Entwicklung des Gymnasiums in Münster (Westf.)

Von der schola Paulina zur "Selbständigen Schule"


Hausarbeit, 2007

22 Seiten, Note: 2,0


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

Einleitung

1. Entstehung und Entwicklung des Gymnasiums in Münster
1.1 Anfänge der ältesten Schule (797-1450)
1.2 Anfänge des humanistischen Gymnasiums (ab 1500)
1.3 Zum Münsteraner Gymnasium im 17. Jahrhundert
1.4 Zum Münsteraner Gymnasium im 18. Jahrhundert
1.5 Zum Münsteraner Gymnasium im 19. Jahrhundert
1.6 Münsteraner Gymnasien nach

2. Münsteraner Gymnasien heute
2.1 Aufnahmekriterien für die Gymnasien
2.2 Fächervielfalt in der gymnasialen Oberstufe
2.3 Berufsorientierung an den Gymnasien
2.4 Projekt „Selbständige Schule“

Zusammenfassung

Literaturverzeichnis

Liste der Gymnasien in Münster

Einleitung

Die Geschichte der Gymnasien in Münster lässt sich im Rahmen dieser Arbeit nur in Grundzügen darstellen. Leitende Gesichtspunkte sollen dabei sein: Welche Bildungsziele verfolgten die Gymnasien in der jeweiligen historischen Situation? Zu welchen Zwecken wurden also welche Fächer unterrichtet? Aus welchen Schichten stammten die Schüler? Inwieweit stellte die Bildung einen Wert an sich dar? Inwiefern bereitete das Gymnasium eher utilitaristisch auf das Leben außerhalb der Schule vor? Wie selbständig waren die einzelnen Schulen?

1. Entstehung und Entwicklung des Gymnasiums in Münster

Die Geschichte der Gymnasien in Münster kann nicht rekonstruiert werden, ohne zugleich über bestimmte pädagogische und soziale Trends zu sprechen. Aufgrund der langen Schulgeschichte der Stadt Münster stelle ich im folgenden Eckpunkte der Schulentwicklungsgeschichte vor.

1.1 Anfänge der ältesten Schule (797-1450)

Münsters älteste Schule ist zugleich die älteste humanistische Lehranstalt Deutschlands: das heutige Gymnasium Paulinum. Die Gründung lässt sich auf das Jahr 797 zurückverfolgen. Als damalige Domschule bildete die schola paulina Monasteriensis[1] eine „wissenschaftliche Pflanzstätte zur Heranbildung des geistlichen Nachwuchses für das ganze Bistum“[2]. Somit war diese Schule berufsbezogen, wenn man den Klerus als Berufsstand sehen möchte. Bischof Liudger selbst, Gründer des Bistums Monasterium (796), lehrte an dieser Schule und leitete sie, um eine gründliche wissenschaftliche Ausbildung der angehenden Geistlichen zu garantieren[3].

Die Lehrpläne richteten sich anfangs nach einer Verordnung Karls des Großen aus dem Jahre 789. Die Knaben der kirchlichen Schulen sollten demnach „die Psalmen, die Schriftzeichen, den Gesang, das Berechnen der kirchlichen Feiertage und die lateinische Grammatik erlernen.“[4] Im neunten Jahrhundert wurde die Schrift de institutione clericorum („über die Ausbildung der Geistlichen“) zum Maßstab an Dom- und Klosterschulen. Das Werk des Erzbischofs Hrabanus Maurus von Mainz stellte bereits einen konkreten Lehrplan vor. Die Anforderungen an die Bildung von Geistlichen beschreibt er wie folgt: „umfassendes Wissen, einwandfreier Lebenswandel und vollendete Bildung“[5]. Erreicht werden könne das Ziel nur durch einen Lehrer, der den Lehrstoff beherrsche. Sein Vortrag müsse nicht nur fehlerfrei sein, sondern auch der Fassungskraft der Schüler Rechnung tragen. Hrabanus führte als ideale Unterrichtsmethode unter Bezug auf Sokrates die Maieutik ein. Sie helfe dem Lehrer, seine Schüler zur Selbständigkeit zu führen, ganz nach dem Lehrsatz: „Unterrichten heißt verständig fragen“ (sapienter interrogare docere est)[6].

