Gruppenarbeit zur Blechtrommel von Günter Grass: Thema "Kunst in der Blechtrommel"
Note: 14 MSS-Punkte (entspricht Note 1)
In Deutschland formierte sich in den 30iger Jahren die faschistische Kunst aus der bedingungslosen Kampfstellung gegenüber der zeitgenössischen Avantgarde und aus dem Bedürfnis, eine monumentale Kunst zu schaffen, welche die nationalistisch-faschistische Ideologie des Dritten Reiches widerspiegelt. Die Quelle des faschistischen Realismus ist in der Münchner Schule des 19. Jahrhunderts zu suchen, zumal die erste Ausstellung nationalsozialistischer Kunst selbst programmatisch an diese Künstler Anschluß sucht. Die faschistische Kunst ist eher allegorisch als realistisch; die Menschendarstellungen werden stets als Sinnbilder für die jeweiligen ideologischen Absichten dargestellt. Die Partei zieht sich in Malern und Plastikern ihre eigenen Pseudointerpreten. Ziel ist es, daß der Staat den einzelnen Künstler in seinem Schaffen als wirkende Persönlichkeit erfaßt. Die offizielle Kunst des 3. Reiches wandte sich von der modernen Kunst Europas ab, isolierte sich von den Problemstellungen der damals aktuellen Kunst. Von den Nationalsozialisten wurde diese Isolation damit begründet, daß eine Rückbesinnung der deutschen Kunst auf „spezifisch deutsche“ Werte und Traditionen stattfinden sollte. Unter dem Schlagwort „entartete Kunst“ wurde 1937 eine Ausstellung in den Münchner Hofgarten-Gebäuden gezeigt als das Negativ zu nationalsozialistischen Propagandakunst. Die narzißtische Kunstideologie interpretierte die als entartet und degeneriert bezeichnete Kunstproduktion der Impressionisten, Expressionisten, Faulsten, Kubisten, Dadaisten und Abstrakten als minderwertig und volksschädigend. Diese Verfemung engagierter Kunst führte gleichzeitig zur beschlagnahme und teilweisen Liquidierung wertvoller Kunstwerke, die als geächtete Produkte aus dem Museen entfernt wurden. Mit der Liquidierung entarteter Kunst erging an alle Künstler der modernen Kunstrichtungen früher oder später ein generelles Ausstellungs- und Malverbot. Künstler, die einer dieser Kunstrichtungen zuzuordnen waren, wurden konsequent - wenn sie nicht sowieso als Juden oder Kommunisten verfolgt wurden - als geisteskrank dargestellt.
Aufgliederung der „entarteten Kunst“:
- Zersetzung des Form- und Farbempfindens
- Unverschämter Hohn auf jede religiöse Vorstellung
- Der politische Hintergrund der Kunstentartung · Politische Tendenz
- Einblick in die moralische Seite der Kunstentartung
- Abtötung des letzten Restes jedes Rassenbewusstseins
- Idioten, Kretins, Paralytiker
- Juden
- vollendeter Wahnsinn
Der neue Menschentyp:
Dieser neue Menschentyp wurde für die Kunst verbindlich. Der Mann meist Ende 20, ist groß, athletisch, blond und blauäugig, seine Haltung aufrecht und stolz, sein Blick offen und frei. Sein muskulöser Körperbau wurde stark betont. Selbst dem Frauenkörper wurde alles Zierliche genommen zugunsten einer athletischen Durchbildung. Darüber hinaus sind die Frauen im allgemeinen blond, blauäugig, mit langen wallenden Haaren, jung und anmutig. Auf vielen Bildern wird die Frau als Mutter dargestellt, meistens umgeben von drei Kindern, was einer Madonnendarstellung gleicht. Durch eine bewußte Übernahme von Bildformeln aus dem Bereich der religiösen Kunst wird die Mutterschaft in die Sphäre des Sakralen gehoben. Die Rollen von Männern und Frauen werden unterschiedlich fixiert.
