschlands nochmals zunahm.1
Diese Entwicklung der GmbH beruht unter anderem auch auf den Vorteilen, die die Wahl dieser Rechtsform mit sich bringt. Denn grundsätzlich ist die Haftung der GmbHGesellschafter, gemäß § 13 GmbHG, auf das von ihnen gestellte Gesellschaftsvermögen beschränkt. Voraussetzung dafür ist, dass sie sich im Rahmen ihrer Rechte und Pflichten bewegen. Gegründet wird eine GmbH gemäß § 1 GmbHG durch eine oder mehrere Personen unter Einbringung des erforderlichen Stammkapitals in Höhe von 25.000 Euro gemäß § 5 I GmbHG.
Gemäß § 13 I, III GmbHG ist die GmbH als juristische Person Trägerin von Rechten und Pflichten. Handlungsfähig wird sie jedoch erst durch die Bestellung wenigstens eines Geschäftsführers. Der Geschäftsführer als solcher ist kein Unternehmer i. S. v. § 14 I BGB und auch kein Kaufmann i. S. v §§1 ff. HGB. Er ist organschaftlicher Vertreter i. S. v. § 164 I BGB einer Handelsgesellschaft.2
Da nur der Geschäftsführer zur Eintragung der GmbH ins Handelsregister berechtigt ist, erfolgt die Bestellung i. d. R. bereits während des Gründungsstadiums. Zum GmbHGeschäftsführer können gemäß § 6 III GmbHG sowohl Gesellschafter als auch nicht beteiligte Dritte bestellt werden soweit sie natürliche, unbeschränkt geschäftsfähige Personen sind (§ 6 II GmbHG). Der Geschäftsführer führt die Geschäfte der GmbH im Innenverhältnis und vertritt sie nach außen sowohl gerichtlich als auch außergerichtlich (§ 35 Abs. 1 GmbHG). Durch interne Beschränkungen durch den Gesellschaftsvertrag oder durch Gesellschafterbeschlüsse ist er stark gebändigt (§ 37 Abs. 1 GmbHG). Somit leitet der Geschäftsführer die GmbH nicht in voller eigener Verantwortlichkeit. Unter Umständen kann er sogar dazu verpflichtet sein die Gesellschafterversammlung damit zu befassen.3
Mithin ist die Bestellung zum Geschäftsführer mit haftungsrechtlichen und strafrechtlichen Risiken verknüpft. Im weiteren Verlauf dieser Arbeit gehe ich auf die Geschäftsführerhaftung gemäß § 43 GmbHG ein. Auf jede einzelne Haftungsfrage einzugehen würde jedoch den Rahmen der Arbeit sprengen. Deshalb werde ich, nachdem der § 43 GmbHG grundsätzlich erklärt ist, auf die Problematik der Haftung aufgrund einer unternehmerischen Fehlentscheidung durch den Geschäftsführer, verstärkt eingehen.
B. Normzweck und Anwendungsbereich des § 43 GmbHG
Zu den im GmbHG explizit geregelten Pflichten gehören u. a., die geschuldeten Anmeldungen zum Handelsregister vorzunehmen, die Pflicht zur Beachtung der Vorschriften über die Aufbringung und Erhaltung des Stammkapitals, die Pflicht zur ordnungsgemäßen Buchführung, Bilanzierung und Vorlage des Jahresabschlusses sowie des Lageberichts, die Erfüllung der Informationspflichten gegenüber den Gesellschaftern, die Pflicht zur Einberufung der Gesellschafterversammlung und die Pflichten in einer Krise der Gesellschaft.4
Gemäß § 43 GmbHG haftet der Geschäftsführer für alle Schäden am Vermögen der GmbH, die er durch eine schuldhafte Pflichtverletzung, also aus einem Handeln in Ausübung seiner Funktion als Geschäftsführer, verursacht. Die Geltendmachung eines Ersatzanspruchs durch die GmbH setzt jedoch einen Gesellschafterbeschluss voraus. Ohne einen solchen Beschluss ist sowohl eine Klage unbegründet, sowie eine freiwillige Leistung rechtsgrundlos. Bei einer Einmann-GmbH ist der Beschluss jedoch ausnahmsweise entbehrlich. Gesellschaftern und Dritten, z. B. Gläubigern, ist es nicht möglich aus § 43 GmbHG Ansprüche geltend zu machen.5
