Spiegelt die dienstliche Beurteilung die Eignung und fachliche Leistung realitätsgerecht wider?

Bewertung dienstlicher Beurteilungen aus Sicht der Beurteiler


Bachelorarbeit, 2020

77 Seiten, Note: 1,0


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

Abkürzungsverzeichnis

Abbildungsverzeichnis

1. Aussagekraft der dienstlichen Beurteilung – Wunschdenken oder Wirklichkeit?

2. Die dienstliche Beurteilung und deren Bedeutung in Stellenbesetzungsverfahren

3. Kritik an der dienstlichen Regelbeurteilung

4. Zielsetzung und Fragestellung

5. Datenerhebung

6. Auswertung

7. Interpretation der Ergebnisse

8. Kritik am Vorgehen

9. Fazit

10. Quellenverzeichnis

11. Anlagen

Abkürzungsverzeichnis

Abb. Abbildung

Abs. Absatz

Art. Artikel

BAG Bundesarbeitsgericht

BAGE Entscheidung des Bundesarbeitsgerichtes

BBG Bundesbeamtengesetz

BBesG Bundesbesoldungsgesetz

BeamtStG Beamtenstatusgesetz

Beschl. Beschluss

BLV Bundeslaufbahnverordnung

BVerfG Bundesverfassungsgericht

BVerwG Bundesverwaltungsgericht

BVerwGE Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes

DÖD Der Öffentliche Dienst (Zeitschrift)

GG Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland

KGSt Kommunale Gemeinschaftsstelle für Verwaltungsmanagement

LBG Landesbeamtengesetz

LlbG Gesetz über die Leistungslaufbahn und die Fachlaufbahnen der bayerischen Beamten und Beamtinnen (Leistungslaufbahngesetz)

NJOZ Neue Juristische Online-Zeitschrift

NRW Nordrhein-Westfalen

OVG Oberverwaltungsgericht

PersV Die Personalvertretung (Zeitschrift)

Rn. Randnummer

TVöD Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst

Urt. Urteil

ZBR Zeitschrift für Beamtenrecht

Abbildungsverzeichnis

Abb. 1: Prüfungsreihenfolge der Auswahlkriterien in Stellenbesetzungsverfahren

Abb. 2: Tätigkeitsbereiche der Befragten

Abb. 3: Führungsspannen der Befragten

Abb. 4: Führungserfahrung der Befragten

Abb. 5: Einschätzungen des Zielerreichungsgrades der Bestenauslese

Abb. 6: Einschätzungen des Zielerreichungsgrades der Unterstützung der Personalentwicklung

Abb. 7: Einschätzungen des Zielerreichungsgrades der Motivationsförderung

Abb. 8: Einschätzungen des Zielerreichungsgrades des objektiven Leistungsvergleichs

Abb. 9: Einschätzungen des Zielerreichungsgrades der leistungsorientierten Entgeltfindung

Abb. 10: Zustimmung der Aussage „Persönlichkeit“

Abb. 11: Einfluss des Faktors „Persönlichkeit“

Abb. 12: Zustimmung der Aussage „Beschönigungen“

Abb. 13: Einfluss des Faktors „Beschönigungen“

Abb. 14: Zustimmung der Aussage „Konfliktvermeidung mit der zu beurteilenden Person“

Abb. 15: Einfluss des Faktors „Konfliktvermeidung mit der zu beurteilenden Person“

Abb. 16: Zustimmung der Aussage „Konfliktvermeidung mit dem Zweit- bzw. Endbeurteiler“

Abb. 17: Einfluss des Faktors „Konfliktvermeidung mit dem Zweit- bzw. Endbeurteiler“

Abb. 18: Zustimmung der Aussage „unzureichende Beurteilungsgrundlagen“

Abb. 19: Einfluss des Faktors „unzureichende Beurteilungsgrundlagen“

Abb. 20: Zustimmung der Aussage „Richtwerte“

Abb. 21: Einfluss des Faktors „Richtwerte“

Abb. 22: Zustimmung der Aussage „Niveauvorgaben“

Abb. 23: Einfluss des Faktors „Niveauvorgaben“

Abb. 24: Zustimmung der Aussage „psychologische Beurteilungsfehler“

Abb. 25: Einfluss des Faktors „psychologische Beurteilungsfehler“

Abb. 26: Zustimmung der Aussage „zu wenig Schulung“

Abb. 27: Einfluss des Faktors „zu wenig Schulung“

Abb. 28: Zustimmung der Aussage „unkonkrete Vorgaben“

Abb. 29: Einfluss des Faktors „unkonkrete Vorgaben“

Abb. 30: Zustimmung der Aussage „undifferenzierte Bewertungsskala“

Abb. 31: Einfluss des Faktors „undifferenzierte Bewertungsskala“

Abb. 32: Zustimmung der Aussage „undifferenzierte Kriterien“

Abb. 33: Einfluss des Faktors „undifferenzierte Kriterien“

Abb. 34: Gesamteinschätzung der realitätsgerechten Leistungs- erfassung eigener dienstlicher Regelbeurteilungen

Abb. 35: Häufigkeitsverteilung der Antworten zu Frage 13 in Prozent

Abb. 36: Rangfolge der Mittelwerte der Zielerreichungsgrade aus Teil B

Abb. 37: Rangfolge der Mittelwerte von den Faktoren der Fragen 1 bis 12b aus Teil C

1. Aussagekraft der dienstlichen Beurteilung – Wunschdenken oder Wirklichkeit?

Dienstlichen Beurteilungen kommt eine bedeutsame Rolle in der kommunalen Praxis zu: Sie fungieren als Hauptauswahlkriterium in Auswahlverfahren1 und dienen der Verwirklichung des Grundsatzes der Bestenauslese gemäß Artikel 33 Abs. 2 GG (Bodanowitz, 2019, Rn. 87). Darüber hinaus unterstützen sie unter anderem als Personalführungsinstrument die Personalplanung (Leppek, 2010, S. 9) und liefern Informationen für die Personalentwicklung (§ 46 Abs. 2 S. 2 Nr. 4 BLV). Diese „Multifunktionalität“ (Bieler & Lorse, 2012, Rn. 71) bedingt hohe Anforderungen an die dienstliche Beurteilung, damit diese ihren Funktionen gerecht werden kann (Nokiel, 2013, S. 284).

Die inhaltliche Aussagekraft der dienstlichen Beurteilung ist ausschlaggebend für deren Eignung als Vergleichsgrundlage bei personellen Auswahlentscheidungen (Gourmelon & Hoffmann, 2017, S. 128f.). Neben der Einhaltung eines vorgegebenen Beurteilungsverfahrens sind die Heranziehung zuverlässiger Erkenntnisquellen, eine ganzheitliche und differenzierte Leistungserfassung sowie die Anwendung gleicher Beurteilungsmaßstäbe nur einige der Voraussetzungen für eine inhaltlich aussagekräftige Beurteilung2.

Die Beurteiler3 werden mit einer verantwortungsträchtigen Führungsaufgabe betraut, welche dem Anwender viel abverlangt (Meixner, 2020, S. 124). Der Beurteiler hat nicht nur die Vorgaben der Beurteilungsrichtlinien einzuhalten (vgl. § 50 Abs. 1 BLV), sondern hat sich neben Gesetzen auch an der Rechtsprechung von Bundesverfassungsgericht sowie Bundesverwaltungsgericht zu orientieren (Baidoo, 2018, S. 9). Diese Komplexität an Vorgaben hat der Beurteiler in der Praxis umzusetzen. Dabei hat er den Beamten gerecht, unvoreingenommen und möglichst objektiv zu beurteilen4. In welchem Ausmaß die Beurteiler diesen Anforderungen gerecht werden (können), bestimmt maßgeblich die Qualität der dienstlichen Beurteilung.

Personalbeurteilungen erweisen sich in der Praxis jedoch oftmals als „Subjektivitätsfalle[n]“ (Bieler & Lorse, 2012, Rn. 3). Eine Vielzahl an Einflussfaktoren kann eine realitätsgerechte Leistungserfassung negativ beeinflussen. Neben klassischen Beurteilungsfehlern und mikropolitischen Erwägungen des Beurteilers, kann beispielsweise auch durch die Vorgabe von Richtwerten eine realitätsgerechte Leistungserfassung beeinträchtigt werden (u.a. Gourmelon, Seidel & Treier, 2014, S. 77). Die dienstliche Beurteilung steht daher sowohl in der Fachliteratur als auch vielfach bei den Beschäftigten der öffentlichen Verwaltung in der Kritik: Überwiegend wird die Meinung vertreten, dass der Inhalt dienstlicher Beurteilungen gerade nicht das tatsächliche Leistungsbild widerspiegelt (u.a. Bieler & Lorse, 2012, Rn. 5; Gourmelon et al., 2014, S.77).

