Vergleich der Regierungssysteme von Frankreich und Deutschland


Facharbeit (Schule), 1999

12 Seiten, Note: 15 Punkte


Leseprobe


Gliederung

0.Schaubilder des Staatsaufbaus

1.Einleitung / Erster Vergleich der Organisation der Staatssysteme

2.Gewaltenteilung in beiden Ländern
2.1.Frankreich
2.2.Deutschland
2.3.Vergleich der Gewaltenteilung

3.Aufgaben der Präsidenten im Vergleich
3.1.Funktion des Präsidenten in Frankreich
3.2.Funktion des Präsidenten in Deutschland
3.3.Vergleich der Funktionen

4.Wahlen der Präsidenten im Vergleich
4.1.Wahlen zum Präsidenten in Frankreich
4.2.Wahlen des Bundespräsidenten in Deutschland
4.3.Vergleich der Wahlen

5.Funktionsweise der Staatssysteme (Auswirkungen)
5.1.Funktionsweise des französischen Staatssystems
5.2.Funktionsweise des deutschen Staatssystems
5.3.Zusammenfassung

6.Wertung und offene Fragen

Begriffserklärung

Literaturangaben

Aktuelles in beiden Ländern

1.Einleitung

Eine wechselvolle Geschichte verbindet die Deutschen mit ihrem Nachbarland Frankreich. Bis 1945 war die Beziehung der beiden Länder oft von tiefer Feindschaft und blutigen Auseinandersetzungen geprägt. Heute jedoch findet eine enge, vertrauensvolle und freundschaftliche Zusammenarbeit statt. Beide Staaten bemühen sich um eine Entwicklung in Richtung der Europäischen Union. Die aktuelle Situation ist in beiden Ländern ähnlich. Regierung und Bevölkerung sind in vielen Bereichen mit gleichen Herausforderungen konfrontiert, so zum Beispiel mit den Problemen der Arbeitslosigkeit, der Staatsfinanzen und des politischen Desinteresses. Dennoch reagieren Parteien und die öffentliche Meinung beider Länder verschieden auf diese Aufgaben. Ursachen hierfür liegen in der Geschichte, in den Unterschieden der politischen Systeme und der politischen Verhaltensweisen. Die Unterschiede im politischen System sollen im folgenden näher betrachtet werden. Die Gründe für diese liegen zum einen in der Differenz der Wahlsysteme, zum anderen im unterschiedlichen Staatsaufbau. Während Frankreich ein Einheitsstaat ist, zählt Deutschland zu den förderalistischen Bundesstaaten. Typische Kennzeichen für den Einheitsstaat sind, dass die Staatsteile (Regionen) kaum Souveränität besitzen, es nur eine zentrale Macht gibt und nur Teile der Staatsaufgaben regional bearbeitet werden . Politische Entscheidungen, auch solche von regionaler Bedeutung, werden in diesem System in zentralen Verwaltungsorganen, in der Hauptstadt oder in dezentralen Organen unter Kontolle der politischen Zentrale getroffen. Gründe für die Entscheidung für dieses System sind zum einen die Sicherung einer einheitlichen politischen, wirtschaftlichen und sozialen Entwicklung des Landes, zum anderen die Einheit des Landes gegen Autonomie- bzw. Unabhängigkeitsbestrebungen einzelner Gebiete. Deutlich wird die Zentralisierung in der Einteilung in Departements, die durch einen vom Staat bestellten Präfekten regiert werden. Diese Einteilung ist auf die geschichtliche Entwicklung unter Napoleon zurückzuführen. Frankreichs Staatsaufbau ist also historisch bedingt. Dieser zentralistische Staatsaufbau bringt jedoch auch Nachteile mit sich. So zum Beispiel die Bevormundung der Provinzen durch die Zentrale, mangelnde Bürgernähe bei Gesetzgebung und die lange Dauer der Entscheidungsprozesse. Wesensmerkmale eines Bundesstaates hingegen sind, dass der Gesamtstaat aus mehreren Gliederstaaten oder Bundesstaaten zusammensetzt ist. Diese haben einen eigenen politischen Gestaltungsraum und Verantwortung, so auch in Deutschland. Das Grundgesetz regelt hier Befugnisse, Bestellung und Amtsdauer der Bundesorgane und die Kompetenzverteilung zwischen Bund und Ländern (Bundesstaaten) in der Gesetzgebung, Verwaltung und Rechtsprechung.

