Gliederung
1. Einführung
2. Anforderungsprofil einer modernen Unternehmung
2.1 Flexibilität in der Organisation
2.2 Kunden- und Wettbewerbsorientierung
2.3 Produktzyklen und Time to Market
3. Identifikation der Disziplinen und Ihr Verständnis
4. Prozessmodellierung
4.1 Ereignisgesteuerte Prozessketten (EPK)
4.2 Vorgehensmodell bei der Modellierung
4.3 Sichtweisen organisatorischer Zusammenhänger
5. Prozeßoptimierung
5.1 Business Process Reengineering
5.2 Ziele für ein Business Process Reengeneering-Projekt
5.3 Kritische Betrachtung eines BPR-Projektes
6. Knowledge Management
6.0.1 Implizites und explizites Wissen
6.0.2 Individuelles und organisatorisches Wissen
6.0.3 Internes und externes Wissen
6.1 Anforderung an eine Modellierung mit Knowledge Management
6.2 Rolle der Informationstechnologie
7. Anforderungsbeschreibung eines BPR-Projektes mit Techniken des Knowledge Managements
7.1 Beispiel British Petroleum
8. Fazit und Ausblick
9. Anhang
Bemerkung: Es ist dieser Hausarbeit kein zusammenhängendes Quellenverzeichnis angehängt worden. Stattdessen findet sich eine genaue Beschreibung der Quelle auf der betreffenden Seite wieder.
Hausarbeit DV II Markus Bußmann WS 99/00 FHW-Berlin Es werden folgend die Themenbereiche Business Process Reengineering und Knowledge Management bearbeitet und miteinander in Verbindung gesetzt. Ziel dieser Hausarbeit ist es nicht, beide Bereiche ausfüllend und detailliert darzustellen. Dies bietet sich auf Grund der Komplexität beider Themenbereiche auch nicht an. Das Interesse lag stattdessen auf der Verknüpfung beider Themengebiete und Ihrer kritischen Würdigung.
1. Einführung
„Es ist schlimm, daß nur allererst nachdem wir lange Zeit, nach Anweisung einer in uns versteckt liegenden Idee, rhapsoditistisch viele dahin sich beziehende Erkenntnisse als Bauzeug, gesammelt, ja gar lange Zeit hindurch sie technisch zusammengesetzt haben, es uns denn allererst möglich ist, die Idee in hellerem Lichte zu erblicken, und ein Ganzes nach den Zwecken der Vernunft architektonisch zu entwerfen.“
Kant, Kritik der reinen Vernunft, B 862, 863 A
Die Fitnesswelle hat uns alle erfaßt. Auch die Unternehmensführer.
Unermüdlich verordnen sie ihrem Unternehmen ein Fitnessprogramm nach dem anderen. Schlank soll die Unternehmung werden, überflüssiges Fett muß weg, um die Härten des Wettbewerbs ertragen zu können. Die Wertschöpfungskette wird vergrößert, überflüssige Fitnessübungen werden eliminiert. Moderne Finanzierungsinstrumente verbessern die Ernährung unseres Firmenorganismus.
Leider sind diese Bemühungen mitunter schwer umzusetzen oder sie sind von nur schwer meßbarem Erfolg gekrönt. Jeder Versuch, die Transformationsprozesse einer Unternehmung zu verbessern, ist in letzter Zeit immer kostenintensiver geworden. Wer seine Produktivität verbessern will, muß bisweilen mit anderen Marktteilnehmern kooperieren oder sogar fusionieren, um den stetig steigenden Wettbewerbsdruck und den technologischen Wandel zu meistern. Mittlerweile ereilt viele Unternehmen zusätzlich die Erkenntnis, daß Produktivitätsfortschritte nicht kurzfristig erzielt werden können, sondern nur, wenn man langfristig in sie investiert hat.1
Dies trifft auch auf die Methoden des Business Process Engineering (BPR) zu, das in letzter Zeit stark in Mode gekommen ist. Die Methodik wurde als Begriff von Hammer und Champy in Ihrem Werk „Business Reengineering“ formuliert und sorgte seit Ihrer Publikation für viel Aufmerksamkeit. Es ist sogar möglich, daß die Firmen die Unternehmen die Methodik des Reengineering zum Pflichtprogramm machen werden, wie sie dies beim Lean Management getan haben. Auch besteht die Gefahr, daß die punktuelle Anwendung eines Konzeptes nur zeitweilig von Erfolg ist.2
Auf der anderen Seite findet auch das Thema Knowledge Management Beachtung. Knowledge Management (KM) wird oft nur im Kontext der Einführung neuer Software gesehen, dabei handelt es sich um einen stark organisatorisch geprägten Gedanken, der den Begriff Informationstechnologie auf seinen ursprünglichen Inhalt lenkt, nämlich die Verbesserung der Informations-(sprich Wissens-)lage soll durch Technologie verbessert werden.
Beide Themenbereiche, sowohl KM als auch BPR, können in einem positiven Kontext miteinander verknüpft werden. Die Verknüpfung basiert darauf, daß die Gestaltung von Geschäftsprozessen so ausgelegt werden soll, daß Geschäfsprozesse gezielt wissensgestützt gestaltet werden. Dies ist ein fruchtbarer Ansatz, schließlich dient er nicht nur bei der Gestaltung neuer Prozesse, sondern auch bei der Umgestaltung bestehender Prozesse. Der Vorteil gegenüber Optimierungsversuchen der Produktions- Faktoren Arbeit, Kapital und Boden ist eindeutig. Wissen ist als Produktionsfaktor in modernen Unternehmungen ein entscheidender Faktor geworden. Die Optimierung des Wissens ist aber für viele ein bislang noch weites Feld, in dem man eine grundsätzliche Verbesserung der Produktivität mit viel niedrigerem (Kosten-)Aufwand realisieren kann, als bei den üblichen Produktionsfaktoren. Unternehmen müssen dies als Chance wahrnehmen, andernfalls stehen in den klassischen Bereichen noch härtere Zeiten bevor, als sie durch globalisierten Wettbewerb ohnehin schon geworden sind.