All diese Eigenschaften des gewollten Menschentyps haben die Figuren in der Blechtrommel eher in umgekehrter Form. Der Redner Löbsack hat zum Beispiel einen Buckel, was bei Hitler sicher nicht vorgekommen wäre, daß ein solch verkrüppelter Mann vor hunderten von Menschen eine Rede hält.
Das Fronttheater, dem Oskar dank seiner künstlerischen Talente, nämlich dem Trommeln und der Fähigkeit, durch seine hohe Stimme Glas zu Bruch gehen zu lassen, beitreten konnte, war, wie der Name schon sagt, an den Kriegsschauplätzen des 2.Weltkrieges vor Ort, um den deutschen "Helden" eine Ablenkung, scheinbar fernab der Realität des Kriegsalltages zu bieten. Es stand unter der Leitung Bebras. Seine künstlerische Funktion im Fronttheater lag darin, als Musikalclown auf unterschiedlich gefüllten Flaschen Gute-Laune-Lieder zum Besten zu Geben; außerdem führte er durch das Programm. Nach diesen Liedern kam der Höhepunkt der Truppe, der Auftritt von Oskar und Roswitha Raguna, einer italienischen Somnambulen, die ihre hellseherischen Fähigkeiten zum Erraten von persönlichen Daten der Zuschauer aus dem Publikum nutzte, begleitet von Oskars Trommelwirbel, der den Auserwählten anschließend sogar noch die ihm zum Dank geschenkte Bierflasche zersang. Felix und Kitty, zwei weitere Mitglieder des Fronttheaters, waren Akrobaten, äußerst gelenkig, was ihnen den Beinamen "Gummimenschen" einbrachte. Im Duett bildeten sie wirre Formen, ver- und entknoteten sich. Als vorweggenommene Schlußfolgerung kann man behaupten, daß das Fronttheater so ziemlich allen Vorstellungen von Kunst, die die Nationalsozialisten im 3. Reich hatten, widerspricht. Betrachtet man beispielsweise dessen Inhalte, so erkennt man, daß das Fronttheater kein Theater im eigentlichen Sinne spielt, sondern eher an einen Wanderzirkus erinnert. Sein Programm ist nicht auf die Rückbesinnung deutscher Werte und Traditionen ausgelegt, wie es vom NS-Regime gefordert wurde, um den Soldaten klar zumachen, das es sich lohnt, für das "Deutsche Vaterland" zu kämpfen. Ganz im Gegenteil erinnern die Auftritte von Oskar & Co an ein Unterhaltungsprogramm, daß ein Nazi eigentlich als "entartete Kunst" abstempeln müßte. Daß die ideologischen Maßstäbe dieser Zeit von ihnen mit Füßen getreten werden, wird nicht einmal verheimlicht, nein, die Offensichtlichkeit ist kaum abzustreiten, bedenkt man, daß Bebra auf seinen Flaschen "Jimmy the Tiger" spielt, ein Lied, das dem Charleston unterzuordnen ist. Dieser Stil findet seine Wurzeln wiederum in Amerika, einem der Hauptkriegsgegner Deutschlands. Dies wird jedoch keineswegs von den hohen Militärs und Funktionären, die im Publikum sitzen verurteilt, sondern mit tosendem Beifall akzeptiert. Die Gesetzmäßigkeiten der Kunstvorstellung der Nazis und somit ein Teil der Propagandamaschinerie werden vom Fronttheater außer Kraft gesetzt und niemand kümmert sich darum. Geht man einmal weg von Inhalten und hin zu der personellen Besetzung des Fronttheaters, so sind auch hier Gegensätze zu künstlerischen Maßstäben des 3. Reiches zu erkennen. Schon die Tatsache, daß die Raguna gar keine Deutsche, sondern eine Italienerin ist, der man ihr mediterranes Flair sehr wohl ansieht, und Oskar wahrscheinlich ein Halbpole, widerspricht der Idee der "Arischen Rasse" des NS- Regimes. Noch augenscheinlicher ist aber der Fakt, daß die fünf Darsteller Liliputaner sind, kleinwüchsige Menschen, die schwach und zerbrechlich sind, was nun beileibe nicht dem Prototypen eines Ariers entspricht. Der ist groß, blond, blauäugig, muskulös gebaut und nimmt eine aufrechte Haltung ein. Die Darsteller des Fronttheaters steuern also schon allein aufgrund ihres Aussehens dem von den Nazis heraufbeschworenen Rassebewusstsein entgegen.