Die Prinzipien des Staates sind in Frankreich wie in Deutschland durch die ersten Artikel der Verfassung bzw. des Grundgesetzes festgelegt. In der Präambel der französischen Verfassung steht (hier leicht gekürzt wiedergegeben): ,,Das französische Volk erklärt feierlich seine Zustimmung zu den Menschenrechten und zu den Prinzipien der nationalen Souveränität, die in der Erklärung von 1789 festgelegt und durch die Präambel der Verfassung von 1946 konkretisiert und vervollständigt wurden." Artikel 2 der französischen Verfassung definiert die Grundzüge des Staates:,,Frankreich ist eine unteilbare, weltliche, demokratische und soziale Republik. Sie sichert die Gleichheit aller Bürger vor dem Gesetz, ohne Berücksichtigung der Herkunft, Rasse oder Religion. Sie respektiert alle Glaubensrichtungen. Das nationale Symbol ist die Fahne der Tricolore: blau, weiß, rot. Die Nationalhymne ist die Marseillaise. Der Grundsatz der Republik ist Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit. Ihr Prinzip: Regierung des Volkes, durch das Volk und für das Volk." Diese Grundsätze entsprechen in ihrer Absicht den deutschen Prinzipien, die in den ersten vier Artikel des Grundgesetzes verankert sind. Die Souveränität liegt in beiden Staaten beim Volk. Die französische Verfassung sagt dazu im Artikel 3: ,,Die nationale Souveränität liegt beim Volk, welches sie durch die Repräsentanten und mittels des Volksentscheides ausübt." Der Artikel 20 Absatz 2 des deutschen Grundgesetzes sagt dazu folgendes: ,,Alle Staatsgewalt geht vom Volk aus. Sie wird vom Volk in Wahlen und Abstimmungen und durch besondere Organe der Gesetzgebung, der vollziehenden Gewalt und der Rechtssprechung ausgeübt." Dennoch wird diese in beiden Staaten garantierte Volkssouveränitat sehr unterschiedlich interpretiert. Wie oben schon erwähnt, ist auch das Wahlsystem beider Länder eine Ursache für die Unterschiede im politischen System. Gemeinsamkeit in beiden Staaten ist das Wahlrecht aller Staatsbürger ab 18 Jahren. Die Bürger haben das Recht (und eigentlich auch die staatsbürgerliche Pflicht) zu wählen. In beiden Ländern wird eine geheime und direkte Wahl durchgeführt. In Deutschland werden das Länderparlament und der Bundestag direkt gewählt, in Frankreich hingegen der Präsident und das Parlament. Hinzu kommen die jeweiligen Regionalwahlen. Der Unterschied besteht darin, dass in Deutschland ein personalisiertes Verhältniswahlrecht durchgeführt wird, in Frankreich jedoch basieren die Wahlen auf dem Mehrheitswahlrecht. Das deutsche System wird durch Erst- (Mehrheitswahlsystem) und Zweitstimme (Verhältniswahlsystem) bestimmt. Es wird also eine Kombination aus zwei vollkommen verschiedenen Wahlsystemen realisiert. In Frankreich finden zwei wichtige Wahlen statt. Es wird in den 577 regionalen Wahlkreisen je ein Abgeordneter in die Nationalversammlung gewählt (Elections legislatives). Überregional ist die Wahl des Präsidenten ein wichtiges Ereignis (Elections présidentielles). Beide Wahlen werden in zwei Wahlgängen durchgeführt. Dies ist aufgrund des Mehrheitswahlrechtes erforderlich. Im folgenden findet eine genauere Gegenüberstellung der Funktion des Präsidenten und seiner Wahl in den Staaten Deutschland und Frankreich statt. Als Voraussetzung wird vorher auf das Zusammenwirken von Legislative und Exekutive in beiden Ländern eingegangen.

2.Gewaltenteilung in beiden Ländern

2.1. Frankreich

Das heutige politische System Frankreichs ist eine Reaktion auf Erfahrungen mit dem nicht funktionsfähigen Parlamentarismus in der III. und IV. Republik. Die 1958 ausgearbeitete Verfassung legt fest, dass die Exekutive (Regierung = Ministerrat + Präsident) sehr stark ist, das Parlament hingegen wenige Möglichkeiten hat. Als Oberhaupt der Regierung hat der Präsident enorm große Macht. In Frankreichs Regierungssystem findet man eine Mischung aus präsidentiellen und parlamentarischen Elementen. Der Präsident ist Vorsitzender der Regierung. Er wird direkt vom Volk gewählt und hat sich nicht vor dem Parlament zu verantworten. Die Regierung geht aus der Mehrheit im Parlament hervor, ist vor dem Parlament verantwortlich und kann von diesem gestürzt werden. Bei einem Sturz der Regierung bleibt der Präsident weiterhin Oberhaupt des Staates. Das französische Parlament besteht aus zwei Kammern: dem Senat und der Nationalversammlung. Der Senat ist dabei das Organ, welches weniger Macht hat, aber Kontinuität in die Politik bringen soll. Seine indirekte Wahl durch Wahlmänner der Provinzen begünstigt die Wahl konservativ orientierter Senatoren. Die direkt gewählte Nationalversammlung hat Gesetzgebungsfunktion, die aber durch die Verfassung genau festgelegt und begrenzt ist. Auch ist die Nationalversammlung im Laufe der Zeit immer weiter in ihren Machtbefugnissen eingeschränkt worden. Dazu kommt, dass die Nationalversammlung nur zwei zeitlich begrenzte Sitzungsperioden pro Jahr hat. Die Rolle der Parteien ist im politischen System Frankreichs, aufgrund von historisch bedingtem Misstrauen gegenüber organisierten Interessengruppen als Gefahr für den Staat, stark eingeschränkt.

Auch die Unabhängigkeit der Justiz ist in Frankreich nicht konsequent realisiert. Der Oberste Gerichtshof ist zwar unabhängig, der ,,Oberste Rat für den Richterstand" ist aber vom Präsidenten insofern abhängig, dass der Präsident 9 der Mitglieder ernennt und den Vorsitz innehat. Er ernennt ebenfalls 3 Mitglieder und den Präsidenten des Verfassungsrates.

Die Demokratie und Gewaltenteilung ist in Frankreich zwar in der Verfassung festgelegt, die Franzosen bezeichnen ihr Staatssystem selbst aber als legale, zeitlich begrenzte Diktatur des Präsidenten. So ist die Volkssouveränität durch die direkte Wahl gewährleistet, die Gewaltenteilung und gegenseitige Kontrolle der Institutionen hingegen ist stark eingeschränkt.