Kann die dienstliche Beurteilung dem „Anspruch auf größtmögliche Objektivität und Vergleichbarkeit“ (Bieler & Lorse, 2012, Rn. 14) durch eine realitätsgerechte Leistungserfassung überhaupt gerecht werden? Oder ist eine aussagekräftige dienstliche Beurteilung vielmehr nur ein Wunschdenken der „Regelungswelt“ (Bieler & Lorse, 2012, Rn. 5), welches in der kommunalen Wirklichkeit keinen Bestand hat?

Ziel dieser Arbeit ist es durch Erhebung eines Meinungsbildes der Beurteiler eine Antwort auf die Frage zu finden, inwiefern die dienstliche Beurteilung aus Sicht der Beurteiler die Eignung, fachliche Leistung und Befähigung realitätsgerecht widerspiegelt.

2. Die dienstliche Beurteilung und deren Bedeutung in Stellenbesetzungsverfahren

Nachfolgend wird das Instrument der dienstlichen Beurteilung dargestellt und rechtlich eingeordnet. Weitergehend werden die hohen Verfahrensanforderungen an die dienstliche Beurteilung verdeutlicht sowie ihre ausschlaggebende Kraft in Auswahlverfahren dargestellt.

2.1 Was ist eine „dienstliche Beurteilung“?

Die dienstliche Beurteilung ist eine „schriftliche dienstliche Äußerung des Beurteilers […] über die während eines Beurteilungszeitraumes […] erbrachten Leistungen eines Beamten, über seine Befähigung, unter Umständen auch über seine Eignung für ein erstrebtes Amt im statusrechtlichen […] Sinne“ (Schnellenbach, 2013, § 11 Rn. 6). Primär soll die dienstliche Beurteilung als Vergleichsgrundlage für Auswahlentscheidungen dienen (Bieler & Lorse, 2012, Rn. 14).

Beurteilungen lassen sich anhand des Beurteilungszeitpunkts in Regel- und Bedarfsbeurteilung5 differenzieren (Schnellenbach, 2013, § 11 Rn. 11). Regelbeurteilungen werden in regelmäßigen Zeitabständen – gemäß § 48 Abs. 1 BLV „spätestens alle drei Jahre“ – zu festgelegten Beurteilungsstichtagen erstellt (Bodanowitz, 2019, Rn. 224).

Gemäß § 48 Abs. 1 BLV ist eine Anlassbeurteilung dann zu erstellen, wenn „es die dienstlichen oder persönlichen Verhältnisse erfordern“. Eine Anlassbeurteilung wird insbesondere vor Beförderungsentscheidungen erforderlich, wenn aktuelle, vergleichbare Regelbeurteilungen fehlen (Bieler & Lorse, 2012, Rn. 80). Die Probezeitbeurteilung lässt sich als Unterfall der Anlassbeurteilung klassifizieren (Schnellenbach, 2013, § 11 Rn. 12).

2.2 Rechtsgrundlagen

Den rechtlichen Rahmen auf Verfassungsebene bildet Artikel 33 Abs. 2 GG. Demnach hat jeder Deutsche „nach seiner Eignung, Befähigung und fachlichen Leistung“ gleichen Zugang zu jedem öffentlichen Amt. Artikel 33 Abs. 2 GG dient dem öffentlichen Interesse an einer Gewährleistung der bestmöglichen Erfüllung hoheitlicher Aufgaben sowie dem berechtigten Interesse des Beamten an seinem beruflichen Fortkommen6. Gemäß dieser Vorschrift sind öffentliche Ämter entsprechend des Leistungsprinzips unter Berücksichtigung des Grundsatzes der Bestenauslese zu besetzen. Die Auswahl des bestgeeigneten Bewerbers hat somit anhand der Kriterien der Eignung, Befähigung und fachlichen Leistung zu erfolgen (Badura, Art. 33 GG, Rn. 26). Die dienstliche Beurteilung dient insoweit der Verwirklichung des Leistungsprinzips7.

Auf Gesetzesebene des Bundes finden sich allgemeine Regelungen unter anderem in §§ 21 und 22 BBG; auf Länderebene sind sie meist in den jeweiligen Landesbeamtengesetzen oder Laufbahnverordnungen verortet (Bieler & Lorse, 2012, Rn. 42). Gemäß § 21 S. 1 BBG sind Beamte anhand der Kriterien Eignung, Befähigung und fachliche Leistung regelmäßig zu beurteilen. Die inhaltliche Ausgestaltung des Beurteilungsverfahrens nimmt der Verordnungsgeber in den §§ 48 – 50 BLV vor (Schnellenbach, 2013, § 11 Rn. 3).

Eine gesetzliche Beurteilungspflicht besteht gemäß § 21 BBG nur für Beamte. Den Tarifverträgen im öffentlichen Dienst ist hingegen keine Pflicht der Beurteilung von Arbeitnehmern zu entnehmen (Gourmelon & Hoffmann, 2017, S. 115). Das Bundesarbeitsgericht hat dem Arbeitgeber aber mit Urteil vom 10.03.19828 ein sogenanntes Beurteilungsrecht zuerkannt. Auch in der Praxis wird oftmals der persönliche Geltungsbereich von Beurteilungsrichtlinien auf Arbeitnehmer ausgeweitet (Bieler & Lorse, 2012, Rn. 272).

§ 2 BLV enthält Legaldefinitionen des „Dienstrechtstrias“ (Bieler & Lorse, 2012, Rn. 35) Eignung, Befähigung und fachliche Leistung: Gemäß § 2 Abs. 2 BLV erfasst die Eignung „insbesondere Persönlichkeit und charakterliche Eigenschaften, die für ein bestimmtes Amt von Bedeutung sind“. Sie bezieht sich gleichermaßen auf die körperliche, geistige und charakterliche Eignung (Kessler, 2016, Eignung). Die Befähigung umfasst die allgemein für die dienstliche Verwendung wesentlichen „Fähigkeiten, Kenntnisse, Fertigkeiten und sonstigen Eigenschaften“ (§ 2 Abs. 3 BLV). Sie besteht aus der Laufbahnbefähigung sowie aus der individuellen Befähigung des Bewerbers (Gourmelon & Hoffmann, 2017, S. 32). Die fachliche Leistung ergibt sich aus den Arbeitsergebnissen, der Arbeitsweise sowie dem Arbeitsverhalten. Bei Vorgesetzten ist ebenso das Führungsverhalten zu beurteilen (§ 2 Abs. 4 BLV). Während die Beurteilung der fachlichen Leistung vergangenheitsorientiert ist, werden die Befähigung und Eignung zukunftsgerichtet prognostiziert (Gourmelon & Hoffmann, 2017, S. 126f.).

Auf untergesetzlicher Ebene werden Einzelheiten des Beurteilungsverfahrens in Verwaltungsvorschriften und Beurteilungsrichtlinien geregelt (Leppek, 2010, S. 6; vgl. § 50 Abs. 1 S. 2 BLV). Die konkrete Gestaltung obliegt dem Ermessen des Dienstherrn aufgrund seiner Organisationshoheit (Gourmelon et al., 2014, S. 174). Zu beachten ist eine Vereinbarkeit mit den gesetzlichen Vorschriften (Bieler & Lorse, 2012, Rn. 45).

2.3 Multifunktionalität

Als „Instrument der Bestenauslese“ (Leppek, 2010, S. 9) dient die dienstliche Beurteilung als Grundlage für jede personelle Auswahlentscheidung im öffentlichen Dienst (Bieler & Lorse, 2012, Rn. 35). In Konkurrenzsituationen um einen Beförderungsposten soll die dienstliche Beurteilung durch interindividuellen Vergleich den bestgeeigneten Bewerber entsprechend Artikel 33 Abs. 2 GG ermitteln (Gourmelon & Hoffmann, 2017, S. 115). Primärziel ist somit der Auslesezweck, der auf eine bestmögliche Stellenbesetzung abzielt. Dieser schließt den Förderungszweck – entsprechend seiner Leistungen beruflich gefördert zu werden – mit ein (Bodanowitz, 2019, Rn. 196). Bei Beamten auf Probe dient die dienstliche Beurteilung der Feststellung der (Nicht-)Bewährung (Bodanowitz, 2019, Rn. 199).

Daneben dient die Beurteilung gemäß § 46 Abs. 2 Nr. 4 BLV als Instrument der Personalentwicklung. Der individuelle Fortbildungsbedarf soll ermittelt werden, um den Beamten anhand hieraus abgeleiteter Entwicklungsmaßnahmen entsprechend zu fördern (Bieler & Lorse, 2012, Rn. 74).

Zudem unterstützt die dienstliche Beurteilung eine leistungsorientierte Entgeltfindung (Leppek, 2010, S. 9). Exemplarisch sind die Leistungsprämien und -zulagen als leistungsorientierte Bezahlungsinstrumente für Beamte gemäß § 42a BBesG zu nennen. Bei einem Tarifbeschäftigten kann gemäß § 17 Abs. 2 TVöD die Zeit für das Erreichen der Stufen 4 bis 6 der Entgelttabelle verkürzt werden, wenn dieser überdurchschnittliche Leistungen zeigt. Die dienstlichen Beurteilungen der Arbeitnehmer können somit herangezogen werden, um ihre Leistungsentgelte zu bemessen9.