Der Musiker Meyn entwickelt sich im Laufe des Romans von einem alkoholabhängigen, wohlklingend spielenden Künstler zu einem cleanen SA-Mitglied, welches nicht mehr mit dem nötigen Gefühl, aber technisch einwandfrei spielen kann. Nach seinem Ausschluß aus dem Dienst der SA spielt er dann wieder, wie am Anfang, schöner, trinkt jedoch auch wieder. An dieser Entwicklung lassen sich die zwei Gesichter Meyns gut festmachen: auf der einen Seite steht der alkoholabhängige, begnadete Künstler und auf der anderen Seite der nüchterne unschöpferische SA-Musiker. Dieses Phänomen wiederum zeigt, daß sich die Menschen damals anpassen mußten, wenn sie dazugehören wollten; man unterstand dem Gesellschaftszwang. Meyn ist aber ohnedies eine gespaltene Persönlichkeit, da er zu keiner Gruppierung wirklich gehört, das zeigt sich gut bei der Beerdigung seines Freundes Herbert, wo er Zivil- und SA-Kleidung miteinander kombiniert. Er fühlt sich nicht wirklich zu den Nazis zugehörig, sucht aber eine Gruppe, der er angehören kann. Katzenmord und Kristallnacht sind Zeichen seiner Verzweiflung.
Bebra ist ein Musikalclown mit einer eigenen Liliputanergruppe. Er unterbrach das Wachstum an seinem zehnten Geburtstag und ist so neun Zentimeter größer geworden als Oskar. Er hat kluge, hellbraune, uralte Augen und ist 53 Jahre alt. Bebra ist mehr der legere Typ, denn er trägt Hosenträger und Pantoffeln. Er wird als vortrefflicher Freund und ausgezeichneter Arbeitgeber charakterisiert, jedoch ist er nicht zu einer festen Bindung fähig, wie z.B. einer Ehe, und muß aufgrund dessen allein bleiben, um seine Freiheit zu haben. Angeblich ist er von adliger Abstammung: „ in direkter Linie vom Prinzen Eugen ab, dessen Vater der vierzehnte Ludwig war...“ (S. 143)
Oskar und er begegnen sich in der Menagerie und erkennen nach der Vorstellung hinter der Bühne ihre Verbundenheit sofort. Sie verbindet von Anfang an ein mysteriöses inniges Verhältnis. Bebra meint, daß sie sich nie aus den Augen verlieren werden können, da sie zu klein wären, um keinen Platz auf den überfülltesten Tribünen zu bekommen. Zum Abschied gibt er Oskar einen Kuß auf die Stirn. Bebra ist nicht nur in der Manege Schauspieler, sondern auch im öffentlichen Leben; nur seine innere Überzeugung hat er nie aufgegeben: „ Unsereins darf nie zu den Zuschauern gehören. Unsereins muß auf die Bühne, in die Arena ...“ (S.144). Durch diese Haltung möchte er den Handlungsablauf nach seinen Maßstäben beeinflussen, wenn nicht sogar leiten, denn ansonsten wird man vom Regime bestimmt. Bebra hat eine Art seherische Fähigkeit oder einen besonderen sechsten Sinn, denn er weiß sofort in welchem Alter Oskar aufgehört hat zu wachsen und vor allem ahnt er wie sich die Nazis entwickeln werden: „Sie werden Tribünen bauen, ...“ (S.144). Bebra durchschaut die Vorgehensweise und die Absicht der Nationalsozialisten und weiß deshalb auch, daß man dabei sein muß, wenn auch nur zum Schein, um nicht „unterzugehen“; man darf nie Zuschauer sein. Er hat die Manipulationsmöglichkeit der Faschisten entdeckt und nutzt sie aus. Bebra warnt auch Oskar vor dem Kommenden Unheil. Bei ihrem Wiedersehen hat sich die äußere Erscheinung Bebras verändert, da er nun eine Uniform mit den Rangabzeichen eines Hauptmannes trägt. Er ist ein Mitglied der Propagandakompanie und besitzt einen eigenen Dienstwagen. Die