2. Anforderungsprofil einer modernen Unternehmung
Um Instrumente und Methoden im Gesamtkontext der betrieblichen Umwelt auf Ihre Relevanz und Ihre Verwendung hin zu bewerten, ist es sinnvoll, sich mit den Anforderungen an eine moderne Unternehmung auseinander zusetzen. Unbestreitbar werden diese Anforderungen heute durch den Markt bestimmt, die Bedeutung des Marketings in den Unternehmen verdeutlicht diese Orientierung der Unternehmen. Der internationale Wettbewerb bietet den Unternehmen neue Marktchancen, die natürlich genutzt werden wollen, um nicht als Globalisierungsverlierer zu einer lokalen Marktmacht zu verkommen, die langfristig chancenlos zu werden droht. Dieser Punkt legt nahe, daß hier nur die Anforderungen großer Unternehmungen berücksichtigt werden. Im Gegenteil. Die Erfahrung zeigt, daß internationale Maßstäbe für das Unternehmen sinnvoll sind, denn auch regional steigt die Zahl der Konkurrenten.3
2.1 Flexibilität in der Organisation
Bei der Mehrzahl der Unternehmen stellen wir eine Veränderung der Organisationsformen fest. Die Aufbauorganisation findet weniger Beachtung im Vergleich zur Ablauforganisation, die den Kern der Produkterzeugung besser beschreibt. Diese Organisation wird in Richtung einer höheren Flexibilität weiterentwickelt, um den Prozess weiter in den Mittelpunkt zu stellen. Die Bedeutung von Funktionsträgern schwindet, wenn im Gegenzug ein Prozess effizient gestaltet worden ist. Kennzeichen dieser Entwicklung ist die Abflachung der Aufbauorganisation, die eine Veränderung erleichtert.4
2.2 Kunden- und Wettbewerbsorientierung
Um Kundenanforderungen nach individueller Berücksichtigung befriedigen zu können, mußten die Unternehmen den Kunden selbst in das Zentrum Ihrer Bemühungen stellen. Ergebnis dieser Bemühungen ist die Variantenvielfalt in der Produktion. Das Qualitätsmanagement ist wichtiger geworden, denn Qualität besagt nichts anderes, als die Kundenanforderungen gut zu erfüllen. Die Informationssysteme helfen in diesem Kontext, ein Qualitätssicherungssystem zu unterstützen. Intensiviert werden all diese Bemühungen durch den Wettbewerb. Medien wie das Internet trugen viel zur Schaffung von Markttransparenz und Vergleichbarkeit von Produkten bei. Dies führt zu steigenden Anforderungen an die Unternehmen.
2.3 Produktzyklen und “Time to market”
Kundenorientierung und intensiverer globaler Wettbewerb führen zur ständigen Überarbeitung der Produktpalette in den Unternehmen. Die Unternehmen überbieten sich deshalb ständig bei der Herstellung neuer oder veränderter Produkte. Die kürzeren Produktlebenszyklen sind eine Gefahr, da Investitionen in Entwicklung und Forschung nicht vollständig zurückfließen oder die Preise sich erhöhen müssen. Um überhaupt noch renditefähige Preise zu erzielen, ist es für die Unternehmen wichtig, daß sie die Zeit von der Produktidee bis zum Marktauftritt verkürzen können. An diesen Punkten läßt sich erkennen, daß nicht nur eine gute Kommunikationsinfrastruktur im Unternehmen notwendig ist, sondern auch die gezielte Verwertung von Wissen im Unternehmen die Aufwendungen begrenzen kann.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Die Zeichnung zeigt bildlich die zwei wichtigsten Einflußfaktoren dieser Veränderung (Kundenanforderungen/Wettbewerb) und die Qualitäten, die unsere Unternehmung besitzen muß, um den stetigen Wandel zu beherrschen. Die Disziplinen Knowledge Management und Business Process Reengineering können bei richtigem Einsatz hierzu hilfreiche Dienste leisten.
3. Identifikation der Disziplinen und Ihr Verständnis
Wie bereits in der Einführung angesprochen, ist Knowledge Management eine Schlüsselqualifikation für Unternehmen, wenn sie effizient lernen wollen und Ihren Wandel durch Wissen so beschleunigen können, daß sie am Ende die Qualitäten besitzen, um im Wettbewerb erfolgreich überleben können. Man kann sich dabei nicht oft genug klarmachen, daß ein System für ein konsequentes Wissensmanagement immer noch nicht existiert. Wissen zu gewinnen, hat mit Erfolg zu tun. Handlungen die wir zu einem Erfolg führen, wiederholen wir und somit optimieren wir das System von Erfolg zu Erfolg, bis das System stimmt. In diesem System kann ein Unternehmen die Fähigkeit zum Wandel besitzen.5
Wissen und die Fähigkeit, schneller zu lernen als die Konkurrenz wird für die Überlebensfähigkeit von zunehmender Bedeutung. Dazu ist die Erkenntnis, daß wir uns zunehmend mit Wissensunternehmen ebenso grundsätzlich. „Die Bestandsgröße Wissen wird also zur grundlegenden Ressource, die durch die Prozeßgröße Lernen vermehrt wird“.5
Um nicht weiter grundlegende Überlegungen zu vertiefen, fasse ich kurz zusammen, in welchem Kontext sowohl die Disziplin des Knowledge Managemenents als auch die des Business Process Reengineerings gesehen werden sollten.
- Knowledge Management: Als Fähigkeit zu einer formalen und strukturierten Vorgehensweise mit Information, die zur Intensivierung der Nutzung von Wissen in der Organisation führt.6
- Business Process Reengineering: Als Fähigkeit, mit Hilfe dieses Wissens eine intelligente Unternehmung aufzubauen. Intelligent ist es in diesem Zusammenhang, das Anforderungsprofil einer modernen Unternehmung zu erfüllen.
