Leseprobe
Inhaltsverzeichnis
I. Einleitung
II. Kennedys These der Schmitt-Rezeption
1. Benjamin und Schmitt
2. Kirchheimer und Schmitt
3. Habermas und Schmitt
3.1 Demokratie bei Habermas und Schmitt
3.2 Legalitat und Legitimitat bei Habermas und Schmitt
III. Schlussbemerkungen
IV. Literaturverzeichnis
I. Einleitung
Von der Person Carl Schmitt und seinen Gedanken geht eine ungeheure Faszination aus. Viele einflussreiche Personen, die in der Anfangszeit der jungen Bundesrepublik Deutschland wirkten, waren Schüler des streitbaren Sauerlanders. Unter ihnen auch anerkannte Staatsrechtler, wie Ernst Forsthoff und Ernst-Wolfgang Böckenförde. Von Letzterem wird sogar gesagt, er sei der „Meisterschüler“1 von Carl Schmitt gewesen.2 Böckenförde raumt auch ein, dass er „(.) viel von Carl Schmitt gelernt [habe] und habe das auch nie verschwiegen.“3 Was ist also der Grund für die Faszination, die von diesem Mann ausging? Was ist der Grund dafür, dass seine Denkansatze und Begriffe so popular werden konnten und noch zum Teil heute den wissenschaftlichen Diskurs mitbestimmen? Sein vermeintlicher „Meisterschüler“ sagte über ihn, dass „[d]iese einzigartige juristische und geisteswissenschaftliche Bildung, die er hatte und seine immensen Kenntnisse, (.) einen [erschlagen konnten].“4 Charisma und Intellekt sind wohl die Faktoren, die die Begeisterung rund um Person Carl Schmitt am ehesten erklaren können. Interessant ist an dieser Stelle die These, dass Schmitt ebenfalls von der heutigen Linken rezipiert wurde.5 Besonders angeschoben wurde die Debatte um diese These durch Ellen Kennedy im Jahr 1986 mit einem Aufsatz, in dem sie die Frage aufwirft, ob die so genannte „Frankfurter Schule“ von Schmitt Ideen übernommen hatte und man deswegen vielleicht von einem „Links- Schmittianismus“ sprechen können.6
Die vorliegende Arbeit will sich im ersten Teil mit den Thesen, die Ellen Kennedy in ihrem Aufsatz Carl Schmitt und die „Frankfurter Schule“. Deutsche Liberalismuskritik im 20. Jahrhundert aufgeworfen hat, auseinandersetzen. Diesen Thesen sollen dann jeweils verschiedene Gegenpositionen aus der Literatur und eigene Positionen gegenübergestellt werden. Im Schlussteil sollen die Erkenntnisse zusammengefasst werden. Zudem soll eine kurze Skizze erstellt werden, inwieweit Carl Schmitt im aktuellen politischen Diskurs wieder an Bedeutung gewinnt.
II. Kennedys These der Schmitt-Rezeption
Wie in der Einleitung bereits geschrieben wurde, stellt Carl Schmitt eine beachtenswerte Persönlichkeit dar, die den wissenschaftlichen Diskurs in der Bundesrepublik Deutschland mit seinen Begriffen gepragt hat. Nach 1945 wurde es ruhig um ihn. Durch seine Rolle im Nationalsozialismus galt er in der jungen Bundesrepublik als beschadigt. Als Schmitt 1985 starb, konnte er nicht ahnen, dass nur ein Jahr spater eine erneute kontroverse Debatte um ihn und seine Thesen entflammen würde. Ellen Kennedy veröffentlichte einen Aufsatz, in dem sie die zentrale These vertrat, dass Theoretiker der so genannten „Frankfurter Schule“ in ihrem Denken wesentlich von Carl Schmitt beeinflusst wurden. Kennedy argumentierte, dass sich Gemeinsamkeiten in den Argumentationen von Walter Benjamin, Otto Kirchheimer und Jürgen Habermas finden liefien, die auf eine Schmitt-Rezeption hindeuten würden.7 Zugleich verweist Kennedy aber auch darauf, dass keiner dieser aufgeführten Theoretiker Wertvorstellungen von Carl Schmitts Argumentation übernommen hatte.8 Doch stimmt die These, die Kennedy in ihrem Aufsatz vertritt? Kann Kennedy durch ihre Argumentation überzeugen; kann sie belegen, dass diese Theoretiker tatsachlich die theoretischen Konzeptionen von Carl Schmitt in ihre Theorien miteinfliefien lassen haben? Dem ursprünglichen Aufsatz von Kennedy folgend, widmet sich diese Ausarbeitung nun den angeführten Belegen für die mutmafilich festgestellte Rezeption. Als Erstes soll auf die Argumentation von Kennedy im Fall Walter Benjamin geblickt werden.
