Hegemone oder Dominatoren?

Drei Griechische Hegemonialstellungen des 4. Jahrhunderts im Vergleich


Akademische Arbeit, 2019

18 Seiten, Note: 2.0

Anonym


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

Einleitung

Sparta nach dem Peloponnesischen Krieg - Innenpolitik contra Außenpolitik

Die Vorherrschaft Thebens nach der Schlacht bei Leuktra

Athen und Sparta nach der Schlacht bei Mantineia

Fazit

Literaturverzei chnis

Einleitung

Die gesamte Epoche der griechischen Antike zeichnet sich durch Schlachten, Kriege, Konflikte und Machtkämpfe aus. Schon im Abstand von wenigen Jahren ändern sich die Vorzeichen, Interessen und Gleichgewichte zwischen den verschiedenen Poleis. Mit Sparta und Athen gibt es deren zwei, welche bis zum heutigen Tage sinnbildlich für den Kampf um die Vormachtstellung in Griechenland stehen, und das auf sehr unterschiedliche Weise. Während die Spartaner der symbolische Inbegriff von Tugend, Kampfgeist und Stärke1 sind, zeichnen sich die Athener insbesondere durch Geschick und Strategie2 aus. Allzu leicht werden jedoch auch die anderen bedeutenden See- und Heeresmächte Griechenlands im 4. Jahrhundert v. Chr. vergessen, welche zeitweise starken Einfluss auf das Geschehen nehmen konnten, böotische Poleis unter der dortigen Führungsmacht Theben oder später insbesondere Makedonien, um nur zwei von ihnen zu nennen.

Diese Konstellation von einzelnen Akteuren, von welchen jeder auf seine eigene, individuelle Weise den Ausbau der eigenen Macht erstrebt, und sie gerade im vierten Jahrhundert v. Chr. schnelllebig erreichte und oftmals zeitnah wieder verlor, bietet Anlass für eine hinreichende Untersuchung, welche Strategie oder Taktik hierfür die Effizienteste war. In der analysierten Epoche wird sich anhand von drei Beispielen - der Rolle Spartas nach dem Peloponnesischen Krieg, der Rolle Thebens nach der Schlacht bei Leuktra sowie der Rolle Athens und Spartas nach der Schlacht bei Mantineia - schließlich das Bild abzeichnen, dass nahezu jeder untersuchte Akteur, und somit jede als Beispiel angeführte griechische Polis, zumindest für einen kurzen Zeitraum eine hegemoniale Stellung im Vergleich zu den anderen Akteuren hatte. Von da an ausgehend geht es darum, wie sie diese wahrgenommen hat. Mit welcher Härte oder gar Toleranz gegenüber den Besiegten sie ihre erreichte Macht ausspielte und welche Maßnahme sie ergriff, um die Macht zu erhalten oder gar auszubauen. Ein dabei wichtiger Faktor wird die interne politische Situation und das Mitspracherecht des eigenen Bürgers sein, spätestens im Hauptteil unserer Untersuchung wird sich zeigen, wie relevent die demokratische oder autokratische Struktur für den Machterhalt der Polis gegenüber den Eroberten ist.

Die genaue zeitgeschichtliche Abfolge der Geschehenisse soll dabei bis auf die Schlüsselereignisse bewusst im Hintergrund stehen, um sich ganz bewusst auf Analysen zu konzentrieren, welche von historischen Quellen und personalisierten Einblicken ausgehend auch politologische und soziologische Exkurse zulassen sollen. Dabei herauskommen wird letztlich eine Art Struktur verschiedener Typologien und Charakteristika von Macht und Hegemonie, welche in der untersuchten Zeitspanne im antiken Griechenland zugegen und für die Stellung der einzelnen Poleis maßgebend waren. Primärquellen sollen in erster Linie zeitgenössische Schriften darstellen, allen voran das zweite der drei Bücher von Xenophons Hellenika, zitierfähig in einer renommierten deutschen Übersetzung3, allerdings auch Analysen und Interpretationen derselben aus heutiger Forschungsperspektive, hierbei in erster Linie mitilfe der Arbeiten von Martin Jehne4 oder Raimund Schulz5. Normative und themenspezifisch analytisch gefärbte Werke wie die Rezension Oliver Grote oder die modern angelegten Analysen von Christina Wolff runden das Untersuchungsfeld ab.

Ziel dieser Abhandlung wird es sein, Antworten auf die Frage zu liefern, wie stark eine antike, griechische Machtposition sein musste, um denn im Zuge einer Schlacht oder Eroberung erreichten status quo zu erhalten und welche Fehler bei den herangezogenen Beispielen begangen worden sind. Anhand der Beispiele werden wir zu der Erkenntnis kommen, dass selbst auf den ersten Blick unbedeutende Details von Vereinbarungen oder Friedensschlüssen wie im ersten Teil unter anderem der Nikiasfrieden6 einen erheblichen Einfluss auf das Machtgleichgewicht haben und sich nicht selten als entscheidend herausstellen konnten.