Mittelpunkt des Unterrichts an der schola paulina war natürlich die Theologie. Sie baute als höchste Wissenschaft auf die „sieben Säulen der Philosophie“ auf: Grammatik, Rhetorik, Dialektik sowie Arithmetik, Geometrie, Astronomie und Musik. Grundlagen waren dafür die Übungen der Eingangsstufen im Lesen, Rechnen und im Elementarlatein. Die lateinische Sprache war schließlich der Schlüssel zur Theologie und die Sprache des Klerus[7].

Leiter der Domschule war ein sogenannter Magister scholarum, später Scholasticus. Er hatte sämtliche Befugnisse, was die Schule betraf: Einstellung und Entlassung von Lehrern, Aufnahme und Verweis der Knaben, Vorschreiben des Lehrplans, Abhaltung von Prüfungen sowie Erteilung des Reifezeugnisses, der sog. Emanzipation[8]. In dieser Hinsicht war das älteste Gymnasium Münsters bereits eine vollkommen „Selbständige Schule“ unter der Leitung einer Person.

Die schola paulina war zum geistigen Mittelpunkt des Münsterlandes geworden. Im Laufe des 11. Jahrhunderts ließen sich am Horsteberg zu Münster, Sitz des Domes und der Domschule, nicht nur Geistliche nieder, sondern zunehmend auch Kaufmannsleute und Handwerker. Dieser Zulauf führte schließlich zur Entstehung der Stadt Münster und zu einem Wandel der Bevölkerungsstruktur. Im 11. und 12. Jahrhundert entstanden die Stiftsschulen von St. Mauritz, St. Ludgeri und St. Martini. Sie entlasteten die mittlerweile überlaufene Domschule, die weiterhin die höchste Schulform im Münsterland war[9].

Ab dem 13. Jahrhundert verselbständigten sich die wissenschaftliche Disziplinen wie Theologie, Kirchenrecht und Arzneikunst. Die höchsten Schulen waren auf diesen Gebieten jetzt in Paris, Bologna und Salerno zu finden. In Frankreich und Italien entstanden Hochschulen, deren Bildungsstandards die Domschulen nicht gewachsen waren. So verlor auch die schola paulina an Bedeutung, „weil sie nicht mehr die einzige Spenderin der Bildung war und weil das Bildungsideal und das Bildungsziel ein höheres wurde“[10]. Die Domschule entsandte daher zahlreiche Zöglinge zu den fernen Universitäten. Dennoch blieb sie die höchste Bildungsstätte im Münsterland bis zur Gründung der Universität Münster im Jahre 1773.

Das Zeitalter der Scholastik hob auch die Anforderungen an den Leiter einer Domschule. Das Statut des Münsteraner Domkapitels aus dem Jahre 1304 schrieb nun vor, dass jeder Domherr (Schulleiter) eine fremde Hochschule besucht haben musste[11]. Die erste Hochschule in Deutschland gab es erst ab 1348 in Prag.

Auf Quellen zur Münsteraner Domschule stoßen wir erst wieder im Zeitalter der geistigen und künstlerischen Renaissance, die man im Hinblick auf die Bildung auch Humanismus nennt.

1.2 Anfänge des humanistischen Gymnasiums (ab 1500)

In der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts setzte sich auch in Münster die Bewegung des Humanismus durch. Die Domstadt erhielt zum ersten Mal „eine selbständige und weithin wirkende Stellung im literarischen und pädagogischen Leben“[12] Deutschlands.

Das Selbstverständnis gebildeter Kreise war nun die humanitas. Man sah in den antiken Klassikern das unerreichte Muster der schönen Form. Die lateinische Umgangssprache des Mittelalters hielt man für „barbarisch“. Stürmisch und rücksichtslos erstrebte man die Wiedergeburt (Renaissance) des klassischen Altertums. Der Humanismus verlangte nach der Umgestaltung des Unterrichts, nach einer Bildungsreform, um die „Barbarei“ früherer Zeiten zu verdrängen.[13]

Pädagogische Akzente setzte der Münsteraner Rudolf von Langen, wahrscheinlich selbst ehemaliger Schüler der Domschule. Es gilt als von Langens Hauptverdienst, dass die Domschule im Jahre 1500 zu einem humanistischem Gymnasium umgestaltet wurde[14]. Das heutige Gymnasium Paulinum ist somit nicht nur die älteste Schule Münsters, sondern auch das älteste humanistische Gymnasium Deutschlands.