1. Benjamin und Schmitt
Der Aufsatz thematisiert eine Rezeption von Schmitt bei Benjamin auf nur vier Seiten.9 Die Kürze der Ausführungen zu dieser Verbindung könnte daher stammen, dass die Belege für eine Rezeption so eindeutig sind, dass dazu nicht mehr auszuführen ist, oder es könnte dafürsprechen, dass die Belege hierfür eher mafiig ausfallen. Das zentrale Argument, dass Kennedy für eine Rezeption von Schmitt bei Benjamin vorbringt ist, dass dieser Carl Schmitt im Zuge der Veröffentlichung seines Buches Der Ursprung des deutschen Trauerspiele s einen Brief schreibt.10 In diesem Brief erklart Benjamin, dass er Schmitts Ideen viel zu verdanken habe. Kennedy schreibt hierzu, dass man hier „(.) Benjamins Bewunderung für Schmitts Arbeiten (.)“11 wahrnehmen kann. Ein weiteres starkes Argument lasst sich aus diesem Sachverhalt konzipieren, wenn man die Vorgange im Jahr 1955 in die Konzeption mit einfliefien lasst. In der ersten Werkausgabe Der Ursprung des deutschen Trauerspieles wurden durch Theodor und Gretel Adorno alle Verweise auf Schmitt gestrichen und in einem durch Adorno und Scholem veröffentlichten Briefwechsel wurde der von Kennedy erwahnte Brief ebenfalls nicht veröffentlicht und somit dessen Existenz verschwiegen.12 Dieses Vorgehen von Adorno und den anderen Beteiligten lasst die Frage entstehen, warum hier so agiert wurde. Sollte etwas vertuscht werden, dass aus Sicht der führenden Theoretiker der „Frankfurter Schule“ nicht seien durfte? Zwar stöfit dieses Vorgehen von Adorno bei einigen Kritikern von Kennedy ebenfalls auf Widerspruch, aber diese sehen an diesem Punkt andere Schwachstellen in der Argumentation von der Verfasserin.13 So bemerkt eben Jay, dass „(.) alle positiven Bemerkungen von Benjamin über Schmitt lange vor jener Zeit lagen, zu der sein höchst kompliziertes und immer distanzierter werdendes Verhaltnis gegenüber dem Institut begann“14 stammen. Des Weiteren führt er aus, dass „in keiner Arbeit, die Benjamin unter Leitung des Instituts veröffentliche, Schmitt jemals positiv zitiert [wurde].15 Die Argumentation von Jay lauft darauf hinaus, dass wenn sich positive Zitationen finden, dann sind diese nicht reprasentativ für sein Wirken innerhalb der Frankfurter Schule. Die Zitation findet vor seinem Eintritt in die „Frankfurter Schule“ statt und man kann aufgrund seines von Jay beschriebenen Verhaltnisses zu eben dieser nicht sagen, dass er ein aufierordentlicher Reprasentant für das Institut war. Auch Alfons Söllner bewertet den angeführten Brief als „harmlos“16. Zudem sei es Kennedy einziger Beweis, den sie für einen Einfluss von Schmitt auf Benjamin anführen können.17
Ein weiterer Punkt, an dem Kennedy eine Beeinflussung Schmitts bei Benjamin gesehen haben möchte, ist, dass dieser ebenfalls als antiliberal eingestuft werden kann.18 Er lehnte die „frivole Oberflachlichkeit (.), die auch Schmitt im Liberalismus zu erkennen glaubte“19, ab. Gegen diesen Punkt argumentiert Söllner. Dies sei nicht Ausdruck einer „(.) Annaherung an den politischen Irrationalismus, sondern umgekehrt (.) das Vorspiel zu seiner Abgrenzung“20. Auch die von Benjamin geaufierte Parlamentarismuskritik und dessen Geschichtsphilosophie unterscheiden sich von Schmitts Positionen hierzu.21 Für Söllner sind dies genügend Belege, die gegen die These der „Analogisierung des Bejaminschen mit dem Schmittschen Denkduktus“22, sprechen. Es lasst sich durch das Verhalten von Benjamin keine Annaherung der „Frankfurter Schule“ an die Ideen von Carl Schmitt feststellen.23
