Sarmizegetusa Regia

Chancen und Grenzen zentraler Herrschaftsausübung im Kontext von stammesverbandlicher Ordnung


Hausarbeit (Hauptseminar), 2005

40 Seiten, Note: 1,0


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung: Sarmizegetusa als „Kultobjekt“

2. Genese einer Königsstadt: Möglichkeiten und Grenzen der Integration

3. Merkmale zentraler Herrschaft: Zentrale Muster bei strukturaler Vielschichtigkeit

4. Sarmizegetusa Regia: Prestigeobjekt und Hausmacht

5. Zusammenfassung: Sarmzegetusa im Spannungsfeld von Zentralmacht und stammesverbandlicher Organisation

6. Quellen- und Literaturverzeichnis
6.1 Quellen
6.2 Literatur

7. Anhang
7.1 Das Verteidigungssystem um Sarmizegetusa Regia
7.2 Die Königsstadt der Daker und ihre Heiligtümer

1. Einleitung: Sarmizegetusa als „Kultobjekt“

Es liegt in der Natur der Sache, dass eine Königsstadt unter allen anderen Errungenschaften einer Zivilisation eine herausragende Stellung für das Interesse des Historikers darstellen muss; im Idealfall stellt sie den Kulminationspunkt politischer wie auch wirtschaftlicher, kulturell-religiöser wie auch ideologischer Sphären dar und offenbart nicht zu letzt Formen und Umsetzung zentralstaatlicher Elemente. Allein dieser Aspekt lohnt den Blick auf eine Königsstadt, bietet sie doch eine Vielzahl von Informationen. Das ist im Falle von Sarmizegetusa nicht anders, allerdings kommt der Bedeutung der Königsstadt der Daker aufgrund mehrerer Aspekte eine noch höhere Bedeutung zu:

Zum einen handelt es sich um einen „barbarischen Staat“, der grundsätzlich stammes­verbandlich organisiert war, jedoch offenbart ein genauerer Blick, dass ein immenser Grad von politischer Zentralisierung erreicht wurde. Aber die politische Ebene ist nicht die einzige, die zentral von einem Punkt ausging. Andere Formen und Aspekte „staatlichen“ Lebens gehen mit dieser analog einher und durchdringen und bedingen einander auf ungewöhnliche Weise, in deren Zentrum schlussendlich die Königsstadt steht; markantestes Zeichen stellt die Herrschaft des Königs mit dem Hohepriester dar, die im Laufe der Entwicklung des Dakerreiches ihren Sitz zusammen in Sarmizegetusa hatten.[1]

Darüber hinaus ist das dakische Reich nach außen wiederum auf den unterschiedlichsten Ebenen verbunden. Diplomatische Kontakte zu Rom, die im Schatten des aufziehenden römischen Bürgerkrieges stehen[2], und wirtschaftliche Verflechtungen, ja sogar Anlehnungen und Kopien von römischen denarii auf dem wirtschaftlichen Sektor wie auch aus dem hellenistischen Raum entlehntes technisches Know-How[3] sollen an dieser Stelle nur schlaglichtartig die Verknüpfungen zum griechisch-römischen Raum darlegen. Wird der Blick wieder nach innen gerichtet, stellt man abermals fest, dass auch dort die Daker in ihrem eigenem Reich ein multiethnisches Gebilde darstellen[4], deren Ausdruck durchaus in Form und Ausprägung zentraler Organisationen auf den unterschiedlichsten, bereits genannten Ebenen ersichtlich sind. Deren Kernpunkt stellt immer wieder Sarmizegetusa dar, wobei gerade das Erstaunliche daran ist, dass aufgrund dieser vielschichtigen Verbindungen und Formen des Mit- und Nebeneinander ein staatliches Gebilde entstand, dessen grundsätzliches Merkmal es zu sein schien, maximale Integration und Adaption fremder Einflüsse, bei gleichzeitiger Beibehaltung eines eigenständigen Profils zu sein.