2.2.Deutschland

Die Legislative in Deutschland wird vom Bundestag verkörpert, dessen Mitglieder direkt durch das Volk gewählt werden. Seine Legislaturperiode dauert 4 Jahre. Nach dieser Zeit wird erneut eine geheime, direkte und gleiche Wahl durchgeführt. Diese erfolgt nach dem Prinzip des für Deutschland typischen personalisierten Verhältniswahlrechts. Die Exekutive, die aus den Ministern und dem Bundeskanzler besteht, wird von der Mehrheit im Bundestag gestellt. Diese Regierung ist somit gleichzeitig Teil der ausführenden (Exekutive) und der gesetzgebenden Gewalt (Legislative). Diese Gewaltenverschränkung ist typisch für parlamentarische Regierungssysteme. Die Kontrolle erfolgt nicht wechselseitig durch Legislative und Exekutive, sondern durch die Parteienkonkurrenz. Da die Regierung und auch die Abgeordneten des Bundestags von der Zustimmung durch die Bürger bei der nächsten Wahl abhängig sind, müssen sie ihre Handlungen genauestens überlegen und werden nur wiedergewählt, wenn ihre Maßnahmen Zustimmung in der Mehrheit ihrer Wähler finden. Die Kontrolle hat sich damit in die Legislative verschoben und erfolgt über die Opposition (Parteien der Minderheit), die durch die Nutzung der Medien die Bevölkerung von allen Beschlüssen in Kenntnis setzt. Auch versucht sie, durch Kritik an den Regierenden Wählerstimmen für die nächste Wahl zu gewinnen. Die kurze Legislaturperiode ist hier von Nutzen, da regelmäßig eine Bewertung der Maßnahmen der Regierung durch die Bevölkerung erfolgen muss. Dies ist eine typische Erscheinung parlamentarischer Demokratien: das Redeparlament. Es baut auf die Wirkung der Massenmedien und das politische Interesse der Bevölkerung. In Deutschland findet man aber auch Elemente der präsidialen Demokratien in Form eines Arbeitsparlamentes in den Ausschüssen des Bundestages. Dieses Arbeitsparlament steht nicht in engem Kontakt zur Öffentlichkeit. Hier wird unabhängig von der Parteienzugehörigkeit der Mitarbeiter an den Gesetzen gearbeitet. Der Bundesrat hat als zweites Element der Legislative ebenfalls Kontrollfunktion, da er politisch anders zusammengesetzt sein kann als der Bundestag. Dies ist ein förderales Element im Staatsaufbau Deutschlands. Der Bundespräsident gehört ebenfalls der Legislative an. Er ist das Staatsoberhaupt der Bundesrepublik und muss Gesetze gegenzeichnen, wirkt aber an deren Ausarbeitung nicht mit. Damit kann man in Deutschland von einer umfassenden und vielseitigen Kontrolle aller Institutionen ausgehen, die von den Alliierten bei der Ausarbeitung des Grundgesetzes sicher beabsichtigt war.

2.3.Vergleich der Gewaltenteilung

Die Prinzipien beider Staaten basieren auf den Grundideen der Demokratie. Demokratie und Volkssouveränität werden jedoch sehr unterschiedlich interpretiert. In Frankreich ist die Legitimierung des Präsidenten durch direkte Wahl gewährleistet. Der Wille des Volkes, der sich im idealtypischen Parlamentarismus in der Institution des Parlamentes äußert, hat jedoch kaum eine Bedeutung. Die Nationalversammlung hat kaum Rechte. Auch haben kleine Parteien wenig Chancen, da das Mehrheitswahlrecht sie von vorn herein benachteiligt. In Deutschland ist die Demokratie anders realisiert. Man hat vermieden, die Macht auf eine Institution zu konzentrieren, obwohl man bei den Funktionen des Bundeskanzlers von einer Konzentration sprechen könnte. Die absolut unabhängige Justiz gewährleistet dennoch Sicherheit gegenüber Machtmissbrauch. In Frankreich ist das anders. Selbst die Justiz, ursprünglich Institution der Kontrolle, ist in gewissen Bereichen vom Präsidenten abhängig. In beiden Ländern findet man eine Gewaltenverschränkung, d.h. die Kontrolle der Institutionen hat sich in die Legislative verschoben. Da in Frankreich das Parlament kaum Rechte hat, ist die Wirksamkeit dieser Kontrolle jedoch fraglich.

Der direkte Vergleich des Staatsaufbaus ist aus dem Schaubild am Anfang der Arbeit ersichtlich.

3.Aufgaben der Präsidenten im Vergleich

3.1.Funktionen des Präsidenten in Frankreich

Der Präsident der französischen Republik ist die Schlüsselfigur im Verfassungsgefüge und im politischen System. Er wird direkt durch das Volk für 7 Jahre gewählt. Somit wird seine Macht direkt durch das Volk legitimiert. Er ist während dieser Amtszeit nicht absetzbar. Sein Amt enthält umfassende Machtbefugnisse und verleiht ihm eine doppelte Rolle. Einerseits ist er ,,Hüter" der Verfassung und Repräsentant der Einheit der Nation nach innen und außen und damit Oberhaupt aller Institutionen und Parteien Frankreichs. Man kann ihn in dieser Funktion als ,,überparteilichen Schiedsrichter" bezeichnen. Gleichzeitig ist er aber auch Chef der Exekutive und somit der Regierung und legt damit die Richtlinien für die Politik dieser sehr detailliert fest. Dazu ist zu sagen, dass man in Frankreich von einer ,,doppelköpfigen Exekutive" spricht. Auf der einen Seite steht die Regierung, auf der anderen der Präsident. Durch die Ergebnisse der Wahlen wird die Zusammenarbeit beider beeinflusst. Bei politischer Einheit beider Institutionen kommt es zu einer schnelleren Entschlussfindung. Seit 1958 stieg die Macht des Präsidenten stetig. Sie wurde durch die verschiedenen Präsidenten auf nahezu alle wichtigen politischen Problembereiche ausgedehnt. Den Ministern bleibt somit immer weniger eigener Entscheidungsspielraum. Es erfolgt eine Konzentration der Macht auf den Präsidenten. Diese fördert gleichzeitig die Personalisierung der Politik. Die Aufgaben des französischen Präsidenten sind sehr vielschichtig und umfangreich. Einige dieser Aufgaben sollen im folgenden verdeutlicht werden. Sie ergeben sich aus der Verfassung und in manchen Bereichen auch aus der freien Interpretation dieser.

I Im politischen Normalzustand

a) Rechte und Pflichten hinsichtlich der Regierung

Er ernennt den Premierminister und kann ihn auch entlassen, obwohl der Artikel 8 der Verfassung vorsieht, dass der Premier den Rücktritt seiner Regierung selbst vorschlägt. Er ernennt und entlässt auch die anderen Minister. Der Präsident ist ebenfalls Vorsitzender des Ministerrates. Er hat teilweise gesetzgebende Macht: er muss in manchen Fällen die Verordnungen und Gesetze, die im Ministerrat beratschlagt wurden, unterzeichnen.