Wichtig dabei ist die Abgrenzung der Begriffe Hegemonie und Dominanz. Wieviel Repression stellten die griechischen Poleis um Athen und Sparta zur Schau, um ihre Herrschaftsgebiete zu halten oder gar zu unterdrücken? Wieviel Hegemonie ist für den Fortbestand der eigenen Macht über die Polis sinnvoll und notwendig, wieviel Dominanz und Unterdrückung der Besiegten schädlich? Neben politologischen, polisinternen Faktoren wird es insbesondere im letzten Teil der Abhandlung auch darum gehen herauszufinden, welche positiven und negativen Beispiele für antike Staatendominanz bzw. Hegemonie im Untersuchungszeitraum vorzufinden sind, und zuletzt eine kurze Untersuchung, welche zeitgeschichtlichen Entwicklungen mit nur geringfügig anderer Strategie seitens der Akteure möglicherweise komplett anders abgelaufen wären.

Sparta nach dem Peloponneischen Krieg: Innenpolitik contra Außenpolitik

Als Ansatzpunkt für unsere Frage nach den verschiedenen Typen und Charakteristika antiker griechischer Hegemonie wählen wir ein Ereignis, welches nach einer langen Phase von Kriegen, Schlachten und unsicheren Machtverhältnissen wohl am Ehesten dabei behilflich sein kann, eine Ausgangslage für die fragilen Machtstrukturen zwischen den griechischen Poleis zu finden. Nachdem es den spartanischen Streitkräften, allen voran dank der zum Schlusspunkt schlagkräftigsten Flotte in der Schlacht, gelungen war, das attische Heer im Dekeleisch-ionischen Krieg7 zu besiegen, stellte sich den Machthabern wie allen Sieger eines Krieges die Frage nach dem Umgang mit den Besiegten. Im Falle Sparta zeigten sich dabei gleich mehrere Probleme politischer, bisweilen gar moralischer Natur auf, welche eine klare Linie gegenüber Athen und seinen Verbündeten durchzusetzen sehr schwierig machen sollten. Moralisch in erster Linie deswegen, weil die Spartaner - nachdem sie mit dem Ziel von Freiheit, Solidarität und Unabhängigkeit in die entscheidende Schlacht von Aigospotamoi gegangen waren - den Krieg in bedeutendem Maßen aufgrund der Konsolidierung der Interessen Lysanders8 mit jenen des persischen König Kyros des Jüngeren gewonnen hatte und damit insbesondere kleinasiatische Gebiete vernachlässt hatten.9

Nicht nur, dass die spartanische Führung damit einen lange gehegten Grundsatz brach, sich nur auf territorial naheliegende Gebiete zu beschränken, stellte sich in der Foglezeit auch eine Art Volkseuphorie ein. Die Spartaner gaben sich nicht nur mit dem Sieg über Athen zufrieden, sondern wollten gleichwohl die gesamte Machtssphäre Athens an den eigenen Geltungsbereich annektieren. Die Zuversicht der spartanischen Bürger auf die Fähigkeiten der Führung bewegte sich in besonderem Maße an der Person Lysanders, welcher in puncto Außenpolitik geradezu diktatorische Kompetenzen zugesprochen bekam. Während die Harmosten10 trotz der Gräuel11, welche sie in den ihnen zugeteilten Gebieten forcierten, über längere Zeit in ihrer Zuständigkeit belassen wurden, waren die von Lysander errichteten Dekarchien12 in den unterworfenen Poleis nur von geringer Dauer. Die Athener, deren Befürchtung, als Besiegte ebenso schlecht behandelt zu werden wie sie selbst es als Kriegsgewinner zuvor praktizierten, schien sich zunächst zu bewahrheiten. Die radikale Unterdrückungen der Athener durch Sparta lässt sich in erster Linie auf die Absicht zurückführen, einen langzeitig ebenbürtigen, bisweilen gar überlegenen Rivalen zum Ende einer verlustreichen Zeit zugunsten von Sicherheit endgültig in die Schranken zu weisen. Hierfür spricht auch die nach außen weiterverfolgte, aggressive Expansionspolitik Spartas, welcher die unterworfenen Poleis Heeresfolge zu leisten hatten.13

