Psychopharmaka


Hausarbeit, 1999

28 Seiten, Note: gut


Leseprobe


Gliederung

I. Allgemeiner Teil
1. Einführung
2. Definition und Einteilung der Psychopharmaka
3. Umgang mit Psychopharmaka
3.1. Welchen Stellenwert besitzen Psychopharmaka in der Behandlung psychischer Störungen?
3.2. Psychopharmaka und Lebensgewohnheiten
3.3. Mißbrauch und Abhängigkeit von Psychopharmaka
3.4. Psychopharmaka bei Kindern/Jugendlichen und im höheren Lebensalter
3.5. Die goldenen Regeln der Psychopharmaka

II. Spezieller Teil
1. Tranquilizer
1.1. Tranquilizer - chemische Harmonie für die Seele?
1.2. Definition
1.3. Einteilung
1.4. Wirkungsmechanismus
1.5. Indikationen
1.6. Tranquilizer von Typ Benzodiazepine
2. Hypnotika
2.1. Definition
2.2. Einteilung
2.3. Wirkungsmechanismus
2.4. Unerwünschte Wirkungen
2.5. Charakteristika verschiedener Schlafmittel-Gruppen
2.6. Die Problematik der Hypnotika aus medizinischer Sichtweise
3. Antidepressiva
3.1. Definition
3.2. Einteilung
3.3. Biochemie und Wirkungsmechanismus
3.4. Wirkungen und Nebenwirkungen
4. Phasenprophylaktika (Lithium, Carbamazepin)
4.1. Lithium
4.2. Carbamazepin
5. Neuroleptika
5.1. Definition
5.2. Einteilung
5.3. Wirkungsmechanismus
5.4. Wirkungen
5.5. Indikationen
5.6. Nebenwirkungen

III. Finaler Teil
1. Nootropika
2. Psychostimulantien
3. Betarezeptorenblocker
4. sonstige Psychopharmaka
4.1. Antiepileptika
4.2. Antiparkinsonmittel
4.3. Anticholinergika
4.4. Parasympathomimetika

IV. Schluß
Literatur
Glossar

I. Allgemeiner Teil

1. Einführung

Wohl kaum eine andere Arzneimittelgruppe hat durch ihre Einführung so immense therapeutische Möglichkeiten eröffnet wie die Psychopharmaka. Sie sind kaum noch aus der Therapie psychischer Erkrankungen wegzudenken, so daß die Weltgesundheitsorganisation 6 Substanzen dieser Gruppe in die Liste der unentbehrlichen Medikamente aufgenommen hat.

Heutzutage nimmt die Arzneimitteltherapie im medizinischen Versorgungssystem eine dominierende Position ein; Medikamente werden geradezu als unverzichtbar für eine erfolgreiche Behandlung angesehen. Häufig betritt der Patient das Sprechzimmer bereits mit der Erwartung, ein Medikament verschrieben zu bekommen und nennt den Arzt, der nichts verschreibt, einen schlechten Arzt. Diese Denkweise hat (leider) auch dazu geführt, daß der Arzt sich im Verordnungsverhalten oft unkritisch verhält und zu schnell und zu oft Arzneimittel verschreibt. Vor allem werden die Psychopharmaka als Nothelfer bei persönlichen oder sozialen Konflikten eingesetzt.

Bis in die erste Hälfte des 20.Jahrhunderts wurden Arzneimittel bedenkenlos angewandt. Diese Haltung änderte sich, als Arzneimittel durch die Contergan®-Katastrophe in negative Schlagzeilen gerieten, erst dann wurde vielen Menschen bewußt, daß Medikamente auch wie ,,Gifte" wirken können.

Die folgenden Jahre bescherten der Pharmaindustrie, infolge der kritischen Berichterstattungen, keine gute Publicity. Doch unglücklicherweise ist es auch so, daß neben der informativen und sachlich fundierten Kritik auch Beiträge verfaßt wurden und werden, die mehr auf Sensationen und Emotionen abzielen, als auf wissenschaftlich fundierte Erkenntnisse, was bedauerlicherweise mit zur Verunsicherung vieler psychisch Kranker beiträgt.