An dieser Stelle wird ein anderer, aber nicht minder interessanter Aspekt Sarmizegetusas angesprochen, der unmittelbar mit der Frage nach dem „Profil“ der Daker verbunden ist und auf ideologische Art und Weise in die Forschung negativ einwirkte. In dem engen Rahmen kommunistischer Ideologie wurde nur ein stark verzerrtes Bild Sarmizegetusas und der Daker entwickelt, wenn überhaupt ein ausreichendes Interesse bzw. wissenschaftliches Engagement mit entsprechender Methodik und Transparenz verfolgt wurde. Angefangen von der Sicherung der Forschungsergebnisse bis hin zu deren Interpretation finden sich zweifelhafte Verfahren, die zugegebenermaßen auch einem Prozess der Normalisierung ausgesetzt waren: Wurde in Constantine Daicovicius 1960 veröffentlichter Istoria Romînei[5] mit dem Dakerreich ein Staatengebilde noch in Form eines Sklavenstaates gezeichnet, war es seinem Sohn Hadrian 1972 unter einem geringerem sowjetischen Einfluss schon möglich, in Dacia de la Burebista la cucerirea romană[6] weniger den Blick auf die vermeintliche Gesellschaftsform der Daker zu richten, als viel mehr die Aspekte des Handels und wirtschaftlicher Produktion darzulegen. Dennoch war der ideologische Hintergrund allzu ersichtlich und wurde mit den Worten von Babeş 1974 gleichermaßen sachlich wie bestimmt folgendermaßen ausgedrückt:[7]

„This progress of our knowledge of Geto-Dacian history and culture depends, as we have seen above all, on the continuing development and perfection of the methodology of archaeological research. To reach this aim, archaeologists must work independently, and if possible uninfluenced by historical data and theories.”[8]

Hinzu kommt die Brisanz des Forschungsgegenstandes, die Frage nach der ethnischen Zugehörigkeit der Rumänen, die mit einer Schärfe geführt wird, die für den Außenstehenden unerklärlich sein muss. Was die Bedeutung für die rumänische Nationalidentität angeht, fand dies im Jahre 1980 anlässlich der Feier des 2050ten Jubiläums der Gründung des Dakerreiches durch Burebista seinen symbol­trächt­ig­sten Höhepunkt.[9] Das unter dem „größten König der Daker“ gegründete Reich findet in Sarmizegetusa Regia seinen Nukleus; genauso ist es Sarmizegetusa Regia, in der alle bereits oben angedeuteten Sphären ihren Ausgangs- und Verknüpfungspunkt finden, aber nicht die chronologische Darstellung der Forschung und deren brisante Bedeutung soll Kern dieser Arbeit sein; vielmehr sollte der kurze Abriss den Blick auf die Thematik schärfen und im Hinterkopf behalten werden. Oft werden eher neue Fragen aufgeworfen werden, als zu schnell gefasste Antworten präsentiert. Bezeichnenderweise finden wir gerade für Burebista nur drei Quellen, alle von ihnen Blicken von außen auf das dakische Staatengebilde, wobei sich unter ihm die dakische Königsstadt heraus zu kristallisieren scheint. Es wird aber auch zu zeigen sein, dass jene bereits vorher existierte und ihr auch schon vor Burebista eine kultische Bedeutung zukam. Mit dem Skizzieren der Entwicklung Sarmizegetus Regias in Verbindung mit Herrschaftsform und Auffassung der Könige wie auch der Hohepriester, findet sich der erste Punkt dieser Arbeit. Davon ausgehend werden andere Formen und Muster zentraler Organisation beleuchtet. Es ist das Ziel der ersten beiden Punkte, sowohl Faktoren aufzuzeigen, die zentraler Herrschaft limitierend entgegenstehen, als auch Methoden nachzuzeichnen, die zentral ausgeübte Herrschaft stützten und förderten. Werden beide Arten von Faktoren gegeneinander abgewogen, kann ein vorläufiges Bild von Sarmizegetusa Regia als Königsstadt skizziert werden. Erst danach wird der Blick auf Sarmizegetusa als Kulminationspunkt dakischer Zivilisation gerichtet. Neben dem wirtschaftlichen und dem kulturellen Bereich wird vor allem der Blick auf die kultische Bedeutung Sarmizegetusas gerichtet sein. Da die Funde in Sarmizegetusa Regia verglichen mit anderen Orten aus der „barbarischen“ Welt äußerst bemerkenswert sind[10], soll die Chance genutzt werden die Ausführungen bezüglich der Königsstadt als ökonomisches und kulturelles Zentrum möglichst plastisch anhand von Beispielen darzustellen. Vor allem Geistesleben und technisches Know-How sollen dabei ebenfalls beleuchtet werden. Aus Gründen der Anschaulichkeit aber auch wegen des Platzmangels eben nicht alle interessanten Aspekte nur ansprechen zu können, sei auf das Bildmaterial im Anhang verwiesen. Nachdem die Bedeutung Sarmizegetusas als Machtbasis besprochen worden ist, kann in Verbindung mit den beiden ersten Punkten betreffend Herrschaftsstabilisierung und limitierende Faktoren zentraler Herrschaft ein Bild der Bedeutung Sarmizegetusas als Königsstadt skizziert werden.