4. Prozeßmodellierung
Die Definition von Prozeß ist eindeutig: „Ein Prozeß ist der gesamte Ablauf zur Erzeugung materieller oder immaterieller Produkte bezüglich einer internen oder externen Aufgabenstellung“.7 Ein Unternehmen läßt sich also auf Basis vieler verschiedener Prozesse darstellen, die Gesamtheit aller Prozesse ist der Gutenbergsche Transformationsprozeß. Dieser ist aber wiederum zu modellhaft, um die Unterschiede von Unternehmen darzustellen oder zu erkennen, worin der Erfolg von Prozessen begründet ist. Der Zweck eines Prozesses ist die Wertschöpfung in der Unternehmung. Um einen Prozess darzustellen, wären sicherlich viele Worte notwendig. Die Eigenheit von Prozessen ist, daß sie immer komplexer werden, je mehr man die Interaktion von anderen Prozessen erfassen will.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Demo GPS Software-Atlas: Modell Einkauf
Bei dem hier gezeigten Prozeß Einkauf eines Industrieunternehmens handelt es sich bereits um ein Modell. Der Vorteil eines Modells liegt in der vereinfachten Betrachtungsweise, die ein schnelles Erfassen des Prozesses ermöglicht. Nachteilig ist natürlich, das eine grobe Darstellung die Eigenheit oder das besondere Know-how während eines Prozesses gar nicht erfasst. Bei diesem Prozess sind Symbole verwendet worden, um die Funktionen und Ereignisse darzustellen. Um beurteilen zu können, ob ein Modell gelungen ist, lassen sich Qualitätsfaktoren8 heranziehen:
- Reduziertheit - nichts überflüssiges ist Modell enthalten
- Treue - alle notwendigen Bestandteile sind enthalten
- Einfachheit - überschaubar und leicht verständlich
- Konformität - die Art der Modellierung lässt einen Vergleich zu anderen Modellen zu
- Lokalität - modulare Gestaltung ermöglichen
Die Modellierung muss qualitativ hochwertig sein, da Modelle hoher Qualität leichter verständlich sind und daher leichter zu bearbeiten sind. Davon ausgehend, dass man dieses Modell auch für die Gestaltung neuer Prozesse verwendet, kann ein schlechtes Modell uns bei der Zielverwirklichung der Prozeßoptimierung nicht unterstützen.
Genauso wichtig wie eine präzise Analyse ist es, auch die Umwelt des Prozesses zu berücksichtigen, die aus mehreren Kategorien besteht:
- Zulieferer: Sie liefern ein zu bearbeitendes materielles oder immaterielles Produkt
- Abnehmer: Sie nehmen ein Produkt ab oder bearbeiten es weiter
- Kunden: Sie haben Autorität über den Prozess und veranlassen ihn
- Eigentümer: Er kann den Prozess verändern, erstellen oder abbrechen, um ihn im Sinne des Kunden auszuführen. Kunden können theoretisch auch Eigentümer eines Prozesses sein (Serviceprozesse)9
Diese Zusammenhänge vereinfachen die Modellierung leider nicht, sie zwingen uns unsere Fähigkeit vernetzt zu denken weiterzuentwickeln. Dafür müssen wir uns nicht mit der hierarchischen Teilung des Unternehmens beschäftigen, die hier keinen Einfluss besitzt.
4.1 Ereignisgesteuerte Prozeßketten (EPK)
Bis jetzt haben wir erreicht, dass wir die verschiedenen „Stationen“ eines Prozesses erfasst haben. Wie gerade angesprochen, kann der
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung: EPK Einkauf, Dr. Reinhard Schütte, Vortrag Uni-Münster 98 (WM,Petkoff)
Kunde auch Eigentümer eines Prozesses sein. Nehmen wir einmal an, ein geliefertes Produkt zerstört sich durch einen Konstruktionsfehler selbst, ein Ereignis tritt also ein. Nachdem der Kunde mit dem Unternehmen in Verbindung tritt, löst dies einen Prozeß aus. Die Kette an nun folgenden Ereignissen (Reklamationsantrag, Sachbearbeitung, etc.) läßt sich mit Hilfe der Ereignisgesteuerten Prozeßketten modellieren. Die Darstellung beruht auf wenigen Hauptkomponenten (Ereignisse, Funktionen (oder Aufgabe) , Verknüpfungsoperatoren wie „und / entweder oder / und oder“), wodurch die Darstellung einfach gehalten wird. Die vereinheitlichte Darstellung trägt zur besseren Vergleichbarkeit von Sachverhalten damit bei.
4.2 Vorgehensmodell bei der Modellierung
Mittlerweile haben sich zahlreiche Softwarehersteller mit Tools für die Prozeßmodellierung befaßt (AENIS, ARIS Easy, SAP R/3), die entweder nur Modellierungsfähigkeit besitzen oder sogar die Organisation der Applikationsstrukturen verändern kann (R/3). Diese Programme bedienen sich dem Modell der ereignisgesteuerten Prozeßketten und veranschaulichen diese Prozesse unterschiedlich. Mehr oder weniger beschreiben die Programme damit das Vorgehensmodell bei der Modellierung, daß es in expliziter Form bislang nicht gibt. ARIS-Easy Design der Firma IDS schlägt als Vorgehensmuster folgende Schritte vor10:
I. Situationsanalyse als Vorbereitung (Probleme)
II. Strategische Planung ( Positionierung des Unternehmens im Wettbewerb, Identifikation der Unternehmensziele)
III. Ist-Analyse und Dokumentation der Geschäftsfelder (Produkte, Dienstleistungen, Kundengruppen, kritische Erfolgsfaktoren)
IV. Soll-Konzept (Ziele einer Geschäftsprozessoptimierung aus II.)
V. Abgleich mit Referenzmodellen
VI. Bewertung und Entscheidung
VII. Realisierung
Die Ist-Analyse ist von Wichtigkeit, obwohl unsere Zielsetzung (Reaktionsschnelligkeit, Organisationsflexibilität, Produktqualität) ja die Zukunft beschreiben soll. Durch die Ist-Analyse bekommen wir Verbesserungspotentiale und Schwachpunkte deutlich aufgezeigt, wie bspw. zu hohe Durchlaufzeiten, fehlende Verantwortlichkeiten oder Kapazitätsauslastungen.
Haben wir ein Modell erstellt, so dient es uns als einheitliche Kommunikationsbasis für die Reorganisation.11
Zu ergänzen ist unbedingt noch, daß ein aufwendig modellierter Prozeß nicht allein für die Optimierung von Prozessen wirksam ist. Vielmehr kann ein modellierter Prozeß auch anderen Abteilungen mitgeteilt werden, die Ihrerseits an der Gestaltung von Prozessen beteiligt sind: Qualitätsmanagement ( DIN 9000), Workflow- Management, Softwareauswahl, Softwareentwicklung , Prozesskostenrechnung.
Ein Modell ist es also in mehrfacher Hinsicht wert, qualitativ hochwertig erstellt zu werden, erst recht, weil wir es als Referenzmodell immer wieder verwenden können, so lange sich unsere strategischen Unternehmensziele nicht geändert haben.
4.3 Sichtweisen organisatorischer Zusammenhänge
„Our real challenge is not to build intelligent systems, but to help organizations to build intelligent organizations.”
