Wertewandel. Der Ansatz Ronald Ingleharts


Seminararbeit, 2007

19 Seiten, Note: 1,0


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Ingleharts Dreistufentheorie
2.1. Vormoderne- bzw. traditionelle Gesellschaften
2.2. Moderne- bzw. industrielle Gesellschaften
2.3. Postmaterealistische Gesellschaften

3. Theoretische Annahmen Ingleharts
3.1. Soziologische Modernisierungstheorien
3.2. Die Theorie des intergenerationellen Wertewandels

4. Postmoderne Werte in Deutschland: Die 15. Shell Jugendstudie (2006)

5. Schluss

Literaturverzeichnis

1. Einleitung

In der Werteforschung der letzten Jahre ist die Diskussion über einen angeblichen Wertverfall bei heutigen Jugendlichen ein konstantes Thema geblieben. Folglich stellt sich die Frage, ob bereits ein Wertewandel stattgefunden und wie sich dieser geäußert hat. Mit dieser Problematik beschäftigt sich der Politologe Ronald Inglehart seit den 1970er Jahren. Empirische Daten aus den World-Values-Surveys und den Eurobarometer -Umfragen haben ihm entsprechende Ergebnisse geliefert um einen Wertewandel in drei Stadien aufzuzeigen. Sein Ansatz ist bislang der bekannteste und meist diskutierte in diesem Forschungsgebiet. Folglich musste er sich auch zahlreicher Kritik stellen. In der folgenden Arbeit soll die Stichhaltigkeit Ingleharts Beschreibungen zum Wertewandel untersucht werden. Hierzu dienen eine deskriptive Darstellung der theoretischen Grundannahmen Ingleharts und eine anschließende Gegenüberstellung der wichtigsten Ergebnisse aus den World-Values-Surveys mit den Ergebnissen der 15. Shell Jugendstudie „Jugend 2006 - Eine pragmatische Generation unter Druck“. Es soll untersucht werden ob Ingleharts postmaterealistische Werte bei deutschen Jugendlichen vorhanden sind.

2. Ingleharts Dreistufentheorie

Die Theorie Ingleharts zur Modernisierung und Postmodernisierung basiert auf den Ergebnissen der einzigartigen Datenbasis der World-Values-Survey s aus dem Jahr 1981 und 1990, sowie den Ergebnissen der Eurobarometer -Umfragen (Inglehart 1998:6). Für die World-Values-Surveys standen 43 Nachindustriegesellschaften zur Verfügung; diese repräsentieren 70% der Weltbevölkerung und „decken den gesamten Variationsbereich ab“ (Inglehart 1998:11). Im Jahr 1990 wurden beispielsweise Argentinien, Belgien, China, „Deutschland (mit unterschiedlichen Stichproben in Ost- und Westdeutschland)“ (Inglehart 1998:12), Estland, Frankreich und Großbritannien untersucht.

Die angewandte Methodik enthielt umfangreiche face-to-face Interviews und detaillierte Fragebögen durch welche die elementaren Einstellungen der Bürger über 18 Jahren ermittelt werden konnte. Zeitreihendaten für 22 dieser Gesellschaften haben nach der Untersuchung dazu geführt, dass „die Veränderungen der Werte und Einstellungen“ festgestellt werden konnten (Inglehart 1998:12). Es lassen sich insbesondere Verknüpfungen von Merkmalen auf einer Makro- und Mikroebene finden. Merkmale der Makroebene sind beispielsweise eine stabile Demokratie und Merkmale der Mikroebene sind „Vertrauen, Toleranz, postmaterialistische Werte und subjektives Wohlbefinden der Individuen“ (Inglehart 1998:12-13).

Ziel der World-Values-Surveys ist die Überprüfung der Hypothese, ob sich die menschlichen Überzeugungssysteme auf solche Weise umformen, dass maßgebliche Konsequenzen auf den Ebenen der Ökonomie, Politik und Gesellschaft resultieren (Inglehart 1998:13). Die hierbei erlangten Ergebnisse lassen auf reziproke „Beziehungen zwischen den Werten, der Wirtschaft und der Politik“ (Inglehart 1998:13) schließen.

