Der Sozialwissenschaftler Joseph A. Schumpeter sagte in seiner Analyse der deutschen Sozialstruktur von 1929 „Wirtschaftlich ist der Unterschied zwischen der Arbeit der Angestellten und der des sprachüblich so genannten Arbeiters weder begrifflich scharf noch praktisch wichtig." Inwieweit stimmte damals die Aussage tatsächlich? Und was ist heute von dieser Feststellung zu halten? Auf diese Grundfrage möchte ich Antworten finden, indem ich die Entstehung der Angestellten und Arbeiter darstelle, auf ihre jeweilige Entwicklung eingehe und das mehr oder minder gespannte Verhältnis der beiden Gruppen bis zur heutigen Zeit erkläre.
Viele Sozialwissenschaftler haben sich mit den einzelnen Gruppen und deren Spannungsverhältnis beschäftigt und ich werde die für mich relevantesten Thesen zusammentragen und in einen sinnvollen Gesamtzusammenhang bringen.
Inhalt
1 Einleitung
2 Die Angestellten – ihre Entstehung
3 Die Arbeiter – ihre Entstehung
4 Das Verhältnis Angestellte - Arbeiter zu Beginn des 20. Jahrhunderts
5 Daten und Fakten
6 Das Verhältnis Angestellte – Arbeiter im Lauf der Zeit
7 Das Verhältnis Angestellte – Arbeiter heute: ihre Gemeinsamkeiten, ihre Unterschiede
8 Fazit
9 Literaturverzeichnis
1 Einleitung
Der Sozialwissenschaftler Joseph A. Schumpeter sagte in seiner Analyse der deutschen Sozialstruktur von 1929 „Wirtschaftlich ist der Unterschied zwischen der Arbeit der Angestellten und der des sprachüblich so genannten Arbeiters weder begrifflich scharf noch praktisch wichtig.[1] " Inwieweit stimmte damals die Aussage tatsächlich? Und was ist heute von dieser Feststellung zu halten? Auf diese Grundfrage möchte ich Antworten finden, indem ich die Entstehung der Angestellten und Arbeiter darstelle, auf ihre jeweilige Entwicklung eingehe und das mehr oder minder gespannte Verhältnis der beiden Gruppen bis zur heutigen Zeit erkläre.
Viele Sozialwissenschaftler haben sich mit den einzelnen Gruppen und deren Spannungsverhältnis beschäftigt und ich werde die für mich relevantesten Thesen zusammentragen und in einen sinnvollen Gesamtzusammenhang bringen.
2 Die Angestellten – ihre Entstehung
Die Angestelltenhistorie war in Deutschland „schon vor dem ersten Weltkrieg zu einem viel kommentierten und wissenschaftlich untersuchten Phänomen[2] “ geworden. Die Angestelltenentstehung reicht bis in das späte 19. Jahrhundert zurück, doch insbesondere zur Jahrhundertwende bildete sich eine oft als „neue Mittelschicht“ bezeichnete Gesellschaftsform heraus. Sie entstand u.a. einhergehend mit der Entstehung von Kaufhäusern[3] nach Londoner Vorbild (in Berlin bspw. Wertheim, das KaDeWe, Hertie), die einen hohen Bedarf an Angestellten hatten . Angestellte wurden in den Kaufhäusern als Verkäufer, Verwalter, Sachbearbeiter gebraucht und in sämtlichen neu entstehenden Vertriebsbereichen benötigt – Aufgaben, die der klassische Arbeiter so bisher nicht erfüllte. Die Zahl der Angestellten wuchs insbesondere in der Zeit von „etwa 1890 bis 1925 […] überaus rasch von wenigen Prozent auf rund ein Sechstel der Beschäftigten[4] “. Der Anteil der Arbeiter war hingegen leicht rückläufig[5]. Ein zunehmender Verwaltungsaufwand in wachsenden Industriebetrieben (z.B. Siemens) verlangte eine Vielzahl an Angestellten. Die Zahl der unmittelbar in den Produktionsprozessen handwerklich beschäftigten Arbeiter nahm aufgrund der Rationalisierung ab, während in „der Planung, Vorbereitung und Beaufsichtigung der Produktion[6] “ sowie im Verkauf, der Verwaltung und anderen Dienstleistungen immer mehr Angestellte benötigt wurden. Im Unterschied zu den Beamten nahmen die Angestellten nicht die Hoheitsinteressen des Staates wahr, sondern die von einzelnen Unternehmern.