Wie sich der bestellte Geschäftsführer zu verhalten hat und wie er gegenüber der Gesellschaft zu haften hat regelt somit der § 43 GmbHG. Damit ist diese Rechtsnorm die allgemeine Anspruchsgrundlage für Schadenersatzansprüche der Gesellschaft gegenüber dem Geschäftsführer. Jedoch stellt § 43 GmbHG keine abschließende Regelung dar. Neben dieser gibt es noch weitere Vorschriften, die die Pflichten des Geschäftsführers regeln.6
Eine Funktion der Geschäftsführerhaftung ist zunächst die Wiedergutmachung. Somit sollen erlittene Vermögensnachteile ausgeglichen werden. Weiterhin dient sie der Schadensvorbeugung. Durch die drohende persönliche Inanspruchnahme sollen die Geschäftsführer zu größerer Sorgfalt angehalten werden und Schäden sollen vermieden werden. § 43 GmbHG ist somit die zentrale Vorschrift des GmbH-rechtlichen Verantwortlichkeitsrechts. § 43 I GmbHG enthält eine generalklauselartige Umschreibung der Verhaltenspflichten von Geschäftsführern. Im zweiten Absatz der Norm wird die organschaftliche Innenhaftung der Geschäftsführer gegenüber der Gesellschaft behandelt und bildet eine eigene Anspruchsgrundlage. Absatz 3 Satz 1 hebt zwei besonders wichtige Fälle von Pflichtverletzungen hervor. Abs. 3 S. 2 und 3 beschränkt die Dispo- η nibilität der Haftung. In Absatz 4 ist die Verjährung geregelt.7 Weil Geschäftsführer nicht zu den Arbeitnehmern gehören (§ 5 I 3 ArbGG) liegt die Zuständigkeit für Klagen aus § 43 GmbHG bei den ordentlichen Gerichten. Örtlich zuständig ist das Gericht am Sitz der Gesellschaft, da die Geschäftsführer dort regelmäßig ihre organschaftlichen Sorgfaltspflichten erfüllen. Daneben ist der allgemeine Gerichtsstand des Wohnsitzes des Beklagten gegeben. Der besondere Gerichtsstand der unerlaubten Handlung findet dagegen auf Schadensersatzansprüche aus § 43 GmbHG keine ο Anwendung.8
I.§ 43 I GmbHG
§ 43 I GmbHG besagt: “Die Geschäftsführer haben in Angelegenheiten der Gesellschaft die Sorgfalt eines ordentlichen Geschäftsmannes anzuwenden.“ Fraglich ist zunächst, ob § 43 GmbHG ausschließlich für Geschäftsführer gilt. Nach dem Wortlaut des § 43 GmbHG gilt dieser für Geschäftsführer i. S. v. § 6 GmbHG ab Bestellung bis zur Beendigung ihrer Organstellung. Eine Unkenntnis des Bestellten oder des Bestellungsorgans von einem Bestellungsmangel ist für die Haftungsfrage irrelevant. Ebenfalls gilt § 43 GmbHG für stellvertretende Geschäftsführer, Notgeschäftsführer oder Arbeitsdirektoren. Da hier an die formale Stellung und nicht an die tatsächliche Tätigkeit angeknüpft wird, sind auch bloße Strohmanngeschäftsführer von § 43 GmbHG erfasst. § 43 GmbHG ist auch für den faktischen Geschäftsführer analog anwendbar. Nach einer Beendigung der Organstellung haftet der ehemalige Geschäftsführer nur, wenn er nachwirkende Pflichten aus seiner ehemaligen Organstellung verletzt hat. Stellt sich seine vermeintliche Abberufung nachträglich als unwirksam heraus, steht einer Haftung wegen unterlassener Geschäftsführung regelmäßig ein Rechtsmissbrauchseinwand (§ 242 BGB) entgegen. Irrelevant ist auch, ob ein Anstellungsverhältnis besteht. Keine Anwendung findet § 43 GmbHG auf leitende Angestellte und Prokuristen. Ausgenommen von der Haftung sind Geschäftsführer, die wegen Geschäftsunfähigkeit oder Betreuung amtsunfähig sind.9