Aufgabe von ihm und seiner Liliputanergruppe ist es, die Soldaten an der Front zu unterhalten und sie stehen somit in den Diensten der Nationalsozialisten. Dabei handelt es sich um eine rasante Entwicklung Bebras, da er Oskar bei ihrem ersten Treffen vor den Nazis warnte und nun selbst ein in der Hierarchie hochstehendes Mitglied ist. Da er auf seine adlige Abstammung Wert legt, ist es kaum möglich, daß er mit voller Überzeugung hinter dem Programm steht, sondern höchstens äußerlich. Er spielt den Nationalsozialisten eine, zu seinem eigenen Schutz angenommene, Rolle vor, indem er sich in sein Inneres zurückzieht und seine wirkliche Meinung nicht durchschimmern läßt. Solange kein Anlaß zur Sorge besteht, genießt er die Tournee mit dem Fronttheater und kann seine Eifersucht auf Oskar nur schwer unterdrücken. Bebra vollzog einen Wechsel von seiner früheren Aktivität zu seiner jetzigen Passivität. Im Laufe der Zeit jedoch erhält der Musikclown besorgniserregende Informationen von Offizieren, die ihn veranlassen seine innere Emigration aufzugeben. Seine nur vorgetäuschte Ruhe und Entspannung bricht mit dem Fall des letzten Vorhanges zusammen, da sich in diesem Augenblick sein uraltes Narsesgesicht versteinert. Er gibt die Passivität auf, um etwas Direktes zu planen. Diese Vorhaben isolieren ihn und lenken ihn ab, so daß auch die enger werdende Beziehung zwischen Oskar und Raguna in nicht mehr stört. Jedoch weissagt er ihnen den Untergang, indem er wiederum als Seher fungiert: “Übermorgen knirscht euch der Beton zwischen den Lippen, nimmt euch die Lust am Kuß.“ Um sich selbst von der kommenden Katastrophe zu überzeugen, stimmt Bebra einer Besichtigung des Atlantikwalles zu und wird damit aktiv. Bei diesem Besuch erweist man Bebra einen zwar überheblichen, jedoch strammen Respekt, was seine Bedeutsamkeit innerhalb des Regimes widerspiegelt. Diese These wird durch die Tatsache unterstrichen, daß auch ihm Meldung gemacht wird und nicht nur dem Oberleutnant. Bebra muß nun seine Rolle als regimetreuer Hauptmann spielen und um zu zeigen, daß es sich dabei nicht um seine wahre Gesinnung handelt, kommt es zu einem Gattungswechsel von der Epik zur Dramatik. Dies verdeutlicht das Theaterspielen von Bebra und seine eigene Distanz zu seinem Part. Auf der anderen Seite erreicht dieses Mittel der Verfremdung diesen Effekt auch beim Leser. Auffällig ist ebenfalls das Verstecken der Mitglieder des Fronttheaters hinter Bebra und welches sie erst mit dem Verschwinden der Nazis aufgeben. Ihr Leiter stellt eine Schutzfunktion dar. Außerdem lassen sie keine eigene Meinung verlauten, sondern stellen das Echo der Nazis dar. ( Lankes: So fleißig sind wir. Bebras Leute: So fleißig!) Ebenso wie er verstecken sie ihre eigene Meinung. Als Bebra Lankes auf seine Kunst anspricht, wird deutlich, daß ihm ein ähnliches Schicksal wie ihm widerfuhr. Bei Lankes handelte es sich vor der Nazizeit um einen Vertreter der modernen Kunst, der sich, um zu überleben, anpaßte. Er besaß keine Möglichkeit zu wählen und seine Entscheidung änderte nichts an seiner eigentlichen Einstellung. Seit jeher müssen Künstler zu solchen Mitteln greifen, sei es um voran zu kommen oder um einfach zu überleben, wie der Vergleich mit Michelangelo zeigt. Bei Bebra stellt diese Wahl einen aktiven Prozeß dar, während Lankes einfach den