Bobrow, AAAI 1990
Als Schlüssel der Prozeßmodellierung muß der organisatorische Ansatz betrachtet werden. Die Organisation ist letztlich nicht weniger als das Netz aller betrieblichen Funktionen. Als solche interpretiert der gewählte Denkansatz die organisatorischen Zusammenhänge anders. Interpretation bedeutet gleichwohl eine Gewichtung, die auf die Modellierung von Prozessen wieder Einfluß nimmt. Die Perspektive des Beobachters legt somit den Untersuchungsgegenstand fest und grenzt ihn inhaltlich ab. Hierfür bieten Gomez und Zimmermann in Ihrem Werk Unternehmensorganisation verschiedene Ansätze an, die diese Vorstellungen illustrieren. Beispielhaft erwähnt werden hier:
- Organisation als Maschine - Die Organisation wird gleichgesetzt mit Mechanik, bei der jeder Teil eine klar definierte Rolle spielt
- Organisation als Organismus - Organisationen haben eine Umwelt, mit der sie vernetzt sind.
- Organisation als Kulturen - Hier geben Organisationen dann Ereignissen einen Sinn, wenn sie in ein sinngebendes soziales Konstrukt fallen.12
Die Interpretation eines Prozesses mit dem Hintergrund dieser organisatorischen Betrachtungsweisen ist unterschiedlich fruchtbar für die Gestaltung von wissensbasierten Prozessen. Der organische Begriff einer Organisation legt am ehesten nahe, daß wir uns sehr humanorientiert verhalten müssen, denn dadurch bringen wir die Wissensträger (Mitarbeiter) zum Austausch von Informationen. Diese humanorientierte Sicht ist nachvollziehbar, wenn wir uns verdeutlichen, daß Wissen sich auf Daten und Information stützt, aber im Gegensatz zu beiden immer an Personen gebunden ist. Wenn es organisatorisch also nicht möglich ist, die Personen selbst in die Organisation so einzubinden, so daß Sie ihr Wissen mitteilen wollen, werden auch die Bemühungen nach wissensbasierten Prozessen vergeblich sein.13
5. Prozeßoptimierung
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
aus: Scott Adams, Das Dilbert-Prinzip, Verlag Moderne Industrie
Ein Unternehmen, daß den unter 2. genannten Anforderungs- profilen genügen will, muß sich kritisch seiner Ist-Situation stellen. . Hilfreich ist hier die unter 4. beschriebene Prozessmodellierung. Die Modellierung hat bereits dokumentiert, in welcher Situation sich das befindet: Die im direkten Vergleich mit der strategischen Ausrichtung ergründete Ist-Situation. Ein Muster für ein strategisches Ziel wäre bspw. die totale Serviceorientierung einer Unternehmung, da sie sich hierdurch stark vom Wettbewerb differenziert. Diesem Ziel stehen ungeklärte Verantwortlichkeiten im Ablaufschema oder mangelnde Wissensunterstützung bei der Bearbeitung von Serviceereignissen entgegen. Will beispielsweise ein Käufer eines bestimmten Fahrzeugmodells sein Fahrzeug zur Nachrüstung eines mangelhaften Fahrzeugteils in die Werkstatt geben, so muß die Werkstatt hier mit klar verteilter Kompetenz reagieren. Trifft der Kunde nicht auf einen im Service arbeitenden Mitarbeiter, muß der Mitarbeiter zumindest das Wissen besitzen, ihn an die zuständige Person im Service weiterzuleiten, dem der Prozeß „Nachrüstung“ bekannt ist. Im Service muß wiederum daß Wissen der Verkaufsabteilung abgefragt werden können, das dokumentiert, daß dieser Kunde zur Nachrüstaktion eingeladen wurde, weil er ein Fahrzeug besitzt, daß das mangelhafte Teil X enthält. In die Modellierungssprache übersetzt, sind zahlreiche Operationen so ausgefallen, daß am Ende der Einbau der nachzurüstenden Teile steht. Dies klingt sehr selbstverständlich, aber die Praxis der Unternehmung beweist immer wieder, daß Prozesse diesen Unterstützungsgrad von Wissen nicht gewährleisten und Mitarbeiter „dumm dastehen“.
Dieser in der Theorie nicht als allzu schwierig darzustellende Teilprozeß verdeutlicht schnell das Netz von Abhängigkeiten und Verbindungen, innerhalb der Prozesse formuliert werden können. Das Ziel für eine Prozeßoptimierung, daß wir in unserem Beispiel enthalten finden, ist die Steigerung der Servicequalität. Die Methoden, die eine Steigerung der Servicequalität beschreiben, beschreiben ein Spezialgebiet. Die Anforderungen an einen korrekten und effektiven Einsatz des hierfür erforderlichen Spezialwissens wird bestimmt durch die bisherige Qualität des Prozesses.
5.1 Business Process Reengineering (BPR)
“If the use of the system does not make both sides happier, it is no good.” FW Taylor Testimony S. 66
Die Definition des Begriffes Reengineering nennt als wesentliche Eigenschaft eine Verbesserung von Kosten, Qualität, Service und Zeit in deutlich erkennbaren Größenordnungen, indem man Prozesse überdenkt oder radikal redesigned.14
Die von Hammer und Champy skizzierte Vorgehensweise einer Reorganisation von Prozessen ist allerdings nicht etwas grundlegend Neues. Kurz gefaßt in einem Satz stellt sich BPR etwas so da: Wie sieht mein Unternehmen aus, wenn ich es heute mit meinem jetzigen Wissen und beim gegenwärtigen Stand der Technik neu gründe?“
Was die Autoren damit zu erklären versuchen, ist prinzipiell nichts anderes, als die Zielformulierung von F.W. Taylor in seinen „Grundsätzen wissenschaftlicher Betriebsführung“: „ A science should be developed for each work activity, identifying the „best way“ to perform it. The „best way“ must always be acknowledged to be relative to the available tools and labor skills for performing business activities. These activities will change over time, so business processes must continually be reengineered to produce a new „best way“.15
An dieser Sichtweise hat sich prinzipiell wenig geändert. Heute muss allerdings die Fähigkeit betont werden, sich auf wandelnde Anforderungen einzustellen, die uns zu kontinuierlichem Reengineering zwingt. Es gibt nicht mehr den ultimativen „Best way“, sondern nur noch den „Best way“ für eine bestimmte Anforderung zu einer bestimmten Zeit. Lange Zeit gingen viele davon aus, daß die Informationstechnologie, sprich der Computer, die Lösung der Effizienzproblematik von Geschäftsprozessen bedeuten würde, oder direkter gesagt, der Einsatz von Computern automatisch den „Best Way“ verkörpern würde. Dieses Versprechen konnte der Computer nicht einlösen.16 Aus diesem Grund steht heute mehr und mehr wieder die klassische Analyse im Vordergrund, wenn auch eine quantitative Erfassung immer noch schwierig ist. Die Effizienz von Prozessen läßt sich schwer bewerten, denn Modelle sind nur sehr kompliziert in quantitative Beziehung zu setzen. Wenigstens hier können wir dann auf den Computer als Werkzeug zurückgreifen. Beispielswiese ließe sich ein statisch modellierter Soll-Prozeß durch Zuweisung von Ressourcen und Zeitbegrenzungen dynamisch simulieren. Damit könnte man eine schnelle Voraussage des Optimierungsgrades eines neu gestalteten Prozesse treffen und seine Umsetzung rein argumentativ erleichtern. Das Werkzeug könnte man als dynamisches Modellierungswerkzeug bezeichnen.17 Prozesse lassen sich natürlich nicht umgestalten, wenn auf die bestehenden EDV-Systeme keine Rücksicht genommen wird. Ansonsten könnten wir die Unternehmung gleich neu gründen, den für die völlig veränderten Prozesse sind unsere EDV-Systeme nicht entwickelt worden.