Streitig ist, ob der dienstlichen Beurteilung ein Motivationszweck zuzuschreiben ist (Bieler & Lorse, 2012, Rn. 101). Obschon die dienstliche Beurteilung in der Literatur überwiegend von einem ihr anhaftenden Motivationszweck freigesprochen wird (u.a. Bodanowitz, 2019, Rn. 190), wird dieser Zweck oftmals in Beurteilungsrichtlinien aufgegriffen und als Ziel formuliert (z.B. Senat der Freien und Hansestadt Hamburg, 2013, Ziffer 1.2). Es lässt sich in jedem Fall festhalten, dass gerechte, aussagekräftige Beurteilungen dazu beitragen können, als „Nebenwirkung“ (Bieler & Lorse, 2012, Rn. 76) eine Motivationsförderung hervorzurufen (Bodanowitz, 2019, Rn. 211).

2.4 Beurteilungsverfahren

Trotz eines „Minimums rechtlicher Homogenität“ (Lorse, 2016, S. 445), differieren die Beurteilungsrichtlinien der einzelnen Kommunen aufgrund des Gestaltungsspielraums des Dienstherrn (vgl. § 50 Abs. 1 S. 2 BLV) mehr oder weniger stark. Aufgrund dessen soll hier ein verallgemeinernder Überblick über die Verfahrensausgestaltung geschaffen werden.

Zuständig für die dienstliche Beurteilung ist der unmittelbare Dienstvorgesetzte (§ 3 Abs. 2 BBG; Bodanowitz, 2019, Rn. 268). Der Regelfall ist ein mehrstufiges Beurteilungsverfahren, welches sich aus einem Erst- und Endbeurteiler zusammensetzt (Gourmelon & Hoffmann, 2017, S. 137). Dieses „Vier-Augen-Prinzip“ (Bieler & Lorse, 2012, Rn. 182) trägt der Vorgabe in § 50 Abs. 1 BLV Rechnung, dass Beurteilungen in der Regel von mindestens zwei Personen erfolgen. Der unmittelbare Vorgesetzte kann als Erstbeurteiler die Leistungen des zu Beurteilenden am besten einschätzen. Der Endbeurteiler – häufig die dienstvorgesetzte Stelle – hat darauf hinzuwirken, dass die Beurteilungsmaßstäbe einheitlich angelegt werden (Leppek, 2010, S. 17).

Eine gesetzliche Pflicht zur Anhörung des Beamten vor Erstellung der Beurteilung besteht grundsätzlich nicht; eine Anhörungspflicht kann sich aber aus den Beurteilungsrichtlinien ergeben (Brinktrine & Schollendorf, § 21 BBG, Rn. 18).

Gemäß § 50 Abs. 3 S. 1 BLV ist die Beurteilung dem Beamten in ihrem vollen Wortlaut zu eröffnen und mit ihm zu besprechen. Gegenstand ist hier die bereits fertig gestellte Beurteilung, zu welcher sich der Beamte äußern und Einwände erheben kann (Leppek, 2010, S. 20). Zwischen Bekanntgabe und dem finalen Beurteilungsgespräch sollte der Beamte mindestens zwei Arbeitstage Zeit bekommen, um sich mit dem Inhalt der Beurteilung auseinandersetzen zu können (Schnellenbach, 2013, § 11 Rn. 29).

Gemäß § 50 Abs. 3 S. 2 BLV ist die dienstliche Beurteilung nach Durchführung des Beurteilungsgesprächs zur Personalakte zu nehmen. Eine Pflicht hierzu besteht, da die dienstliche Beurteilung in einem „unmittelbaren inneren Zusammenhang“ mit dem Dienstverhältnis (§ 50 S. 2 BeamtStG; § 106 Abs. 1 S. 4 BBG) steht.

2.5 Beurteilungsinhalt

Da die dienstliche Beurteilung anhand des Statusamts bezogen auf den konkreten Dienstposten erfolgt, stellt die Aufgabenbeschreibung das „fachliche Fundament der dienstlichen Beurteilung“ (Bieler & Lorse, 2012, Rn. 97) dar. Die Aufgaben und Tätigkeiten des Beamten müssen sich aus der Beurteilung entnehmen lassen (Schnellenbach, 2013, § 11 Rn. 38).

Die dienstliche Beurteilung enthält Einschätzungen hinsichtlich Eignung, Befähigung und fachlicher Leistung10. Die Beurteilungen sind regelmäßig als „merkmalsorientierte Einstufungsverfahren“ (Bieler & Lorse, 2012, Rn. 159) ausgestaltet. Der Beamte wird anhand den in den Beurteilungsrichtlinien vorgegeben Einzelmerkmalen beurteilt (Leppek, 2010, S. 14). Typische Kategorien der Merkmale sind Arbeitsmenge, Arbeitsgüte, Arbeitsweise sowie – insofern Führungsaufgaben übernommen werden – der Führungserfolg (Schnellenbach, 2013, § 11 Rn. 42). Oftmals wird zur Einschätzung der Merkmale sowie des Gesamturteils eine fünf- bis siebenstufige Skalierung vorgegeben (Marcus & Schuler, 2006, S. 447), welche von einem „vertikalen Mittelpunkt durchschnittlicher Leistungen“ ausgeht (Bieler & Lorse, 2012, Rn. 159). In Bayern erfolgt die Bewertung hingegen anhand einer Skala von eins bis 16 Punkten (Art. 59 Abs. 1 S. 1 LlbG).

Gemäß § 49 Abs. 3 BLV schließt die dienstliche Beurteilung mit einem Gesamturteil ab. Allein das Gesamturteil wird als maßgebliche Vergleichsgrundlage bei Auswahlentscheidungen herangezogen11 und entscheidet damit über die Karrierechancen des Beurteilten (Bieler & Lorse, 2012, Rn. 180). Das Gesamturteil unterliegt dem „Plausibilitätsgebot“ (Gourmelon & Hoffmann, 2017, S. 132), d.h. es muss sich nachvollziehbar aus den Einzelbewertungen ergeben. Es darf nicht in „unlösbarem Widerspruch“12 zu den Einzelbewertungen stehen. Insbesondere darf es nicht rechnerisch als arithmetisches Mittel aus den Einzelurteilen ergehen; vielmehr ist eine individuelle Gewichtung der Merkmale vorzunehmen (Leppek, 2010, S. 15; Bieler & Lorse, 2012, Rn. 177). Das Gesamturteil ist zwecks besserer Nachvollziehbarkeit zu begründen (Gourmelon & Hoffmann, 2017, S. 132).

Gemäß § 49 Abs. 3 BLV muss die dienstliche Beurteilung einen Vorschlag für die weitere dienstliche Verwendung enthalten. Dieser enthält eine Einschätzung darüber, ob der zu Beurteilende auf dem Dienstposten verbleiben, umgesetzt oder befördert werden soll (Leppek, 2010, S. 16).

2.6 Beurteilungsmaßstab

Gemäß § 50 Abs. 1 S. 1 BLV erfolgt die dienstliche Beurteilung „nach einem einheitlichen Beurteilungsmaßstab unter Berücksichtigung der Anforderungen des Amtes“. Auch das Bundesverwaltungsgericht hat in seinem Beschluss vom 20.06.201313 klargestellt, dass sich die dienstliche Beurteilung auf das Statusamt – und gerade nicht auf den konkreten Dienstposten – beziehen muss. Das Amt im statusrechtlichen Sinne kennzeichnet die allgemeine Rechtsstellung des Beamten. Es definiert sich durch die Zugehörigkeit zu einer Laufbahngruppe, der Besoldungsgruppe sowie der Amtsbezeichnung (Leppek, 2019, Rn. 55).

Die Einhaltung eines einheitlichen, objektiven und gerechten Beurteilungsmaßstabs ist der „zentrale Erfolgsfaktor dienstlichen Beurteilens“ (Bieler & Lorse, 2012, Rn. 113). Die Gefahr, dass sachwidrige Erwägungen in die Beurteilung miteinfließen, gilt es zu unterbinden14, damit das Leistungsprinzip nicht unterlaufen wird. Zur Wahrung eines einheitlichen Maßstabs wird neben der bereits erläuterten Zuständigkeitsverteilung auf mehrere Personen (vgl. § 50 Abs. 1 S. 1 BLV) häufig auf „Richtwertempfehlungen“ zurückgegriffen (Bieler & Lorse, 2012, Rn. 114).

