Körpersprache vom Scheitel bis zum Kinn


Referat / Aufsatz (Schule), 1998

22 Seiten


Leseprobe


Körperbeobachtung

Bewußt oder auch unbewußt sind wir Menschen alle leidenschaftliche Körperbeobachter. Im Laufe der Zeit haben wir einen ausgezeichneten Spürsinn für Veränderungen in Ausdruck, Gestik, Haltung und Körperbetonung unserer Mitmenschen entwickelt. Trotz unseres guten Verstehens für die Körpersprache machen wir doch noch einige Fehler, die zu völlig falschen Vorstellungen über unseren Körper führen können. Wir nehmen unseren Körper einfach als selbstverständlich hin ohne zu fragen, wie er zu seiner jetzigen Form gelangt ist. Der menschliche Körper ist der ungewöhnlichste und verblüffendste Organismus im gesamten Tierreich. Wir haben es sogar geschafft, uns den ganzen Planeten untertan zu machen, nachdem wir begannen, nur auf unseren Hinterbeinen zu gehen. Darüber, warum wir uns aufgerichtet haben, gibt es drei Hypothesen. Die erste vertritt die Ansicht, daß wir diese Haltung eingenommen haben, um die Ferne besser nach Beute absuchen zu können. Die zweite führt das Gehen auf den Hinterbeinen auf die Notwendigkeit zurück, größere Nahrungsmittel zu tragen. Die letzte meint, daß dieser Schritt notwendig war, um beuteschlagende Waffen besser halten und werfen zu können. Es bildete sich durch diese neue Gangart eine ganz neue und einzigartige Körperform heraus. Die frühere Unterseite wurde nun voll zur Schau getragen, und die Vorderfüße wurden zu äußerst geschickten Greifhänden umfunktioniert.

Ab diesem Zeitpunkt ist unser Körper bis heute ziemlich gleich geblieben. Sogar unser Verhalten hat sich trotz diverser Vorschreibungen von Politikern, Priestern und Gelehrten, wie wir uns zu verhalten hätten, nur wenig verändert. In Wahrheit haben die Menschen immer die gleichen emotionalen Triebe besessen und diese auf die gleiche Weise zum Ausdruck gebracht.

Wenn wir einander im täglichen Leben begegnen, setzen wir unseren Körper ein, der unsere innersten Bedürfnisse und Wünsche, sowie die wahren Gefühle und die wahre Natur des jeweiligen Menschen, unbewußt widerspiegelt.

Weil jetzt aber jeder von uns einen menschlichen Körper besitzt, glauben wir alles über ihn zu wissen, was wir wissen müßten. Da beim Körper aber alles zusammenwirkt, ist die Körpersprache sehr komplex, und es ist schwierig, sie auf Anhieb zu verstehen.

Das Haar

Auf die Frage, warum wir so eine ungewöhnliche Kopfbehaarung haben, gibt es eine einfache Antwort: Sie hob uns nämlich deutlich von den anderen Primatenarten ab und war ein von weitem sichtbares ,,Artsignal". Unsere buschigen Köpfe auf unseren glatten nackten Leibern identifizierten uns sofort als Menschen. Eine auffallende Haarpracht ist folglich weder typisch männlich noch typisch weiblich, sondern menschlich. Sogar die Unterschiede in der Haarlänge sind ausschließlich kulturell bedingt.

Eine Eigenart unseres Kopfhaares besteht darin, daß es nicht ,,mausert",um eine den äußeren Bedingungen angepaßte Isolierschicht zu schaffen. Trotzdem verlieren wir täglich 50 bis 100 von unseren 100.000 Haaren. Diese werden aber wieder von winzig kleinen Knospen, Papillen genannt, hergestellt. Dieses neue Haar wächst wieder sechs Jahre lang und fällt dann nach einer dreimonatigen Ruhepause aus. Dieser Vorgang wiederholt sich dann fortdauernd. Wenn die Papillen jetzt aber aufhören, die ausgefallenen Haare zu ersetzen, bekommt man eine Glatze.

Hierbei gibt es vier Hauptarten der fortschreitenden Kahlheit. Bei den Geheimratsecken zieht sich der Haaransatz immer weiter zurück und läßt nur einen schmalen Haarstreifen auf der Mittellinie des Kopfes zurück. Bei der Tonsur bildet sich auf der Schädeldecke eine kahle Stelle, von der sich die Glatze allmählich auszubreiten beginnt. Bei der Stirnglatze zieht sich der gesamte vordere Haaransatz immer weiter zurück. Die vierte Art ist die Scheitelglatze, die das genaue Gegenteil der Geheimratsecken ist. Ein wesentlicher Faktor bei Kahlköpfigkeit ist eine Überproduktion an männlichen Geschlechtshormonen, die einen stärkeren Sexualtrieb zur Folge haben.

Eine weitere Eigenart der menschlichen Behaarung ist das Fehlen von ,,Fühlern" oder Sinneshaaren, wie zum Beispiel bei Katzen. Ebenfalls besitzen wir nicht die Fähigkeit, unsere Haare zu sträuben. Die arrector pili - Muskeln, die die Haare bewegen können, bringen allenfalls zuwege, daß wir eine Gänsehaut bekommen, wenn uns kalt oder bange ist. Unser Haar unterscheidet sich von dem der Tiere noch dadurch, daß es Talgdrüsen besitzt, die im Haarbalg sitzen und ein öliges Sekret, das Sebum heißt, erzeugen. Dieses Öl macht unser Haar gleitfähig und erhält es in gutem Zustand. Im wesentlichen kann man unser Haar in drei Haartypen unterteilen: das krause Haar der Negriden, das wellige der Europiden und das glatte der mongoliden Rassen.

Bis jetzt haben wir uns nur mit dem Haar in seinem Urzustand beschäftigt, aber der Drang, uns herauszuputzen, hatte einige Modifikationen zur Folge. Der größte Angriff galt der natürlichen Länge des Haares. Es ergab sich, daß in die menschlichen Gebräuche und Sagen zwei konträre Typen von Haarsymbolismen eingingen. Auf der einen Seite glaubt man, daß der große Haarschopf des Mannes Ausdruck seiner Vitalität und Stärke ist und ihm Macht und Mannhaftigkeit verleiht. Daraus folgte, daß das Scheren des Kopfes als Erniedrigung galt, und sich selbst den Kopf zu scheren, wurde ein Zeichen von Demut (Priester). Auf der anderen Seite versicherte der Apostel Paulus, daß es natürlich sei, daß der Mann kurzes und die Frau langes Haar habe. Diese Anschauung kann man vielleicht auf den Einfluß römischer Militärgepflogenheiten zurückführen. Bei den Römern war geschorenes Haar Zeichen für mehr Einheitlichkeit und Disziplin. Eine große Rolle spielte auch die Hygiene. Trotz gelegentlicher Langhaarrebellionen, wie zum Beispiel jener der Anhänger des englischen Königs Karl I oder die der Hippies, blieb die zottige Langhaarmähne bei Männern eine Seltenheit. Ein Problem der langhaarigen Frauen war, daß ihr herabwallendes Haar in verklemmten Gesellschaften oft als zu herausfordernd empfunden wurde. Da man in der Öffentlichkeit selten den Anblick langen offenen Frauenhaares bewundern konnte, erhielt der Akt des Haarherablassens einen starken erotischen Beigeschmack, da dieser Akt bei einer intimen Beziehung große Bedeutung hatte. Eine Frau, die in der Öffentlichkeit ihre Haarpracht offen zur Schau stellte, wurde deswegen früher gleich als ,,loses Mädchen" bezeichnet. Daher versuchten die Frauen dieser verklemmten Gesellschaft, das Haar unter Hauben zu verstecken oder wenigstens zu Knoten zusammenzubinden. Auch die Männer versuchten bis heute, ihre Glatze auf die unterschiedlichsten Arten zu verbergen, um dieses Zeichen ihres Alters geheimzuhalten. Man gab sich große Mühe, um diese Situation zu korrigieren: man rieb die Kopfhaut mit Verjüngungselexieren ein, unterzog sich brutalen chirurgischen Prozeduren, wobei behaartes Gewebe auf die kahlen Stellen verpflanzt wurde, man trug exotische Hüte, Perücken oder Toupets, oder man bediente sich der ,,Sidewinder"- Technik, bei der die verbleibenden Haare einfach über die kahlen Stellen gekämmt werden.