B) Bestimmung der Außenpolitik

Der Präsident leitet persönlich die Außenpolitik Frankreichs. Er ernennt die Botschafter, die Frankreich im Ausland repräsentieren. Er verhandelt und unterzeichnet Verträge mit anderen Staaten, die wichtigsten mit der Zustimmung des Parlaments. Er repräsentiert Frankreich in der Welt. Er empfängt ausländische Staatsoberhäupter im Palais d'Elysée. Gleichzeitig ist er Oberbefehlshaber der Armee. Die Entscheidung über den Einsatz von Raketen und Atomwaffen fällt er allein.

c) Er ernennt wichtige Beamte und Militärangestellte.

d) Rechte und Pflichten hinsichtlich des Parlamentes

Der Präsident eröffnet und schließt außerordentliche Sitzungen des Parlaments, sei es die auf Anfrage des Premierministers stattfindenden oder die durch die Mehrheit der Mitglieder der Nationalversammlung einberufenen. Er greift in den Gesetzgebungsvorgang ein. Er verkündet die Gesetze innerhalb von 15 Tagen nach der Weitergabe an die Regierung. In dieser Frist kann er vom Parlament eine erneute Verhandlung eines schon beschlossenen Gesetzes verlangen. Wenn ein Gesetz nach dem Urteil des Präsidenten der Verfassung widerspricht, so kann er den Verfassungsrat einschalten. Der Präsident hat das Recht, die Nationalversammlung unter bestimmten Voraussetzungen aufzulösen. Er hat das Recht, in folgenden begrenzten Sachgebieten einen Volksentscheid zu veranlassen: bei der Organisation öffentlicher Rechte und um die Bestätigung eines Gesetzes zu erhalten, welches in die Funktionsweise der Institutionen eingreift.

e) Rechte und Pflichten hinsichtlich der Judikative

Der Präsident hat das Recht, die Strafe eines Verurteilten aufzuheben. Er kann das vom hohen Gerichtshof erlassene Urteil widerrufen, wenn der Verurteilte kein schweres Vergehen begangen hat. Dabei ist zu erwähnen, dass die Todestrafe in Frankreich 1981 abgeschafft wurde. Der Vorsitz des ,,Obersten Rates der Gerichtsbarkeit" ist ebenfalls Aufgabenbereich des Präsidenten. Er ernennt auch 9 Mitglieder dieses Rates. Der Präsident ist der Bürge für die Unabhängigkeit der Gerichtsbarkeit.

f) Rechte und Pflichten in Bezug auf die Verfassung

Der Präsident wacht über die Einhaltung der Verfassung und kann den Verfassungsrat einschalten, um ihn die Rechtmäßigkeit eines Gesetzes prüfen zu lassen. Er ernennt 3 Mitglieder und den Präsidenten dieses Rates. Er hat das Recht, in Übereinkunft mit dem Kongress oder über die Möglichkeit des Referendums, die Verfassung zu verändern.

II Im politischen Ausnahmezustand

Der Artikel 16 der Verfassung hebt im Falle eines Ausnahmezustandes die Gewaltenteilung auf und überträgt dem Präsidenten alle Macht. Dieser hat somit das Recht, eine legale und zeitlich begrenzte Diktatur auszuüben. Als Gründe für das Inkrafttreten dieser Regelung zählen einerseits die Bedrohung der Institutionen der Republik, die Gefahr für die Unabhängigkeit der Nation, die Bedrohung der Grenzen der Nation oder die schwere unmittelbare Bedrohung der Aufrechterhaltung internationaler Verträge, auf der anderen Seite der Fall, in welchem die öffentliche Ordnung nicht mehr aufrecht erhalten werden kann. Vor der Erklärung des Ausnahmezustandes müssen der Premierminister, und die Präsidenten der Nationalversammlung, des Senats und des Verfassungsrats konsultiert werden. Der Präsident informiert die Nation über den Ausnahmezustand. Von diesem Notverordnungsrecht hat der ehemalige Präsident der V. Republik Charles de Gaulle ab April 1961 über einen Zeitraum von 5 Monaten Gebrauch gemacht.

Zwischenzusammenfassung:

Der französische Präsident hat viel Einfluss auf das politische Geschehen in Frankreich.

Dieser Einfluss wird durch die lange Amtszeit gestärkt, die eine Gefahr bietet aber auch politische Stabilität garantiert. Der Präsident wird durch die zweite exekutive Kraft, die Regierung, ,,kontrolliert" und kann ohne deren Kooperation schlecht arbeiten. Da die Regierung aber unabhängig vom Präsidenten durch das Parlament gestürzt werden kann, kann dieser sich seiner Position relativ sicher sein. Der Präsident ist keiner Autorität gegenüber, insbesondere nicht dem Parlament, verantwortlich. Seine einzige Verantwortlichkeit ist die Strafverantwortung für das Verbrechen des Hochverrates. Im Laufe der geschichtlichen Entwicklung der V. Republik kam es zu einer stetigen Machtzunahme in Bezug auf die Position des Präsidenten. Funktionen von Parlament und regionalen Organen wurden in den Machtbereich des Präsidenten übernommen. Dem wirkt die Entwicklung der Dezentralisierung entgegen, die eigentlich eine Machtzunahme der regionalen Organe beabsichtigt.

3.2.Funktion des Präsidenten in der Bundesrepublik Deutschland

Der deutsche Bundespräsident wird durch die Bundesversammlung für 5 Jahre gewählt. Er hat den Vorsitz des Staates inne. Er leistet den Amtseid nach Artikel 56 des Grundgesetzes. Im Grundgesetz sind gewisse Unvereinbarkeiten festgelegt. So darf er weder der Regierung noch einer anderen gesetzgebenden Gewalt (auch auf Länderebene) angehören. Er darf kein besoldetes Amt oder ein Gewerbe oder einen Beruf ausüben. Er muss gewisse Anordnungen und Verfügungen vom Bundeskanzlers gegenzeichnen lassen. Für alle seine Handlungen muss er sich gegebenenfalls vor dem Bundesverfassungsgericht verantworten. Eine Anklage kann durch Bundestag oder Bundesrat stattfinden. Seine Funktion ist an sich repräsentativer Natur, jedoch hat er auch die Möglichkeit, ins politische Geschehen einzugreifen. Seine Aufgaben lassen sich in innere und äußere untergliedern.