5.2 Ziele für ein Business Reengineering Projekt
Das Ziel eines BPR-Projektes ist der fundamentale Wandel, wie eine Unternehmung operiert. Es geht nicht darum, etwas zu Verändern um der Veränderung Willen, sondern eine Revolution in der Unternehmung einzuleiten, die eine kontinuierliche Evolution in Gang setzt.
Nennen wir hierzu die Ziele, die ein solches BPR-Projekt beinhalten könnte18:
- Erhöhung der Lösungskompetenz bei Kundenwünschen von der ersten Minute an
- Besseres „Time to market“, indem redundante oder nutzlose Prozesse eliminiert werden
- Barrierenaufbau für Wettbewerber durch noch höhere Kundenorientierung
- Verbessertere Produktqualität durch die Verbesserung der Prozesse Produktdesign, Herstellung and Qualitätsbeurteilung
5.3 Kritische Betrachtung eines BPR-Projektes
“Hammer and Champy recognize the importance of the human resource when they state "companies are not asset portfolios, but people working together to invent, sell and provide service." However, they fail to demonstrate how to reengineer the human resource in conjunction with reengineering processes.”
BPR - Analysis and Recommendations, Weicher, Chu, Lin, ua.
Http://www.netlib.com/bpr1.htm
Wie schon vorher kurz betont wurde, bleibt die IT-Struktur eines Unternehmens bei Hammer und Champy nicht unberücksichtigt. Um wesentlich Prozessorganisation zu betreiben, wie z.b. die Zusammenfassung von mehreren Positionen, um Aufgaben zu integrieren, sind effiziente IT-Strukturen unverzichtbar. Durch sie wird gewährleistet, daß Abstimmungsarbeiten wegfallen können, ein Informationsaustausch von redundanten Daten vermieden wird, Mehrfacheingaben wegfallen sowie Nachbearbeitungen reduziert werden. Damit sind für die IT Verantwortlichen auch Gestaltungsziele genannt, z.b. können Mehrfacheingaben nur durch die Verhinderung von Medienbrüchen (nicht kommunikationsfähige Systeme) vermieden werden. Aber wie gestaltungsfähig ist die IT- Struktur überhaupt? Maurer19 zeigt in seiner Kritik der Prozeßorien-tierten Unternehmensgestaltung, daß die DV eher starre Strukturen aufweist und im Gegensatz zu Prozessen eben stark funktionionsorientiert arbeitet. Unternehmen, die zentralistische Strukturen um Mainframes hin aufweisen, scheuen die enormen Kosten einer Migration zu Client/Server-Umgebungen. Damit wird aus einer zentralen DV-Abteilung eine dezentrale Dienstleistungseinheit. Für Maurer handelt es sich hierbei um ein sehr problematisches Ziel, das viele Unternehmen halbherzig angehen. Dann besteht allerdings die Gefahr, daß sich hinter dem Etikett prozeßorientierte Reorganisation ein Schwindel verbirgt, wenn dann typische funktionale Bereiche wie Beschaffung und Vertrieb als Geschäftsprozesse definiert werden. Diese Definition werden die IT-Verantwortlichen bei der Reorganisation vermutlich empfehlen, schließlich haben sie die EDV jahrelang funktionsorientiert aufgebaut. Integrierte Prozesse, die sich verschiedenen vorher getrennten Aufgaben und Positionen widmen, können so nicht gestaltet werden, wenn die notwendige Unterstützung im Dienstleistungsteil einer Unternehmung (IT) versagt bleibt. Ab diesem Moment an gilt die Reorganisation sicher als gescheitert.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung: Abhängigkeiten bei der Prozeßgestaltung; hier Business Process Management mit Tool AENEIS, aus B. Petkoff, Wissensmanagement, S. 343, Addison-Wesley
6. Knowledge Management
Kundenorientierung und die Anforderungen des permanenten Wandels sind auch Faktoren, die an die Einführung von Knowledge Management in der Unternehmung führen. Das Wesen der Prozeßorientierten Reorganisation ist ja sogar, daß Prozesse eine gezielte Wissensunterstützung für den Mitarbeiter ermöglichen. Hammer und Champy empfehlen die Etablierung von „wissensbasierten Systemen“, die auch Expertenwissen weniger gut ausgebildeten Mitarbeitern für bestimmte Aufgaben zu Verfügung stellen. Damit zeigt sich, daß die Ziele einer Reorganisation in der Unternehmung und eines gezielten Wissensmanagements miteinander harmonieren, evtl. sogar eine Reorganisation ohne gezieltes Wissensmanagements von vornherein zum Scheitern verurteilt ist.