Auf der ganzen Erde gibt es keine Gesellschaft oder Kultur, die ihr Haar nicht irgendwie schmückt oder modisch gestaltet. Das Haar wird gefärbt, geflochten, gewellt, gefettet oder einfach nur frisiert. Diese ständige Erneuerung des Kopfhaares hat es zu einem Symbol für Lebenskraft gemacht und mit unzähligen Aberglaubensvarianten überhäuft. So wurde zum Beispiel das Verschenken einer Haarlocke an den Geliebten ein Zeichen der völligen Hingabe. Zu bekannten Gesten gehört auch das oft von Frauen benutzte wiederholte Zurechtrücken der Haare mit der Hand. Dadurch vermittelt sie in einem Gespräch mit einem Mann starke Einladungssignale. Das Raufen der Haare hingegen drückt Trauer und Verzweiflung aus. Das Kratzen am Hinterkopf geschieht in Momenten frustrierter Aggression und läßt sich aus einer ursprünglichen Angriffsbewegung herleiten. Die Frisur kann manchmal sogar Aufschluß über die Persönlichkeit eines bestimmten Menschen geben. Eine strenge, pedantisch ordentliche Frisur weist auf einen beherrschten Menschen mit viel Selbstdisziplin hin. Gelöstes, flatterndes Haar legt einen verletzlichen, offenen Geist nahe. Untereinander berühren die Menschen ihr Kopfhaar nur selten, außer sie sind Liebespaare, Eltern oder Friseure. Die Kopfpartie ist sozusagen eine ,,Tabuzone".

Die Stirn

Die Stirnpartie besteht aus Stirn, Schläfen und Augenbrauen und ist ein Ergebnis der Gehirnvergrößerung unserer Vorfahren auf 1350 cm³. Unsere Vorfahren besaßen außerdem starke Knochenränder, die sich aber allmählich zurückbildeten und bis heute fast verschwunden sind. Diese Stirnwulste schirmten die Stirn ab und schützten die Augen gegen Schläge. Man vermutet, daß unsere Ahnen während der Eiszeit als Schutz gegen die Kälte flachere Gesichter entwickelten. Dies bewirkte eine Verkleinerung der für Entzündungen anfälligen Nebenhöhlen und ein Abflachen der Stirn.

Bei den Augenbrauen scheint die Evolution besonderen Wert auf Auffälligkeit und Kontrast gelegt zu haben. Diese Supercilia, wie der Fachausdruck für sie lautet, dienten zum Signalisieren der wechselnden Stimmungen der Besitzer. Früher dachte man, daß ihre Aufgabe darin bestehe, die Augen vor Schweiß oder Regen zu schützen. Ihre Hauptaufgabe liegt aber zweifellos im Mienenspiel. Mit jedem Stimmungswechsel verändert sich auch die Position der Augenbrauen.

1. Das Senken der Brauen:

Diese Bewegung, bei der die Augenbrauen leicht nach innen und näher zusammenrücken, wird meist als ,,Finster- Dreinschauen" aufgefaßt. Beim Senken entsteht ein ,,Stirnrunzelmuster", dessen Furchen mit dem Alter markanter werden. Diese Hautfalten graben sich im Laufe der Jahre fest in die Hautoberfläche ein. Das Senken der Augenbrauen tritt in zwei typischen Situationen auf, die man grob als aggressiv und defensiv bezeichnen kann. Im aggressiven Fall bedeutet diese Bewegung eine bloße Mißbilligung, Entschlossenheit, Verdruß oder heftigen Zorn. Im Augenblick der Gefahr werden zusätzlich zum Senken der Brauen noch die Wangen angehoben, um den Schutz zu vergrößern. Dies geschieht bei einem körperlichen Angriff oder bei einem schmerzhaften Lichtreiz, aber auch oft beim Lachen, Weinen oder bei starkem Ekel, da diese Zustände vielleicht auch als eine Art ,,zu starken Ausgesetztseins" angesehen werden können.

2. Das Anheben der Augenbrauen:

Beim Heben rutschen die Brauen leicht nach außen und auseinander. Es entstehen lange Querfalten. Im allgemeinen Sprachgebrauch ist das die ,,gefurchte Stirn", wohinter man gewöhnlich einen besorgten Menschen vermutet. Das Heben kann aber viel mehr ausdrücken, wie zum Beispiel Erstaunen, Glück, Skepsis, Unkenntnis, Erwartung, Nichtbegreifen und Furcht. Diese Gewohnheit teilen wir mit den anderen Primatenarten, bei denen das Anheben der Brauen ebenfalls dazu diente, die Sehtüchtigkeit zu verbessern. Diese Reaktion tritt bei Tieren dann auf, wenn sie flüchten wollen, aber etwas anderes sie davon abhält. Dieses ,,Andere" kann entweder der Drang anzugreifen oder auch Neugier sein. Beim Menschen ist die Situation ähnlich. Auch er möchte gerne entfliehen, kann aber nicht. Wenn wir etwas Furchterregendes vor uns sehen, können wir unsere Augenbrauen entweder senken, um unsere Augen zu schützen, oder heben, um das Blickfeld zu vergrößern. Das Gehirn muß nun abwägen, was wichtiger ist. Wenn ein Mensch aggressionslustig ist und eine Vergeltung provozieren könnte, oder wenn er geschlagen ist und einen drohenden Angriff fürchtet, senkt er meistens die Brauen. Ist der Mensch aber erschreckt oder befindet er sich in einem Konflikt, der nicht in einen Angriff umzuschlagen droht, hebt er die Augenbrauen.

3. Das Hochziehen einer Augenbraue:

Diese Bewegung ist eine Mischung aus den beiden vorangegangenen. Manche Menschen bringen diesen Ausdruck gar nicht fertig. Bei diesem einseitigen Hochziehen wirkt der eine Teil des Gesichtes aggressiv und der andere ängstlich. Diese Reaktion wird häufig bei erwachsenen Männern beobachtet. Die Stimmung des Betreffenden ist meist von Skepsis geprägt.

4. Das Runzeln der Augenbrauen:

Die Augenbrauen werden dabei gleichzeitig gehoben und zusammengezogen. Es entstehen kurze, senkrechte und waagerechte Falten auf der Stirn. Das Runzeln verursacht also ein zweifaches Hautfaltenmuster. Dieser Ausdruck ist meist mit Kummer, Angst oder einem dumpfen, anhaltenden Schmerz verbunden und wird deswegen auch häufig in der Reklame für Kopfschmerztabletten verwendet. Manchmal werden bei dieser Bewegung die Enden der Brauen stärker in die Höhe gezogen, was zu schrägen ,,Kummeraugenbrauen" führt. Am ausgeprägtesten ist diese Form bei unentwegt Trauernden.

5. Das Emporschnellen der Augenbrauen:

Diese in einem Bruchteil einer Sekunde ausgeführte Bewegung wird weltweit als Begrüßungssignal aus einer gewissen Entfernung verwendet und ist auch häufig mit einem Hochwerfen des Kopfes und einem Lächeln verbunden. Das flüchtige Anheben der Brauen mit dem begleitenden Lächeln soll den Ausdruck der angenehmen Überraschung signalisieren. Während einer normalen Unterhaltung wird das Emporschnellen nur benützt, um ,,erstaunliche Stellen" hervorzuheben.

6. Das Zucken der Augenbrauen:

Die Augenbrauen werden hochgezogen und kurz in dieser Position gehalten. Gewöhnlich wird diese Geste mit einem raschen und kurzen Herabziehen der Mundwinkel begleitet. Dieser ,,traurige" Mund signalisiert dann eine leicht unangenehme Überraschung. Wenn zum Beispiel zwei Leute beieinandersitzen und ein Dritter in ihrer Nähe etwas tut, das unangenehm berührt, kann der eine dem anderen durch das Zucken seiner Augenbrauen seine erstaunte Mißbilligung zu verstehen geben.