bequemeren Weg wählte. Bebra wird immer abwesender, aufgewühlter und unruhiger, was sich daran zeigt, daß er sich auf die Natur konzentriert und sie beschreibt, jedoch auf die beruhigenden Antworten Ragunas nicht reagiert. à innere Unruhe spiegelt sich in Natur? Dieser Zustand wird noch durch den Mord der Nonnen durch die Nazis verstärkt, welcher die Truppe total verstört. Die Mitglieder suchen wiederum Schutz hinter ihrem Anführer, während dieser Distanz zu den Soldaten aufbaut und zum ersten Mal seine Antipathie durchschimmern läßt. Die Verstörtheit des Fronttheaters zeigt sich an ihrer nächsten Vorstellung: „Das Lachen kam derb und oft. Wir trugen dick auf.“ Auf diese Weise versuchen sie ihren Gefühlen, die sie sonst niemandem zeigen können, freien Lauf zu lassen und das Geschehene zu vergessen. Aufgrund der Invasion gelingt es Bebra einen Marschbefehl nach Berlin für seine Gruppe zu erreichen, jedoch stirbt Raguna. Bei dem Abschied von Oskar und ihm kommt zum Ausdruck, daß seine Meinung einen Wandel erfahren hat: „Wir Zwerge und Narren sollten nicht auf dem Beton tanzen, der für Riesen gestampft und hart wurde! Wären wir nur unter den Tribünen geblieben, wo uns niemand vermutete!“ Durch das Leben in der Öffentlichkeit wollte Bebra seinen Leuten Sicherheit garantieren, doch dieser Vorsatz mißlang, bei dem Versuch, Einfluß auf das Geschehen zu nehmen. Deshalb gibt er sich die Schuld an Ragunas Tod. Bei ihrem Abschied lächelt er spinnwebendünn und küßt Oskar auf die Stirn genau wie bei ihrem letzten Trennung und gibt ihm so seinen Segen.
Oskar wird schon als Säugling durch sogenannte Meister in seiner Denk- und Handlungsweise beeinflußt. Der erste Meister trat in Form eines Falters im Geburtszimmer auf und brachte ihn dazu, alles Menschliche bzw. Erwachsene abzuweisen. Der zweite Magister war Bebra, welcher sein Kunstverständnis mittels seiner eigenen hohen musischen Begabung prägte. Bebra ist von Oskars Genialität überzeugt und stärkt ihn in diesem Glauben. Oskars Begabungen liegen in den Bereichen des Trommelns - was er schon seit seinem dritten Lebensjahr praktiziert - und der Fähigkeit, durch seine außergewöhnliche Stimme gläserne Materialien zu Bruch gehen zu lassen. Die Trommel stellt für ihn auf der einen Seite ein Musikinstrument dar( z.B.: Gemeinsames Musizieren mit Meyn). Auf der anderen Seite ermöglicht ihm die Trommel Gefühle, Gedanken und Meinungen zu artikulieren, was i. A. Kennzeichen der Kunst ist. Mittels Gesang ist es ihm möglich, feine Glasarbeiten herzustellen. Er nutzt ihn aber durchaus auch zur Verführung anderer Menschen, zum Ausdruck seiner Gefühlswelt (z.B. : Protest) und im Zirkus zur Unterhaltung. Im Laufe der Zeit entwickelt Oskar diese Künste weiter und verfeinert sein Repertoire. Er wechselt vom Zersingen von Bierflaschen hin zu wertvollen Vasen, wobei er eine zeitliche Abfolge beachtet. Das Publikum bemerkt diesen Unterschied nicht, da es lediglich Scherben als gewöhnliche Scherben betrachtet. Oskar fühlt sich von der Masse unverstanden und stellt sie als Kunstbanausen dar. Im Gegensatz dazu erkennen die gelehrten Kunstliebhaber seine Darbietungen als künstlerisch wertvoll an. Oskar stellt einen Gegensatz zum Spiessbürgertum dar, welches er verabscheut. Ihm verlangt es nach Individualität und Exklusivität und möchte sein Leben nicht von Langeweile