Inglehart nimmt für die Darstellung der signifikanten Merkmale der Gesellschaftstypen eine Dreiteilung vor; in vormoderne- bzw. traditionelle, moderne- bzw. industrielle und postmaterealistische Gesellschaften. Die Kennzeichen dieser Gesellschaften und Ingleharts wichtigste Annahmen nach der Auswertung der World-Values-Surveys werden im Folgenden Abschnitt dargestellt.

2.1. Vormoderne- bzw. traditionelle Gesellschaften

Die vormoderne- bzw. traditionelle Gesellschaft wird auch als Agrargesellschaft bezeichnet. Sie ist gekennzeichnet durch eine statische Wirtschaft in der eine wirtschaftliche Unsicherheit prägend war. Das primäre Ziel der Menschen war die Sicherung des eigenen Überlebens. Materielle Grundbedürfnisse der Menschen waren nicht befriedigt, denn sie wuchsen inmitten von Knappheit materieller Güter auf. Oesterdiekhoff fügt hinzu, dass ein Überleben nur möglich war, wenn die Menschen „das Gleichgewicht von sozialen, ökologischen und ökonomischen Faktoren stabilisieren“ (Oesterdiekhoff 2001:45). Somit waren die persönlichen Einstellungen von Fleiß, Bescheidenheit, Sparsamkeit und Selbstdisziplin geleitet (Klein 2000:205).

Folglich wurde eine individuelle wirtschaftliche Akkumulation negativ stigmatisiert und die soziale Position konnte nicht verändert werden. Der ausgeübte Beruf wurde bei der Geburt verliehen und diente der gesamten Familie, da in den Großfamilien Gemeinschaftspflichten zentral waren. Somit wurde soziale Mobilität verhindert und die Unterordnung des Individuums bestimmte die patriarchalische Gesellschaft. Diese besaß zudem einen großen Nationalstolz. Tradition wurde somit streng gewahrt und diese wurde von absoluten religiösen Normen gestützt. Aus diesem Grund wurden auch Ehescheidungen abgelehnt (Oesterdiekhoff 2001:53). Ferner wurden Institutionen und autoritäre Führungen nicht verändert. Die Kultur der Vormoderne kann folglich als „autoritär, rigide und dogmatisch“ (Oesterdiekhoff 2001:45) bezeichnet werden.

2.2. Moderne- bzw. industrielle Gesellschaften

Ende der 50er und zu Beginn der 60 Jahre war „(d)as Studium der Modernisierung (…) einer der einflussreichsten Bestandteile der Sozialwissenschaft“ (Inglehart 1998:19), denn bereits in den meisten Gesellschaften hat ein kultureller Wandel von der Agrar- zur Industriegesellschaft stattgefunden; hierdurch wurde die Weltsicht der Moderne möglich (Inglehart 1998:45).

Insgesamt hat die Modernisierung höhere Überlebenschancen und ein höheres Maß an subjektivem Wohlbefinden ausgelöst. Der Fortbestand der Menschen war erstmals ökonomisch gesichert, da existentielle Sicherheiten vorhanden waren; die Armut war überwunden (Inglehart 1998:43). Durch die verbesserten Lebensumstände konnte die Lebenserwartung von 35 bis 40 Jahren auf 75 bis 80 Jahre ansteigen.

Mit technologischen- und wissenschaftlichen Innovationen konnte auf der gesellschaftlichen Ebene Wirtschaftswachstum entstehen. Kalvinistische Überzeugungen wiesen die Richtung letztlich hin zur Entstehung des Kapitalismus und der industriellen Revolution (Inglehart 1998:45). Auf der individuellen Ebene wurde nun die Kapitalakkumulation zum zentralen Ziel der gewandelten Gesellschaft. Das Stigma Vermögen zu akkumulieren wurde folglich abgelegt und erstmals stellte sich ein Wohlstands- und Sicherheitsdenken ein (Inglehart 1998:51).