Literarische Akzente am humanistischen Gymnasium setzte ab 1507 der Konrektor Murmellius. Als Lehrer soll er seinem eigenem Meister Alexander Hegius ebenbürtig gewesen sein und das Münsteraner Gymnasium berühmt gemacht haben. Vor allem seine vier Bücher moralischer Elegien gehören heute zu den bedeutendsten Werken neulateinischer Dichtung[15]. Die Sprache und der Versbau klassischer Dichter wie Tibull, Properz oder Ovid sind in diesem Werk wiederzuerkennen. Für die Schüler des Gymnasiums versuchte Murmellius, vereinfachte Wege zur lateinischen Sprache des Altertums zu finden, und verfasste zahlreiche Kommentare und Erläuterungen für einen leichteren Zugang zur humanitas[16].

Der Sprachunterricht konzentrierte sich ab 1500 nicht mehr auf die mittellateinische Gelehrtensprache, sondern auf die Schriftsprache der alten Römer, des klassischen Lateins. Das Doctrinale war abgeschafft. Als Lektüre verwendete man nun rhetorisch und philosophisch geprägte Werke und zunehmend christliche Quellen der Alten Kirchenväter. Somit hatte das Gymnasium Paulinum sogar gegenüber den deutschen Universitäten einen gewissen Vorsprung erlangt[17]. Auch mit der Einführung der griechischen Sprache ging das Paulinum allen höheren Lehranstalten Deutschlands voraus. Das höchste humanistische Ideal, Kenntnis der drei Sprachen, war mit der Einführung des Hebräischen bis 1517 erreicht.

Das Gymnasium Paulinum wurde zum Vorbild für viele andere Schulen. Schließlich war die Schule zum „Brenn- und Ausstrahlungspunkt des Humanismus in Norddeutschland“[18] geworden.

1.3 Zum Münsteraner Gymnasium im 17. Jahrhundert

Primär diente das Gymnasium Paulinum weiterhin der Erziehung für den geistlichen Stand. Die Schulordnung war streng religiös geprägt, obwohl Mitte des 16. Jahrhunderts erstmals ein weltlicher Mann namens Kerssenbroch die Schule leitete. Der Abschluss der gymnasialen Ausbildung blieb zunächst die „Emanzipation“, die Reifeprüfung, ausgerichtet auf einen geistlichen Werdegang.

Eine entscheidende Wende stellte die Übernahme durch den Jesuitenorden im Jahre 1588 dar. Innerhalb kürzerster Zeit stieg die Schülerzahl von rund 300 auf 1400 im Jahre 1617. Die Hauptregel der Jesuiten lautete: „Erziehung für das jenseitige Ziel mittels einer diesem Ziel möglichst entsprechenden Erziehung für den Lebensberuf in der Welt. Die Jünglinge sollen so erzogen werden, dass sie zugleich mit der Wissenschaft sich Sitten aneignen, die eines Christen würdig sind“[19]. Daraus ist zu entnehmen, dass das Jesuitengymnasium nicht mehr ausschließlich auf geistliche, sondern auch auf weltliche Berufe vorbereitete.

Insgesamt gab es nur fünf Klassen: Infima (Eingangsstufe), Secunda oder Media und die Syntaxis. Diese drei Stufen bezogen sich auf die Einübung der lateinischen und griechischen Grammatik. In zwei Oberstufen –„Poetik“ und „Rhetorik“- stand im Mittelpunkt die eloquentia (Beredsamkeit) in der lateinischen und griechischen Sprache. Die Redekunst umfasste die Regeln der Rhetorik, den Stil und das gelehrte Wissen (Erudition). Der lateinische Autor Cicero war das Maß der höchsten Rhetorik, im Unterricht aber an die Fassungskraft der Schüler angepasst[20]. Alle fünf Stufen wurden subsumiert unter dem Begriff studia inferiora.