§ 50 Abs. 2 S. 1 BLV sieht vor, dass der Anteil der höchsten Note 10 %, bei der zweithöchsten Note 20 % nicht überschreiten soll. Ziel ist es durch Richtwerte eine Konzentration der Gesamturteilsnoten im oberen Bereich der Skala zu vermeiden und somit eine hinreichende Differenzierung zu gewährleisten (Leppek, 2010, S. 15f.). Dies kommt der Aussagekraft sowie Vergleichbarkeit von Beurteilungen zugute15. Rechtliche Voraussetzung für die Einführung von Richtwerten ist eine hinreichend große Vergleichsgruppe mit möglichst homogener Aufgabenstruktur16. Insbesondere in kleinen Dienststellen ist es jedoch oft nicht möglich, Vergleichsgruppen zu bilden, die diesen Vorgaben entsprechen (Bieler & Lorse, 2012, Rn. 117); in diesem Fall sind die Beurteilungen in anderer „geeigneter Weise“ zu differenzieren (§ 50 Abs. 2 S. 3 BLV).

Eine andere Möglichkeit der Maßstabswahrung stellen einheitliche Niveauvorgaben dar. Sie geben vor, dass der Mittelwert der Skala die durchschnittlich vergebene Note darstellen soll (Laufer, 2008, S. 116). Sie geben keine streng einzuhaltenden Quoten vor und können somit als eine abgeschwächte Form der Richtwerte angesehen werden.

Darüber hinaus können Beurteilungskonferenzen in den Beurteilungsrichtlinien vorgesehen sein (Bieler & Lorse, 2012, Rn. 129). Mit Beurteilungskonferenzen wird auf die „Initiierung eines Selbstreflektionsprozesses [sic!] der Beurteiler“ (Bieler & Lorse, 2012, Rn. 131) abgezielt. Im Austausch mit anderen Beurteilern kann der eigene Beurteilungsmaßstab kritisch reflektiert und die Basis eines gemeinsamen Beurteilungsmaßstabs festgelegt werden (Leppek, 2010, S. 19).

2.7 Rolle der dienstlichen Beurteilung in Stellenbesetzungsverfahren

In personellen Auswahlverfahren kommt der dienstlichen Beurteilung eine „Monopolstellung“ (Lorse, 2016a, Rn. 215a) zu: Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts17 sind Auswahlentscheidungen grundsätzlich anhand aktueller und inhaltlich aussagekräftiger Beurteilungen vorzunehmen18. Die Frage, wann eine dienstliche Beurteilung noch hinreichend aktuell ist, wird in der Rechtsprechung unterschiedlich beantwortet. Grundsätzlich genügen Regelbeurteilungen innerhalb des Regelbeurteilungszeitraums – d.h. im Regelfall, wenn sie nicht älter als drei Jahre sind (vgl. § 22 Abs. 1 BBG) – dem Aktualitätserfordernis (Gourmelon & Hoffmann, 2017, S. 121f.; Braun, 2019, S. 1588).

Zunächst ist auf das abschließende Gesamturteil abzustellen19. Liegen gleiche Gesamturteile vor, handelt es sich um Beurteilungen, die „im Wesentlichen gleich“ (Bieler & Lorse, 2012, Rn. 216) sind. Ein Leistungsgleichstand aufgrund gleicher Gesamturteile liegt allerdings nur dann vor, wenn sich die Bewerber im gleichen statusrechtlichen Amt befinden (Gourmelon & Hoffmann, 2017, S. 147). Der „Grundsatz vom höheren Statusamt“ (Schnellenbach, 2018, Rn. 73) sorgt dafür, dass bei gleichen Gesamturteilen von Bewerbern aus unterschiedlichen Statusämtern die Beurteilungsnote im höheren Statusamt ein Leistungsvorsprung zuzuerkennen ist. Dies liegt darin begründet, als dass mit dem Innehaben eines höheren statusrechtlichen Amtes dementsprechend auch höhere Erwartungen verbunden sind20.

Liegen im Wesentlichen gleiche Beurteilungen vor, hat der Dienstherr die Beurteilungen inhaltlich auszuwerten21 und Differenzierungen in der Bewertung einzelner Kriterien oder in der verbalen Gesamtwürdigung festzustellen22. Einzelmerkmale können hierbei auf Grundlage des Anforderungsprofils der zu besetzenden Stelle gewichtet werden (Bieler & Lorse, 2012, Rn. 216). Im Übrigen liegt es im Ermessen des Dienstherrn, welche Merkmale er wie gewichtet (Gourmelon & Hoffmann, 2017, S. 148).

Ein Rückgriff auf ältere dienstliche Beurteilungen ist nur ergänzend und erst nach der inhaltlichen Ausschöpfung vorgesehen (Gourmelon & Hoffmann, 2017, S. 144). Hierzu geeignet sind ausschließlich frühere Regelbeurteilungen, da diese dem „Kontinuitätserfordernis“ (Schnellenbach, 2018, Rn. 95) genügen und somit Tendenzen in der Entwicklung offenbaren können.

Ist noch kein Leistungsvorsprung eines Bewerbers erkennbar, kann in einem letzten Schritt auf Hilfskriterien zurückgegriffen werden (Bieler & Lorse, 2012, Rn. 218). Assessment Center sowie Auswahlgespräche dienen daher lediglich als „sekundäre Erkenntnisquellen“ (Schnellenbach, 2018, Rn. 137f.). Neben leistungsbezogenen Hilfskriterien, kann zuletzt auf nichtleistungsbezogene Hilfskriterien (Bieler & Lorse, 2012, Rn. 220) wie die Frauenförderung oder Schwerbehinderteneigenschaft (Gourmelon & Hoffmann, 2017, S. 148; Schnellenbach, 2018, Rn. 181) zurückgegriffen werden.

Die nachfolgende Abbildung (Abb. 1) stellt die Prüfungsreihenfolge vereinfacht dar. Die grundlegende Basis einer Auswahlentscheidung bildet zunächst immer die aktuelle dienstliche Beurteilung. Die schmal zulaufende Form verdeutlicht die Nachrangigkeit des jeweiligen Auswahlkriteriums für die zu treffende Auswahlentscheidung.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abb. 1: Prüfungsreihenfolge der Auswahlkriterien in Stellenbesetzungsverfahren (eigene Darstellung).

3. Kritik an der dienstlichen Regelbeurteilung

Insofern der dienstlichen Beurteilung eine herausgehobene Bedeutung in Auswahlverfahren im öffentlichen Dienst zuteilwird, wird ihre „sachliche Existenzberechtigung“ (Bieler & Lorse, 2012, Rn. 57) vielfach kritisch hinterfragt; denn die Fehlerquellen, die zu einer nur eingeschränkten Aussagekraft im Sinne von nur geringfügig objektiven und vergleichbaren Beurteilungen führen, sind vielfältig (u.a. Leppek, 2010, S. 35ff.; Gourmelon et al., 2014, S. 77, 176). Problematisch ist dies insbesondere vor dem Hintergrund, dass fehlerhafte Beurteilungen auch zu fehlerhaften Auswahlentscheidungen führen (Kampkötter & Sliwka, 2013, S. 48). Daher soll die dienstliche Regelbeurteilung nachfolgend kritisch in den Blick genommen werden.

3.1 Funktionen

Bereits an der Funktion der dienstlichen Beurteilung als Grundlage für Auswahlentscheidungen zu dienen, wird Kritik geübt: Die Personalauswahl würde durch „Fixierung auf das Gesamturteil […] zum Zufallsprodukt“ (Baidoo, 2018, S. 196). Da es unwahrscheinlich ist, dass die zu besetzende Stelle dieselben Bedingungen aufweist, sagt die Gesamturteilsnote nur wenig über die Qualität der zukünftigen Aufgabenerfüllung auf den zu besetzenden Dienstposten aus (Gourmelon et al., 2014, S. 77). Das Gesamturteil bezieht sich lediglich auf die „abstrakte Laufbahnleistung“ (Baidoo, 2018, S. 177). Problematisch ist daher ferner, dass anhand dieser Note nur der generell Beste unter den Bewerbern ausgewählt wird, nicht aber der Befähigste für den konkreten Dienstposten (Kanne, 2016, S. 244; Baidoo, 2018, S. 154). Spezielle Fachkenntnisse, welche durch die Auswahl anhand des Gesamturteils unberücksichtigt bleiben, sind jedoch für eine optimale Aufgabenerfüllung von Vorteil (Baidoo, 2018, S. 155).

Dass mit einem einzigen Beurteilungssystem versucht wird, mehrere – teils auch widersprüchliche – Ziele gleichzeitig zu verwirklichen, wird in der Literatur kritisch gesehen (u.a. Breisig, 2012, S. 15). So besteht insbesondere ein Zielkonflikt zwischen dem Ziel der Bestenauslese und „persönlichen Entwicklungszielen“ (Marcus & Schuler, 2006, S. 441). Während Fehlereingeständnisse und ein kritisches Selbstbild des zu Beurteilenden hinsichtlich der Personalentwicklung förderlich sind, kann diese Offenheit, insofern eine Beförderung angestrebt wird, hinderlich sein (Marcus & Schuler, 2006, S. 441). Eine positive Selbstdarstellung führt dagegen eher zu einer guten Gesamtnote. Folglich scheinen durch die „Zwecküberfrachtung“ (Breisig, 2012, S. 116) Einbußen in den Zielerreichungsgraden unvermeidbar.