Kennedy schien am Anfang ein starkes Argument auf ihrer Seite zu haben, in dem sie eine direkte Verbindung zwischen Schmitt und Benjamin nachweisen konnte. Auch die Formulierungen des Dankes, die Benjamin in diesem zitierten Brief schrieb, schienen Kennedys These zu stützen. In dem Brief kam ebenfalls ein ausdrückliches Bekenntnis der Rezeption von Seiten Benjamins zu Tage. Hinzu kam die nachtragliche Bereinigung von Verweisen auf Schmitt in Benjamins Buch und das Verschweigen des besagten Briefes in spateren Veröffentlichung durch und aus dem Adorno Umfeld. Die Herangehensweise von Adorno lasst sich nur durch seine persönliche Abneigung gegenüber Schmitt erklaren. Adorno ging es nach Jays Auffassung darum, seinen Freund Benjamin zu entlasten.24 Es ist zudem noch anzunehmen, dass Adorno auch aufgrund seiner eigenen politischen Ansichten diese Schritte unternommen hat. Doch nicht destotrotz erscheinen die Belege, die Kennedy für die These der inhaltlichen Rezeption von Schmitt bei Benjamin liefern kann, und des sich somit unmittelbar ergebenden Einflusses auf die „Frankfurter Schule“, als sehr mafiig. Die Argumentation der Autoren Jay und Söllner erscheint an dieser Stelle schlüssiger. Die Autoren konnten mit Textbelegen nachweisen, dass sich Benjamins Argumentation von Schmitts Argumentation unterscheidet. Aufgrund dessen ist die These von Ellen Kennedy hier zurückzuweisen.
2. Kirchheimer und Schmitt
Der zweiter Theoretiker der „Frankfurter Schuler“, der von Ellen Kennedy in ihrem Aufsatz mit Carl Schmitt in Verbindung gebracht wird, ist Otto Kirchheimer. Ihr Vorgehen bleibt, wie schon zuvor bei Benjamin, das Gleiche. Sie baut ihre Argumentation damit auf, dass sie die direkte persönliche Beziehung der beiden Manner beschreibt. Kirchheimer studierte bei Schmitt und dieser wurde sein Doktorvater.25 Für Kennedy führt diese persönliche Verbindung von Kirchheimer auch unmittelbar zu einer inhaltlichen Rezeption der Ideen des Doktorvaters bei Kirchheimer. Als Beleg für diese These stützt sich Kennedy auf die Dissertation von Kirchheimer, in der dieser die schmittsche Unterscheidung von „wahrer“ und „reprasentativer“ Demokratie aufgriff und weiterentwickelte.26 Auch die Demokratiedefinition von Schmitt, wonach Regierte und Regierende identisch seien sollen, übernahm Kirchheimer für seine Dissertation.27 Des Weiteren rezipierte er die Homogenitatsthese von Schmitt in seiner Arbeit und versuchte zu beweisen, dass diese notwendig Bedingung für das Funktionieren einer Demokratien sei, da sonst Konflikte und Krisen zu erwarten sind.28 Doch nicht nur seine Dissertation lasse den Schluss zu, dass Kirchheimer Schmitt rezipiert habe. Auch dessen Verstandnis vom Rechtsstaat und die ablehnende Haltung gegenüber dem Liberalismus eint Lehrer und Schüler.29 Kennedy spricht von einer „engen Verflechtung ihres Denkens“30. Doch auch sie raumt ein, dass diese Rezeption trotz des Verhaltnisses, das die beiden auch nach 1945 miteinander verband, wahrscheinlich nur bis ins Jahr 1932 nachzuvollziehen ist.31 Danach erfolgte ein Bruch seitens Kirchheimer mit seinem einstigen Lehrer.32 Ausgehend von dieser Feststellung muss man an dieser Stelle die kennedysche These unterteilen. Kennedys These lasst sich dahingehend aufgliedern, dass man bei Kirchheimer eine Schmitt-Rezeption bis in das Jahr 1932 feststellen kann. Danach ist keine Rezeption mehr nachweisbar. Schon an diesem Punkt stellt sich dann aber die Frage, wie Schmitt direkten Einfluss auf die Arbeiten der „Frankfurter Schule“ gehabt haben soll, wenn Kirchheimer sich dieser erst in der Emigration im Jahre 1933 anschloss, also ein Jahr nach dem von der Autorin selbst festgestellten Bruches?