Schon jetzt wird der Leser merken, dass sich die Themenblöcke an den unterschiedlichsten Stellen überschneiden. Dies ist dem Autor bewusst, trotzdem lässt sich auch unter dem Versuch der Wahrung sauberer Stringenz eine klare Trennung nicht erreichen. Im Gegenteil, es wird gerade immer wieder im Rahmen dieser Arbeit versucht werden, die einzelnen Sphären nicht isoliert, sondern zusammen zu betrachten, da in deren Kern immer wider Sarmizegetusa liegt. Genau das ist es, was die Königsstadt der Daker so interessant macht.

2. Genese einer Königsstadt: Möglichkeiten und Grenzen der Integration

Ein Blick auf die Herauskristallisierung der dakischen Königstadt macht zu allererst eine Charakterisierung der Daker selbst nötig. Eng mit dem Namen der Daker ist der der Thraker verbunden. Letztere bildeten einen nördlichen Zweig aus, den der in der Forschung so genannten Geto-Daker[11], die Herodot die „tapfersten und gerechtesten unter allen Thrakern“ nennt.[12] Diese Zugehörigkeit lässt sich auch linguistisch nachweisen, wobei man je nach Standpunkt eher das Dakische als einen besonders hervorzuhebenden Dialekt des Thrakischen bezeichnet[13] oder besonders die Eigen­ständigkeit des Ersteren betont und ein sich vom linguistischen Standpunkt gesehen gegenseitig beeinflussendes Nebeneinander postuliert.[14]

Geographisch ist das Feststellen eines Siedlungsgebietes äußerst problematisch, bezeichnenderweise schreibt z.B. H. Daicoviciu, dass die „dauernde Heimat der Daker […] [neben anderen Gebieten] bis zum Ende das heutige Territorium der Sozialistischen Republik Rumäniens [blieb].“[15] Der Kern des Siedlungsraumes lag wohl im heutigen Oltenien, dazu der Raum um die westlichen und südlichen Karpaten sowie dem Banat und Südwestsiebenbürgen.[16]