Die äußere Beschaffenheit:

Hierbei fällt ein deutlicher Unterschied zwischen den Geschlechtern auf. Während die Männer eher dickere und buschigere Augenbrauen haben, sind die weiblichen Augenbrauen schmal und zart. Die weiblichen Augenbrauen wurden künstlich sogar durch das Augenbrauenzupfen noch dünner und feiner gemacht, um noch weiblicher auszusehen. Dieses Zupfen erlebte in den Zwischenkriegsjahren einen Höhepunkt. Man entfernte sich die Augenbrauen völlig und zeichnete sich mit einem Stift neue, die fast immer oberhalb ihrer ursprünglichen Stellung angesetzt wurden, um seinem Gesicht einen weniger ,,finsteren" Ausdruck zu verleihen. Im England des frühen 18. Jahrhunderts wurden die natürlichen Augenbrauen sogar durch Mäusefell ersetzt.

Doch viel stärker als durch das Augenbrauenzupfen wurde die Stirnpartie durch die Umformung der Neugeborenenstirn verändert. In mehreren Kulturen, wie in Ägypten, im Schweden des 13. Jahrhunderts oder bei den Nazideutschen, wurde die Formung von Flachköpfen praktiziert. Manchmal fand man eine flache Stirn einfach schöner, manchmal verband man mit einer solchen Stirn verbesserte geistige Fähigkeiten oder einen höheren Rang. Im nationalsozialistischen Deutschland veranlaßten die verschrobenen Theorien über die reine arische Rasse manche Eltern zur Umformung der Köpfe ihrer neugeborenen Kinder, indem sie den weichen und verformbaren Kopf einfach mit Tüchern umwickelten.

Die Augen

Die Augen sind das vorherrschende Sinnesorgan unseres Körpers. Da wir rund 80% unserer Informationen über die Außenwelt mit ihnen aufnehmen, sind wir Menschen im wesentlichen visuelle Lebewesen. Das Auge hat außerdem ein seltsames ,,Sondersteuerungssystem": Wenn das Auge etwas sieht, das ihm sehr gefällt, weitet sich die Pupille stärker aus als normal. Sieht es etwas Abstoßendes, schrumpft es zusammen. Wenn zuviel Licht durch die Pupille auf die Netzhaut trifft, wird unsere Sehschärfe beeinträchtigt, und wir sehen statt eines scharf ausgeleuchteten Bildes ein diesiges Leuchten. Aus diesem Grund sehen zum Beispiel Verliebte voneinander ein ,,Bild ohne Fehler und Schwächen". Die muskulöse, farbige Iris ist für die Veränderungen der Größe der Pupille verantwortlich. Da sie aus unwillkürlichen Muskeln besteht, können wir die Pupillengröße nicht bewußt regeln, und somit sagt die Pupille so zuverlässig aus, mit welchen Gefühlen wir auf visuelle Eindrücke reagieren. Die Lederhaut, oder auch als ,,das Weiße des Auges" bezeichnet, ist einzig beim Menschen für den Betrachter sichtbar. Dies führt dazu, daß wir Blickrichtungswechsel bei anderen sehr leicht wahrnehmen können. Eine weitere Besonderheit unserer Augen ist, daß wir in der Lage sind vor Rührung oder Schmerz zu weinen. Auch unsere Augenwimpern haben eine ungewöhnliche Eigenschaft: Sie werden im Alter nicht wie das übrige Haar weiß. Die geschlechtsspezifischen Unterschiede beim Auge sind minimal: Das männliche Auge ist unwesentlich größer, dafür zeigt das weibliche Auge mehr Weiß als das männliche. Die Tränendrüsen der Frauen sind in vielen Kulturen aktiver als bei Männern. Die Augengläser, die Ende des 13. Jahrhunderts in Italien erschienen sind, haben die Erscheinung unserer Augen verändert und wurden ein Teil unseres Gesichtsausdruckes. Ein kräftiger oberer Rand wurde zum Super- Stirnrunzeln, das den Träger gebieterischer und wilder aussehen ließ. Ein breiter runder Rand, der die gewölbten Augenbrauen darstellte, verlieh einen staunenden Blick. Obwohl also die Brille kein Teil unseres Gesichts war, beeinflußte sie dennoch unser Aussehen. Eine besondere Wirkung haben dunkle Gläser, da sie die Augen verbergen und wir nur raten können, was hinter der Maske des Sonnenbrillenträgers vor sich geht. Was verraten uns die menschlichenAugenbewegungen?

Während Untergeordnete dazu neigen, auf die Dominierenden zu schauen, neigen diese dazu, die Untergebenen zu übersehen. Wenn die ,,Boß"- Figur aber eine direkte Frage an den Untergeordneten richtet, starrt sie ihm dabei voll ins Gesicht. Der Fixierte schafft es nicht, diesen Blick auf längere Zeit zu erwidern und schaut, während er antwortet, irgendwo anders hin. Wenn sich hingegen zwei ranggleiche Freunde treffen, sind die Augenbewegungen anders. Jeder wendet ,,Untergeordneten"- Augenbewegungen an, obwohl keiner untergeordnet ist, da man Freundlichkeit am leichtesten mit Nichtfeindlichkeit und Nichtdominanz ausdrücken kann. Auch eine dominante Person kann freundliche Körpersprache eines Gleichgestellten annehmen, indem sie sich einen aufmerksamen Blick zulegt und an die Lippen des Untergebenen hängt. Meistens wird diese falsche Geste nur bei Wahlkampagnen angewendet.

Zu einem längeren Blick Aug in Aug kommt es nur bei großer Liebe oder großem Haß, da ein direkter Blick viel zu bedrohlich ist. Der starre Blick eines Menschen wirkt außerordentlich einschüchternd. Der Glaube an die Macht böser Augen ist weit verbreitet. Die bösen Augen wurden zum bösen Blick mit feindseliger, schädlicher und tödlicher Kraft. Um sich vor diesem bösen Blick zu schützen, trug man früher Amulette und Talismane, die entweder obszön oder mit starren und schützenden Augen bestückt waren. Da der böse Blick angeblich aus Neid geschah, sagte man statt lobender Worte zum Beispiel ,,Hals- und Beinbruch", damit sich der böse Blick überflüssig vorkam. Diese Bräuche entstanden aus dem Glauben, daß von den Augen Energieströme ausgingen, die schädlich oder tödlich sein konnten. Sobald man erkannte, daß das Licht auf das Auge fällt und nicht von ihm ausgeht, war die Basis für den bösen Blick zerstört.

Das einzige, was von den Augen ausgeht, sind die Augenausdrücke, die dem Betrachter wechselnde Stimmungen seiner Mitmenschen anzeigen.

Ein formelles Niederschlagen der Augen, das auf dem Verhalten von Untergebenen beruht, wird manchmal als Bescheidenheitssignal gebraucht.

Das Aufschlagen der Augen ist Zeichen angeblicher Unschuld. Der nach oben gerichtete Blick ruft den Himmel als Zeugen für unsere Unschuld an.

Das Augenfunkeln ist ein häufiges Mittel, um Kinder auf wortlose Weise zu bändigen.

Hierbei werden die Augenbrauen gerunzelt und die Augen weit aufgerissen. Da diese beiden Bewegungen eigentlich Widersprüche sind, wird dieser Ausdruck nie länger beibehalten. Die Information des Funkelns lautet Empörung und Zorn.

Der Seitenblick gilt häufig als Signal für Schüchternheit und will sagen: ,,Ich traue mich nicht, dir offen ins Gesicht zu sehen."

Das Aufreißen der Augen zeigt mäßige Überraschung und wird heute vorsätzlich als ,,gespieltes" Signal für eine scheinbare Überraschung verwendet.

Das Zusammenkneifen der Augen ist im Grunde eine Schutzreaktion. Wenn man aber weder geblendet noch körperlich bedroht ist, wird dieser ,,gequälte" Ausdruck zum Ausdruck des Widerwillens.

Auch das Blinzeln, das normalerweise zur Säuberung und Befeuchtung der Hornhautoberfläche dient, setzen wir bewußt ein: Das mehrfache Blinzeln tritt auf, wenn jemand den Tränen nahe ist. Der Super- Augenaufschlag, bei dem die Blinzelbewegung langsamer und mit weit aufgeschlagenen Augen ausgeführt wird, ist Signal für eine scheinbare Überraschung und dient einer erfundenen ,,theatralischen" Handlung. Das ,,Wimpernklimpern" , bei dem die Augen schnell auf- und zugeschlagen werden, ist eine erfundene, kokette Gebärde, wird in Bedeutung wie ,,Du wirst doch mir, arm und klein wie ich bin, nicht böse sein" eingesetzt. Das Zublinzeln ist ein absichtliches Blinzeln mit einem Auge, das ein geheimes Eiverständnis zwischen dem Blinzelnden und dem Angeblinzelten bedeutet.