Auch wenn der erste Aufsatz von Kirchheimer für die „Frankfurter Schule“ eine Parallele zu Schmitt enthalt, so ist doch festzustellen, dass die innere Lossagung schon im Vorfeld geschehen ist.33 Auch hier ist aber interessant, dass nach einem Aufsatz von Marcus (Der Kampf gegen den Liberalismus in der totalitaren Staatsauffassung (1934)) alle positiven Verweise auf Schmitt generell aus den Arbeiten der „Frankfurter Schule“ aus den 30er und 40er gestrichen wurden.34 Unabhangig von dieser Argumentation bezweifelt sogar Söllner an dieser Stelle generell eine positive Rezeption von Schmitt bei Kirchheimer. Seine Werke aus der Weimarer Zeit (1928 und 1930) sprechen aus seiner Sicht eher gegen eine unmittelbare Einflussnahme von Schmitt auf den jungen Kirchheimer. Es sei „weit gefehlt, da[ss] Kirchheimer die Schmittsche Gleichsetzung von Demokratie und Homogenitat für sich selber akzeptiere, [es gehe] ihm vielmehr umgekehrt darum, da[ss] die Berufung auf demokratische Ziele für wechselnde soziale Interessengruppen zum Legitimationsmuster wird (.. .).“35 '5 Es seien hier keine Analogien im Denkschema von Kirchheimer und Schmitt festzustellen; Kirchheimer sei vielmehr Marxist als Schmittianer.36 Auch ist Kirchheimer kein so ausgesprochener Antiliberaler, wie Schmitt.37 Vielmehr seien manche Bekenntnisse aus Kirchheimers Buch „Weimar - und was dann?“ dahingehend auszulegen, dass der Marxist Kirchheimer die Demokratie als Mittel zum Klassenkampf verstanden haben möchte.38 Somit würde man bei Kirchheimer keine generelle Ablehnung gegenüber der Demokratie finden, sondern eine Skepsis.39
Genau wie bei Benjamin erhalt Kennedys These der Rezeption von Schmitt bei Kirchheimer dadurch einen Unterbau, dass die beiden Manner eine direkte persönliche Verbindung hatten. In Kirchheimers Fall ist diese Verbindung sogar noch starker ausgepragt, als die von Benjamin zu Schmitt. Das Studium und die Promotion unter Schmitt lassen, wie Kennedy treffend ausführt, von eine sehr nahe Verzahnung der Denkmuster der beiden Manner annehmen. Zu berücksichtigen ist an dieser Stelle das besondere Pragungsverhaltnis von Doktorvater und Schüler, welches im 20. Jahrhundert noch starker ausgefallen sein wird, als es in der heutigen Zeit ist. Auch im Fall Kirchheimer fand, ausgelöst durch einen Aufsatz von Marcus, eine Bereinigung der Arbeiten, u.a. eben auch Arbeiten von Kirchheimer statt. Die Gründe warum die Zitation von Schmitt in den Arbeiten der „Frankfurter Schule“ so unliebsam war, wird in den Aufsatzen leider nicht ausreichend thematisiert. Die Bereinigungen sollen aber von Adorno und Horkheimer ausgegangen sein.40 Es ist interessant, dass die Bereinigung von Texten und das Unterverschluss halten von Arbeiten aus den 30er Jahren in den Anfangsjahren und in den Nachkriegsjahren zur Praxis der „Frankfurter Schule“ zu gehören schien.41