Wir gehen bei unserer Gestaltung von „unterschiedlich stark strukturierten und unterschiedlich wissensintensiven Prozessen aus. Ein Beispiel für eine stark standardisierte Auftragsabwicklung ist die Versandabteilung in einem Versandhaus.(...) Auf der anderen Seite finden sich schwach strukturierte Prozesse, deren Ablauf sich nicht genau vorhersehen läßt. Derartige Prozesse werden meist nur einmal in der gleichen Form durchgeführt, da sich der Ablauf jedes Mal ändert. Im Rahmen solcher Prozesse spielen die Erzeugung und Nutzung von Wissen häufig eine wesentliche Rolle (...), bspw. in der Beratung.“20 In der Regel weist eine Unternehmung sowohl stark als auch schwach strukturierte Prozesse auf. Der Grad von Wissensnutzung und Bedarf ist unterschiedlich hoch. Dies ist für eine gezielte Unterstützung von Prozessen wichtig, denn die verschiedenen Typen von Wissen und Ihre Lokalisierung ist wichtig. Dafür hat ARIS bspw. eine Wissenslandkarte und ein Wissensstrukturdiagramm im Gepäck, mit dem Wissen lokalisiert werden kann.
Das einfachste Mittel eines Strukturdiagramms wäre bspw. eine einfache Topographie:
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
aus: Neumeier, Wissensmodell nach Probst, www.hausarbeiten.de
Diese Identifikation von Wissen ist von hoher Bedeutung, denn wir müssen ermitteln, ob wir Wissen intern zur Verfügung haben oder ob dies nur extern möglich ist. Die einfache Topographie ist da sicherlich nur bedingt hilfreich.
Wissensmanagement ist nebenbei ein äußerst komplexes Thema, was alleine schon durch seine multidisziplinäre Ausrichtung unterstützt wird. So lassen sich hier nicht alle Bausteine eines umfassenden Wissensmanagements zeigen, es sei hier auf folgende Abbildung dieser Bausteine nach Probst verwiesen:
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
6.0.1 Implizites und explizites Wissen
Näher beschäftigen sollte man sich stattdessen aber noch mit den verschiedenen Wissensarten. Ansonsten erscheint eine Betrachtung im unternehmerischen Umfeld nicht sinnvoll:
Implizites und explizites Wissen: Explizites Wissen ist oder läßt sich gut verbalisieren und kann auch visualisiert werden. Dieses explizite Wissen kann in unseren Prozessen wieder angelegt werden. Implizites Wissen ist ein Problemfaktor, denn dieses Wissen steht nicht leicht verbalisierbar oder visualisierbar zur Verfügung. Dieses Wissen ist von enormer Bedeutung, denn es kommt einem verborgenen Wissensschatz gleich, den die Mitarbeiter mit sich herum tragen. Handwerkliche Fähigkeit oder durch Erfahrung gewonnene Managementmethoden sind innerhalb kurzer Zeit nur schwer an andere Personen weiterzugeben. Die Schwierigkeit liegt unter anderem auch darin begründet, welches Motiv mit der mühevollen Externalisierung von impliziten Wissens zugrunde liegen soll. Dem Unternehmen liegt definitiv viel am impliziten Wissen, den dieses Know-how kann durch Fluktuation der Belegschaft verloren gehen.21 Dem Mitarbeiter ist vielleicht zunächst nicht daran gelegen, da sein Wissen auch für Ihn seine Berechtigung darstellt, in der Unternehmung zusein, da nur er über Information verfügt.
6.0.2 Individuelles und organisatorisches Wissen
Das persönliche Wissen stellt das individuelle Wissen dar, das wiederum in expliziter oder impliziter Form vorliegt. Organisatorisches Wissen drückt sich bspw. durch Prozesse oder die Organisationsstruktur aus. Veränderte Prozesse durch das Wissen der Mitarbeiter stellen das Wissen einer Organisation dar.21
6.0.3 Internes oder externes Wissen
Hier wird nach der Herkunft des Wissens unterschieden. Externes Wissen befindet sich außerhalb des Unternehmens und muss evtl. bezogen werden.
Die Geschäftsprozesse sollen aus Sicht des Knowledge Managements auf das implizite Wissen genauso zugreifen können, wie auf internes explizites Wissen oder externes explizites Wissen.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung: Geschäftsprozeß aus Sicht KM, modelliert mit ARIS, Petkoff, Wissensmanagement, S. 337, Addison-Wesley
Wer sich also um die organisatorische Ausgestaltung von Prozessen bemüht, darf nicht vergessen, daß immer für eine positive Unterstützung von Maßnahmen des Wissensmanagements gesorgt sein muß, mit anderen Worten: Die Motivation muß stimmen.
Wichtigstes Instrument ist hierbei eine ausgefeilte Kommunikationspolitik, die Wissensmanagement zu einem akzeptierten Prozeß macht. Die Motivation der Mitarbeiter entsteht, wenn Sie den Nutzen eines Wissensmanagements für Ihre persönliche Arbeit erkennen. Von da ab ist keine weitere Motivation mehr nötig. Natürlich läßt sich dies auch dadurch erreichen, daß man die Mitarbeit am Wissensmanagement durch soziale Effekte, wie erhöhte Beachtung, Lob und verbesserte Karrierechancen ermöglicht. Auch materielle Vorteile sind denkbar. „Letztendlich wird eine Mischung beider Motivationsformen in der Praxis erfolgreich sein, denn Mehrarbeit muß sich für den Mitarbeiter lohnen.“23 Man spricht hier auch von intrinsischer oder extrinsischer Motivation am Wissensmanagement.
Die Mehrarbeit wird vor allem deshalb verursacht, weil die Mitarbeiter ihre Arbeit besser dokumentieren sollen. Ein Geschäftsprozeß, der um Elemente der Wissensverarbeitung erweitert wird, könnte modellhaft wie folgt aussehen:
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung: Erweiterung G.-prozesse um Elemente der Wissensverarbeitung, aus B.Petkoff, Wissensmanagement, S. 339, Addison-Wesley
Dieses Modell veranschaulicht sehr genau den Nutzen von wissengestützten Prozessen. Denn neben der Dokumentation wird ja gleichzeitig die Möglichkeit eröffnet, auf die Dokumentation der eigenen Arbeit besser zuzugreifen, bzw. die anderer Mitarbeiter zu nutzen. Dieser Vorteil ist erheblich, alleine die Ersparnis an Mehraufwand und die Erhöhung der Qualität sind sofort spürbar. Mehrarbeit bedeutet dann gleichzeitig Einsparung von Arbeit. Technisch kann so ein System bspw. durch die Einführung von Dokumenten-Management-Systemen sinnvoll unterstützt werden.