Dabei hatten die Daker wohl regen Kontakt mit anderen Völkern. Bei aller Vorsicht, die solchen teilweise zusammenkonstruierten Volksgemeinschaften beigemessen werden muss, kann man wohl sagen, dass die Daker in ihrem Siedlungsgebiet, was den Bereich des heutigen Rumäniens wohl weit übertraf, in der ersten Hälfte des 1. Jahrtausends v. Chr. Kontakte mit den noch als umstritten geltenden Kimmerieren hatten. Aus dem Osten kommende iranische skythische Gruppen drangen bereits im 6. Jahrhundert v. Chr. unter anderem in das Gebiet des heutigen Siebenbürgens ein. Zweihundert Jahre später kam es abermals zu größeren Volksbewegungen und die Skythen überfluteten die Dobrudscha am Schwarzen Meer, was sogar in der Terminologie scythia minor belegt ist. Des Weiteren ist von so genannten proto-illyrischen Stämmen die Reden, deren Stoßrichtung von Südwesten her sich entlang der Donau vollzog. Von wohl größter Bedeutung, wie noch zu zeigen wird unter anderem auch in Bezug auf die spätere ethnische Zusammensetzung des dakischen Staatengebildes, ist der Vormarsch keltischer Stämme, die an sich relativ spät aber dafür mit umso größeren Nachdruck um 300 bis in die innerkarpatischen Gebiete des dakischen Siedlungsgebiet vordrangen. Ebenfalls übten einen enormen Einfluss die griechischen Städte an der Schwarzmeerküste aus, namentlich die bereits im 7. und 6. Jahrhundert vor Christus entstandenen Städte Histria, Callatis und nicht zu vergessen Tomis. Schlussendlich spielen auch sarmatische Stämme, vor allem die Jazygen und die Roxolanen eine bedeutende Rolle.[17]

In dieser Konstellation ist das Mit- und Nebeneinander der dakischen Bevölkerung in erster Linie von einem gegenseitigen Austausch geprägt, jedoch auch von einer erheblichen Anzahl kriegerischer Auseinandersetzungen. Die entscheidenden Konflikte, die mit einer teils gewaltlosen, aber auch teils mit einer kriegerischen Einigung der Daker von statten ging, sind mit dem Namen Burebistas verbunden, vorher kommt Dakien kein nennenswerter Stellenwert zu.[18]

Im Zuge mehrerer bewaffneter Auseinandersetzungen scheint es ihm als ersten gelungen zu sein, zumindest eine nicht zu unterschätzende Anzahl von dakischen Stämmen unter sich zu vereinen. Über die exakte Abfolge der Politik Burebistas lässt sich letztendlich keine endgültig sichere Erkenntnis gewinnen, doch können wenigstens die wichtigsten Konfliktparteien ermittelt werden, unter anderem wären die den Kelten zugehörigen Taurisker und Bojer zu nennen, genauso wie auch die Skordisker eine wichtige Rolle in Burebistas Eroberungsstrategie spielten. Ein weiteres Ausgreifen in Richtung der griechischen Schwarzmeerstädte gilt ebenfalls als wichtiger Schritt Burebistas.[19]

Nach der Bildung eines großen Dakerreiches, teils friedlich, teils mit Gewalt, folgte ein Phase der Konsolidierung. Dem späteren Sarmizegetusa Regia, genauer, Dealul Grădiştii, kam dabei eine besondere Rolle zu. Letztendlich lassen sich nur wenige genaue Aussagen über den Glauben der Daker machen, doch gilt es als sicher, dass das besagte Sarmizegetusa, oder genauer Dealul Grădistii, schon vor Burebista eine kultische Bedeutung für die Daker hatte, zum einen aufgrund der Lage beim heiligen Berg Kogaionon, zum anderen auch weil es gerade daher den Sitz des Hohepriesters darstellte:[20]

„Der Geten alte Geschichten bleiben unerwähnt; was aber uns schon näher liegt, war Folgendes. Byrebistas, ein Getischer Mann, welcher sich zur Beherrschung des Volkes aufschwang, empfing die Menschen durch häufige Kriege tief gesunken, hob sie aber durch Arbeitsamkeit, Nüchternheit und Folgsamkeit gegen seine Befehle so hoch empor, dass er binnen wenigen Jahre ein grosses Reich errichtete, und die meisten Nachbarvölker den Geten unterwarf. […] Er verwüstete auch die den Thraken und Illyriern zugemischten Kelten, die Boier aber unter Kritasiros vernichtete völlig, auch die Taurisker. Für die Folgsamkeit der Unterthanen hatte er als Beistand den Dekaioneos, einen Betrüger, welcher in Aigyptos umhergestreift war, und einige Vorbedeutungen erlernt hatte, aus welchen er die göttlichen Befehle verkündigte; und beinahe wurde er als Gott erkannt, wie wir sagten, als wir von Zamolxis erzählten. Von jener Folgsamkeit der Geten diene zum Beweise, dass sie sich bereden liessen, den Weinstock auszurotten, und ohne Wein zu leben.“[21]