Als Folge dieser Veränderungen konnte der Terminus „Modernisierung“ bis Mitte des 20. Jahrhunderts als eindeutig definiert angesehen werden, denn er beschrieb Gesellschaftsmerkmale wie „Urbanisierung, Industrialisierung, Säkularisierung, Bürokratisierung und eine Kultur, die sich auf Bürokratisierung stützte“ (Inglehart 1998:48). Zudem konnten die Mitglieder dieser Gesellschaft ihren Status selbst erreichen ohne diesen - wie zuvor in der traditionellen Gesellschaft - zugewiesen zu bekommen. Die Leistungsmotivation in Bereichen verbesserter Schulausbildung ist hierdurch gestiegen. Es entstanden neue Wissens- und Bildungssektoren (Inglehart & Baker 2000:21). Die Bedeutung der Autoritätsformen nahm ab, da die individuelle Selbstbestimmung und Betonung der materealistischen Lebensqualität wichtig wurden (Inglehart & Welzel 2005:25). Im Zuge dessen wurden traditionelle Bindungen aufgeweicht. Hierin impliziert waren beispielsweise die Öffnung der traditionellen Rollenverteilung - die wiederum einen Fall der Wachstumsraten bewirkte - und Ansichten bezüglich der Religion (Inglehart & Welzel 2005:23).

2.3. Postmaterealistische Gesellschaften

Während der letzten Jahre ist man zu der Erkenntnis gekommen, dass der soziale Wandel eine elementar andere Richtung eingeschlagen hat. Viele Neuerungen der Moderne sind an ihre Grenzen gestoßen; von diesen geht nun die neue Richtung aus. Seit den 1965 Jahren hat das von Inglehart beschriebene dritte Stadium der weltgeschichtlichen Entwicklung in den westlichen Ländern begonnen. Diesen Vorgang nennt man „eine Wende von der Modernisierungs- in die Postmodernisierungsphase“ (Inglehart 1998:35). Der Begriff „postmodern“ beschreibt Ziele, welche ins Blickfeld rückten, nachdem materialistische Werte von den Menschen erreicht und als selbstverständlich angesehen wurden (Inglehart 1998:56). Bei der Untersuchung dieser Verschiebung sind viele Schlüsselmerkmale von Inglehart aufgezeigt worden.

Die Weltanschauung der Postmodernisierung „reflektiert eine Verschiebung der Erwartungshaltungen, die Menschen an ihr Leben stellen“ (Inglehart 1998:18). Hierbei ist beispielsweise eine Entfernung „von dem standardisierten Funktionalismus und der Begeisterung für Wissenschaft und Wirtschaftswachstum“ (Inglehart 1998:24) abzulesen. Anstelle dessen entsteht eine humanere Gesellschaft, die Platz für Autonomie und Selbstverwirklichung schafft (Inglehart 1998:24); so wächst beispielsweise ein intrinsisches Interesse am Beruf (Oesterdiekhoff 2001:46). Gründe sind beispielsweise die veränderten Lebenserfahrungen der heutigen Generation die ebenso zur Wertschätzung und Betonung der Lebensqualität führen. Der Sinn und Zweck des Lebens wurde wichtiger als die Maximierung des Lebensstandards (Inglehart & Welzel 2005:25).

Die neue Gesellschaft ist ebenfalls dadurch gekennzeichnet, dass der „Entwicklung hierarchischer bürokratischer Organisationen“ (Inglehart 1998:46) Grenzen gesetzt wurden; diese haben ihre funktionale Effektivität und Akzeptanz erschöpft (Inglehat & Welzel 2005:25). Das Vertrauen der Menschen in solche Institutionen hat in den Nachindustriestaaten drastisch abgenommen und somit findet auch die Unterstützung für eine wachsende Rolle der Regierung weniger statt. Merkmale wie „Entscheidungsfreiheit und Partizipation der Massen“ (Inglehart 1998:48) charakterisieren das Bild der postmodernen Gesellschaften. Das zivile Engagement der Menschen umfasst jedoch vielmehr die Teilnahme an spontanen öffentlichen Aktionen anstelle einer aktiven Mitgliedschaft in politischen Organisationen.

[...]

Ende der Leseprobe aus 19 Seiten

Details

Titel
Wertewandel. Der Ansatz Ronald Ingleharts
Hochschule
Universität Mannheim
Note
1,0
Autor
Jahr
2007
Seiten
19
Katalognummer
V93944
ISBN (eBook)
9783638070867
Dateigröße
379 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Wertewandel, Ansatz, Ronald, Ingleharts
Arbeit zitieren
Fabienne Koller (Autor:in), 2007, Wertewandel. Der Ansatz Ronald Ingleharts, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/93944

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