1. Aufgaben nach außen

Er repräsentiert die Bundesrepublik Deutschland in der Welt. Er schließt im Namen des Bundes Verträge mit ausländischen Staaten und vertritt die Interessen des Bundes völkerrechtlich. Auch beglaubigt und empfängt er Gesandte.

2. Aufgaben nach innen

Der Bundespräsident unterbreitet Vorschläge für das Amt des Bundeskanzlers, welcher vom Bundestag gewählt wird. Er hat die Macht, den Bundeskanzler und die Bundesminister zu entlassen. Er hat außerdem das Recht, den Bundestag einzuberufen und kann diesen unter bestimmten Bedingungen auch auflösen. Der Bundespräsident ernennt ebenfalls Bundesrichter, Bundesbeamte, Offiziere und Unteroffiziere ernennen und kann diese entlassen (Art. 60). Durch die Ernennung der Bundesrichter hat er Einfluss auf die Judikative. Auch verleiht er Titel, Orden und Ehrenzeichen des Bundes. Der Bundespräsident hat die Aufgabe, Gesetze, welche von Bundestag und Bundesrat beschlossen wurden, gegenzuzeichnen (auszufertigen) und diese im Bundesgesetzblatt zu verkünden. Er kann auf Antrag der Bundesregierung und mit Zustimmung des Bundesrates den Gesetzgebungsnotstand erklären (Art. 81). Der Bundespräsident verfügt über das Begnadigungsrecht. Auch kann er den Verteidigungsfall verkünden. Beschlossen wird dieser vorher durch Bundestag und Bundesrat. Im Falle seiner Verhinderung oder bei vorzeitigem Ausfall wird das Amt des Bundespräsidenten durch den Bundesratspräsidenten wahrgenommen.

Zwischenzusammenfassung:

Der deutsche Bundespräsident ist das Staatsoberhaupt Deutschlands, ist in seinen Amtshandlungen aber stark von Bundestag und Bundesrat abhängig und kann von diesen angeklagt werden. Er hat vorwiegend repräsentative Funktion. Sein Einfluss auf das politische Geschehen ist trotz einiger wesentlicher Rechte und Pflichten (siehe oben) eher beschränkt. Das Bundesverfassungsgericht muss im Falle einer Anklage über Rechtmäßigkeit seiner Handlungen, also Schuld oder Unschuld, entscheiden. Diese Beschränkung seiner Macht beugt einem Missbrauch seiner Möglichkeiten vor. Dies ist durch die Alliierten so beabsichtig, um einer diktatorischen Herrschaft (siehe Nationalsozialismus) vorzubeugen.

3.3.Vergleich der Funktionen

Die Grundzüge der Aufgaben der Präsidenten sind im wesentlichen in beiden Ländern gleich. So haben beide die Funktion des Staatsoberhauptes inne. Dennoch ist aufgrund der historischen Entwicklung der französische Präsident mächtiger als der deutsche. Die Aufgaben des deutschen Bundespräsidenten beschränken sich vorwiegend auf die Repräsentation des Landes, formale Zustimmung zu Gesetzen und Beschlüssen und die Publikation dieser. Die Rechte und Pflichten des französischen Präsidenten sind weitaus umfangreicher, obwohl sie die gleichen Bereiche abdecken. Er ist ein wichtiger Teil der Exekutive und kann bei vollständiger Ausschöpfung seiner Macht sich über Parteien, Nationalversammlung und Regierung hinwegsetzen. Die Kontrolle des Präsidenten erfolgt direkt durch das Volk über Volksentscheide, die aber durch den Präsidenten selbst organisiert werden müssen. Diese Volksentscheide sind jedoch zweifelhaft in ihrer Funktion als wirksame Kontrolle. Da der Volksentscheid auch ein Risiko für die Legitimation des Präsidenten im Falle der Ablehnung ist, wurde in der historischen Entwicklung immer weniger von dieser Möglichkeit Gebrauch gemacht. Im Fall der Zustimmung des Volkes ist der Präsident in seiner Funktion bestätigt. So kann der Volksentscheid auch als Vertrauensbeweis aufgefasst werden und ein Präsident, der keinen Gebrauch von dieser Möglichkeit macht, vom Volk in Frage gestellt werden. Dennoch ist dem Präsidenten das Risiko in den meisten Fällen zu hoch. So bleiben die Wahlen als einzige Kontrollmöglichkeit für das Volk, dem Präsidenten zuzustimmen oder seine Politik abzulehnen. In Deutschland werden die Aufgaben, die in Frankreich allein durch den Präsidenten ausgeführt werden, auf Bundestag und Bundesregierung aufgeteilt und durch diese mitbestimmt. Die Exekutive, die in Frankreich fast vollständig durch den Präsidenten ausgeübt wird und kaum einer Kontrolle unterliegt, wird in Deutschland durch Opposition in der Legislative kontrolliert. Dies soll eine Machtkonzentration auf eine Person verhindern. Die Wahl des Bundespräsidenten muss trotz seiner geringen politische Macht gut überlegt sein, da dieser die Bundesrepublik Deutschland im Ausland repräsentiert.

4.Die Wahlen der Präsidenten im Vergleich

Die unterschiedlichen Funktionen der beiden Präsidenten werden unter anderem durch die unterschiedlichen Arten der Wahlen möglich. Diese sollen im folgenden gesondert betrachtet werden, da sie für die Legitimation der Amtshandlungen verantwortlich sind.