Unstreitig begründet § 43 I GmbHG einen Sorgfalts- bzw. Verschuldensmaßstab, den der Geschäftsführer bei Erfüllung der ihm obliegenden Pflichten zu beachten hat. In Absatz 1 ist ein allgemeiner Auffangtatbestand für die einzuhaltenden Pflichten des Geschäftsführers enthalten, zu welchen die Legalitätspflicht, die Pflicht zur ordnungsgemäßen Unternehmensleitung und die organschaftliche Treuepflicht gehören. Unter der Pflicht zur sorgsamen Geschäftsführung ist somit zu verstehen, dass der Geschäftsführer im Rahmen des Gesetzes, des Gesellschaftsvertrages, der für die Geschäftsführung verbindlichen Beschlüsse anderer Gesellschaftsorgane und unter Berücksichtigung öffentlicher Interessen die Gesellschaft durch Wahrung von Vorteilen sowie Abwen- dung von Schäden zu führen hat. Diese Pflicht zur sorgfältigen Geschäftsführung nach außen ist von den sogenannten „Jedermanns“-Pflichten abzugrenzen. Unter § 43 I GmbHG fallen nur unternehmerische Tätigkeiten des Geschäftsführers. Eine Handlung, die in gleicher Weise z. B. von einem Dritten vorgenommen werden kann und nicht in der Organhandlung wurzelt, steht in keinem Zusammenhang mit der organschaftlichen Pflicht zur sorgfältigen Geschäftsführung.10
Professor Dr. Dr. h.c. Marcus Lutter hat die Verhaltensanforderungen eines Geschäftsführers in „10 Gebote an den Geschäftsführer“ zusammengefasst: Einhaltung der Gesetze; Einhaltung von Satzung und Geschäftsordnung, Einhaltung der Regeln des Anstellungsvertrags, Einhaltung von Weisungen der Gesellschafter, ordnungsgemäße Organisation der Gesellschaft, Kontrolle der Organisation, regelmäßige Kontrolle der Liquidität und Finanzlage, Vermeidung übergroßer Risiken, Vermeidung bzw. Offenlegung aller Konflikte zwischen Interessen der GmbH und Eigeninteressen des Geschäftsführers sowie sorgfältige Vorbereitung geschäftlicher und unternehmerischer Entscheidun- gen.11
1. Legalitätspflicht
Wie bereits erwähnt, gehört die Legalitätspflicht zu den Pflichten des Geschäftsführers. Zu verstehen ist darunter der äußere Handlungsrahmen, welcher durch Gesetz, Satzung und Beschlüsse anderer Gesellschaftsorgane abgesteckt wird. Die Legalitätspflicht besagt, dass sich der Geschäftsführer bei der Ausführung seines Amtes gesetzestreu zu verhalten hat. Ebenfalls muss er für die Einhaltung des äußeren Handlungsrahmens bei Mitarbeitern und Mitgeschäftsführern sorgen. Dazu müssen erforderliche Strukturen und Prozesse geschaffen werden, wie ein Compliance Managementsystem. Bei Verstößen ist der Geschäftsführer zu Sanktionen, unter Einhaltung der Verhältnismäßigkeit, verpflichtet. Er muss dabei jedoch weit möglichst Nachteile für die Gesellschaft ver- meiden.12
[...]
1 Reckendrees, https://www.bpb.de/nachschlagen/zahlen-und-fakten/deutschlandindaten/ 221354/unternehmen [Zugriff am 14.03.2020].
2 Baumbach/Hueck/ ßeurskens, GmbHG § 6 Rn. 2.
3 Zastov, Die Haftung des GmbH-Geschäftsführers, S. 1-2.
4 MHLS/ Ziemons, GmbHG § 43 Rn. 2.
5 Roth/Altmeppen/ Altmeppen GmbHG § 43 Rn. 37.
6 Erbs/Kohlhaas/ Schaal GmbHG § 43 Rn. 1.
7 MüKoGmbHG/ F/e/scher, GmbHG § 43 Rn. 1 - 2.
8 MüKoGmbHG/ Fleischer, GmbHG § 43 Rn. 334a.
9 Baumbach/Hueck/ Beurskens, GmbHG § 43 Rn. 2-5.
10 BeckOK GmbHG/Ziemons/Pöschke, 41. Ed. 1.11.2019, GmbHG § 43 Rn. 1 - 46.
11 Baumbach/Hueck/ Beurskens, GmbHG § 43 Rn. 46.
12 MHLS/ Ziemons, GmbHG § 43 Rn. 59 - 60.
- Arbeit zitieren
- Florian Wallner (Autor:in), 2020, § 43 GmbHG. Die Haftung der GmbH-Geschäftsführer bei unternehmerischen Fehlentscheidungen, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/911974
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