Ein entscheidender Duktus in der Beurteilung Spartas als Hegemon nach dem peloponneischen Krieg ist der auffallende Unterschied zwischen der innen feststellbaren und der nach außen suggerierten Machtpolitik. Nicht nur am Beispiel des Feldherren Lysander lässt sich anführen, dass das nach außen entschlossene und tyrannische Auftreten Spartas als neue Territorial- und Seemacht intern bei weitem nicht unumstritten war. Die von Pausanias eingeleitete, den Athenern freundlicher gesinntere Verfahrenweise14 bildete zwar keine vollkommene Abkehr von der Unterdrückung der besiegten Poleis, schaffte aber dennoch einen politischen Wandel, welche für den Fortbestand der Hegemonie als essentiell wichtig erweisen sollte. Die Absetzung Lysanders, seine geheimen Pläne zur Rekonstitutierung der supressiven Hegemonie und letztlich auch die Kinadon-Verschwörung15 können in unserer Beurteilung als maßgebliche Vorahnungen gelten, welche als Folge eines politischen wie souveränen Erstarken der attischen Polis nur einen Auflehnungskrieg vorsahen, welcher mit dem Korinthischen Krieg ab 395 v. Chr. dann auch eintreten sollte16. Als markantes, entscheidendes Wechselgewicht erwies sich in dieser Phase Theben, welches vom an höchstens zweitem Rang stehender Unterstützer Spartas während des peloponneischen Krieges innerhalb weniger Jahre auf die Seite Athens übergegangen war und maßgeblich die Machtsphären innerhalb der griechischen Poleis zulasten Spartas verschieben konnte.

Die Lage Spartas mit Ende des Konrinthischen Krieges um 385 v. Chr. Stellte letztliches das politische Dilemma dar, welches sich bereits nach dem hart erkämpften, von hohen Verlusten gezeichneten Sieg im peloponneischen Krieg andeutete. Die mangelnde Stringenz politischer Führung, die Ausbildung zweier Ansichten innerhalb der Regierung, wie mit den besiegten Poleis umzugehen sei, behinderte die Bewältigung innenpolitischer Probleme und insbesondere die Errichtung von neuer Stärke, welche für die angestrebten Expansionspläne von Nöten gewesen wären. Die materiellen Engpässe, die verschobenen Verhältnisse innerhalb der Bervölkerungsgruppen - die durch Kriegsverluste dezidierten Spartiaten waren von den Ungleichen oder Heloten abhängig - sowie das zusammenbrechende Versorgungssystem17 schufen eine unklare Situation, welche selbst für die Erhaltung des spartanischen Kerngebietes eine ernste Bedrohung darstellte. Die interne Lage Sparta konnte also kaum die hegemonialen Ansprüche nach außen rechtfertigen, geschweige denn ein neues Satellitensystem von Kontroll- und Vasallengebieten unterhalten, welches durch die Expansionspolitik insbesondere in den kleinasiatischen Gebieten18 oberstes Ziel sein sollte. Rückblickend stellte sich somit auch der Nikiasfrieden sowie das Abkommen mit Kyros dem Jüngeren19 als Punkte heraus, welche die Überschätzung Spartas durch die eigene Führung sowie den drohenden Niedergang in der griechischen Machtsphäre nicht nur ankündigten, sondern womöglich auch verschärften und beschleunigten. Akteure wie Theben und Korinth, welche sich zwar auf die Seite Spartas schlugen, sich im Kriegsgeschehen selbst jedoch stark im Hintergrund hielten, agierten klüger, in dem sie sich auf eine Situation einstellten, in welcher sowohl Athen als auch Sparta durch ide hohen Verlusten und innenpolitischen Probleme nicht mehr in der Lage sein würden, eine dominierende Rolle einzunehmen, was später auch eintrat.20 Spartas friedenswilliger Einfluss auf den rund 20 Jahre später geschlossenen Königsfrieden schien hierbei sprichwörtlich ein letzter Strohhalm zu sein, eine drohende unbedeutende Position Sparta zu verhindern.

Gerade Theben sorgte mit seiner Weigerung zu den wesentlichen Punkten des Nikiasfrieden zum einen, mit seiner Forderung nach einem radikalen Umgang mit den besiegten Athenern zum anderen in besonderer Weise dafür, dass Sparta seinen Aufgaben als Hegemon nicht mehr gewachsen sein konnte.21 Inwieweit dies beabsichtigt war, um eine eigene hegemoniale Phase einzuläuten, wird hier nicht zu klären sein, ist dennoch ein unterstreichender Gedanke nach der Klassifizierung Sparta als ein griechischer Hegemon, der sich zwar in der Schlacht durchsetzen konnte, seine Machtstellung jedoch im Zuge von innenpolischen und gesellschaftlichen Problemen zunächst nicht behalten konnte.