Die Nase

Es gibt verschiedene Hypothesen darüber, welchen besonderen biologischen Vorteil uns dieses ,,hervorstechende Organ" unseres Gesichtes verschafft: Nach der ersten Theorie ist die Nase ein Resonator, dessen Größe als Schritt zur Unterstützung der immer wichtiger werdenden menschlichen Lautäußerung interpretiert werden kann. Als Beweis für diese These dient der Versuch, mit zugehaltener Nase zu reden. Die zweite Theorie betrachtet die Nase als Schild zum Schutz unserer Augen gegenfrontale Schläge. Die dritte These besagt, daß die Nase ein Schild gegendas Eindringen des Wassers beim Tauchen sei. Andererseits wäre es aber einleuchtender gewesen, wenn wir Nüsternklappen entwickelt hätten, die für einen im Wasser lebenden Affen viel nützlicher gewesen wären. Die vierte Theorie scheint am einleuchtendsten. Sie schreibt der Nase die Funktion einer Klimaanlage zu, die erhöhten Belastungen ausgesetzt war, als sich unsere Vorfahren in die kälteren und trockeneren Regionen der Erde ausbreiteten. Sie hat die Aufgabe, die eingeatmete Luft zu reinigen, aufzuwärmen und zu befeuchten. Damit die Nase ihre klimatisierende Aufgabe richtig erfüllen kann, muß sie so groß wie möglich sein. Wenn sie aber zu weit hervorstehen würde, würde sie unsere Sicht beeinträchtigen und wäre außerdem zu verletzlich. Menschen, die in kalten oder trockenen Gegenden leben, haben wesentlich größere, weiter vorspringende Nasen als die Bewohner der feuchtheißen Tropen. Die Nasenform ist folglich lediglich ein Hinweis auf die Art von Luft, die ihre Vorfahren geatmet haben.

Außerdem ist die Nase unser wichtigstes Geruchs- und ,,Geschmacks"-Organ. Weil wir Gerüche nicht so gut wahrnehmen können wie Hunde, sind wir der Ansicht, wir wären schlecht ausgestattet, aber das stimmt nicht. Der Grund, warum wir die Fähigkeiten unserer Nase herunterspielen, liegt darin, daß wir ihre Tätigkeit in zunehmendem Maß ignorieren oder behindern. Nur auf ganz speziellen Gebieten, wie zum Beispiel bei Weinkostern und der Parfumherstellung, bemüht man sich, die Nase auszubilden. Die Nase ist auch unser wichtigstes Geschmacksorgan. Da unser eigentliches Geschmacksorgan, die Zunge, nur zwischen bitter, salzig, süß und sauer unterscheiden kann, werden die anderen Geschmäcker in den Nasenhöhlen ,,erschnuppert".

Weil sie tropft und läuft, wenn wir erkältet sind, wurde die Nase zum ,,Witz"- Organ des Gesichtes. Um schön zu wirken, muß sie möglichst unauffällig sein, denn je kleiner die Nase ist, desto jünger sehen sie aus. Die operative Nasenverkürzung ist in den letzten Jahrzehnten immer beliebter geworden. Für Männer ist eine stark vorspringende Nase weniger problematisch, weil sie die Männlichkeit betont. Sehr große Nasen sind aber nicht nur maskulin, sondern auch phallisch. Im alten Rom sagte man, daß die Nase eines Mannes die Virilität anzeige. Auch die Amputation der Nase als Strafe für bestimmte sexuelle Vergehen wurde angewandt.

Die Nasengänge werden als ,,Pfad der Seele" betrachtet. Noch heute, wenn wir zu jemandem, der eben geniest hat, ,,Gesundheit" sagen, pflichten wir dieser Ansicht unbewußt bei. Man glaubte nämlich, daß beim kräftigen Niesen ein Teil der Seele ausgestoßen werden und durch die Nasenöffnung entkommen könnte.

Ein alter Aberglaube besagt, man könne anhand der Nasenform die wahre Persönlichkeit eines Menschen bestimmen. Dieser Glaube entwickelte sich zur Physiognomik, in der es im 19. Jahrhundert den Spezialzweig ,,Nasenkunde" gab. Bei dieser Pseudowissenschaft gibt es nur ein stimmiges Element, das besagt, daß eine ungewöhnlich schöne oder eine erstaunlich häßliche Nase das Verhalten der Mitmenschen beeinflussen kann. Dadurch wird die Persönlichkeitsentwicklung unweigerlich stark beeinflußt.

Sogar wechselnde Gefühle kann man an der Nase ablesen, da auch sie mit Muskeln für das Mienenspiel ausgestattet ist. Solche Signale sind zum Beispiel das angewiderte Naserümpfen, das mißtrauische Verziehen der Nase, das ängstliche Zucken und das Zusammenziehen der Nase bei Ekel. Auch die Berührung der Nase geschieht in verschiedenster Weise. So reiben wir sie mit unseren Händen, wenn wir etwas im Schilde führen, drücken den Nasenrücken, wenn wir erschöpft sind, und bohren in der Nase, wenn wir gelangweilt oder frustriert sind.

Diese Berührungen sind alle Signale der Selbstberuhigung. An ihnen kann man auch erkennen, wenn ungeübte Lügner die Unwahrheit sagen. Das Nasenbohren ist heute mit einem leichten kulturellen Tabu belegt. Dieses Bohren ist oft bei Autofahrern, die in einem Stau stecken oder vor einer Ampel warten, zu beobachten, vorausgesetzt, sie haben keinen Beifahrer.

Die zwischenmenschlichen Kontakte mit der Nase in Europa sind ausgesprochen brutal, da sie entweder gekniffen wird oder einen Schlag erhält. Nur unter Liebenden erfährt sie sanfte Berührungen. Auf den Pazifischen Inseln kommen solche Kontakte sowohl in sexuellen als auch in nichtsexuellen Situationen vor, da dort die Berührung von Nase zu Nase das gleiche ist wie bei uns ein Wangenkuß. Meistens wird diese Berührung fälschlicherweise als ,,Nasenreiben" bezeichnet. Diese öffentliche Handlung ist aber kaum mehr als ein leichtes Berühren mit der Nasenspitze. Sie beruht auf der Vorstellung des gegenseitigen Beriechens. Die Nasenberührungen sterben allmählich aus, da der kosmopolitische Lebensstil, vermehrtes Reisen und die Vermischung der Kulturen zu einer größeren Uniformität der Grußgebärden geführt hat, und werden vom Händeschütteln abgelöst.

Die Ohren

Das äußere Ohr hat im Laufe der Evolution seine spitzen Zipfel und seine Beweglichkeit weitgehend verloren. Seine wichtigste Funktion ist das Auffangen von Geräuschen. Wir können die Herkunft eines Geräusches in einem Radius von drei Grad bestimmen. Was unser Ohr an Beweglichkeit eingebüßt hat, haben wir durch die Beweglichkeit unseres Kopfes wettgemacht. Eine kleine Spur der früheren Beweglichkeit können wir noch erkennen, wenn wir die Muskeln des Ohrbereichs fest anspannen. Dann nämlich können wir eine Andeutung einer Schutzfunktion wahrnehmen, denn die Ohren versuchen, sich flach an den Kopf anzulegen. Die Form des äußeren Ohrs ist wichtig, um Töne unverzerrt übermitteln zu können. Außerdem können die Ohren, wenn jemand psychisch sehr erregt ist, feuerrot anlaufen. Die Ohren haben mit der Entwicklung der Ohrläppchen eine neue erotische Funktion erworben. Die Ohrläppchen sind ein einzig dem Menschen vorbehaltenes Merkmal. Bei heftiger Erregung können sie sich stark mit Blut füllen und anschwellen. Das innere Ohr hat die Aufgabe, Schallwellen in Form von Nervenimpulsen an das Gehirn weiterzuleiten und für unseren Gleichgewichtssinn zu sorgen. Diese Teile für den Balanceausgleich sind wichtiger als jene, die für das Hören zuständig sind. Ein Tauber kann leichter überleben als jemand, der seinen Gleichgewichtssinn verloren hat. Leider nimmt unser Gehörsinn bereits mit der Stunde unserer Geburt ab, sodaß es einem alten Menschen schon schwer fällt, einzelne Stimmen zu unterscheiden, wenn mehrere Leute gleichzeitig sprechen. Unsere Ohren haben eine ernstzunehmende Schwäche hinsichtlich des Schallvolumens. Da wir uns in einer vergleichsweise stillen Welt entwickelt haben, besitzen wir keinen Schutz gegen den Lärm der heutigen Zeit wie zum Beispiel Motorenlärm und Ultraschallwellen. Ein länger andauerndes Geräusch von nur 150 Dezibel kann schon zu permanenter Taubheit führen. Lange Zeit wurde behauptet, daß man jeden Menschen an seiner Ohrform erkennen kann, da es keine zwei Menschen mit den gleichen Ohren gibt. Zwei besondere Ohrenzonen verdienen besondere Aufmerksamkeit:

Die erste ist das fleischige Ohrläppchen, von denen es ,,freie" oder ,,angewachsene" gibt. 64 Prozent der Bevölkerung haben freie und 36 Prozent angewachsene Ohrläppchen. Die zweite Zone ist ein kleiner Knoten am Rande der Ohrmuschel, der Darwin- Höcker. Darwin war überzeugt, daß er ein Überbleibsel unserer urzeitlichen Vergangenheit ist, als wir noch lange spitze Ohren hatten. Die Physiognomiker mit ihren phantasievollen Deutungen tauchten in den 1980er Jahren wieder auf und behaupteten, daß große Ohren typisch für Erfolgsmenschen, kleine, wohlgeformte Ohren für Konformisten und spitze Ohren für Opportunisten seien. Kriminologen berichteten, daß sich die Ohrform niemals aufgrund der Gesichtsform voraussagen lasse. Experten der somatologischen Typenbestimmung behaupten aber, daß die Endomorphen (die Beleibteren) und die Ectomorphen(die Knochigen) unterschiedliche Ohrläppchen haben. Die endomorphen Ohren lägen flach am Kopf und hätten gleich gut entwickelte Läppchen und Ohrmuscheln. Dagegen hätten ectomorphe Ohren abstehende Ohrmuscheln, die besser entwickelt wären als deren Ohrläppchen. In symbolischer Hinsicht wurden den Ohren mehrere Rollen angedichtet. Sie wurden zum Beispiel ein Symbol für die weiblichen Genitalien. In einigen Kulturen wurden sogar als Ersatz für die weibliche Beschneidung die Ohren verstümmelt. Aber das Ohr war auch Symbol für Weisheit, weil es das Wort Gottes hört. So zog man unartige Kinder an den Ohren, um die dort schlafende Intelligenz zu wecken. Einige dieser Aberglauben führten zum Brauch des Ohrlochstechens für Ohrringe, die auch in der modernen Welt weit verbreitet und beliebt sind. Heute dienen sie meist einem dekorativen Zweck. Früher gab es für das Tragen von Ohrringen mehrere Begründungen:

1, Man glaubte, daß man dadurch den Körper vor Teufeln und bösen Geistern schützen könne.
2, Da die Ohren als Sitz des Weisheit galten, folgerte man, daß kluge Menschen besonders große Ohren und Ohrläppchen haben müssen. Deswegen versuchte man, die Ohren und somit die Intelligenz mit schweren Ohrringen zu vergrößern.
3, Seeleute glaubten ohne besonderen Grund, daß sie Ohrringe vor dem Ertrinken schützen würden.

Heute tragen wir Ohrringe fast nur mehr als Statussymbol und aus Schönheitsgründen. Sogar von Männern werden sie immer öfter getragen. Anfangs hielt man diese Männer für Homosexuelle, aber bald stellte sich heraus, daß dieser Brauch auch von jungen Heterosexuellen übernommen wurde. Schließlich verlor der Ohrring seine sexuelle Bedeutung und diente nur noch dazu, um Puritaner mittleren Alters zu schockieren. In den 70er Jahren wurden sogar Sicherheitsnadeln, Ketten, Rasierklingen und Glühlampen benutzt, um die Ohren zu ,,verzieren".

Das Repertoire an Gesten und Handlungen, an denen unser Ohr beteiligt ist, ist sehr begrenzt. Wir bedecken unsere Ohren, um Lärm abzuhalten, wir halten die gewölbte Hand hinter das Ohr, um besser zu hören, und wir reiben und ziehen an den Ohren, wenn wir unentschlossen sind. Die interessanteste Ohrgeste ist die Berührung der Ohrläppchen, die wir zwischen Daumen und Zeigefinger halten, oder an denen wir zupfen oder mit dem Zeigefinger daran klopfen. Die Bedeutungen des Klopfens ist von Land zu Land verschieden. Wenn man diese Bewegung vor einem Mann macht, bedeutet das, daß er weibisch ist. In Portugal hingegen wird mit dieser Geste angezeigt, daß etwas besonders gut oder köstlich ist.

Die Wangen

Die Wangen galten schon immer als Inbegriff von Schönheit, Unschuld und Bescheidenheit, was zum Teil auf die runden Bäckchen kleiner Kinder zurückzuführen ist. In unseren zärtlicheren Momenten beginnen wir mit der Hand die Wangen eines geliebten Menschen zu streicheln. Symbolisch ist die Wange der sanfteste Teil des menschlichen Körpers und auch jener Bereich, der am ehesten die wahren Gefühle des Menschen durchemotionsbedingte Verfärbungenpreisgibt. Das Erröten vor Scham oder peinlicher Verlegenheit beginnt in der Wangenmitte, breitet sich rasch aus und greift auf andere Hautbereiche über. Da das Erröten häufig in erotischen Situationen auftritt, wird es vielfach als Zeichen jungfräulicher Unschuld gedeutet. Durch die Verbundenheit mit dem Umwerben und Flirten sehr junger Erwachsener wurde es auch mit Sex- Appeal in Verbindung gebracht. Man könnte behaupten, daß das Erröten ein menschliches Farbsignal ist, das Jungfräulichkeit und Unerfahrenheit anzeigt. Die Wangen können aber auch Wut anzeigen, wobei das Erröten mehr ein Verlaufen der Farbe ist. Die rote Haut zeigt an, daß man frustriert ist. Bei einem wirklich aggressiven Menschen werden die Wangen bleich, da das Blut aus der Haut zurückweicht. Ähnlich ist es, wenn man sich fürchtet; auch dann nehmen die Wangen eine weiße Farbe an, wenn man bereit ist zu fliehen oder sich zu wehren.

Neben der Farbe ist auch noch die Form der Wangen wichtig. Grübchenwangen galten in Europa stets als reizend, da es heißt, daß Gott die Grübchen mit seinem Finger hineingedrückt hätte. Es gibt eine Reihe regional bedeutsamer Wangensignale. Das Aufblasen der Wangen bedeutet in vielen Gegenden zum Beispiel, daß jemand fett oder aufgeblasen (angeberisch) ist. In Italien gibt es die Wangenschraube, bei der der Zeigefinger an die Wange gedrückt und herumgedreht wird. Diese Geste bedeutet stets: ,,Gut!". In Spanien hat die Wangenschraube eine völlig andere Bedeutung und wird als grobe Beleidigung gebraucht. In Deutschland bedeutet sie soviel wie: ,,Du hast einen Vogel!" und ist eine Abwandlung des Sich-an-die- Schläf-Tippens.