Die Unterteilung der kennedyschen These innerhalb dieses Abschnittes war notwendig, denn hierdurch kann argumentiert werden, dass sie durchaus eine Rezeption von Schmitt bei Kirchheimer bis ins Jahr 1932 nachweisen kann. Die Belege, die Söllner in seinem Aufsatz ausführt, die aus seiner Sicht generell gegen eine Rezeption sprechen, sind nicht eindeutig überzeugend, sodass eine Zurückweisung dieser Teilthese aufgrund fehlender inhaltlicher Fundierung nicht erfolgen kann. Anders als im Fall Benjamin erscheint die persönliche Verbindung hier starker, weswegen m.M.n. von einer inhaltlichen Rezeption bis 1932 ausgegangen werden kann. Mit Gewissheit könnte diese Frage nur dann beantwortet werden, wenn sich Kirchheimer selbst dazu geaufiert hatte. So halten die angeführten Argumente von Kennedy und Söllner m.M.n. aber die Waage. Für den zweiten Teil der These, dass Kirchheimer aber in der „Frankfurter Schule“, und das ist ja die zentrale These, die Kennedy vertritt, schmittianisch gepragt war und diesen auch weiterhin noch rezipierte, ergibt sich aber eine andere Ausgangslage. Kennedy widersprache sich selbst, wenn sie nach dem Jahr 1932 weiterhin davon ausgeht, dass Kirchheimer wahrend seiner Arbeit für die „Frankfurter Schule“ noch Schmittianer war. Sie schreibt selbst, dass der Bruch mit Schmitt „(...) ein Bruch mit seine[n] eigenen früheren Positionen“42 war. Kirchheimer hat sich mit der Distanzierung von Schmitt, auch von seinen eigenen Positionen distanziert und dies bevor er seine Arbeit für die „Frankfurter Schule“ aufgenommen hat. An dieser Stelle hatte Kennedy selbst zu der Konklusion gelangen müssen, dass ihre These einer Einflussnahme auf die „Frankfurter Schule“ durch Rezeption von Kirchheimer scheinbar nicht haltbar sei. Doch einer solchen Einsicht entbehrt der Aufsatz. Spatestens nach 1937 finden sich zudem auch keinerlei Verweise mehr auf Schmitt in seinen Arbeiten.43 Dieser offenkundige Selbstwiderspruch und die Zitiervermessung führen zu einer Zurückweisung der zweiten Teilthese von Kennedy.
3. Habermas und Schmitt
Der letzte Theoretiker, dem Ellen Kennedy eine Verbindung zu Carl Schmitt nachzuweisen versucht, ist Jürgen Habermas. Auf diesen versuchten Nachweis verwendet Kennedy auch die meiste Argumentationsmühe. Auf elf Seiten ihres Aufsatzes führt sie die Parallelen zwischen den Argumentationsmustern von Habermas und Schmitt aus. Diese Parallelen sieht sie vornehmlich beim jeweils verwendeten Demokratiebegriff und beim Verstandnis von Legalitat und Legitimitat. Die Fülle der Ausführungen und der daraufhin eingeworfenen Erwiderungen macht es nötig, einen differenzierten Blick auf die jeweiligen Argumentationen zu werfen.
3.1 Demokratie bei Habermas und Schmitt
Ellen Kennedy sieht in drei Elementen des Demokratiebegriffes von Habermas und Schmitt argumentationsstrukturelle Ahnlichkeiten. Diese drei Elemente sind die Identitat von Regierenden und Regierten, die Funktion des Parlamentes in einer Demokratie sowie die Funktionen der Öffentlichkeit und des Volkes innerhalb der Demokratie. Kennedy sieht in den Argumentationsmustern, derer sich Habermas bedient, gedankliche Anleihen von Schmitt.
[...]
1 Diese Formulierung verwendet Reinhard Mehring in der Carl Schmitt Biografie im Zusammenhang mit Ernst- Wolfgang Böckenförde. Siehe hierzu: R. Mehring, Carl Schmitt, Aufstieg und Fall. Eine. Biographie, C.H. Beck, 2009, München, S. 531.
2 Hierzu: R. Lamprecht, ein furchtbarer Mentor - Carl Schmitt, der Wallfahrtsort Plettenberg und die Schar seiner Jünger; in: myops, C.H. Beck, Ausgabe 15/2012, S. 28-38.
3 E.-W. Böckenförde/ D. Gosewinkel, Wissenschaft, Politik, Verfassungsgericht, Suhrkamp Verlag, 2011, Berlin, S. 360.
4 Dies., Ebd.
5 H. Becker, Die Parlamentarismuskritik bei Carl Schmitt und Jürgen Habermas, 2. Auflage, Duncker & Humbolt, 2003, Berlin, S. 11.