Die Vorherrschaft Thebens nach der Schlacht bei Leuktra

Während die Spartaner die griechische Vorherrschaft im korinthischen Krieg zunächst erhalten konnten, war von diesem Moment an klar, dass nicht Athen, sondern der frühere Verbündete Theben ein ernstzunehmender Konkurrent Spartas um die Kontrolle über die Peleponnes geworden war. Mit der Wiederbelebung des attischen Seebundes22 unter Bindung der übrigen Poleis an Athen für eine erneute Schlacht gegen Sparta stellten sich auch der ehemalige Gefährte Theben gegen die noch hegemonial angesehenen Spartaner. Die Besetzung der Kadmeia23 und weitere Interventionen gegen die Unterdrückung durch den Hegemon waren erste Signale einer weiteren ernstzunehmenden Veränderungen der Machtverhältnisse. Auffallend ist hierbei, wie diplomatisch und taktisch insbesondere die Thebaner agierten, um nicht ine direkte, radikale Gegenreaktion Spartas auf die ersten Auflehnungen befürchten zu müssen. Die moderate, einer gewaltsamen Auseinandersetzung zunächst zuvorkommende Herangehensweise steht in nur wenig Zusammenhang zu dem harten Forderungen nach einem radikaleren Vorgehen gegen die Athener nach der Niederlage im peloponneischen Krieg24 zum Einen sowie gegenüber des Abkommens des ehemaligen Verbündeten Spartas mit dem Perserreich um die Gebiete in Kleinasien zum Anderen. Ein weiterer wichtiger Punkt in der Betrachtung des Machtausbaus der Thebaner ist in der Folgezeit in den Klauseln des Allgemeinen Friedens25 zu sehen. Dieser stellte sich für Theben als besonders sichere Machtinvestition in die Verbindung mit Athen heraus, da man einerseits auf Heeresfolge sowie Unterstützung im Landkrieg gegen Sparta hoffen und sich andererseits gleichermaßen darauf verlassen konnte, weder von den Spartanern noch von den Athenern in seiner Souveränität und Autonomie bedroht fühlen zu müssen.

[...]


1 Vgl. Giannopoulos:2011:45-60undGrote:2017:l-36.

2 Vgl. Will:2019:240-273.

3 Vgl. die griechisch-deutsche Übersetzung der Hellenika von Gisela Strasburger, angegeben in der Sekundärliteratur.

4 Vgl. Jehne:2004:463-480.

5 Vgl. u.a. Schulz:2003:128-141.

6 Vgl. Jehne:1992:99-116.

7 Vgl. Xen. Hell. II 2,20 f. und Strasburger:2005:95-97 ff.

8 Vgl. Weißenberger:2017:50-91.

9 Vgl. Schmitt:1993:524 ff. und Schulz:2018:647 ff.

10 Vgl. Xen. Hell. III 1,4 und Schulz:2003:128-141.

11 Vgl. Dreher:2012:141.

12 Dekarchien waren Regime in eroberten Gebieten, welche den Spartanern wohl gesinnt waren und ihre Interessenvertraten, vgl. hierzuDreher:2012:134.

13 Vgl. Xen. Hell. II 2,1 - 2,24.

14 Vgl. Xen. Hell. II 4,18-27.

15 Vgl. Xen. Hell. III 3,3-11 undDreher:2012:136-144.

16 Vgl. Welwei:2011:337-345.

17 Vgl. Dreher:2012:140f.

18 Vgl. Dreher:2012:142ff.

19 Vgl. Briand:2002:615-623 undFunke:2004:427-435.

20 Vgl. Pothu/Powell:2017:9-12 und 221-244 sowie weiterführend Charles D. Hamilton:1991.

21 Vgl. Schulz:2018:647-684.

22 Vgl. Dreher:2012:153 f. und Jehne:2004:463-480.

23 Vgl. Xen. Hell. V 2,28-35.

24 Vgl. Xen. Hell. II 2,21 ff.

25 Vgl. Jehne:1992:99-116 und weiterführend Xen. Hell. VI.

Ende der Leseprobe aus 18 Seiten

Details

Titel
Hegemone oder Dominatoren?
Untertitel
Drei Griechische Hegemonialstellungen des 4. Jahrhunderts im Vergleich
Hochschule
Albert-Ludwigs-Universität Freiburg
Note
2.0
Jahr
2019
Seiten
18
Katalognummer
V923013
ISBN (eBook)
9783346246943
ISBN (Buch)
9783346246950
Sprache
Deutsch
Schlagworte
hegemone, dominatoren, drei, griechische, hegemonialstellungen, jahrhunderts, vergleich
Arbeit zitieren
Anonym, 2019, Hegemone oder Dominatoren?, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/923013

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