4.1.Die Wahlen zum französischen Präsidenten

Der französische Präsident wird direkt vom Volk gewählt. Voraussetzung für die Kandidatur ist ein Alter von mindestens 23 Jahren und eine Liste mit 500 Unterschriften von ,,Bürgen" aus mindesten 30 Departements. Diese Bürgen müssen ein politisches Amt innehaben. Jeder Kandidat wird vom Verfassungsrat überprüft und bestätigt. Im Falle, dass einer der Kandidaten stirbt, wird die Liste vom Verfassungsrat auf ,,Eis gelegt" und die Wahl aufgeschoben. Die Wahlkampagne beginnt 15 Tage vor dem ersten Wahlgang. Eine Wahlkommission überwacht, dass jedem Kandidaten die gleichen Informationen zukommen. Der Staat zahlt jedem Kandidaten eine Wahlkampfpauschale von 3Mio Francs. Die Wahl erfolgt alle 7 Jahre in dem nationalen Ereignis der Präsidentschaftswahlen. Diese Wahl stellt die Weichen für die Politik der nächste Legislaturperiode. Sie besteht, wenn nötig, aus zwei Wahlgängen. Im ersten Wahlgang kommt es zu einer ersten Abstimmung über die aufgestellten Kandidaten. Kann keiner der Kandidaten in diesem eine absolute Mehrheit erreichen, kommt es zu einer Stichwahl zwischen den beiden Bewerbern mit den meisten Stimmen. Der Präsident ist so direkt legitimiert und kann seine umfangreichen Aufgaben und Rechte im Namen des Volkes wahrnehmen. Er kann sich vorerst der Unterstützung durch das Volk sicher sein. Die absolute Mehrheit, die für die Übernahme des Amtes nötig ist und die direkte Wahl, gibt eine gewisse Sicherheit für die Politik. Die Bevölkerung ist bei extremen Kandidaten vorsichtig (siehe 1995: Le Pen), da sie sich der Gefahr des mächtigen Präsidenten bewusst ist.

Die Amtszeit des Präsidenten beträgt, wie schon gesagt, 7 Jahre. Im Falle des Ablebens des Präsidenten oder einer Amtsenthebung übernimmt der Präsident des Senates das Amt des Präsidenten, allerdings mit reduzierten Privilegien. Er kann die Nationalversammlung nicht auflösen und sich auch nicht des Referendums bedienen. Eine Änderung der Verfassung ist durch ihn ebenfalls nicht möglich.

(Anmerkung: Nur in diesem Zusammenhang wurde das Stichwort ,,Amtsenthebungsverfahren" in den Materialien gefunden.)

4.2.Die Wahl des deutschen Bundespräsidenten

Der Bundespräsident in Deutschland wird durch die Bundesversammlung für 5 Jahre gewählt. Die Bundesversammlung umfasst 1312 Vertreter, welche zur einen Hälfte aus dem Bundestag stammen und zur anderen Hälfte von den den Länderparlamenten bestimmt werden. Diese beiden Organe werden direkt vom Volk gewählt. So findet eine indirekte Legitimation des Bundespräsidenten statt. Dies ist ausreichend, da der Bundespräsident vorwiegend repräsentative Funktion und damit eingeschränkte politische Macht hat.

4.3.Vergleich der Wahlen

Der Hauptunterschied besteht darin, dass der französische Präsident direkt durch das Volk legitimiert wird, während der Bundespräsident durch die Bundesversammlung gewählt wird. In Frankreich ist diese direkte Legitimation die Voraussetzung dafür, dass der Präsident ohne Widerstand aus dem Volk seine umfangreiche Macht ausüben kann. Hätte der Bundespräsident ebenso umfangreiche Pflichten und Rechte, müsste auch eine direkte Wahl erfolgen. Die Franzosen sprechen aufgrund dieser Methode den Präsidenten auch von einer legitimierten Diktatur durch den Prasidenten.

5.Funktionsweise der Staatssysteme

5.1.Funktionsweise des französischen Staatssystems

In Frankreich basiert das Funktionieren des Systems vorwiegend auf einem starken Präsidenten und einer stabilen Regierung. Der Präsident kann jedoch nur optimal regieren, wenn die Regierung hinter ihm steht. Ist dies nicht der Fall, kommt es zu Spannungen. Die Regierung muss für die vom Präsidenten vorgegebene politische Richtung eine Mehrheit im Parlament finden. Die politische Einheit zwischen dem Präsidenten, dem Parlament bzw. dem Premierminister kann zu schnellen Fortschritten in politischen Entscheidungsfindungen führen. Die Zentralisierung wirkt dem jedoch entgegen, weswegen seit den 80er Jahren eine Dezentralisierung angestrebt wird.

In Frankreich gab es in der Geschichte keine starken Parteien. Dies schränkte die Handlungsfähigkeit des Parlaments ein und machte die autoritäre Rolle des Präsidenten nötig. Entscheidend für dieses System ist, dass der Präsident die politische Richtung vorgibt und so Unstimmigkeiten im Parlament entgegenwirkt. Somit ist der politische Kurs für 7 Jahre von einer Person abhängig. Dies bietet gleichzeitig Vor- und Nachteile für die Politik. Dieser lange Zeitraum macht es möglich, eine konsequente Politik zu betreiben und Stabilität und Kontinuität zu gewährleisten. Gesetze können ihre Wirkungen zeigen und langfristige Fortschritte bewirken. Jedoch besteht auch die Gefahr, dass die Politik in eine extreme Richtung gelenkt wird und diese über den langen Zeitraum beibehalten wird. Für Nachfolger wird es schwer, eingefahrene Strukturen zu verändern. In der Außenpolitik kann dies zu schwerwiegenden Folgen führen. Auch besteht die Gefahr, im Falle der Wahl eines Präsidenten, der seine Wahlversprechen kaum verwirklicht und Bestrebungen für bessere soziale Absicherung vernachlässigt, dass das Volk schwere soziale Einbußen in Kauf nehmen muss. Daraus resultiert eine gewisse Vorsicht der Wähler bei den Präsidentschaftswahlen gegenüber extremen Kandidaten. Das Volk wählt immer im eigenen Interesse und muss sich im Ernstfall der Verantwortung stellen, einen Fehler gemacht zu haben.