Die Handfläche zusammenzupressen und eine Wange darauf zu legen, ist ein weitverbreitetes Zeichen für ,,Ich bin müde". Gern wird eine Haltung eingenommen, bei der eine Hand eine Wange stützt, als wäre der Kopf zu schwer. Dies ist ein offensichtliches Zeichen für Langeweile. Ein Signal für Zuneigung ist das Tätscheln der Wange mit der Handfläche. Der Schlag auf die Wange, die sogenannte Ohrfeige, hingegen hat eine doppelte Tradition. Es war die klassische Art, einen Mann um Duell herauszufordern oder die Reaktion einer Dame auf unwillkommene Annäherungen eines Mannes. In beiden Fällen war der Schlag eine Antwort auf eine Beleidigung. Obwohl die Ohrfeige den Empfänger scharf bremst, dringt seine Bedeutung erst später ins Bewußtsein ein. Der Wangenkuß, der sich nur für zwei Menschen gleichen Ranges geziemt, ist ein versetzter, druckloser Mundkuß und wird in den westlichen Ländern als Teil des Begrüßungs- und Verabschiedungsrituals verwendet. In Theaterkreisen und in der Schickeria wird er beinahe übermäßig häufig, in den unteren Einkommensschichten eher selten praktiziert. In alten Zeiten gab es im Mittelmeerraum den Brauch bei trauernden Frauen, sich als Zeichen ihres Schmerzes die Wangen blutig zu kratzen, was zu einem Gesetz führte, das diese Verunstaltung der Wangen verbot. Auch deutsche Studenten pflegten ihre Wangen zu entstellen, um mit Duellnarben angeben zu können. In Italien, wo sich Straßenbanden mit Rasierklingen bekämpften, galt eine aufgeschlitzte Wange ebenfalls als Symbol für Härte. In den 70er Jahren konnte man im Zusammenhang mit der Punkrock- Bewegung in London sogar Sicherheitsnadeln in den Wangen sehen. Diese brutalen Entstellungen wurden aber allmählich wieder etwas abgemildert.

Der Mund

Da wir den Mund übermäßig viel gebrauchen, wurde er auch als ,,Schlachtfeld des Gesichts" bezeichnet. Wie jedes andere Schlachtfeld zeigt auch er Verschleißerscheinungen:Die Zunge verliert Geschmacksknospen, die Zähne nützen sich ab, die Lippen verlieren ihre Elastizität und kräuseln sich zu Falten. Der Ausdruck des Mundes läßt bei älteren Menschen auf ihre Persönlichkeit schließen. War ihr Leben verdrießlich, so hat sich ein trauriger Mundausdruck durch eine nach unten gezogene Form der Lippen festgesetzt. Der Mund gehört zu den ausdrucksstärksten Teilen unseres Körpers. Vier verschiedene Gegensatzpaare der Lippenstellungen - offen und geschlossen, vorgestülpt und zurückgezogen, nach oben und nach unten gezogen, angespannt und schlaff - werden durch Stimmungswechsel beeinflußt und geben uns durch Kombination enorm viele orale Ausdrucksmöglichkeiten. Noch komplizierter wird die Sache durch die verschiedenen Lautäußerungen, die unsere Mundausdrücke begleiten.

Bei stillschweigendem Zorn zum Beispiel werden die Lippen fest zusammengepreßt und dabei die Mundwinkel vorgeschoben; bei lautstarkem Zorn - Brüllen oder Knurren - ist der Mund geöffnet. Bei stummer Angst sind die Lippen und die Mundwinkel straff zurückgezogen. Bei Angstlauten - Keuchen und Schreien - wird der Mund weit geöffnet, und die Lippen werden weit nach oben und hinten gedehnt.

Auch von glücklichen Gesichtern gibt es Versionen mit geschlossenem und geöffnetem Mund. Das stumme Lächeln kommt zustande, wenn sich die Lippen zurück- und hochziehen und dabei geschlossen bleiben. Zum Teil können auch die oberen Zähne entblößt werden. Wenn aber ein Lachender seine unteren Zähne zeigt, darf man an der Echtheit seines Lächelns zweifeln. Ein Merkmal des glücklichen Gesichts sind die Hautfalten, die zwischen Wangen und Lippen auftreten und von Mensch zu Mensch variieren. Sie tragen dazu bei, daß das Lächeln und Grinsen eine persönliche Note erhält, die ein wichtiger visueller Faktor bei der Verstärkung von Freundschaften ist.

Beim traurigen Lächeln verweigern die Mundwinkel, sich zu heben. Dieser Ausdruck tritt häufig bei gescheiterten Politikern oder bei Bankfilialleitern, die einen Kredit verweigern, auf. Eine weitere Besonderheit des menschlichen Mundes sind die Lippen, die anders als bei den übrigen Primatenarten stark nach außen gestülpt sind. Beim Menschen sind die sichtbaren schleimigen Lippen glatter und dunkler als die andere Gesichtshaut. Dieser Kontrast trägt dazu bei, daß Veränderungen des Mundausdrucks stärker auffallen. Eine zweite Funktion der Lippen scheint sexueller Natur. Bei erotischen Erregungen schwellen sie an und werden empfindlicher für die Berührung des Partners. Das erklärt auch, warum sich die Frauen seit je her die Lippen rot bemalen, um visuell erregender zu sein. Anders als bei den Primaten, die Gegenstände zum Mund führen, um sie zu erforschen, dienen die Zähne dem Menschen nur zum Essen, da die erforschende Rolle der Zähne von unseren Händen übernommen wurde. Die einzigen Tätigkeiten außer dem Beißen und Kauen sind das Knirschen und Mahlen, wenn uns kalt ist, das Aufeinander- oder Zusammenbeißen in Augenblicken starker körperlicher Anstrengung, oder wenn wir einen Schmerz erwarten. Mit den Zähnen zu knirschen oder zu mahlen kommt relativ selten vor. Manche Menschen knirschen im Schlaf, was auf unterdrückten Zorn hinweist.

Die Zunge des Menschen hat die Aufgabe zu schmecken, zu zerkleinern, zu schlucken, den Mund zu reinigen und durch Gesten und Sprache wesentlich zur Kommunikation beizutragen. Dies kann man leicht durch den Versuch, die Zunge auf den Mundhöhlenboden zu drücken und zu sprechen versuchen, beweisen.

Eine der merkwürdigsten Tätigkeiten, die wir mit dem Mund ausführen, ist das Gähnen, wenn wir gelangweilt oder müde sind. Es scheint auch fast so, als ob das Gähnen ansteckend wäre. Oftmals ist das Gähnen von Streckbewegungen begleitet, die eine leichte Beschleunigung des Herzschlages bewirken, wodurch mehr Blut zum Gehirn transportiert wird. Es ist ebenfalls ein Signal dafür, daß man sich zur Ruhe begeben möchte. Meistens halten wir uns beim Gähnen die Hand vor den Mund, um unser Inneres zu verbergen. Früher tat man dies, um das Entweichen der Seele und das Eindringen böser Geister zu verhindern. Noch heute bekreuzigen sich Leute aus manchen Teilen Südeuropas aus Angst vor Geistern beim Gähnen.

Auch während einer Unterhaltung kann jemand die Hand heben, um den Mund teilweise zu bedecken, wenn er etwas vor seinen Mitmenschen zu verbergen versucht. Dieses Hand-vor den-Mund-Halten ist ein Zeichen für Heimlichkeit, und es sieht so aus, als sollte es verhindern, daß die Worte über die Lippen kommen.

Der Kuß wird heute als freundliche Begrüßung und zur sexuellen Stimulation zwischen Liebenden gebraucht. Küssen sich zwei ranggleiche Personen, tauschen sie gleiche Küsse auf Lippen oder Wangen aus. Begrüßt aber ein rangniedrigerer Mensch einen ranghöheren, küßt er dessen Hand, Knie, Fuß oder Gewandsaum. Der Zungenkuß hat seinen Ursprung in der Urzeit, als die Mütter ihren Kindern die vorgekaute Nahrung von Mund zu Mund eingaben, wenn sie ihre Kinder vom Stillen auf feste Kost umstellen wollten. Auch orale Genitalkontakte gehen auf orale Lustgewinne an der Mutterbrust zurück. Der Eindruck, den das orale Stadium hinterläßt, bleibt uns während eines großen Teils unseres Erwachsenenlebens erhalten. Eine andere Art oraler Betätigung ist das Spucken, das in alten Zeiten eine Möglichkeit darstellte, den Göttern zu opfern. Man glaubte nämlich, daß die Spucke einen Teil der Seele des Spuckenden enthielt. Der Glaube an die magische Kraft der Spucke war weit verbreitet. Man gebrauchte sie, wenn man Eide ablegte oder Verträge schloß, und man spuckte sich nach einem guten Geschäftsabschluß in die Hände. Jemanden anzuspucken wurde schließlich ein symbolischer Akt für starke Ablehnung.

Weil der Mund oft im Mittelpunkt des Interesses steht, hat man stets versucht, ihn abzuwandeln und zu verbessern. Man verwendete Lippenstifte, ließ sich die Lippen tätowieren, oder man setzte sich Lippenscheiben ein, um den Gesichtsausdruck dramatisch zu verändern. Diese Scheiben, die manchmal sogar die Größe eines Tellers erreichten, wurden als Zeichen von hohem Stand interpretiert und als Möglichkeit, Frauen zu entstellen, um Eifersüchteleien zu vermeiden.

