„Auch Worte sind Handlungen“ (Eckermann 2008) nach Johann Peter Eckermann, ein deutscher Schriftsteller und Sekretär von Johann Wolfgang von Goethe. Worte können aber auch Handlungen herbeiführen, ja provozieren. Geschriebene Worte können dazu genutzt werden Handlungen zu erklären oder zu rechtfertigen. Solche Rechtfertigungen – eine Kriegserklärung etwa – sind meist Reaktionen auf Handlungen und demnach, der eben gegebenen Definition entsprechend, wiederum Worte. Diese können – bewusst oder unabsichtlich – falsch verstanden werden. Dafür gibt es zahlreiche Beispiele im Laufe der Geschichte: Die Emser Depesche als Beispiel der ersten bewussten Manipulation einer Pressemitteilung, die zum deutsch-französischen Krieg im Jahr 1870 führt. Oder aber Übersetzungsfehler in den Friedensverhandlungen während des Kosovo-Krieges, die eine Verlängerung der Kampfhandlungen zur Folge haben, um einen Fall aus der neuesten Geschichte zu nennen. Es gibt aber auch Fälle, bei denen keine Folgehandlung provoziert werden sollen, dies aber dennoch von der Gegenseite dankbar aufgenommen und wiederum als Rechtfertigung für die Folgehandlung als Vorwand genommen wird. Die „2000 Worte“ von Ludvik Vaculik während des Prager Frühlings im Jahr 1968 in der damaligen Tschechoslowakei sind so ein Beispiel. Auch wenn die Forderungen in diesen 2000 Worten nicht schärfer oder kritischer sind als in anderen vergleichbaren Manifesten zu dieser Zeit, werden sie dennoch von Seiten der Sowjetunion und deren Verbündeten benutzt, sogar instrumentalisiert, um auf eine Rücknahme der Reformen in der ČSSR zu drängen und später den Einmarsch der Warschauer-Pakt-Staaten zu rechtfertigen.
Diese Überlegungen führen zu einigen interessanten Fragestellungen, die im Verlauf dieser Arbeit beantwortet werden. Vaculiks 2000 Worte werden damals von den Führern der kommunistischen Parteien der Staaten des Warschauer Paktes als Aufruf zur Konterrevolution interpretiert. Die Antwort auf die Frage, ob es sich bei den 2000 Worten um eben einen solchen handelt, soll im Mittelpunkt dieser Arbeit stehen. Dabei werden auch folgende Unterfragen miteinbezogen:
Warum schlagen ausgerechnet die 2000 Worte so hohe Wellen?
Warum ist dies nicht bei anderen, ähnlichen Essays der Fall?
Ist das Manifest eine Provokation der Sowjetunion?
Sind die 2000 Worte Anlass für die Intervention der Warschauer-Pakt-Staaten?
Können „die Intellektuellen“ nicht genug bekommen, d.h. wollen sie noch mehr Reformen?
Inhaltsverzeichnis
- Einleitung: Drei Jahreszeiten und 2000 Worte.
- Einführung in das Thema
- Erläuterung der Fragestellung
- Forschungsstand und Quellenlage
- Aufbau der Arbeit
- Frühling: Zwischen Prag und Moskau 1968.
- Das Aktionsprogramm der KPTsch
- Die Reaktionen aus Moskau
- Sommer: Aufruf zur Konterrevolution?
- Analyse des Wortlautes der 2000 Worte
- Unmittelbare Reaktionen auf die 2000 Worte
- Herbst: Das Ende des Prager Frühlings.
- Das Warschauer Treffen
- Der Einmarsch der Warschauer-Pakt-Staaten.
- Zusammenfassung und Schluss: 2000 Worte zuviel?
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Die vorliegende Arbeit befasst sich mit dem Manifest „2000 Worte“ von Ludvik Vaculik im Kontext des Prager Frühlings 1968. Sie analysiert die Bedeutung dieses Textes im Hinblick auf die Ereignisse in der Tschechoslowakei und insbesondere die Reaktionen der Sowjetunion und ihrer Verbündeten.
- Der Einfluss der „2000 Worte“ auf die politische Entwicklung in der ČSSR.
- Die Interpretation des Manifests durch die Führung der Warschauer-Pakt-Staaten.
- Die Rolle von Vaculiks Text als möglicher Auslöser für die Intervention der Warschauer-Pakt-Staaten.
- Die Frage, ob die „2000 Worte“ einen Aufruf zur Konterrevolution darstellten.
- Die Relevanz von Vaculiks Text im Kontext anderer Reformbestrebungen im Prager Frühling.
Zusammenfassung der Kapitel
Die Arbeit gliedert sich in drei Abschnitte, die sich an den Jahreszeiten des Prager Frühlings orientieren. Kapitel 2 beleuchtet die Ereignisse des „Frühlings“, indem es das Aktionsprogramm der Kommunistischen Partei der Tschechoslowakei (KPTsch) und die Reaktionen der Sowjetunion auf dieses Programm analysiert. Kapitel 3 konzentriert sich auf die „Sommer“-Debatte um die Fortführung des Reformkurses und die unmittelbaren Reaktionen auf die Veröffentlichung der „2000 Worte“. Kapitel 4 schildert den „Herbst“, der mit dem Einmarsch der Warschauer-Pakt-Staaten in die Tschechoslowakei am 21. August 1968 eingeleitet wurde und das Ende des Prager Frühlings markierte.
Schlüsselwörter
Der Prager Frühling, Ludvik Vaculik, 2000 Worte, Konterrevolution, Warschauer Pakt, Reformbewegung, Sowjetunion, Tschechoslowakei, politische Repression, Intervention.
- Arbeit zitieren
- M.A. Sebastian Schäffer (Autor:in), 2008, Ludvik Vaculiks 2000 Worte - Aufruf zur Konterrevolution?, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/91612