3.2 Person des Beurteilers

Obschon der öffentliche Sektor in Beurteilungsrichtlinien an der „Fassade“ (Breisig, 2012, S. 117) einer dem Objektivitätsanspruch genügenden Beurteilung festhält, wird das Objektivitätsideal in der Fachliteratur als unrealistisch eingestuft (u.a. Saremba, 2017, S. 283). Kritikpunkt ist die unvermeidbare Subjektivität des Beurteilers (Breisig, 2012, S. 20): Aufgrund der subjektiven Wahrnehmung und Bewertung des Beurteilers kann die gleiche Leistung niemals zu einem bei jedem Beurteiler identischen Ergebnis führen (Baidoo, 2018, S. 156; auch Breisig, 2012, S. 22). Problematisch ist, dass sich durch Wertungen die Gefahr des Einbezugs sachfremder Erwägungen erhöht; Da neben der Ermittlung des Gesamturteils auch in der Bewertung der Einzelmerkmale subjektive Wertungen vorgenommen werden, spricht Baidoo daher auch von dem „Problem der doppelten Wertungsabhängigkeit“ (2018, S. 181).

Wahrnehmungen erfolgen naturgemäß immer selektiv, da die Kapazität der menschlichen Informationsverarbeitung der Umweltreize begrenzt ist (Ansorge & Leder, 2017, S. 10). Dies führt dazu, dass es auch bei gleichen Beobachtungsmöglichkeiten zu verschiedenen Wahrnehmungen kommen kann (Laufer, 2008, S. 9). Neben der selektiven Wahrnehmung kommt es bei der Informationsaufnahme und -verarbeitung zu weiteren „Wahrnehmungsverzerrungen“ (Mentzel, Grotzfeld & Haub, 2012, S. 205). Stellvertretend zu nennen ist hier insbesondere der Überstrahlungs-Effekt, bei dem anhand nur weniger besonders positiver beziehungsweise negativer Eindrücke ein Rückschluss auf das Gesamtbild des Mitarbeiters gezogen wird (Leppek, 2010, S. 36). Der Recency-Effekt beschreibt das Phänomen, dass kürzlich gezeigte Leistungen bei dem Beurteiler am stärksten präsent bleiben; weiter zurückliegende Leistungen fließen hingegen mit weniger Gewicht in die Beurteilung mit ein (Mentzel et al., 2012, S. 205).

„Persönlichkeitsbedingte“ (Mentzel et al., 2012, S. 204) beziehungsweise „beurteilerbedingte“ (Laufer, 2008, S. 44f.) Beurteilungsfehler sind hingegen in der Person des Beurteilers begründet. Der erste Eindruck verleitet dazu, voreilige Schlüsse über einen Menschen zu ziehen (Stracke, 2015, S. 12). Problematisch ist, dass dieser Eindruck – obwohl auf nur wenigen Informationen beruhend – die Wahrnehmung der Person noch lange nachwirkend prägen kann (Laufer, 2008, S. 44). Bei einem Beurteiler, der ungern schlechte Beurteilungen vergibt oder einem Beurteiler, der grundsätzlich dazu neigt schlechter zu beurteilen, zeichnen sich Beurteilungstendenzen ab. Aufgrund ihrer Persönlichkeit tendieren sie eher „zur Milde“ oder „zur Strenge“ (Leppek, 2010, S. 35f.). Zudem beeinflussen Sympathie- oder Antipathieempfinden sowie Vorurteile unbewusst die Beurteilung (Mentzel et al., 2012, S. 204). Daneben können sich auch Emotionen und eigene Wertvorstellungen stark auf die Beurteilung auswirken (Laufer, 2008, S. 44; Stracke, 2015, S. 14).

In diesem Zusammenhang problematisch zu sehen, ist ebenfalls das Diskriminierungspotenzial von dienstlichen Beurteilungen und damit einhergehende Ungleichbehandlungen (Breisig, 2012, S. 120): So werden Frauen insgesamt schlechter beurteilt23 ; auch Berufseinsteiger oder Jüngere erhalten tendenziell schlechtere Beurteilungen (Meixner, 2020, S. 117). Es bleibt dabei unberücksichtigt, dass auch Berufseinsteiger bereits überdurchschnittliche Leistungen erbringen können (Baidoo, 2018, S. 152). Zudem können Teilzeitbeschäftigte, Beschäftigte in niedrigen Besoldungsgruppen und ältere Beschäftigte von Ungleichbehandlungen betroffen sein (Lorse, 2016, S. 446).

Diese Beurteilungsfehler geschehen oftmals unbewusst (Walther, 2018, S. 76). Beurteilungen können jedoch auch bewusst verfälscht werden. Die Ursachen sind vielfältiger Natur (u.a. Mentzel et al., 2012, S. 206): Die Angst vor Konflikten kann das Beurteilerverhalten dahingehend beeinflussen, als dass schlechtere Beurteilungen vermieden werden, um ein gutes Arbeitsklima oder persönliche Beziehungen nicht zu gefährden (Bieler & Lorse, 2012, Rn. 3; Marcus & Schuler, 2006, S. 443). Baidoo führt aus, dass der Beurteiler durch das Laufbahnprinzip regelrecht gezwungen werde, schlechte Mitarbeiter wegzuloben und gute Mitarbeiter, die er in seiner Organisation halten will, schlecht zu bewerten (2018, S. 159). Darüber hinaus stellt „Ämterpatronage“ (Braun, 2019, S. 1585) in Auswahlverfahren im öffentlichen Dienst eine nicht zu unterschätzende Praxis dar (auch Meixner, 2020, S. 122). Da hierbei persönliche Beziehungen anstelle von herausragenden Leistungen bei Besetzungsentscheidungen ausschlaggebend sind, wird die Funktionsfähigkeit des Gemeinwesens gefährdet (Braun, 2019, S. 1586). Laut Marcus und Schuler könne „mikropolitisches Verhalten“ insgesamt stärker auf die Beurteilung Einfluss nehmen als der Wahrnehmungsprozess an sich (2006, S. 443).

Nicht zuletzt können auch die zu beurteilenden Personen die Beurteilung beeinflussen (u.a. Gourmelon et al., 2014, S. 176; Leppek, 2010, S. 38). Dies können sie beispielsweise durch bewusstes Kommunizieren ihrer eigenen Leistung gegenüber der Führungskraft tun (Meixner, 2020, S. 125). Andere Strategien sind das Zeigen der gewünschten Verhaltensweisen ausschließlich in Anwesenheit des Vorgesetzten oder das Herabsetzen von Kollegen mit dem Ziel der Selbstaufwertung (Laufer, 2008, S. 48f.).

3.3 Beurteilungssystem

Laut Meixner besteht die Gefahr der Überforderung der Beurteiler, da ein „viel zu komplexes Beurteilungsinstrument“ die Umsetzung der Vorgaben erschwert (2020, S. 118). Deutlich wurde die Komplexität des Beurteilungssystems bereits an der Vielfalt der einzuhaltenden Verfahrensvorgaben24. Die Tatsache, dass das Beurteilungswesen im öffentlichen Dienst nur geringfügig durch Gesetze ausgestaltet ist, sondern vielmehr durch Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts und Bundesverfassungsgerichts geprägt ist (Baidoo, 2018, S. 9), dürfte die Übersichtlichkeit und somit eine sichere Umsetzung der Vorgaben in der Praxis zusätzlich erschweren. Eine unzureichende „Praktikabilität“ des Beurteilungssystems kann laut Marcus und Schuler daher zu einem „K.O.-Kriterium“ werden“ (2006, S. 457).

Da das dienstliche Beurteilen eine „herausgehobene Führungsaufgabe“ ist, sind regelmäßige Schulungen der Beurteiler eine wichtige Komponente (Bieler & Lorse, 2012, Rn. 211). Diese erfolgen jedoch oft unzureichend, da vorausgesetzt wird, dass Führungskräfte schlichtweg über die Fähigkeit zu sachgerechten Beurteilungen verfügen müssen (Gourmelon et al., 2014, S. 174; Stracke, 2015, S. 10). So wird von den Beurteilern beispielsweise erwartet, dass sie das zukünftige Leistungsvermögen des zu Beurteilenden prognostizieren können. Die Anforderungen an die Beurteilertätigkeit werden von Bieler und Lorse als „(vielleicht zu)“ (2012, Rn. 14) hoch eingestuft. Die Folge von Überforderung können dann fehlerhafte Beurteilungen sein.

