Fortschritt ist in unserem Sprachgebrauch ein gängiger Begriff, allerdings ist er erst im 18. Jahrhundert entstanden. Obwohl sowohl die Meinung vertreten wird, dass es schon immer ein gewisses Bewusstsein über Fortschritt gab, als auch die, dass die Vorstellung erst in der Neuzeit entstanden ist, ist man sich dennoch einig, dass man sich erst in der Neuzeit, vor allem im 18. Jahrhundert, intensiv mit der Kategorie Fortschritt auseinandergesetzt hat, ihn empirisch zu beweisen versucht und gewisse Erwartungen an ihn geknüpft hat. Wo allerdings Dissens besteht, ist die Frage nach der Entstehung des Fortschrittsdenkens. Während einige Historiker und Theologen der Ansicht sind, dass es sich aus der christlichen Erwartung auf ein künftiges Heil entwickelt habe, gibt es auch Vertreter der These, dass das Fortschrittsdenken ausschließlich aufgrund technischer und wissenschaftlicher Neuerungen aufgekommen und daher unabhängig vom christlichen Glauben entstanden ist. Des Theologen Karl Löwiths Werk Weltgeschichte und Heilsgeschehen, in dem die These vertreten wird, das Fortschrittsdenken sei ein Säkularisat der Eschatologie, entfachte in den 1960er Jahren eine Kontroverse zwischen ihm und Hans Blumenberg. Auch von Jürgen Mittelstrass wurde der theologische Ansatz heftig kritisiert, und die These, das Fortschrittsdenken sei etwas genuin weltliches, verteidigt. Der erst im letzten Jahr verstorbene Historiker und Schüler Löwiths, Reinhart Koselleck, versucht, dessen Gedanken weiterzuführen und den christlichen Ursprung des Fortschrittsdenkens darzulegen. Die Auswahl der Quellen wurde auf diese Autoren beschränkt, da sie die wichtigsten Aussagen zu diesem Diskurs beigetragen haben.
Im Folgenden soll zunächst der Begriff Fortschritt erläutert und die Entwicklung des Fortschrittsdenkens skizziert werden, um dann die bereits genannten widerstreitenden Thesen gegenüberzustellen.
Fortschritt ist eine entscheidende Kategorie unserer modernen Welt, die weitgehend unser Geschichtsbild und somit unser Weltbild bestimmt. Daher ist es von wissenschaftlichem Interesse, die Entstehung der Fortschrittsidee so differenziert wie möglich darzustellen.
Inhaltsverzeichnis
- EINLEITUNG
- DEFINITION DES BEGRIFFS FORTSCHRITT
- DIE ENTSTEHUNG DES FORTSCHRITTDENKENS
- WELTGESCHICHTE ALS HEILSGESCHICHTE
- KARL LÖWITH: FORTSCHRITTSDENKEN ALS SÄKULARISAT CHRISTLICHER ENDERWARTUNG
- HANS BLUMENBERG: KRITIK AN DER SÄKULARISIERUNGSTHESE
- DIE KONTROVERSE ZWISCHEN LÖWITH UND BLUMENBERG
- JÜRGEN MITTELSTRASS: FORTSCHRITT ALS ENTDECKUNG DES NEUZEITLICHEN DENKENS
- REINHART KOSELLECK: WEITERFÜHRUNG VON LÖWITHS SÄKULARISIERUNGSTHESE
- FAZIT
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Der Text beleuchtet die Entstehung des Fortschrittsdenkens im 18. Jahrhundert und untersucht die Frage, ob dieses Denken aus der christlichen Eschatologie hervorgegangen ist oder ein genuin weltliches Phänomen darstellt.
- Definition des Begriffs Fortschritt
- Die Entstehung des Fortschrittsdenkens im Kontext der Neuzeit
- Die Verbindung von Fortschrittsdenken und Geschichtsbild
- Der Einfluss der christlichen Eschatologie auf das Fortschrittsdenken
- Die kontroversen Positionen von Karl Löwith, Hans Blumenberg und Jürgen Mittelstrass
Zusammenfassung der Kapitel
- Einleitung: Die Einleitung stellt das Thema des Fortschrittsdenkens im 18. Jahrhundert vor und skizziert die Kontroverse um die Entstehung dieses Denkens.
- Definition des Begriffs Fortschritt: Dieses Kapitel definiert den Begriff Fortschritt als eine durch menschliches Handeln bewirkte Veränderung, die auf eine Verbesserung zielt. Es wird zwischen individuellen und kollektiven Fortschritten unterschieden.
- Die Entstehung des Fortschrittsdenkens: Dieses Kapitel beschreibt die Entwicklung des Fortschrittsdenkens in der Renaissance, der Neuzeit und der Aufklärung. Es wird argumentiert, dass das Fortschrittsdenken aus dem neuzeitlichen Denken und dem Bewusstsein der eigenen Schöpfungskraft hervorging.
- Weltgeschichte als Heilsgeschichte: Dieses Kapitel behandelt die Verbindung des Fortschrittsdenkens mit der christlichen Vorstellung einer Heilsgeschichte. Es wird gezeigt, wie die Entwicklung der Menschheit als Fortschritt interpretiert wurde.
- Karl Löwith: Fortschrittsdenken als Säkularisat christlicher Enderwartung: Dieses Kapitel stellt die These von Karl Löwith vor, dass das Fortschrittsdenken eine säkularisierte Form der christlichen Eschatologie ist.
- Hans Blumenberg: Kritik an der SäkularisierungsThese: Dieses Kapitel präsentiert die Kritik von Hans Blumenberg an Löwiths These. Blumenberg argumentiert, dass das Fortschrittsdenken nicht aus der christlichen Eschatologie hervorgegangen ist.
- Die Kontroverse zwischen Löwith und Blumenberg: Dieses Kapitel beleuchtet die Kontroverse zwischen Löwith und Blumenberg und untersucht die verschiedenen Argumente beider Positionen.
- Jürgen Mittelstrass: Fortschritt als Entdeckung des neuzeitlichen Denkens: Dieses Kapitel stellt die These von Jürgen Mittelstrass vor, dass das Fortschrittsdenken eine genuin weltliche Erscheinung ist, die aus dem neuzeitlichen Denken hervorgegangen ist.
- Reinhart Koselleck: Weiterführung von Löwiths SäkularisierungsThese: Dieses Kapitel zeigt, wie Reinhart Koselleck Löwiths These über den christlichen Ursprung des Fortschrittsdenkens weiterentwickelt.
Schlüsselwörter
Die zentralen Begriffe des Textes sind Fortschritt, Neuzeit, Aufklärung, Säkularisation, Eschatologie, Geschichtsbild, Heilsgeschichte, Weltgeschichte, wissenschaftlicher Fortschritt, technischer Fortschritt, menschliche Vernunft, christlicher Glaube, Kollektivsingular, teleologisches Geschichtsbild, historische Bewusstsein, Zeitbewusstsein.
- Arbeit zitieren
- Sofie Sonnenstatter (Autor:in), 2007, Das neuzeitliche Fortschrittsdenken, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/92820