3 Die Arbeiter – ihre Entstehung
Die Frage, seit wenn es Arbeiter gibt, ist kaum zu beantworten. Als Grundlage müsste man zunächst definieren, was einen Arbeiter ausmacht. Gemäß Meyers Lexikon online ist ein Arbeiter „jeder (körperlich oder geistig) arbeitende Mensch; im engeren Sinn jedoch die Lohnarbeiter, die ihre Arbeitskraft dem Arbeitgeber gegen Entgelt zur Verfügung stellen und insbesondere ausführende, oft überwiegend körperliche Arbeit verrichten[7].“ Entstanden also die ersten Arbeiter im Rahmen der Industrialisierung? Kann man nicht schon im Bergbau von Arbeitern (Minenarbeitern) sprechen? Gibt es Arbeit (altdeutsch für „Mühe, Plage[8] “) nicht sogar schon seitdem es Menschen gibt? Denn schon zu Zeiten der Sumerer, Ägypter, Griechen und Römer gab es arbeitende Menschen und Sklaven, die körperliche Arbeiten verrichten mussten. In traditionellen Gesellschaften waren die Proletarier „die besitzlosen Klassen des antiken Roms[9] “, später in der frühzeitlich bäuerlichen Gesellschaft waren es die Lohnarbeiter der Bauern, die ohne eigene Produktionsmittel rechtlich ungebunden waren[10]. Seit der industriellen Revolution ist das Proletariat die Arbeiterklasse, die etwa 1770 zuerst in England entstand und seit ca. 1800 in Deutschland und Frankreich bekannt ist[11].
4 Das Verhältnis Angestellte - Arbeiter zu Beginn des 20. Jahrhunderts
Ein Spannungsverhältnis zwischen den überwiegend körperlich tätigen Arbeitern und den neu hinzukommenden überwiegend geistig arbeitenden Angestellten ergab sich zu Beginn des 20. Jahrhunderts aufgrund des besonderen Angestelltenstatus und dessen Privilegien. Die Angestellten wurden monatlich durch festes Gehalt gem. §64 HGB bezahlt, waren ab 1912 in der eigenen Sozialversicherung für Angestellte versichert[12] sowie durch das Kündigungsschutzgesetz[13] vor Kündigungen länger geschützt. Arbeiter hingegen erhielten einen arbeitsabhängigen Lohn am Ende der Woche und eine Angleichung der Versicherungsverhältnisse vollzog sich erst wesentlich später. Die eigens eingeführte Angestelltenversicherung „trug wesentlich dazu bei, die Abgrenzungen zwischen Arbeitern und Angestellten zu vertiefen.[14] “
Angestellte wollten und sollten sich auch äußerlich eindeutig von den Arbeitern abgrenzen, und so trugen sie stets saubere, ordentliche Kleidung („white collar“), gern Krawatte, um „den räumlichen und sozialen Abstand zur Welt der maschinellen Produktion[15] “ zu zeigen. Der Soziologe Siegfried Kracauer spricht im Verhältnis der Angestellten untereinander sogar von einer „Zuchtwahl, die sich unter dem Druck der sozialen Verhältnisse vollzieht[16] “ und beschreibt einen Angestelltentypus, der sich um Anpassung in jeglicher Hinsicht bemüht. Er spricht von „Normaltypen[17] “, die in Massen besonders in den Großstädten lebten.
Kracauer beschreibt in seinen Essays „Die Angestellten“ von 1930 den Angestellten als „modernsten Sozialcharakter der bürgerlichen Gesellschaft[18] “ Er spricht über die Erkenntnis der Angestellten, keinerlei Selbstbestimmung bei der Arbeit zu haben und diese im „Kunstlicht der Vergnügungsetablissements, das über die Wirklichkeit hinweg blendet[19] “ verdrängen zu wollen. Hatten es die Angestellten von Anfang an schwer, so dass Ablenkung die einzige Befriedigung war? Oder hatten sie sich ihre neue - von den Arbeitern abgegrenzte - Rolle einfach etwas anders, verantwortungsbewusster vorgestellt? In der Literatur zum Thema findet man Hinweise zu den neuen Voraussetzungen, denen Angestellte bei ihrer Einstellung begegneten: Das Abitur wird zunehmend zur Voraussetzung für leitende Angestellte, immer höhere Qualifikationen werden durch die Arbeitgeber verlangt[20]. Eine neue Ausprägung des Ausbildungswesens trug zu einem stärkeren Ausmaß an sozialer Ungleichheit bei und „förderte die frühe und scharfe Durchzeichnung des Arbeiter-Angestellten-Unterschieds.“[21]
Möglicherweise ruft schon die Eingangsvoraussetzung eine zu hohe Erwartung an den zukünftigen Job hervor.