Vor der Einigung einer zumindest beachtlichen Zahl von dakischen Stämmen können Burebistas Aktionsräume nur bruchstückhaft rekonstruiert werden, jedoch gilt es als wahrscheinlich, dass dieser nicht von Anfang an über den integrativen Faktor Sarmizegetusas verfügte. Erste Hinweise deuten nicht auf ein Wirken des Dakerkönigs im kultischen Zentrum seines Reiches hin. Anhand einer Inschrift in Dionysopolis ist belegt, dass ein Gesandter namens Arkanion aus eben dieser Stadt eine Reise nach Zargidava zu dem Vater Burebistas unternahm, dort ein Vertrauter des Hofes wurde und ihm sogar auch die ehrenvolle Aufgabe zukam, den Hof auch gegenüber Pompeius, vor der Schlacht von Pharsalos 48 v. Chr., zu vertreten. Es kann davon ausgegangen werden, dass dies auch den anfänglichen Wirkungsbereich von Burebista darstellte, zusätzlich ist eben dieser Ort durch Ptolemaios überliefert, der diese auf 170 v. Chr. datiert und laut ihm bei dem Fluss Szeret liegt; zusammen mit der Angabe zweier weiterer Orte namens Tamasidava und Pirobaridava, die den heutigen Mînăstioara und Barboşi (heutiger Distrikt von Galaţi) entsprechen, lässt sich dieser Ort heute als Poiana in Moldawien identifizieren. Bereits für das 1. Jahrhundert v. Chr. kann ein drei Meter hoher Wall nachgewiesen werden, zusammen mit tiefen Gräben und einer signifikanten Anzahl griechischer Götter aus den Schwarzmeerkolonien wohl eine mehr als gute Ausgangsbasis, jedoch relativ weit vom inneren des Karpatenbogens und somit vom künftigen Nukleus des dakischen Staatsgebietes um Sarmizegetusa entfernt.[22]

Ein nächster Schritt Burebistas bestand wohl darin, genug Rückhalt im Raum um Costeşti zu erlangen; von dort aus war es ihm wohl auch dann vergönnt, sowohl nach innen weitere vereinheitlichende Tendenzen zu fördern, als auch damit für ein Wirken nach außen über eine ausreichende Machtbasis zu verfügen, deren sich genügend andere Stammesfürsten anschließen konnten. Im Zuge der schon im Wesentlichen genannten nach außen gerichteten Kriege, gelang es ihm schließlich, eine ausreichend große Anzahl von Fürsten, so genannten tarabostes, hinter sich zu scharen, die ihm dem Vorrang in seinem Reich sichern konnten, wobei seine Herrschaft laut Jordanes auf die Jahre 82- 44 v. Chr. datiert werden kann,[23] dies allerdings alles andere als sicher gilt und auch andere zeitliche Einordnungen möglich sind.[24] Dies ist dahingehend so wichtig, da im Zuge der Konsolidierung seiner Macht, Sarmizegetusa als kultisches Zentrum ausgebaut wurde. In dieser Zeit fällt wohl unter anderem auch der Bau der zwei runden Heiligtümer.[25] Wie bereits oben erwähnt, nutzte der neue König die Hilfe des Hohepriesters, dem er pene regiam potestatem[26] zugestand, um mit ihm gemeinsam zu herrschen und die nötige Legitimation und das nötige Sozialprestige zu erfahren, welches umso nötiger war, da nach der Einigung des Reiches nach außen, eine innere Stabilisierung umso nötiger war, fehlte doch mit einer äußeren Bedrohung ein gemeinsamer Nenner und waren im Inneren des dakischen Staates genug stammesverbandlich organisierte politische Gebilde, die allesamt von starken Fürsten angeführt wurden, vorhanden. Für den bereits erwähnten Arkornion, dem einst schon Vertrauten am Hofe seines Vaters, findet sich sogar die Bezeichnung prótos (kai megistos) philos. Auf der einen Seite verfügte Burebista durch die Stellung, die ihm durch die Legitimation des Hohepriesters zukam, da „der König, welcher sah, dass die Menschen ihm viel williger, als ehedem, gehorchten, weil er seine Befehle auf den Beirath der Götter ausgab,“[27] somit über ein enormes Sozialprestige verfügte.[28] Auf der anderen Seite hatte er es auch immer noch nötig sein Umfeld aus dem Kreis der Großen mit einzubeziehen.[29]