Voraussetzung für die Aufnahme an einer Universität war ein dreijähriger philosophisch-theologischer Lehrgang, der sich an „Poetik“ und „Rhetorik“ anschloss und ebenfalls am Jesuitengymnasium durchgeführt wurde. Diesen höheren Zweig, vergleichbar mit der heutigen Sekundarstufe II, nannte man studia superiora. Geprüft wurden die Abiturienten in einer feierlichen Disputation, d.h. in einem geübten wissenschaftlichen Streitgespräch. Studiengänge, die man mit einem derartigen Abschluss anstreben konnte, waren das Fachstudium der Theologie, Rechtswissenschaft, Philosophie und Medizin. Etwa der Hälfte der Schule wollte studieren. Lehrer für den höheren Lehrgang mussten Professor der Metaphysik, der Mathematik, der Physik und der Logik sein[21].

Warum verzeichnete die Jesuitenschule im 17. Jahrhundert einen so großen Zulauf an Schülern? Von entscheidender Bedeutung war sicherlich der unentgeltliche Unterricht. Finanziert wurde das Gymnasium Paulinum durch großzügige Gaben Gläubiger, aber auch durch Strafgelder. Im Zuge der Reformation glaubte man auch, dass „der Orden (der Jesuiten) das auserwählte Rüstzeug zur Rettung der (wahren) Kirche Gottes sei... Die Jesuiten besaßen zugleich weltmännische Bildung und fachmännische Gelehrsamkeit. So waren sie gerüstet, die Welt durch die Welt zu überwinden“[22]. Auf ihren Verdienst ist es zurückzuführen, dass der protestantische Einfluss in Europa vermindert wurde.

[...]


[1] Der Apostel Paulus war zum Schutzheiligen des Domes und des Bistums erwählt.

[2] Schulze, Rudolf: Das Gymnasium Paulinum zu Münster, S.10.

[3] Vgl. Löffler, Klemens: Der heilige Liudger, S. 8f..

[4] Specht, Franz Anton: Geschichte des Unterrichtswesens in Deutschland, S. 21.

[5] Jäger, Julius: Die schola Osnabrugensis, S. 6.

[6] Ebd. S. 7.

[7] Vgl. Specht, Franz Anton: Geschichte des Unterrichtswesens in Deutschland, S. 186f..

[8] Vgl. Schulze, Rudolf: Das Gymnasium Paulinum zu Münster, S.12.

[9] Vgl. Löffler, Klemens: Schulen, Wissenschaft und Literatur des Münsterlandes, S. 94-97.

[10] Ebd. S. 98.

[11] Vgl. Westfälisches Urkundenbuch VIII S. 98.

[12] Löffler, Klemens: Schulen, Wissenschaft und Literatur des Münsterlandes, S. 116.

[13] Vgl. Frey, J.: Festrede zur Einweihung des neuen Schulgebäudes 1898, S. 10.

[14] Vgl. Schulze, Rudolf: Das Gymnasium Paulinum zu Münster, S.18f..

[15] Vgl. Löffler, Klemens: Schulen, Wissenschaft und Literatur des Münsterlandes, S. 129.

[16] Vgl. ebd. S. 130.

[17] Vgl. ebd. S. 131.

[18] Schulze, Rudolf: Das Gymnasium Paulinum zu Münster, S.26.

[19] Paulsen, Friedrich: Geschichte des gelehrten Unterrichts, S.416.

[20] Vgl. ebd. S.416f..

[21] Schulze, Rudolf: Das Gymnasium Paulinum zu Münster, S.44.

[22] Paulsen, Friedrich: Geschichte des gelehrten Unterrichts, S.417.

Ende der Leseprobe aus 22 Seiten

Details

Titel
Entwicklung des Gymnasiums in Münster (Westf.)
Untertitel
Von der schola Paulina zur "Selbständigen Schule"
Hochschule
Universität Münster  (Institut für Erziehungswissenschaft)
Veranstaltung
Didaktik der Sekundarstufe II
Note
2,0
Autor
Jahr
2007
Seiten
22
Katalognummer
V93726
ISBN (eBook)
9783638072625
Dateigröße
408 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Entwicklung, Gymnasiums, Münster, Didaktik, Sekundarstufe
Arbeit zitieren
Johannes Leigers (Autor:in), 2007, Entwicklung des Gymnasiums in Münster (Westf.), München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/93726

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