6.1 Anforderung an eine Modellierung mit Knowledge Management
Die Modellierung zeigte bereits, daß wir uns von einer Dokumentation von Funktionen zu einer Modellierung von Abläufen in Form von Prozessen bemühen müssen. Aufgabe der Modellierung war es, das Anforderungsprofil an unsere intelligente Form der Unternehmung zu erfüllen, indem Sie auf Wissen der Unternehmung (nach Wissensidentifikation, Wissenserwerb, etc. Siehe Abbildung Probst) zurückgreifen kann. Die Anforderungen an eine Prozeßoptimierung können wir in Form unserer Ziele beschreiben, die wir computerbasiert unterstützten können24:
- Durchgängige Begleitung des gesamten Produktlebenszyklus durch Wissenssammlung und Bereitstellung von Wissen. Hierdurch können wir bspw. Aufwand bei der Entwicklung neuer Produkte vermeiden, indem wir auf die Erfahrungen des Lebenszyklusses älterer Produkte bauen.
- Ständige Bereitstellung und Berücksichtigung der Kundenanforderungen in allen Phasen des Produktlebenszyklus.
- Organisatorische und methodische Unterstützung der Teamarbeit
- Unterstützung und Kommunikation zwischen verschiedenen Funktionen und Bereichen des Unternehmens
6.2 Rolle der Informationstechnologie
Sowohl beim BPR als auch im KM spielt die Informationstechnologie eine wichtige Rolle. Bei Implementierung der Anforderungen helfen uns Tools zur Geschäftsprozeßmodellierung und -optimierung (siehe Abbildung BPM mit AENEIS), d.h. sie unterstützen die Tätigkeit von Managment und Personal.
Die Forderung nach einer hohen Kommunikationsfähigkeit während des Prozeßablaufs wird durch Informationstechnologie noch verbessert (E-Mail; Web Distributed Workgroups; Intranet, etc.). Ebenso wird die räumliche Trennung von Geschäftsprozessen irrelevant, sofern es sich um keine materiellen Produktionsprozesse handelt.
Das Problem mit der Informationstechnologie ist, daß sie in unseren Betrachtungen eine zu zentrale Rolle spielt. Der Aufwand wird hier oftmals überschätzt und die Einführung eines Wissensmanagements in Zusammenhang mit Prozeßreorganisation zwingt angeblich zu einer Revolution im IT-Bereich. Es gibt sicherlich Systeme (Mainframe), die eine verteilte Verarbeitung nicht positiv unterstützen, in der Regel ist die IT-Struktur völlig ausreichend. Die meisten Programme zur Einführung eines Wissensmanagements sind vorhanden, und müssen allerhöchstens noch „customized“ werden, aber mit minimalem Aufwand (siehe Lotus Notes, Webbrowser, etc.). Die falsche Bewertung wird oftmals im Management ausgelöst, die unter der Informationstechnologie automatisch den Computer versteht. Viel wichtiger als der Computer ist aber die Kybernetik in kreativen Arbeitsprozessen einzuführen: „ Das aktuelle Problem ist nicht die Computerisierung von einem Maximum menschlicher Tätigkeit, sondern der Entwurf und die Realisierung neuer komplexer wissensbasierter Strukturen mit interdisziplinären Profilen in der gesellschaftlichen Praxis.“25
Anders gesagt: It`s the information, stupid! (not the computers)26. Der Aufwand für EDV-Migration oder Neuanschaffungen muß deshalb nur den kleineren Teil des Budgets einer Einführung von Knowledge Management ausmachen. Es ist viel wichtiger, die Mitarbeiter durch Coaching auf Ihre veränderte Arbeitsweise vorzubereiten und für den Austausch von Wissen zu gewinnen.
7. Anforderungsbeschreibung ein BPR-Projektes mit Techniken des Knowledge Managements
Das Wissen über die theoretischen Hintergründe nützt nichts, wenn eine praktische Anwendung nicht ersichtlich wird. Diese Anwendung wurde bei British Petroleum gefunden, die sich einer Reorganisation Ihrer Prozesse widmen und damit das Knowledge Management System kontrolliert einführen.27
7.1 Beispiel British Petroleum
BP ist eine der größten Mineralölkonzerne der Welt mit einem Umsatz von mehr als 70 Milliarden DM. Aber BP ist nicht nur groß, sondern auch deutlich profitabler als die Konkurrenz. Hierfür gibt man an, daß BP sich als Unternehmen relativ früh einem ausbalancierten operationalen wie auch strategischem Knowledge Management gewidmet hat. Gleichzeitig hat man aber auch die zentrale Ausrichtung auf das Ölgeschäft aufgegeben, und ist sogar im Bereich Tierfutter tätig.
BP hat erkannt, daß seine Stärken zwar im Ölgeschäft liegen, aber es dennoch über soviel Wissen in seiner Organisation verfügt, um auch andere Prozesse sinnvoll zu gestalten. Die Vorgehensweise entspricht zum Teil unserer angesprochenen Modellierung. Evtl. ist sie sogar detailgetreu, aber die Quelle ermöglichte keine genauere Betrachtung der Ausgestaltung. Wie in unserer Modellierung hat man bei BP begriffen, daß man zur Wissensidentifikation erstmal die strategischen Unternehmensziele definieren muß. Diese lauteten:
I. Ölfelder aufspüren und effizient verwerten
II. Technologien für höheren Kundennutzen entwickeln
III. Eine Organisation motivierter Mitarbeiter zu bilden
IV. Partnerschaften zu entwickeln und zu fördern
Diese klaren strategischen Ziele klären die Bedeutung von Wissen in der Organisation. Darauf wurden die bisherigen Ist-Prozesse abgebildet und die zukünftigen Soll-Prozesse entwickelt. Um die Soll-Prozesse realisieren zu können waren organisatorische Schritte notwendig:
- Entscheidungskompetenz wurde dezentralisiert und befreite BP somit von der Schwerfälligkeit einer großen Organisation. Ein Beispiel hierfür ist, daß die Unternehmung mit tausenden von Mitarbeitern eine Verwaltung von lediglich 350 Mitarbeitern besitzt.
- Prozesse wurden hierarchisch verflacht und durch die Modellierung transparenter gestaltet, immer mit der Absicht den Kundennutzen zu erhöhen.