Vielleicht war dessen Stellung sogar noch schwächer. Unter anderem durch den gerade genannten Titel für Arkornion, welcher ein sprichwörtlicher Titel am Hofe der Nachfahren Alexander des Großen war, kann man schließen, dass Burebista ein König unter Königen war, wobei die Bezeichnung prótos kai megistos basileus umso deutlicher erscheint.[30] Vielleicht ist es sogar möglich, den Status Burebistas gleichzusetzen mit einem König, der quasi nur nach außen hin, als kurzzeitiger Heerführer von Truppenkontingenten anderer Stammesfürsten und vielleicht sogar königsgleicher Herrscher befehligte. Durch seine erfolgreiche Kriegsführung und möglicherweise durch die Unterstützung des Hohepriesters Dekaioneos, der sogar „nicht bloß das Volk, sondern die Könige beherrschte“[31], konnte er sich genug ermutigt finden, seinen Status zu verfestigen, auf was die Förderung Sarmizegetusas und der Aufbau zentraler Strukturen, allen voran der Aufbau eines zentral organisierten Verteidigungssystems um das kulturelle Zentrum herum, offenbart. Dass dieses Verteidigungsnetzwerk, eben nicht die Grenzen des eigentlichen Reiches, sondern einen kompaktes Gebilde, das aus einer Hand voll von Festungen bestand, die den Kern um Sarmizegetusa gleichermaßen wie des wohl noch als Königssitz geltende Costesţi einschloss, offenbart eher das Vertrauen in seine „Hausmacht“, als auf Vertrauen an das von allen Großen gestützte ganze dakische Territorium. Zugleich können auch in der muntenischen Ebene gefundene Münzhorte darauf hindeuten, dass ein innerdakischer Konflikt von Schichten innerhalb des Dakerreiches erwartet wurde.[32] Gleiches erwartete man auch von außen; da man in Rom wohl eher auf die Folgen der gewaltsamen Einigung des Reiches vertraute, setzte man eher auf eine Strategie des Abwartens; ein paar begrenzte erfolgreiche Militäroperationen sollten wohl das Ansehen Burebistas schmälern, die innerdakischen Spannungen des grundsätzlich noch stammesverbandlich organisierten Reich reichen und ein Auseinanderbrechen in die Wege leiten:

„Burebistas Reich war nach Strabon in wenigen Jahren so groß geworden […] Das heißt, es war ein ebenso riesiges und offensives- und gerade wegen der Absicherung auch brutales- wie zerbrechliches Gebilde: sein Zerfall erfolgte nicht erst nach dem Tod seines großen Königs, sondern dessen Macht ging bereits in Aufständen zugrunde. Caesar kannte die „barbarische“ Mentalität der Stammesreiche allein schon von Gallien. Ein coercere, ein Zurückweisen und Erschüttern genügte völlig […] Ginge nicht auch die bisher ungebrochenene Autorität des Dekaineos in solchen Rückschlägen zugrunde? […] Gerade wenn er die dakische Heimat nicht angriff, zwang er die Daker nicht zu Einheit und gemeinsamer Abwehr.“[33]

[...]


[1] Meinolf Arens: Anmerkungen zur Geschichte der Daker bie zum Tod des Burebista (44 v.Chr.), in: Siebenbürgische Semesterblätter 11 (1997) S. 1-11 (im Folgenden nur noch Arens: Anmerkungen zur Geschichte der Daker).