Kracauer nennt als Gruppen der Angestellten[22]:
kaufmännische Angestellte
Büroangestellte
Techniker
Werkmeister
Die Entstehung von Angestellten-Funktionen ist typischerweise durch folgende Sachverhalte begründet:
„durch Delegierung von Unternehmerfunktionen und –tätigkeiten,
durch Abspaltung und vereinfachende Entgliederung der […] Arbeiterfunktionen und –tätigkeiten sowie
(…) infolge sich verändernder technologischer und gesamtgesellschaftlicher Bedingungen.[23] “
5 Daten und Fakten
Die beeindruckende prozentuale Zunahme der Angestellten und relativ starke Abnahme der Arbeiter ist in folgender Tabelle und Grafik dargestellt. Betrachtet man den Trend, so ist dieser für Angestellte positiv und für Arbeiter negativ. Die nachfolgende Tabelle zeigt die Erwerbstätigen nach Stellung im Beruf. Das Diagramm bildet die Tabelle grafisch ab.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abb. 1. – Die Erwerbstätigen nach der Stellung im Beruf[24]
Diagramm 1.- Die Erwerbstätigen nach der Stellung im Beruf, Angaben in %
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
6 Das Verhältnis Angestellte – Arbeiter im Lauf der Zeit
Wie sich das Verhältnis von Angestellten und Arbeitern prozentual entwickelt hat, ist aus Abb.1 zu erkennen. Was das emotionale Verhältnis angeht, den Umgang miteinander und jeweiligen Vorurteile der beiden Gruppen ist nur schwer zu greifen[25]. Höchstwahrscheinlich erreichten gesetzliche Annäherungen zwischen Arbeitern und Angestellten im Lauf der Zeit auch eine emotionale Annäherung, d.h. die gegenseitige Achtung und Anerkennung der Tätigkeiten nahm stetig zu. Nach Einführung des Angestelltengesetzes von 1911, das Angestellten eine getrennte Pensionsversicherung bot, sind insbesondere folgende Entwicklungen hervorzuheben[26]:
[...]
[1] Schumpeter, Josef A. : Die sozialen Klassen im ethnisch homogenen Milieu, 1927, S. 224
[2] König, Mario: Die Angestellten unterwegs, 1991, S.18
[3] Vgl. Berger, Wilhelm: Shopping als Kultur, 2004, S.11/12
[4] König, Mario, a.a.O., S. 18
[5] Vgl. ebd.
[6] ebd., S. 18
[7] Meyers Lexikon online, http://lexikon.meyers.de/meyers/Arbeiter, Download vom 13.01.2006
[8] ebd., http://lexikon.meyers.de/meyers/Arbeit, Download vom 13.01.2006
[9] Lexikon der Fremdwörter, Proletariat, S.246
[10] Vgl. Meyers Lexikon online, http://lexikon.meyers.de/meyers/Proletariat, Download vom 13.10.2006
[11] ebd.
[12] http://www.deutsche-sozialversicherung.de/de/wegweiser/einfuehrung.html, Download vom 14.01.2007
[13] Vgl. König, a.a.O. S.174-190; 1891: Allgemeines deutsches Handelsgesetzbuch schreibt 6wöchige Kündigungsfrist für Handlungsgehilfen vor, 1926: Entstehung des Kündigungsschutzgesetzes für Angestellte; einheitliche Fristen für Arbeiter und Ang. gelten erst seit Oktober 1993 gem. $622 BGB
[14] König, a.a.O., S. 191
[15] ebd., S. 3
[16] Kracauer, Siegfried: Die Angestellten, Allensbach und Bonn 1959, S.18.
[17] ebd., S. 58
[18] Kadritzke, Ulf: White Collar Blues, S. 16
[19] ebd., S.17
[20] Vgl. Kracauer, a.a.O., S.11.
[21] Kocka, Jürgen: Die Angestellten in der deutschen Geschichte 1850-1890, Göttingen 1981, S. 115
[22] Vgl. Kracauer, a.a.O., S. 5
[23] Kocka a.a.O., S.62-63
[24] Zahlen für 1882-1950 Vgl. König, a.a.O., S. 172, Zahlen 1957-2004 Vgl.. Statistisches Bundesamt, absichtlich 5-Jahres-Zeiträume gewählt; Sonstige sind: Selbständige, mithelfende Familienangehörige, Beamte
[25] Auf die besondere Rolle, die den Angestellten im Rahmen des Nationalsozialismus zugeschrieben wird, möchte ich im Rahmen dieser Hausarbeit nicht eingehen
[26] Vgl. König, a.a.O., S. 174-190 (Zahlen bis inkl. 1981)
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