- Wissen wurde elektronisch zentralisiert (Knowledge Base) und über das Intranet verteilt. Eine Definition von kritischem und unkritischem Wissen ergab sich aus den Geschäftszielen
- Die Unternehmenskultur wurde geändert. Die Verflachung der Hierarchie bedeutete, daß Mitarbeiter von nun an als selbständig arbeitende Profis gesehen werden mußten.
- Methoden der intrinsischen und extrinsischen Motivation wurden verwandt, um die Teilnahme am KM zu erhöhen.
Die Bedeutung der EDV ist bei BP eher gering, sie wird als „enabler“ gebraucht. Vorrangig wird die Kommunikation und der Austausch von Wissen durch die IT gefördert: „Technology is an important enabler, but knowledge management is as much about leadership, culture and behavior.“
BP verwendet mehr als 70% seines Budgets für Coaching, nur 30% werden in Technologien investiert. Mit einem Satz: Investionen fließen dorthin, wo wissen ist, vorrangig also zu den Mitarbeitern.
8. Fazit und Ausblick
Die Chancen eines kontrollierten Business Process Reengineering als Methode der Prozeßoptimierung ist klar geworden. Man kann somit das Thema dieser Arbeit ins Gegenteil verkehren. Ihre Aussage könnte lauten: Einführung des Knowledge Managements mit Techniken des Business Process Reengineering.
In diesem Zusammenhang neigt man dazu, sich die Betrachtung zu leicht zu machen. Zwar ist Knowledge Management theoretisch immer fundierter, aber das Fach steht noch längst nicht selbständig auf eigenen Beinen. Es ist die Frage, ob man diese Motivation haben muß, aber ein wackliges theoretisches Gerüst führt in der Einführung von Knowledge Management zu einer lähmenden Diskussion über Sinn und Zweck des KM sowie seiner Umsetzung. Die große Gefahr ist dann, daß ein einmal abgelehntes Wissenssystem nie mehr die Akzeptanz der Mitarbeiter erfährt. Wissensmanagement droht zum Firmenspott zu werden, in der das Knowledge Management -Team effizient das Geld der anderen „renditefähigen“ Abteilungen verpuffen lassen. Dabei ist die Bedeutung eines gezielten Wissensmanagements unbestritten. Alleine schon eine zu komplexe Umsetzung im EDV-Bereich läßt die Bemühungen schnell scheitern.
Auf der anderen Seite ist das optimieren von Prozessen kein kleines Unterfangen und kann ebenso schnell scheitern. Prozesse sind organisatorisch eingefahren und leben von der Gestaltung der Mitarbeiter. Eine externe Gestaltung dieser Prozesse führt zu Unzufriedenheit der Mitarbeiter, die Einbeziehung der Mitarbeiter läßt einen vielleicht beim status quo verweilen. Gerade wenn die Einführung des Redesigns nicht begründet ist, werden die Wertvorstellungen der Belegschaft prinzipiell nicht beachtet. Das Scheitern eines Reengineering kann natürlich noch viele andere Ursachen haben, wie
- Zu geringes Verständnis von Reengineering der ausführenden Mitarbeiter
- Zu geringe Ressourcen werden bereitgestellt
- Reengineering wird ohne Opfer durchgeführt
- Behinderung durch die Unternehmenskultur und das Management
- Keine Maßnahmen zur Schulung und Motivation der Mitarbeiter
- usw.
Sowohl Knowledge Management als auch Business Process Reengineering müssen bei der Betrachtung und der Analyse den Menschen in den Vordergrund stellen, wenn sie als Theorien auf Dauer Bedeutung erfahren wollen.
[...]
1 vgl. illustrierend hierzu: Tom de Marco, Der Termin, S. 72, Hanser Verlag
2 Hammer, M. und Champy, J., Business Reengineering, Campus 1994
3 vgl. Krallmann, Frank, Gronau, Systemanalyse im Unternehmen, S. 229 Oldenbourg Verlag
4 vgl. Petkoff, Boris “Wissensmanagement, S. 307, Addison-Wesley
5 Stewart, Der vierte Produktionsfaktor, Hanser Verlag
5 vgl. Petkoff, B. Wissensmanagement , S. 303 , Addison-Wesley
6 vgl. Davenport, Prusak, Wenn Ihr Unternehmen wüßte, was es weiß, 1998
7 vgl. Gablers Wirtschaftslexikon, Gabler Verlag
8 vgl. Jablonski u.a., Workflow Management, S. 43, D.Punkt Verlag
9 vgl. G.S. Tjaden, Business Process Analysis www.ces.btc.gatech.edu
10 vgl. Scheer, ARIS - Vom Geschäftsprozeß zum Anwendungssystem, 1998 13
11 vgl. Krallmann u.a., Systemanalyse, S. 224, Oldenbourg
12 vgl. Gomez, P., Zimmermann, T. Unternehmensorganisation, Campus 1993
13 vgl. Probst, Wissen managen, FAZ, Frankfurt am Main 1998
14 vgl. Krallmann u.a., Systemanalyse, S. 229, Oldenbourg
15 vgl. G.S. Tjaden, Business Process Analysis, www.ces.btc.gatech.edu, 1999 17
16 vgl. The Discipline of Business Process Reengineering,www.ces.btc.gatech.edu/bpr.htm
17 vgl. B. Petkoff, Wissensmanagement, S. 327, Addison Wesley
18 vgl. The Discipline of Business Process Reengineering, www.ces.btc.gatech.edu/bpr.htm
19 Schwickert, Kritische Anmerkungen zur prozeßorientierten Unternehmensgestaltung, Industrie Mangement, vgl. auch Krallmann, Systemanalyse, Oldenbourg Verlag, S. 228-239
20 vgl. B. Petkoff, Wissensmanagement, S. 337-338, Addison Wesley 21
21 vgl. Takeuchi, Nonaka, Organisation des Wissens, Frankfurt a.M. 97
22 vgl. Takeuchi, Nonaka, Organisation des Wissens, Frankfurt a.M. 97 24
23 vgl. Krallmann u.a., Systemanalyse, Oldenbourg,
24 vgl. Petkoff, B. , Wissensmanagement, S. 341-343, Addison-Wesley
25 vgl. Petkoff, B. Wissensmanagement, Addison Wesley
26 vgl. Gary S. Tjaden, It`s the information, stupid!, http://www.ces.btc.gatech.edu
27 Quelle des Beispiels http://kpmg.interact.nl/ 28
- Arbeit zitieren
- Markus Bußmann (Autor:in), 2000, Business Process Reengineering mit Techniken des Knowledge Managements, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/95382