und Eintönigkeit bestimmen lassen. Die Musik der Naziveranstaltungen ist für ihn keine Kunst. Jedoch läßt sich die breite Masse von ihr manipulieren. Wie auch die Musiker sich von Oskar manipulieren lassen, denn als er einen Walzertakt zwischen den Marsch spielt, bringt er alles durcheinander; die Musiker spielen nach und nach auch einen Walzer und die eigentlichen Zuhörer werden zu Akteuren, indem sie den Platz zum Tanzparkett umwandeln. Oskar stellt sich hier gegen die Ordnung und das Gesetz der Nazis („Gesetz ging flöten und Ordnungssinn ...“ S. 152), zeigt seine Abneigung demgegenüber. Er ist schlauer als die Nazis, sie sind ihm nicht gewachsen, denn er kann sie beeinflussen und hinters Licht führen, genau wie Bebra. Seiner Ansicht nach fehlt ihnen auch jegliches Kunstverständnis und tut ihre Ansicht als die einer anderen Generation ab. Indem Oskar die Musiker dazu bringt, seine Musik zu spielen zeigt er ihnen dadurch was wahre Musik ist, was auch Gefallen findet, da das Publikum begeistert mittanzt. Diese Tatsache zeigt, daß er nur seine eigene Meinung gelten läßt und in gewisser Hinsicht intolerant und egoistisch ist. In der Nachkriegszeit gewinnt die materielle Seite der Kunst für Oskar an Bedeutung, da er mittels dem Aktstehen Geld verdienen kann. „Ich sah mich fortan gezwungen, aus meinem Buckel, wenn auch kein Kapital, so doch meinen Lebensunterhalt zu schlagen.“ (S. 604) Diese Entwicklung ist untrennbar mit Marias Ablehnung, ihn zu heiraten, verknüpft, da ansonsten „Oskars biedermeierliche Züge“ zum Ausdruck gekommen wären. Somit wäre er Teil jener Zeit geworden, die er schon in seinem Gedicht „Am Atlantikwall“ angekündigt hat: der Biedermeier, der Effekt einer materiell fixierten und konsum-orientierten Wohlstandsgesellschaft ist. Aufgrund Marias Weigerung schlägt er den gegenteiligen Weg eines Künstlers, wenn auch nicht aus eigener Initiative, ein. Kunststudenten halten ihn für ein geeignetes Modell und der geschmeichelte Oskar, der seinen Körper seit jeher als etwas Außergewöhnliches ansieht, stimmt zu. Im Laufe seiner Zeit an der Akademie verstärkt sich sein Glaube an seine Einmaligkeit aufgrund der Tatsache, daß weder Zeichner, Plastiker noch Maler auf Anhieb und auch nach längeren Studien nicht detailgetreu darstellen können. Weder Lehrer noch Schüler gelingt, „ein gültiges Bildnis Oskars der Nachwelt zu bescheren.“ Sein Buckel sprengte alle Rahmen, seine Proportionen nicht festzuhalten und seine Augen brachte die Künstler dazu alles in blau zu malen. Während seiner Phase als Modell bleibt ihm genug Zeit die Mitglieder der Kunstakademie, genau unter die Lupe zu nehmen. Die meisten der Schüler sind seiner Meinung nach technisch vollständig untalentiert und zeigen ihr Künstlertum einzig und allein durch ihre extravagante Kleidung und ihr eingebildetes Auftreten. Ihre Werke tut er als „nette Bildchen“ ab und enthüllt ihre eingebildete Genialität als Laientum. Sie „taten genial und klatschten, von genialer Eile besessen, den Ton zwischen die hastig und unsachgemäß befestigten Bleirohre ...