In Nordafrika und in Teilen des Mittleren Ostens verschleiert man die Frauen, um ihre Möglichkeitendes Gesichtsausdrucks einzuschränken und ihre Schönheit vor der Öffentlichkeit zu verbergen. In den extremsten Formen bedeckte der Schleier das ganze Gesicht und ließ nur kleine Löcher für die Augen frei. Immer verringerte er die visuelle Kommunikation zwischen den Frauen und Fremden.

Es gibt viele regional begrenzt verbreitete Gebärden, die den Mund mit einbeziehen. Das Zeichen für ,,Ruhe!" zum Beispiel wird meistens durch den erhobenen Zeigefinger, der vor die geschlossenen Lippen gehalten wird, dargestellt. In Spanien und Mexiko aber drückt man dabei die Lippen mit Daumen und Zeigefinger zusammen.

Das Zeichen für Essen ist auf der ganzen Welt ziemlich gleich. Dabei wird mit geschlossenen Fingern nachgeahmt, wie man etwas in den Mund schiebt.

Das Zeichen für Trinken hat zwei Darstellungsmöglichkeiten: Die erste besteht darin, den Inhalt eines imaginären Glases in den Mund zu kippen. Bei der zweiten Möglichkeit wird die Hand mit gestrecktem Daumen und gestrecktem kleinen Finger hoch in die Luft gehalten. Die anderen Finger sind gekrümmt, und in dieser Stellung stößt der Daumen, gleich einem mit Wasser gefüllten Lederbeutel, auf die offenen Lippen nieder.

In manchen Mittelmeerländern wird noch Zorn angedeutet, indem man einen Daumennagel hinter die oberen Schneidezähne legt und dann diesen mit einem schnellen kräftigen Ruck nach vorne in die Richtung des Opfers bewegt. Diese Geste wird aber aus irgendeinem Grund immer seltener verwendet.

Anerkennung wird häufig dadurch angezeigt, daß die Fingerspitzen auf die Lippen gelegt und in Richtung auf den gepriesenen Gegenstand geküßt werden. Das ,,Lippenschmatzen" war ursprünglich nur als Lob für gutes Essen gedacht, wird heute aber auch oft als Zeichen der Wertschätzung für eine weibliche Person gebraucht.

Der Bart

Der Bart ist das auffälligste sekundäre Geschlechtsmerkmal des Menschen unter dem Einfluß männlicher Harmone bei beginnender Geschlechtsreife. Bei der typischen erwachsenen Frau entsteht höchstens ein Flaum, der nur aus der Nähe zu erkennen ist. Beim Mann wachsen die Barthaare um den Mund, auf der unteren Gesichtshälfte, auf Kinnbacken, Kinn und am oberen Hals. Welchen Zweck hat der Bart? Viele meinen, daß er ein natürlicher ,,Schal" sei, der die empfindliche Halspartie schützen und wärmen sollte. Diese Theorie hat zwei Fehler. Erstens hätte der Mensch leicht etwas anderes Schützendes finden können, und zweitens weisen gerade die Männer aus den kälteren Regionen den spärlichsten Bartwuchs auf. Eine alternative Theorie sieht im Bart einfach nur ein Zeichen für männliche Reife und Männlichkeit. Aber nicht nur eine visuelle Wirkung wird dem Bart zugeschrieben, sondern er scheint auch als Geruchsträgerzu dienen.

Zudem unterstreicht der Bart die aggressive Kinnhaltung. So strecken wir, wenn wir zornig sind, unser Kinn nach vorne und ziehen es zurück, wenn wir unterwürfig sind. Er betont noch die feindselige Wirkung, da sein Haar steifer und krauser ist als das andere Kopfhaar und dadurch fülliger und stärker vom Gesicht absteht. So gelten auch Frauen mit kräftigen Kiefern als strenge und harte Persönlichkeiten.

Angesichts der Bedeutung des Bartes erscheint das tägliche Rasieren als absonderlich und widernatürlich. Früher galt der Bart als Symbol für Macht, Stärke und Virilität. Sein Verlust war eine Tragödie und wurde als Strafe für besiegte Feinde, Sklaven und Gefangene. Früher schwor man sogar auf seinen Bart. Dieser Bartkult führte sogar soweit, daß mythische Muttergottheiten mit Bart dargestellt wurden. Die früheren Herrscher wendeten ungeheuer viel Zeit für die Bartpflege auf. Die ersten Beispiele für das freiwillige Rasieren traten bei Menschen auf, die so ihre Demut vor Gott zeigen wollten. Später kamen noch andere Gründe hinzu. So befahl angeblich Alexander der Große seinen Soldaten, ihre Bärte zu rasieren, um ihre Chancen im Nahkampf, da sich die Feinde nicht an den Bärten festhalten konnten, zu verbessern. Auch die Hygiene war ein wichtiger Grund für das Rasieren. Nachdem sich die beiden Moderichtungen - rasiert oder unrasiert - etabliert hatten, konnten die Männer durch die Art, wie sie ihre Bärte trugen, Rebellion oder Untergebenentreue ausdrücken. In einer überwiegend rasierten Bevölkerung waren die buschigen Ausnahmen entweder aggressiv dominierende Männer oder ungezähmte Wirrköpfe. Das zottige Barthaar der Rebellen, Künstler und Hippies spiegelte den mangelnden Respekt ihrer Besitzer vor gesellschaftlichen Konventionen und Reglements.

Der gewöhnliche Durchschnittsmann ist in den vergangenen Jahrhunderten fast immer glatt rasiert gewesen. In England mußten während der elisabethanischen Ära Bartträger sogar zusätzliche Steuern zahlen. So war der Bart nur den oberen Klassen vorbehalten und wurde zu einem gesellschaftlichen Statussymbol.

Wenn Bärte männliche Dominanz und Feindseligkeit ausdrücken, dann steht deren Entfernen für den Wunsch, ihre Aggressivität zu unterdrücken. Ein rasierter Mann sieht zudem auch noch jünger aus, und sein Gesichtsausdruck ist besser zu erkennen, weshalb er kommunikativer erscheint. Ein Vollbart hingegen neigt dazu, das Gesicht zu verdunkeln und zu verdüstern. Das Rasieren läßt auch automatisch auf Gepflegtheit und Reinlichkeit schließen. Aber es läßt den Mann auch femininer aussehen, wodurch er den Spott der Barttragenden auf sich zieht. Ein Kompromiß zwischen jugendhaftem Aussehen, Sauberkeit, aber auch Männlichkeit stellt der Schnurrbart dar. Jede Zeit hatte ihren eigenen Schnurrbartstil, von der ,,Lenkstange" der englischen Bomberpiloten bis zu den schmalen Oberlippenbärten der ersten Filmstars.

Schließlich gibt es zwei Schnurrbartgesten - das Schnurrbartwischen und das Zwirbeln der Bartenden - die beide das gleiche bedeuten. Es sind Handlungen des Sich-Zurechtmachens und Vorbereitungen, jemandem den Hof zu machen.

Der Hals

Normalerweise verbindet man mit der männlichen Figur einen ,,Stiernacken", während die weibliche einen ,,Schwanenhals" aufweist. Der männliche Hals ist kürzer und stämmiger, der weibliche länger, schlanker und konischer geformt. Ein weiteres geschlechtsspezifisches Merkmal ist der ,,Adamsapfel", der bei den Männern stärker hervorsteht als bei den Frauen, da der männliche Kehlkopf um ein Drittel größer ist und tiefer am Hals sitzt. Der Ausdruck ,,Adamsapfel" kommt daher, daß man meinte, daß die Verdickung im Hals des Mannes an Adams Ursünde erinnern soll. Ein Stück des gegessenen Apfel soll ihm angeblich im Hals steckengeblieben sein.

Weil der weibliche Hals schlanker ist, haben die Künstler dieses Merkmal stets übertrieben. In einer Kultur führte der Wunsch nach einem langen Hals zu merkwürdigen Extremen. Die ,,Giraffenhalsfrauen" mußten in ihrer Kindheit Messingringe tragen, wobei jedes Jahr ein neuer hinzukam, bis es schließlich 22 waren. Wenn man solch einer Frau diese Ringe abnehmen würde, könnte ihr Hals den Kopf nicht mehr tragen, und sie würde ersticken.