[2] Rober Göbl: Die Hexadrachmenprägung der Gross-Boier. Ablauf, Chronologie und historische Relevanz für Noricum und Nachbargebiete, Wien 1994, S. 51-55 (im Folgenden nur noch Göbl: Hexadrachmenprägung).

[3] Nicolae Gudea, Thomas Lobüscher: Dacia. Eine römische Provinz zwischen Karpaten und Schwarzem Meer (Zaberns Bildbände zur Archäologie) Mainz 2006, S. 8-11 (im Folgenden nur noch Gudea: Dacia).

[4] Gàbor Vèkony: Dacians Romans Romanians, Toronto 2000, S.69 (im Folgenden nur noch Vènkony: Romanians).

[5] C. Daicoviciu (Hg.): Istoria Romînei, Bukarest 1960.

[6] H. Daicoviciu: Dacia de la Burebista la cucerirea romană, Cluj-Napoca1972.

[7] Kris Lockyear: The Late Iron Age background to Roman Dacia, in: W.S. Hanson et al. (Hrsg.): Roman Dacia. The Making of a provincial society (= Journal of Roman Archaeology. Supplementary Series Number 56) 2004, S. 33-74 (im Folgenden nur noch Lockyear: Late Iron background).

[8] M. Babeş: Puncte de vedere relative la o istorie a Daciei preromane, in: Studii şi Cercetări de Istorie Veche şi Arheologie 25.2, 242 zitiert und übersetzt von Kris Lockyear: Late Iron Age background, S.34.

[9] Kris Lockyear: Late Iron Age background S. 34.

[10] I. P. Haynes and W.S. Hanson: An introduction to Roman Dacia, in: W.S. Hanson et al. (Hrsg.): Roman Dacia. The Making of a provincial society (= Journal of Roman Archaeology. Supplementary Series Number 56) Portsmouth 2004, 11-33 (im Folgenden nur noch Haynes: Introduction to Roman Dacia).

[11] Darüber hinaus ist zu beachten, dass der Begriff der „Daker“ eher in Quellen aus dem römischen Raum vorzufinden ist und dass der Begriff der Geten eher im griechischsprachigen Raum verwand wurde, siehe dazu u. a. Robert Werner: Geschichte des Donau-Schwarzmeer-Raumes im Altertum. München 1961, S.125.

[12] Herodot, Hist. IV, 93

[13] Hadrian Daicoviciu: Das Reich der Daker, in: Die Daker. Archäologie in Rumänien, Ausstellung der Historischen Museen der Stadt Köln, Mainz 1980, S. 72 (im Folgenden nur noch: H. Daicoviciu: Das Reich der Daker).

[14] Vèkony: Romanians, S. 85-90.

[15] Daicoviciu: Die Daker, S. 72.

[16] Karl Strobel: Untersuchungen zu den Dakerkriegen Trajans. Studien zur Geschichte des mittleren und unteren Donauraumes in der hohen Kaiserzeit. Bonn 1984, S.17f.

[17] Daicoviciu: Die Römer in Rumänien, in: Römer in Rumänien, Austellung des Römisch-Germanischen Museums Köln und des Historischen Museums Cluj, Köln, 1969, S.20-21 (im Folgenden nur noch Daicoviciu: Römer in Rumänien).

[18] vgl. dazu: Vèkony: Romanians, S. 38: „Up to the First century B.C. we have no data which would indicate that Dacians engaged in politics. They had no political role up to the 1st century, B.C., since Celts dominated Transylvania from the 4th century on.” Des Weiteren werden noch oft Dromikhaites, Oroles und Rubobostes als Geto-dakische Könige angesehen, ersterer dabei in das frühe 3.Jahrhundert v. Chr. datiert, letztere für das 2. Jahrhundert v. Chr. zugehörig gehalten. Dabei handelt es sich bei Dromikhaites um einen thrakischen Herrscher einerseits und andererseits um eine falsch interpretierte Version von Burebista und Roles, beide 1. Jahrhundert v. Chr.