Unkonkrete Vorgaben eröffnen zudem viele Ermessenspielräume für die Beurteiler. Exemplarisch ist die Forderung nach einem einheitlichen Beurteilungsmaßstab zu nennen, bei der es an weitergehenden Konkretisierungen fehlt: So wird lediglich festgelegt, dass sich dienstliche Beurteilungen anhand den Statusanforderungen zu orientieren haben25 ; welche Anforderungen sich konkret dahinter verbergen, wird hingegen nicht offenbart. So bleibt dem Beurteiler nur die Möglichkeit sich an eigene Vorstellungen zu orientieren (Bieler & Lorse, 2012, Rn. 121). Meixner sieht eigenes Ermessen daher als „generelles Problem bei Beurteilungen“ (2020, S. 117) an, welches mitursächlich für Beurteilungsverzerrungen ist. Unterschiedliche Beurteiler legen aufgrund von Ermessensspielräumen individuell verschiedene Maßstäbe an (Baidoo, 2018, S. 156). In der Folge werden schon in ein und derselben Kommune unterschiedliche Beurteilungsmaßstäbe angewandt (Baidoo, 2018, S. 47). Erst recht kann man daher annehmen, dass eine Vergleichbarkeit von dienstlichen Beurteilungen unterschiedlicher Dienstherren, welche zudem unter Anwendung unterschiedlicher Beurteilungsrichtlinien erstellt wurden, nur unter erschwerten Bedingungen gegeben ist. Bei systemübergreifenden Auswahlverfahren muss auch ein Arbeitszeugnis hinsichtlich der Bestenauslese vergleichbar gemacht werden (Kenntner, 2019, S. 333), sodass auch hier ein höheres Maß an Interpretation nötig ist (Gourmelon & Hoffmann, 2017, S. 160), um eine Vergleichbarkeit zur dienstlichen Beurteilung herzustellen.

Eine mangelnde Vergleichbarkeit kann darüber hinaus aus dem Umstand folgen, dass jeder Beurteiler einen eigenen Maßstab anhand einer Vergleichsgruppe anwendet (Baidoo, 2018, S. 156). Das Leistungsbild des Einzelnen wird in das Gesamtbild einer homogenen Vergleichsgruppe eingeordnet; erst in dieser Relation erlangt die dienstliche Beurteilung ihre Aussagekraft für Auswahlentscheidungen (Lorse, 2016, S. 449). Wie bereits dargestellt, ist es in der Praxis jedoch oftmals problematisch hinreichend große und homogene Vergleichsgruppen26 zu bilden. Nicht zuletzt ist es auf die Heterogenität der Aufgabenbereiche in einer Kommune zurückzuführen, dass manche Vergleichsgruppen auf Basis der Laufbahn, wieder andere anhand der Fachrichtung gebildet werden müssen (Lorse, 2016, S. 446). Die Wertung des Vorgesetzten ist jedoch auf diese spezifische Vergleichsgruppe bezogen; sie ist maßstabsbildend (Baidoo, 2018, S. 156). Dieser Aspekt führt – insoweit Vergleichsgruppen anhand verschiedener Basen gebildet werden – zur Anwendung verschiedener Maßstäbe. Ein einheitlicher Beurteilungsmaßstab ist jedoch unabdingbar für eine aussagekräftige Beurteilung (Gourmelon & Hoffmann, 2017, S. 128).

Schon bei der Bildung der Vergleichsgruppen können unterschiedliche Leistungsniveaus geschaffen werden (Laufer, 2008, S. 116), was sich auf den Maßstab auswirken kann: Die Note, welche die durchschnittliche Leistung widerspiegeln soll, ist nicht überall durch ein identisches Leistungsbild geprägt. So ist bei objektiv eher leistungsschwachen Mitarbeitergruppen die Durchschnittsnote von einem niedrigeren Niveau geprägt als bei einer Gruppe, in der sich überwiegend leistungsstarke Mitarbeiter befinden.

In diesem Zusammenhang wird auch die unter Punkt 2.6 bereits dargestellte Einführung von Richtwerten zur Wahrung der Differenziertheit der Beurteilungen kritisch gesehen27. Richtwertvorgaben liegen der Annahme zugrunde, dass sich in einer Gruppe überwiegend durchschnittlich leistungsstarke Beschäftigte befinden, jedoch nur wenige leistungsstarke sowie leistungsschwache (Breisig, 2012, S. 65). Insbesondere bei kleineren Gruppen trifft diese „Normalverteilungskurve“ jedoch oft nicht zu (Laufer, 2008, S. 116). Gruppen mit besonders leistungsstarken Beschäftigten können so demotiviert werden, da die Einhaltung von Richtwerten eine „ordnungsgemäße Leistungsbestimmung“ verhindert (Baidoo, 2018, S. 159). Kanne betitelt Quotenvorgaben insofern als ein „Spannungsfeld der Gerechtigkeit“ (2016, S. 243). Richtwerte dürfen zum Zweck der Einzelfallgerechtigkeit zwar überschritten werden, aus Sicht der Beschäftigten werden sie dennoch als einschränkend wahrgenommen (Saremba, 2017, S. 278).

Auch die Kriterienauswahl kann, insofern nicht auf die Auswahl geschlechtsneutraler Kriterien geachtet wird, die Beurteilungsqualität negativ beeinflussen (Bieler & Lorse, 2012, Rn. 141). Dem Kriterium Durchsetzungsfähigkeit wird beispielsweise eine „frauenfeindliche Tendenz bescheinigt“ (Lorse, 2016, S. 451), da es als streitsüchtiges Verhalten fehlinterpretiert wird. Neben der Auswahl können sich auch die Anzahl der Beurteilungskriterien sowie die Festlegung der Skala auf die Reliabilität der dienstlichen Beurteilung auswirken (Meixner, 2020, S. 124). So können zu viele Kriterien zu mangelnder Sorgfalt veranlassen (Mentzel et al., 2012, S. 180), beispielsweise eine Skala mit neun Abstufungen zu viele Differenzierungsmöglichkeiten offerieren (S. 184).

Weiterhin problembehaftet sind die Leistungskriterien dahingehend, als dass sie als „unvollkommene Annäherungen“ versuchen ein „hypothetisches Konstrukt“ – die Leistung – abzubilden (Marcus & Schuler, 2006, S. 435). Kriterien können in der Folge nie in aller Vollständigkeit die tatsächliche Leistung erfassen (Gourmelon et al., 2014, S. 175). Da jeder Beurteiler eine eigene Vorstellung davon hat, was er unter den einzelnen Kriterien versteht, kann es auch hier zu „Vergleichsverzerrungen“ (Bieler & Lorse, 2012, Rn. 136) infolge von interpretationsbedürftigen Kriterien kommen (auch Breisig, 2012, S. 49).

Zwingende Voraussetzung der Beurteilung ist, dass der Erstbeurteiler eine ausreichende Möglichkeit der Beobachtung des zu Beurteilenden hat (Lorse, 2016, S. 453). Ausreichend viele Beobachtungsmöglichkeiten zu erhalten, gestaltet sich jedoch insbesondere bei Führungskräften mit großen Führungsspannen schwierig (Bieler & Lorse, 2012, Rn. 136). Je mehr Mitarbeiter zu beurteilen sind und je weniger Zeit dem Beurteiler für Beobachtungen zur Verfügung steht, desto eher wird die Beobachtung zu einer „stichprobenhaften Sammlung von Einzelbeobachtungen“ (Bieler & Lorse, 2012, Rn. 137). Daneben beeinflusst auch die Art der Dokumentation die Beurteilung. Es geraten vor allem positive Verhaltensweisen ins Vergessen, da Negatives oft eher im Gedächtnis bleibt (Mentzel et al., 2012, S. 191). Auch eine räumliche Distanz kann die Beobachtungsdichte beeinflussen: Zu denken ist insbesondere an Beschäftigte, die im Außendienst tätig sind. Hier sind Verhaltensmerkmale, welche umfangreiche Beobachtungen bedürfen, nur schwer beurteilbar. Ergebnisse treten in den Vordergrund, welche jedoch den Prozess der Leistungsentstehung gänzlich außen vor lassen (Bieler & Lorse, 2012, Rn. 136; auch Gourmelon et al., 2014, S. 175). In Folge dessen fließen verschieden ausgeprägte Beurteilungsgrundlagen in die Beurteilung mit ein.

Die Fülle an Faktoren, welche sich nachteilig auf den Anspruch einer objektiven und vergleichbaren dienstlichen Beurteilung auswirken können, dürfte das „Dilemma zwischen Anspruch und Wirklichkeit“ (Meixner, 2020, S. 117) verdeutlicht haben.

4. Zielsetzung und Fragestellung

Neben einem objektiv-darstellenden Teil soll diese Arbeit eine subjektive Komponente in Form eines Meinungsbildes der Beurteiler in Bezug auf das Beurteilungssystem umfassen.

Ziel ist es, Informationen zu erheben, inwiefern die dienstliche Beurteilung aus Sicht der Beurteiler die Eignung, fachliche Leistung und Befähigung realitätsgerecht widerspiegelt. Es sollen Faktoren identifiziert werden, die sich in der Praxis negativ auf die Beurteiler und ihr Beurteilungsverhalten auswirken und somit die Aussagekraft der dienstlichen Beurteilung beeinträchtigen. Darüber hinaus sollen die Ziele der dienstlichen Beurteilung kritisch dahingehend hinterfragt werden, ob sie erreicht werden oder nicht.