6 Ders., Ebd.
7 E. Kennedy, Carl Schmitt und die „Frankfurter Schule“. Deutsche Liberalismuskritik im 20. Jahrhundert, in: Geschichte und Gesellschaft, Band 12 (1986), Vandenhoeck & Ruprecht (Hrsg.), S. 387.
8 Dies., Ebd.
9 Dies., Carl Schmitt und die „Frankfurter Schule“, S. 388-391.
10 Dies, Carl Schmitt und die „Frankfurter Schule“, S.390.
11 Dies, Carl Schmitt und die „Frankfurter Schule“, S.391.
12 Dies., Ebd.
13 M. Jay, les extrêmes ne se touchent pas. Eine Erwiderung auf E. Kennedy, in: Geschichte und Gesellschaft, Band 13 (1987), Vandenhoeck & Ruprecht (Hrsg.), S. 544f.
14 M. Jay, les extrêmes ne se touchent pas, S. 544.
15 Ders., Ebd.
16 A. Söllner, Jenseits von Carl Schmitt. Wissenschaftsgeschichtliche Richtigstellung zur politischen Theorie im Umkreis der „Frankfurter Schule“, in: Geschichte und Gesellschaft, Band 13 (1987), Vandenhoeck & Ruprecht (Hrsg.), S. 505.
17 Ders., Ebd.
18 E. Kennedy, Carl Schmitt und die „Frankfurter Schule“, S.389.
19 Dies., Ebd.
20 A. Söllner, Jenseits von Carl Schmitt., S. 505.
21 Ders., S. 506.; Ebenfalls: M. Jay, les extrêmes ne se touchent pas, S. 544. Söllner führt an dieser Stelle seines Aufsatzes aus, dass es sich bei der Formulierung „jammervollen Schauspiel“ nicht um eine generelle Parlamentarismuskritik handelt, sondern dass hiermit die Rolle der SPD gemeint war. Des Weitern geht er darauf ein, dass es Benjamin in seiner „Kritik der Gewalt“ um einen Unterscheidung von legitimer und illegitimer Gewalt ging. Dies ware dann das genau Gegenteil der „dezisionistische Anthropologie“ bei Schmitt. Jay sieht in der Verwendung des Begriff des Notstandes eine „ironische Verwendungsabsicht“.
22 Ders., S. 507.
23 M. Jay, les extrêmes ne se touchent pas, S. 545.
24 Ders., Ebd.
25 E. Kennedy, Carl Schmitt und die „Frankfurter Schule“, S. 392.
26 Dies., Carl Schmitt und die „Frankfurter Schule“, S. 393.
27 Dies., Ebd.
28 Dies., Ebd.
29 Dies., Carl Schmitt und die „Frankfurter Schule“, S. 395ff. Vor allem die Freund-Feind-Dichotomie übernimmt Kirchheimer bei seiner Kritik am liberalen Rechtsstaat.
30 Dies., Carl Schmitt und die „Frankfurter Schule“, S. 398.
31 Vgl. Dies., Carl Schmitt und die „Frankfurter Schule“, S. 399f.
32 Dies., Carl Schmitt und die „Frankfurter Schule“, S. 400.
33 M. Jay, les extrêmes ne se touchent pas, S. 545.
34 Dies., Carl Schmitt und die „Frankfurter Schule“, S. 401
35 A. Söllner, Jenseits von Carl Schmitt., S. 510.
36 Vgl. Ders., Ebd.
37 Ders., Jenseits von Carl Schmitt., S. 512.
38 Vgl. Ders., Ebd.
39 Vgl. Ders., Ebd.
40 E. Kennedy, Carl Schmitt und die „Frankfurter Schule“, S. 391; Vgl. A. Söllner, Jenseits von Carl Schmitt., S. 514ff.
41 Zum Unterverschlusshalten der Arbeiten von Adorno und Horkheimer siehe: A. Söllner, Jenseits von Carl Schmitt., S. 516.
42 E. Kennedy, Carl Schmitt und die „Frankfurter Schule“, S. 400.
43 M. Jay, les extrêmes ne se touchent pas, S. 545.