5.2.Funktionsweise des deutschen Staatssystems

Der deutsche Bundespräsident hat kaum Einfluss auf die Funktionsweise des Staatssystems. Zwar hat er die Möglichkeit Gesetze abzulehnen, jedoch macht er von diesem Recht kaum Gebrauch, da der Bundestag, der die Gesetze erarbeitet hat, die Vertretung des Volkes ist und in dessen Interesse handeln sollte. So kann der Präsident auf die Zustimmung des Volkes vertrauen. Auch hat er die Möglichkeit, den Ausnahmezustand zu verhängen. Es gab in jüngerer Geschichte aber keinen Anlass dafür. Der Bundespräsident hat theoretisch die Macht, das Regierungssystem ,,lahmzulegen". Diese Funktion ist eingeschränkt durch genaueste Bestimmung in der Verfassung. Die politischen Richtlinien in Deutschland werden durch den Kanzler und nicht durch den Präsidenten vorgegeben und jeder Minister hat das Recht, diese in seinem Resort auszugestalten.

Die Parteien spielen in Deutschland eine wichtigere Rolle als in Frankreich. Starke Parteien, sowohl in der Regierung als auch in der Opposition, sind hier die Voraussetzung für das Funktionieren des Systems. Der Bundespräsident lässt die Parteimitgliedschaft während seiner Amtszeit ruhen. Er hat so gewissen Abstand zu dem Geschehen in der Regierung und ist in der Lage, neutrale Entscheidungen zu treffen.

Ein Problem in Deutschland ist die kontroverse Arbeitsweise der Parteien. Die Einigung der Parteien untereinander ist schwierig und setzt einen langwierigen Prozess von Diskussionen und Kompromissfindung vorraus. Deshalb kann es nicht, wie in Frankreich, zu einer so einheitlichen und klar bestimmten Politik kommen. Dies hat Vor- und Nachteile. Einerseits schafft es die Möglichkeit, immer wieder neue Ideen und Vorschläge einzubringen, andererseits wird die Entschlussfindung erschwert.

5.3.Zusammenfassung

Die Art und Weise der Funktionsfähigkeit beider Staaten ist stark unterschiedlich. Obwohl die Funktionen der Präsidenten auf der gleichen Grundlage basieren, hat sie sich in verschiedene Richtungen entwickelt und führt heute zu unterschiedlichen Arbeitsweisen der Systeme. Beide Systeme bieten Vor- und Nachteile. Der Hauptvorteil in Frankreich ist die Kontinuität und vorgegebene politische Richtung, die eine gewisse Stabilität bieten. Unstimmigkeiten im Parlament wird wirkungsvoll vorgebeugt. Der Nachteil dieses Systems ist die Gefahr des Machtmissbrauchs durch den Präsidenten. Diese Gefahr besteht in Deutschland nicht: eindeutiger Vorteil dieses Systems. Der Nachteil besteht jedoch in der Möglichkeit der vielen Meinungen, welche durch die unterschiedlichsten Parteien vertreten werden. Dies führt zu Konflikten und Unstimmigkeiten, welche Entscheidungsfindungen verzögern. In Frankreich verzögert die zentrale Organisation, auch regionaler Probleme, diese. Im Grunde genommen sind die Ergebnisse beider Systeme ähnlich, obwohl die Schwachstellen und Stärken in unterschiedlichen Institutionen liegen.

6. Wertung

Die Funktionsweisen beider Staatssysteme lassen sich aus verschiedenen Blickwinkeln betrachten. Aus der Sicht der Alliierten war es nach dem 2. Weltkrieg notwendig Vorkehrungen zu treffen, um dem Machtstreben einer einzelnen Personen entgegenzuwirken. Dies hat sich bislang bewährt. Das Ausland hat von Seiten des deutschen Bundespräsidenten keine Gefahr zu befürchten. Die große Gefahr des Machtmissbrauchs besteht jedoch in Frankreich. Hier stellt sich für uns die Frage, warum Frankreich, als Mitglied der Alliierten, in Deutschland dem Machtmissbrauch so konsequent vorbeugte, im eigenen Land die Entwicklung und steigenden Macht des Präsidenten jedoch zuließ. Vermutlich vertraut man in Frankreich darauf, dass das Volk sich seiner Verantwortung gegenüber dem eigenen Land und dem Ausland, bei den Präsidentschaftswahlen bewusst ist. Aus deutscher Sicht hoffen wir, dass das französische Volk nie in eine Situation kommt, in der es seine Hoffnung auf die radikalen Ansichten einer Person stützen muss.

Die Überlegungen, die man anstellte um den nicht funktionsfähigen Parlamentarismus der III. und IV. Republik zu überwinden, hatten jedoch auch ihre Berechtigung. Ein Regierungssystem ist ohne Kompromisse im Parlament nicht funktionsfähig. Da es in Frankreich keine gut organisierten Parteien gab, musste die Führung durch den starken Präsidenten erfolgen. Die Grundidee ist also verständlich, unserer Meinung nach fehlen aber Schutzmechanismen, die einem Machtmissbrauch durch den Präsidenten vorbeugen. Die Nachfrage bei französischen Jugendlichen führte uns zu der überraschenden Erkenntnis, dass diese sich der Macht ihres Präsidenten und der damit verbundenen Gefahr nicht bewusst sind. Eigenartigerweise ist aber in der französischen Verfassung für den Fall der Vertretung des Präsidenten diesem Machtmissbrauch stärker vorgebeugt. Ist dies bewusst geschehen? Die Gesetzgebung in Deutschland ist durch den beibehaltenen Parlamentarismus erschwert, beugt aber Machtmissbrauch vor. Die Schwierigkeiten, welche sich durch den Parlamentarismus ergeben, wurden von den Aliierten bewusst in Kauf genommen. Vor der Verabschiedung eines Gesetzes kommt es in Deutschland regelmäßig zu heftigen Debatten, was deutlich macht, dass die konstruktive Zusammenarbeit zwischen den Parteien nur bedingt erfolgt. Dies führt zu einem politischen Desinteresse und Resignation in der Bevölkerung. Dem könnte eine Kooperation der Parteien entgegenwirken.