Aus Praktikabilitätsgründen beschränkt sich der Fragebogen ausschließlich auf die dienstliche Regelbeurteilung.

Die Arbeitshypothese lautet, dass ein überwiegend kritisches Stimmungsbild vorherrscht, bei dem die Kritik an der dienstlichen Regelbeurteilung überwiegt. Die hervorgebrachte Kritik seitens der Beurteiler könnte – bei entsprechender Übertragbarkeit auf andere Kommunen – Anregungen dafür geben, das Beurteilungssystem zu optimieren, einzelne Bestandteile des Beurteilungssystems zu modifizieren oder dessen Funktion als Instrument der Bestenauslese kritisch zu überdenken.

5. Datenerhebung

Die Daten wurden mittels eines Fragebogens erhoben, der mithilfe der Software umfrageonline.com erstellt wurde. Als Medium ist somit eine Online-Befragung genutzt worden.

5.1 Methodenwahl

Als wissenschaftliche Methode wurde die Erhebungsmethode Fragebogen ausgewählt, um möglichst viele Vertreter der Zielgruppe erreichen zu können. Die Durchführung von Interviews hätte aufgrund des hohen Aufwands den zeitlichen Rahmen gesprengt und zudem nur mit wenigen, ausgewählten Vertretern der Zielgruppe durchgeführt werden können.

Neben der unkomplizierten Handhabung und der Möglichkeit der Erhebung einer großen Stichprobe (Brosius, Koschel & Haas, 2009, S. 126), bieten Online-Befragungen den Vorteil, dass sie anonym erfolgen und somit ehrlichere Antworten generieren können (Jonkisz, Moosbrugger & Brandt, 2012, S. 69).

Der Fragebogen wurde ausgewählt, da es mithilfe dieser Methode am besten gelingen kann, ein breites Meinungsbild über verschiedene Kommunen und Ämter hinweg zu erhalten.

5.2 Durchführung und Stichprobenerhebung

Nach Fertigstellung des Fragebogens, wurden mehrere Kommunen kontaktiert und um Weiterleitung des Umfragelinks an die Erstbeurteiler gebeten28. Durch die Teilnahme mehrerer Kommunen an der Umfrage sollte zum einen ein kommunenübergreifendes Meinungsbild generiert und somit die Chance einer Übertragbarkeit der Ergebnisse auch auf andere Kommunen erhöht werden. Zum anderen war der Nebeneffekt, dass Kritik an der dienstlichen Beurteilung nicht auf die Beurteilungsrichtlinien einer bestimmten Stadt zurückgeführt werden kann. Dies sollte die Bereitschaft der Kommunen an der Umfrage zu dem kritikbehafteten Thema der dienstlichen Beurteilung positiv beeinflussen.

Um eine Weiterleitung so einfach wie möglich zu gestalten, ist der Link zum Fragebogen in einer vorformulierten E-Mail an die Erstbeurteiler eingebettet worden. In der E-Mail an die Erstbeurteiler hat sich die Verfasserin kurz vorgestellt und ihr Vorhaben sowie das Ziel der Umfrage kurz erläutert. Unter dem Hinweis, dass die Umfrage anonym erfolgt und die Umfrageergebnisse veröffentlicht werden, ist um eine Teilnahme gebeten worden. Die Frist zur Teilnahme an der Umfrage wurde auf drei Wochen festgelegt29, damit den Befragten genügend Zeit zur Verfügung steht.

Die Zielgruppe der Umfrage bildeten die Erstbeurteiler. Führungskräfte, welche ihre Mitarbeiter regelmäßig beurteilen, sind selbst Bestandteil des Beurteilungssystems und somit am besten in der Lage, die Ziele und Ansprüche an die dienstliche Beurteilung seitens Gesetze und Rechtsprechung mit der kommunalen Wirklichkeit abzugleichen. Sie gewähren einen Blick auf das System von innen heraus.

Die Stichprobenerhebung wurde während der COVID-19-Pandemie durchgeführt. Dieser Umstand führte insgesamt zu einer geringeren Teilnahmebereitschaft der Kommunen, da diese ihre Beschäftigten durch die Teilnahme an einer Umfrage nicht zusätzlich belasten wollten und somit einige angefragte Kommunen von einer Weiterleitung des Umfragelinks absahen.

Insgesamt haben Erstbeurteiler von sieben Kommunen aus zwei verschiedenen Bundesländern an der Umfrage teilgenommen. Es ist darauf hinzuweisen, dass die Kommunen die Umfrage überwiegend nur an einen Teil der Zielgruppe der Erstbeurteiler weitergeleitet haben. So erfolgte die Weiterleitung beispielsweise in einer Kommune innerhalb eines Referates, in einer anderen lediglich an acht Erstbeurteiler. Auch dies hat sich auf die Stichprobengröße ausgewirkt.

5.3 Aufbau des Fragebogens

Bei der Gestaltung des Fragebogens ist darauf geachtet worden, diesen möglichst übersichtlich zu gestalten. Aufgrund dessen wurde der Fragebogen thematisch aufgeteilt: Teil A fragt die Angaben zur Person des Befragten ab. Teil B beschäftigt sich mit den Zielen der dienstlichen Regelbeurteilung, während sich Teil C mit der realitätsgerechten Erfassung von Eignung, fachlicher Leistung und Befähigung der zu Beurteilenden befasst.

Zwischen den einzelnen Abschnitten wurden Befragtenhinweise eingefügt. Sie enthalten zum einen Anweisungen, wie bei der Beantwortung der nachfolgenden Fragen vorzugehen ist (Porst, 2014, S. 149) und dienen als Überleitung in den neuen Themenbereich30.

Bei der Formulierung der einzelnen Fragen beziehungsweise Aussagen wurde darauf geachtet, diese möglichst kurz, klar und verständlich zu halten. Doppelte Verneinungen und Nebensätze wurden vermieden, um Missverständnisse zu vermeiden (Jonkisz et al., 2012, S. 64). Wurden Fach- oder Oberbegriffe genutzt, bei denen Interpretationsspielraum besteht, wurden in Befragtenhinweisen Definitionen oder Beispiele31 gegeben (Jonkisz et al., 2012, S. 65). Zudem ist auf eine genderneutrale Sprache geachtet worden.

Auf der ersten Seite der Umfrage wurde nochmals eine anonyme Auswertung zugesichert und den Befragten für ihre Teilnahme gedankt32. Dies sollte die Motivation der Befragten steigern, die Umfrage bis zum Ende durchzuführen und auch kritische Fragen ehrlich zu beantworten. Damit es nicht zu Missverständnissen kommt, wurde darüber hinaus zu Beginn darauf hingewiesen, dass der Begriff Regelbeurteilung gleichbedeutend zur periodischen Beurteilung (vgl. Art. 56 LlbG) ist.

Teil A behandelt die persönlichen Angaben und umfasst drei Fragen. Auf demografische Angaben zu Alter und Geschlecht ist verzichtet worden, da sie nicht hinreichend relevant für die Fragestellung sind (Jonkisz et al., 2012, S. 69).

1. In welchem Bereich sind Sie in Ihrer Kommune tätig?33

- Allgemeine Verwaltung
- Finanzen
- Recht, Sicherheit und Ordnung
- Schule und Kultur
- Soziales, Jugend und Gesundheit
- Bauwesen
- Öffentliche Einrichtungen
- Wirtschaft und Verkehr
- Sonstiges

Mit dieser Frage sollte herausgefunden werden, in welchem Bereich der jeweilige Beurteiler tätig ist. Auf diese Weise kann überprüft werden, welche Bereiche mit der Stichprobe abgedeckt werden. Es kann aus insgesamt neun Bereichen, welche an dem KGSt®-Produktplan (KGSt, 2019) angelehnt sind, ausgewählt werden.

2. Wie viele Mitarbeiter/-innen beurteilen Sie regelmäßig?34

Ziel der Frage ist, die Größen der Führungsspannen herauszufinden. Die Frage soll Aufschluss darüber geben, wie viele Regelbeurteilungen der einzelne Beurteiler zu erstellen hat.

3. Seit wie vielen Jahren sind Sie in einer Führungsposition tätig?35

Diese Frage zielt darauf ab, zu erfahren, inwiefern bereits Führungserfahrung vorhanden ist. Die Sicherheit im Umgang mit der Führungsaufgabe der Beurteilung kann sich in der Führungserfahrung widerspiegeln.