In den Kreisen der Okkultisten spielte der Hals schon immer eine bedeutende Rolle, da man meinte, daß die Seele im Genick wohne. Man versuchte deshalb diesen Körperbereich durch Halsketten vor schädlichen Einflüssen zu bewahren.

Matthias Alexander begründete die Alexander-Therapie, die besagt, daß man rein psychologische Störungen heilen könne, wenn man die Grundstellung des Halses auf den Schultern modifiziere. Er meinte, daß man sein richtiges Gleichgewicht wieder finde, wenn die gekrümmte oder gebeugte Haltung wieder normalisiert werde. Die Halshaltung scheint der Schlüssel für eine gute Körperhaltung zu sein.

Trotzdem gibt es nur wenige Gesten, die sich auf den Hals konzentrieren. Am verbreitetsten ist die Nachahmung des Halsabschneidens, die drei engverwandte Bedeutungen hat. Im Zorn drückt sie aus, was man einem anderen am liebsten antun würde. Als entschuldigende Geste zeigt sie, was man sich gern selbst antun würde. Und im Fernsehstudio zeigt sie an, daß die Sendezeit abgelaufen ist. Der nachgeahmte Würgegriff bedeutet entweder ,,Ich möchte dich erwürgen" oder ,,Ich möchte mich selbst erwürgen". Eine weitere Geste ist das ,,Ich-habe-es- bis-obenhin-satt"-Zeichen, bei dem die Zeigefingerkante der Hand einige Male leicht gegen den Kehlkopf schlägt.

Wichtiger als diese Gesten sind die Halsbewegungen, die Kopfbewegungen nach sich ziehen. Man unterscheidet zwei Arten. Erstens, die Bewegungen, die den Kopf auf die Umwelt ausrichten und zweitens jene, die unseren Mitmenschen visuelle Signale übermitteln:

1. Das Kopfnicken: Das senkrechte Auf- und Abbewegen des Kopfes drückt immer Einwilligung, Übereinstimmung und Zustimmung aus und ist auf der ganzen Welt verbreitet. Über den Ursprung des Kopfnickens gibt es zwei Theorien. Die erste besagt, daß das Nicken eine abgewandelte Form der Verbeugung ist. Wenn man ,,ja" sagt, unterwirft man sich also kurz der anderen Person. Bei der zweiten Theorie wird es mit der Mutterbrust in Verbindung gebracht und wird als das Annehmen der Brust gesehen. 2. Das Neigen des Kopfes: Diese abgeschwächte Form der Demutshaltung scheint weltweit ein verbreitetes Begrüßungssignal zu sein. Die Bewegung variiert dabei zwischen einem angedeuteten Neigen und einem heftigen Nicken. Das Neigen des Kopfes wird auch als Verabschiedungssignal und um Dankbarkeit auszudrücken verwendet. 3. Das ruckartige kurze Kopfsenken: Es dient zur Betonung des ausgesprochenen Wortes und enthält einen aggressiven Charakter. Gelegentlich kommt es auch als ein unausgesprochenes ,,Da hast du es!" vor. 4. Das Hochwerfen des

Kopfes: Diese Geste kommt am häufigsten als freundliche Begrüßung aus einer gewissen Entfernung vor, wobei hier der Schlüsselfaktor die Überraschung ist. Außerdem ist das Hochwerfen eine Geste der Vertrautheit und des Verstehens, weshalb es auch öfters in Unterhaltungen vorkommt. In manchen Teilen Europas wird es auch als ,,Verärgerungsreaktion" gebraucht, wobei der Kopf nach oben schnellt, die Augen nach oben blicken und mit der Zunge geschnalzt wird. Sie besagt hier: ,,Wie blöd!" 5. Das Kopfschütteln: Diese Geste hat ihren Ursprung in der Nahrungsablehnung und bedeutet normalerweise ,,nein". 6. Das Winken mit dem Kopf: Dieses Winken kommt als Ersatz für das Heranwinken mit der Hand vor und bedeutet ,,Komm mit" oder ,,Komm her". Dieses unauffällige Zeichen kann aber auch als scherzhafte sexuelle Einladung verwendet werden. 7. Das Kopfwackeln: Ist ähnlich dem Kopfschütteln, erfolgt aber in kleineren, kürzeren und schnelleren Bewegungen. Im allgemeinen ist es bei dominierenden Männern in höheren Positionen zu sehen (Politikern, Generälen) und tritt beim Sprechen auf. Das Kopfwackeln kann sich mit positiven oder negativen Wortbetonungen decken. Wenn der Redner bei positiven Erklärungen mit dem Kopf wackelt, lügt er womöglich und versucht, ein ehrliches negatives Kopfschütteln zu unterdrücken, was ihm aber mißlingt. 8. Das Wiegen des Kopfes: Dieses jüdische Signal für ,,gemischte Gefühle" drückt Zweifel aus. Diese Geste besagt, daß jemand zuerst in die eine, dann in die andere Richtung neigt und unfähig ist, sich zu entscheiden. 9. Das Beuteln des Kopfes: Diese Schüttelbewegung diente ursprünglich dazu, einen klaren Kopf zu bekommen. Heute wird damit Unverständnis und Überraschung ausgedrückt. 10. Das Erstarren oder langsame Drehen des Kopfes: Die absichtliche Unbeweglichkeit oder Langsamkeit zu einem Zeitpunkt, in dem Reaktion angemessen wäre, zeigt, daß er entweder so dominierend oder furchtlos ist, daß ihn das Vorgefallene nicht kümmert, oder daß es ihn langweilt, weil er soetwas schon erlebt hat. Diese Bewegungen drücken also Dominanz oder Langeweile aus. 11. Das Abwenden des Kopfes: Bei dieser im Grunde schützenden Bewegung wird der Kopf vom Gegenstand des Interesses abgewandt. Sie wird verwendet, um das Gesicht zu verbergen, oder um Zurückweisung oder eine stumme Beleidigung auszudrücken. Als Beleidigung gibt sie zu verstehen, daß man den Kontakt mit dem Gegenüber ablehnt. Bei Familienstreitigkeiten ist sie in Augenblicken starker Gereiztheit heute noch üblich. 12. Das Beugen des Kopfes: Dieses Herabhängen des Kopfes, das eine Verringerung der Körpergröße mit sich bringt, läßt den Menschen deprimiert und unterwürfig aussehen. Ein plötzliches Beugen, um das Gesicht zu verbergen, kann aber auch Bescheidenheit und Schüchternheit ausdrücken. 13. Das Heben des Kopfes: Die Hebung des Hauptes aus der gesenkten Stellung dient dem Zweck, Interesse und Bereitschaft anzuzeigen. 14. Das Zurückbeugen des Kopfes: Dies ist die Haltung der hochgetragenen Nase des Snobs und des ungewöhnlich selbstbewußten Menschen und zeigt Selbstgefälligkeit, Hochmut, Überheblichkeit und Trotz an. Dies hängt damit zusammen, daß die Augenhöhe etwas hinaufrutscht, was die Illusion von mehr Körpergröße vermittelt. Bei geschlossenen Augen ist die Botschaft anders. Diese Geste wird von Menschen verwendet, die heftige Schmerzen durchstehen oder ekstatische Freuden erleben. 15. Der zur Seite geneigte Kopf: Diese Geste wird in kurzer Entfernung vor dem Mitmenschen ausgeführt. Sie ist eine trostsuchende Bewegung und wirkt, als würde man sich gegen einen imaginären Beschützer lehnen. Beim Flirten wird es zur pseudo- unschuldigen oder koketten Pose und soll Ergebenheit anzeigen. Es ist jedoch kein aufdringliches, sondern eher ein schüchternes, anspielendes Signal.

Ende der Leseprobe aus 22 Seiten

Details

Titel
Körpersprache vom Scheitel bis zum Kinn
Autor
Jahr
1998
Seiten
22
Katalognummer
V95936
ISBN (eBook)
9783638086141
Dateigröße
475 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Körpersprache, Scheitel, Kinn
Arbeit zitieren
Roman Huditsch (Autor:in), 1998, Körpersprache vom Scheitel bis zum Kinn, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/95936

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