“(S. 612). Auf subtile Art und Weise kritisiert Oskar die Tatsache, daß keine wirklich begabten Schüler vorhanden sind und die anwesenden Studenten aufgrund ihres Unvermögens eigentlich kein Recht auf den Unterricht haben. Bei ihnen handelt es sich eigentlich nicht um Künstler, obwohl sie sich als solche fühlen und es gelingt Oskar zu zeigen, daß die Unterscheidung zwischen Kunst und Laientum schwierig und nur von Spezialisten durchführbar ist, zu denen er sich selbst zählt. Jedoch ist ihm dies im Endeffekt egal, solange die Bezahlung stimmt und Respekt vorhanden ist. Des Weiteren stellt er den „Kohlewüterich“, Professor Kuchen, dem Liebhaber klassischer Form“, Professor Maruhn gegenüber, mit denen er aufgrund ihrer Professionalität und ihrem Talent lieber zusammenarbeitet. Kuchen erliegt der Faszination von Oskars Buckel und sieht ihn als „das zerstörte Bild des Menschen anklagend, herausfordernd, zeitlos und dennoch den Wahnsinn unseres Jahrhunderts ausdrückend.“ (S. 607) Dieser Argumentationsweise kann Oskar nicht folgen und gibt den Versuch lächelnd auf. Aus dieser Tatsache wird deutlich, wie leicht in Kunstgegenstände eine tiefere Bedeutung interpretiert wird, die eigentlich nicht vorhanden ist. Es ist besser sich auf das unmittelbar Greifbare zu achten als sich in wilde Spekulationen zu versteigen. Professor Maruhn hingegen erkennt ihn erst auf den zweiten Blick als geeignetes Aktmodell, da er „eigentlich nur das Ebenmaß liebte.“ (S.610) Deshalb ist es für Oskar noch eine viel größere Ehre, daß der Professor Wochen benötigt, um ihn in ein Gerüst zu bannen, um dann an der Perfektion desselben zu scheitern. Die Kunst kann nie mehr als ein Abbild der Wirklichkeit sein und man ist zum Scheitern verurteilt, will man mehr versuchen. Auf dem Künstlerfest zeigt sich für Oskar wiederum die Unvereinbarkeit von Bürger und Künstler, da „das eigentliche Künstlerfest (...) von Bürgern bestritten (wurde), die einmal im Jahr mit Geld um sich werfen, wie Künstler leben und feiern wollten.“ (S. 615) dieses Verhalten veranschaulicht die Voreingenommenheit der Bürger, die ein verzerrtes Bild von dem Leben eines Künstlers haben. Dort findet Oskar auch die Muse Ulla, die er auf einen Blick erkennt und mit der er fortan gemeinsam Akt steht. Ulla stellt das krasse Gegenteil zu Oskar dar, da sie groß, überschlank und zerbrechlich ist. Trotz ihrer äußerlichen Unterschiede besitzen sie auch Gemeinsamkeiten, weil beide sich als Modell wohl fühlen und zusammen das Format sprengen, was jedoch an der Unfähigkeit der Künstler liegt, da dies Ziege und Raskolnikoff, Kunstspezialisten, gelingt. Oskar besitzt eine romantische Vorstellung eines Künstlers, da er der Ansicht ist, daß dieser eine Muße zu seiner Inspiration benötigt. Dabei zeigt er die unterschiedlichen Arten von Inspiration auf, wie z.B. Gewalt, um dem Frust über das eigene Unvermögen Luft zu machen oder auch sexuelle Intuition. Dies ist jedoch nicht die richtige Art und Weise nach seiner Meinung, da die Muße eher eine Lenkung in die richtige Richtung vornehmen sollte. Deshalb ist es auch Ulla, die Oskar wieder dazu bewegt, die Trommel in die Hand zu nehmen und damit zu posieren, um das Vakuum in seinen Händen zu füllen, das einzig und allein der wahre Künstler Raskolnikoff entdeckte. Durch diese Tat wird Ulla zu Oskars ganz persönlichen Muse.
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- Tonja Unger (Autor:in), 1999, Die Blechtrommel von Günter Grass: Thema "Kunst in der Blechtrommel", München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/95703
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