Teil B befasst sich mit den Zielen der dienstlichen Regelbeurteilung und umfasst fünf Fragen. Die Ziele sollen entsprechend ihres Zielerreichungsgrades eingeschätzt werden. Anhand einer 4er-Skala soll die Intensität der Zielerreichung („Das Ziel wird … erreicht“) eingeschätzt werden: gar nicht kaum/ ein wenig überwiegend voll und ganz Es ist bewusst eine gerade Skala ohne Mittelpunkt gewählt worden, um eine Entscheidung der Befragten herbeizuführen (Porst, 2014, S. 84). Die Befragten müssen sich mit der jeweiligen Frage auseinandersetzen und sollen nicht aus Bequemlichkeitsgründen auf die mittlere Kategorie ausweichen. Die Gefahr der Tendenz zur Mitte, welche wenig aussagekräftige Ergebnisse zur Folge haben kann, soll auf diese Weise entgegengewirkt werden (Jonkisz et al., 2012, S. 60f.).

1. Durch die dienstliche Regelbeurteilung wird die Bestenauslese bei Stellenbesetzungsverfahren gewährleistet.

(Auswahl des bestgeeigneten Bewerbers/ der bestgeeigneten Bewerberin für die zu besetzende Stelle anhand der Gesamtnote)36

Anhand dieser Fragestellung soll der Beurteiler die Funktionalität der dienstlichen Regelbeurteilung als Instrument der Bestenauslese bewerten. Die Beurteiler sollen bewerten, inwiefern sie es als zielführend erachten, dass die Eignungsfeststellung des Bewerbers anhand der Gesamtnote erfolgt.

2. Durch die dienstliche Regelbeurteilung wird die Personalentwicklung unterstützt.

(Fortbildungsbedarfe erkennen, Maßnahmen ableiten)37

Hier soll die Funktion der Unterstützung der Personalarbeit anhand des subjektiv empfundenen Zielerreichungsgrades eingeschätzt werden. Werden konkrete Maßnahmen bei schlechten Bewertungen abgeleitet und umgesetzt? Die Frage kann Aufschluss darüber geben, ob Konsequenzen aus schlechten dienstlichen Regelbeurteilungen folgen oder nicht. Auch eine Vernetzung des Instruments mit anderen Bereichen der Personalarbeit kann festgestellt werden.

3. Durch die dienstliche Regelbeurteilung wird die Motivation der zu beurteilenden Mitarbeiter/-innen gefördert.

(Dienstliche Beurteilung als Anreiz für eine Leistungssteigerung)38

In vielen Beurteilungsrichtlinien wird die Motivation der zu beurteilenden Mitarbeiter angestrebt. Ob eine Motivationswirkung durch die dienstliche Regelbeurteilung in der Praxis tatsächlich generiert werden kann, ist Gegenstand dieser Frage.

4. Durch die dienstliche Regelbeurteilung wird ein objektiver Leistungsvergleich aller Beschäftigten ermöglicht.39

Grundsätzlich zielt die dienstliche Regelbeurteilung auf eine „größtmögliche Objektivität und Vergleichbarkeit“ (Bieler & Lorse, 2012, Rn. 14) ab. Verschiedenste Tätigkeiten sollen anhand der Statusanforderungen auf einen gemeinsamen Nenner gebracht werden und somit in Konkurrenzsituationen objektive Vergleiche der Bewerber ermöglichen. Individuelle Leistungen sind immer durch situative Faktoren wie beispielswiese das Betriebsklima oder das Führungsverhalten des Vorgesetzen geprägt40. Inwiefern daher objektive Leistungsvergleiche überhaupt möglich sind, soll hier erfragt werden.

5. Durch die dienstliche Regelbeurteilung wird die leistungsorientierte Entgeltfindung gefördert.

(Instrument der leistungsorientierten Besoldung, z.B. Leistungsprämie, -zulage)41

Mit dieser Frage soll herausgefunden werden, ob beziehungsweise inwiefern die dienstliche Regelbeurteilung eine leistungsorientierte Entgeltfindung unterstützt. Ob die dienstliche Regelbeurteilung als Grundlage zum Beispiel für die Gewährung einer Leistungsprämie aufgrund herausragender Leistungen herangezogen wird, gilt es mit dieser Frage zu erfragen.

[...]


1 BVerwG, Beschl. v. 20.06.2013 – 2 VR 1/13, juris Rn. 18.

2 BVerwG, Urt. v. 04.11.2010 – 2 C 16/09 -, BVerwGE 138, 102 - 122, juris Rn. 46.

3 Obwohl in dieser Arbeit ausschließlich die männliche Form genutzt wird, sind stets alle Geschlechter gemeint.

4 BVerwG, Urt. v. 12.03.1987 – 2C 36.86, Wolters Kluwer Rn. 10.

5 Auch Anlassbeurteilung genannt.

6 BVerfG, Nichtannahmebeschluss v. 20.09.2007 – 2 BvR 1972/07, juris Rn. 8.

7 BVerwG, Urt. v. 01. 03.2018 – 2 A 10/17 –, BVerwGE 161, 240 - 255, juris Rn. 29.

8 BAG, Urt. v. 10.03.1982 – 5 AZR 927/79 –, BAGE 38, 141 - 148, juris Rn. 22.

9 BAG, Urt. v. 18.08.2009 – 9 AZR 617/08, juris Rn. 29.

10 OVG NRW, Beschl. V. 03.05.2010 – 6 B 1603/09, juris Rn. 27.

11 BVerwG, Beschl. v. 19.12.2014 – 2 VR 1/14, juris Rn. 22.

12 OVG NRW, Beschl. v. 28.06.2006 – 6 B 618/06, juris Rn. 10.

13 U.a. BVerwG, Beschl. v. 20.06.2013 – 2 VR 1/13, juris Rn. 18.

14 OVG Münster, Besch. v. 30.11.2015 – 6 B 1080/15, juris Rn. 26.

15 BVerwG, Urt. v. 24.11.2005 – 2 C 34/04, juris Rn. 13, 15.

16 Ebd. Rn. 15.

17 Insb. BVerwG, Beschl. v. 19.12.2014 – 2 VR 1.14, juris; siehe auch BVerwG, Beschl. v. 20.06.2013 – 2 VR 1/13, juris.

18 BVerwG, Beschl. v. 19.12.2014 – 2 VR 1.14, juris Rn. 22.

19 Ebd. Rn. 20, 22.

20 BVerfG, Beschl. v. 04.10.2012 – 2 BvR 1120/12, juris Rn. 13; Gourmelon & Hoffmann, 2017, S. 147.

21 Auch „inhaltliche[n] Ausschöpfung“ (Bieler & Lorse, 2012, Rn. 218) genannt.

22 BVerwG, Beschl. v. 19.12.2014 – 2 VR 1.14, juris Rn. 35.

23 Auch die vorgegebenen Bewertungskriterien können diskriminierenden Charakter haben. Näheres zu dem Aspekt der geschlechterneutralen Kriterien unter Punkt 3.3.

24 Siehe hierzu insbesondere unter Punkt 2.4 bis 2.6.

25 BVerwG, Beschl. v. 20.06.2013 – 2 VR 1/13, juris Rn. 22.

26 Siehe unter Punkt 2.6.

27 Zur Kritik an Richtwerte ausführlicher: Bodanowitz, 2019, Rn. 406ff.

28 Siehe Anlage 1.

29 Siehe Anlage 1.

30 Siehe exemplarisch Anlage 2 – Teil C.

31 Siehe exemplarisch Anlage 2 – Teil B, Frage 1 oder Teil C – Frage 1a.

32 Siehe Anlage 2 – Einleitung.

33 Siehe Anlage 2 – Teil A, Frage 1.

34 Siehe Anlage 2 – Teil A, Frage 2.

35 Siehe Anlage 2 – Teil A, Frage 3.

36 Siehe Anlage 2 – Teil B, Frage 1.

37 Siehe Anlage 2 – Teil B, Frage 2.

38 Siehe Anlage 2 – Teil B, Frage 3.

39 Siehe Anlage 2 – Teil B, Frage 4.

40 Siehe unter Punkt 3.1.

41 Siehe Anlage 2 – Teil B, Frage 5.

Ende der Leseprobe aus 77 Seiten

Details

Titel
Spiegelt die dienstliche Beurteilung die Eignung und fachliche Leistung realitätsgerecht wider?
Untertitel
Bewertung dienstlicher Beurteilungen aus Sicht der Beurteiler
Note
1,0
Autor
Jahr
2020
Seiten
77
Katalognummer
V924400
ISBN (eBook)
9783346239518
ISBN (Buch)
9783346239525
Sprache
Deutsch
Schlagworte
dienstliche Beurteilung, Regelbeurteilung, Personalmanagement, Beurteiler, Personal, Verwaltung, Personalwesen, öffentliche Verwaltung, Kommune, Kommunalverwaltung, Kritik, GG, Grundgesetz, Beamtengesetz, NRW, Beamte, Beamtinnen, beurteilen
Arbeit zitieren
Laura Lindberg (Autor:in), 2020, Spiegelt die dienstliche Beurteilung die Eignung und fachliche Leistung realitätsgerecht wider?, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/924400

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