[19] Constantine Daicoviciu: Dakien in der Prinzipatszeit, in: ANRW II.6, 1977, S. 905-906.

[20] Strabo VII 3, 5.

[21] Strabo VII 3, 11.

[22] Vèkony: Romanians, S. 40-41.

[23] Daicoviciu: Die Daker, S. 74.

[24] Vékony: Romanians, S. 40-41. Vèkony datiert aufgrund folgender Argumentation eine umfassende Machtübernahme im dakischen Raum für das Jahr um 60 v. Chr. Zum einen weil Mithridates, König von Pontus, um das Jahr 64 v. Chr. ein Vorgehen gegen Rom erwägt, in seine Überlegungen ein dakischer Machtblock, der freilich dazwischen leigen musste, keine Platz findet, dafür aber sehr wohl ein pannonischer Machtfaktor. Zum anderen bekommt Julius Caesar wird Caesar 59 v. Chr. Konsul von Gallia und Illyricum, weder Pannonier, noch Skordisker waren für eine Namensgebung ausschlaggebend, dafür aber die Daker. In diesem Zeitraum lässt sich auch eine Flucht von Bojern zu Helvetiern feststellen, sie müssen wohl aufgrund einer Auseinandersetzung mit burebbista geflohen sein. Dadurch ließe sich Burebistas Machtübernahme erst um 60 v. Chr. festmachen.

[25] Lockyear: Late Iron Age background, S. 58-59.

[26] Iordanes, Getica XI, 67.

[27] Strabo VII 3, 5.

[28] vgl. dazu Arens: Anmerkungen zur Geschichte der Daker, S.9: „Burebista hat, soweit die spärlichen Angaben in den Quellen eine weitergehende Interpretation zulassen, mit Hilfe eines zentralen und Identitätsstiftenden Kultes unter dem Oberpriester Dekaineos versucht, sein heterogenes reich zu stabilisieren […] Möglicherweise verbirgt sich hinter dem Oberpriester Dekaineos bereits zu Lebzeiten des Burebista ein sakraler König. Es hätte dann ein Doppelkönigtum bestanden, in dem Burebista als weltlicher Heerkönig fungierte und Dekaineos als sakraler Herrscher. Ein institutionalisiertes Doppelkönigtum ist uns von mehreren Steppenvölkern bekannt.

[29] Vèkony: Romanians, S. 44.

[30] Vèkony: Romanians, S. 44-45.

[31] Jordanis: Gotengeschichte nebst Auszügen aus seiner Römischen Geschichte, hg. v. Alexander Heine, Stuttgart 1986, S. 43.

[32] Daicoviciu: Die Daker, S. 75-77.

[33] Göbel: Hexadrachmenprägung, S.59.

Ende der Leseprobe aus 40 Seiten

Details

Titel
Sarmizegetusa Regia
Untertitel
Chancen und Grenzen zentraler Herrschaftsausübung im Kontext von stammesverbandlicher Ordnung
Hochschule
Universität Bayreuth  (Lehrstuhl für Alte Geschichte)
Veranstaltung
Rom und Dakien. Eine Provinz nördlich der Donau
Note
1,0
Autor
Jahr
2005
Seiten
40
Katalognummer
V92437
ISBN (eBook)
9783638061551
ISBN (Buch)
9783638950718
Dateigröße
2489 KB
Sprache
Deutsch
Anmerkungen
Es liegt in der Natur der Sache, dass eine Königsstadt unter allen anderen Errungenschaften einer Zivilisation eine herausragende Stellung für das Interesse des Historikers darstellen muss, im Idealfall stellt sie den Kulminationspunkt politischer wie auch wirtschaftlicher, kulturell-religiöser wie auch ideologischer Sphären dar
Schlagworte
Sarmizegetusa, Regia, Dakien, Eine, Provinz, Donau
Arbeit zitieren
Markus Ständner (Autor:in), 2005, Sarmizegetusa Regia, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/92437

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Titel: Sarmizegetusa Regia



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