Für beide Staatssysteme trifft folgender Ausspruch von Winston Churchill zu: ,,Die Demokratie ist die schlechteste Regierungsform - mit Ausnahme all jener anderen Formen, die von Zeit zu Zeit ausprobiert worden sind." Dies bedeutet in Bezug auf unsere Beispiele, dass die Regierungsformen auf der Basis alter Verfassung aufgebaut sind und versuchen, deren Fehler nicht zu wiederholen und Verbesserungen anzustreben, aber immer noch mit Fehlern behaftet sind. In Frankreich heißt das, eine Entwicklung weg vom konfliktreichen Parlamentarismus hin zu mehr Autorität des Präsidenten. In Deutschland geht die Tendenz in die entgegengesetzte Richtung. Die Alliierten wollten um jeden Preis Autoritäten einschränken und eine Wiederholung des Nationalsozialismus unterbinden. Deshalb liegt der Schwerpunkt im deutschen System auf der Macht des Parlamentes. Auch diese Absicht ist, aus den eben erklärten Gründen, verständlich.

Aufgrund der komplexen Struktur der Staatssysteme ist eine kurzfristige Veränderung hin zu weniger Fehlern und besserer Umsetzung der Grundideen der Demokratie nicht möglich. Jedoch besteht die Möglichkeit, über einen längeren Zeitraum Veränderungen herbeizuführen. Dies zeigt das Beispiel der Dezentralisieung in Frankreich. Genauso kann sich über einen langen Zeitraum eine ungewollte Entwicklung einstellen. Auch dies lässt sich am Beispiel Frankreichs nachweisen. Die Machtkonzentration auf den Präsidenten war nicht von Anfang an beabsichtigt. In Deutschland ist die Staatsordung durch die Verfassung so eng vorgegeben, dass sich eine solche ungewollte Entwicklung kaum vollziehen kann.

Unser Vergleich führt uns also, obwohl er keinen Anspruch auf Vollständigkeit erhebt, zu dem Ergebnis, dass beide Staatssysteme sowohl mit Vorteilen, als auch mit Nachteilen behaftet sind. Sie sind jedoch keine starren Systeme, sondern befinden sich in einem Prozess der Entwicklung. Das Ziel dieser ist eine optimale Umsetzung der Demokratie in einem funktionsfähigen Staatssystem.

Begriffserklärungen

Dezentralisierung

Moderne Bestrebungen in der französischen Wirtschaft und Verwaltung, vor dem Hintergrund der europäischen Einigung, alte Hirachiestrukturen abzuschaffen und den Regionen mehr Selbstbestimmung in eigenen Angelegenheiten zu verschaffen.

Exekutive

Ist die ausführende Gewalt in einen Staat.

Förderalismus

Er ist ein Gegenmodell zum Zentralismus. Ist ein staatliches, wirtschaftliches und gesellschaftliches Strukturprinzip, dessen wesentliches Kennzeichen das Bestreben ist, die kleinere Einheit gegenüber der übergeordneten, größeren abzusichern ohne deren Funktionsfähigkeit zu beinträchtigen.

Legislative

Ist die gesetzgebende Gewalt in einem Staat.

Legislaturperiode

Zeitraum zwischen zwei Wahlen für die jeweilige Institution.

Legitimation

Die Rechtfertigung der Ausübung staatlicher Gewalt, zum Beispiel durch Wahlen.

Opposition

Die aus der Wahl resultierende Minderheit, welche einen Gegensatz zur Regierung (ursprünglich zur Mehrheit) bildet. Sie dient der Kontrolle der Regierung.

Parlamentarismus

Gesellschaftliche Organisationsform durch ein Parlament. Dieses ist durch das Volk legitimiert und hat uneingeschränkte Macht.

Personalisiertes Verhältniswahlrecht

Ist ein kombiniertes Wahlsystem aus Verhältnis- und Mehrheitswahlsystem. Dabei wird eine Erst- und eine Zweitstimme abgegeben. Dies findet zum Beispiel Anwendung bei der Wahl des deutschen Bundestages.

Souveränität

Eigenbestimmung, absolute und dauerhafte Macht eines Organs z.B. Staatssouveränität oder Volkssouveränität

Literaturverzeichnis

- Verfassung des Freistaates Thüringen und Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland (Landeszentrale für politische Bildung)
- Informationen zur politischen Bildung Heft 186 Frankreich (Bundeszentrale für politische Bildung)
- Etudes Francaises - Nouveaux Horizons Band 1 und 2 (Klett)
- Staatsformen der Gegenwart (Buchners Kolleg Politik)
- Materialien aus Frankreich (Politikunterricht)

Ende der Leseprobe aus 12 Seiten

Details

Titel
Vergleich der Regierungssysteme von Frankreich und Deutschland
Note
15 Punkte
Autoren
Jahr
1999
Seiten
12
Katalognummer
V94719
ISBN (eBook)
9783638073998
Dateigröße
486 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Vergleich, Regierungssysteme, Frankreich, Deutschland
Arbeit zitieren
Manuela Ortlepp (Autor:in)Edith Lux (Autor:in), 1999, Vergleich der Regierungssysteme von Frankreich und Deutschland, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/94719

Kommentare

  • Gast am 29.10.2015

    DIe Arbeit ist von 1999 und spätestens seit 2002 NICHT mehr AKTUELL!!!
    Der Präsident wird zum Beispiel nur auf 5 jahre (nicht mehr 7 Jahre) gewählt.
    Sollte also nicht als einzige Quelle verwendet werden (wenn überhaupt)!

  • Gast am 4.3.2002

    super.

    ne gut durchdachte, in sich schlüssige arbeit, die ihre 15 punkte sicherlich verdient hat und mich vor 0 punkten rettet.....danke!!


    spookee

  • Gast am 20.1.2002

    kompliment.

    Hey ihr zwei,
    euer Referat bzw. die Hausarbeit ist euch ganz klasse gelungen!
    Kompliment!
    Aber ganz gut wäre noch, wenn ihr Schaubilder veröffentlichen würdet (habt ihr wohl bei der Vorstellung auch)!!!

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Titel: Vergleich der Regierungssysteme von Frankreich und Deutschland



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