Jahrhundertelang wurden Menschen mit psychischen Erkrankungen in Verließen eingesperrt und als ,, Hexen" oder ,,vom Teufel besessen" bezeichnet. In den Kerkern vegetierten sie vor sich hin und wurden mit Drehmaschinen, glühenden Eisen und anderen Dingen gefoltert oder hingerichtet. Nach der französischen Revolution änderten sich diese miesen Zustände, es kam zu einem Umschwung und zur Befreiung der Kranken aus Ketten und Kerkern. Während man bis dahin Medikamente aus der Gruppe der psychotropen Drogen, die euphorische Zustände oder Halluzinationen hervorrufen, einsetzte, nahmen nun insbesondere Sedativa und Hypnotika, mit deren Hilfe z.B. Aggressionen oder psychotische Zustände beherrscht werden konnten, ohne die Kranken ständig einsperren zu müssen, diesen Platz ein. Auf der anderen Seite stellten die psychiatrischen Krankenhäuser dieser Zeit eher eine Art Verwahrungsanstalt dar, in denen die psychisch Kranken in einem Dämmerzustand dahinvegetierten.

Mit der Entdeckung des Neuroleptikums Chlorpromazins (1952) brach das Zeitalter der modernen Psychopharmaka an. Die Entwicklung moderner Psychopharmaka brachte die Öffnung neuer psychiatrischer Krankenhäuser mit sich, in denen Hunderttausende zwar nicht von ihrer Krankheit, jedoch wenigstens vom Zwang der Dauerhospitalisierung befreit werden konnten.

Aus verständlichen Gründen setzte durch diese entscheidenden Fortschritte eine gewisse Psychopharmaka-Euphorie ein, wodurch es häufiger zu unkritischer und unkontrollierter Anwendung dieser Medikamente kam. So wurden z.B. Tranquilizer als medikamentöse Konfliktlöser angesehen. Sukzessiv wurde der Griff zur Pille zur Gewohnheit, infolgedessen der Medikamentenmißbrauch horrende Ausmaße annahm.

Gewiß sind heute Psychopharmaka aus der Therapie psychischer Erkrankungen nicht mehr wegzudenken. Unbezweifelbar haben Psychopharmaka in der Medizin ihren rechtmäßigen Platz, trotzdem ist ein gewissenhafter Umgang, wegen des enormen Ausmaßes der Nebenwirkungen, vonnöten. Intention dieses Berichtes ist es, dem interessierten Leser die Möglichkeiten, Grenzen und Gefahren der Psychopharmaka aufzuzeigen. Da es sich hier um einen exorbitant weitläufiges Gebiet handelt, wird sich mein Bericht auf die Beschreibung der gängigsten Substanzen beschränken müssen.

In der Bundesrepublik wird die Zahl der medikamentenabhängigen Menschen auf etwa eine Million geschätzt, dabei handelt es sich vor allem um Medikamente der Gruppe der Analgetika, Hypnotika und Tranquilizer. Auf letztere werde ich im besonderen Teil genauer eingehen, da es sich bei dieser Gruppe um die wichtigste handelt.

2. Definition und Einteilung der Psychopharmaka

Es gibt keine Substanz, die direkt auf die Psyche wirkt, vielmehr werden immer nur einzelne, bestimmte neurophysiologische oder biochemische Vorgänge beeinflußt, infolgedessen ist der Ausdruck Psychopharmakon bei Pharmakologen häufig umstritten, denn: Jede Substanz, die in die Regulation zentralnervöser Funktionen eingreift und seelische Abläufe modifiziert (,,psychotroper Effekt"), ist ein Psychopharmakon.1 Daraus resultiert, daß dieser Begriff sehr weit gesteckt ist und deswegen auch z.B. Analgetika, Stimulanzien und Rauschdrogen beinhaltet. Grundsätzlich wichtig ist die Feststellung, daß die meisten Psychopharmaka nicht eindimensional wirksam sind, sondern ein mehr oder minder breites Wirkungsspektrum haben, das sich meist mit dem anderer Substanzen überschneidet. Antidepressiva haben auch neuroleptische und anxiolytische Eigenschaften, Tranquilizer können auch ,,antidepressiv" wirksam sein, Neuroleptika können selbst Depressionen auslösen und doch auch bei Depressionen therapeutisch wirksam sein usw. Die Wirkungen können sehr vereinfacht als zentral dämpfend u./o. exzitatorisch beschrieben werden. Die Abgrenzung der Neuroleptika und Antidepressiva erfolgt eher nach therapeutischen, die spezielle Indikation berücksichtigenden Gesichtspunkten, die der Tranquilizer und Psychostimulanzien nach ihrer im Vordergrund stehenden Eigenwirkung. Die Lithiumsalze stellen eine Gruppe für sich dar. Sie lassen sich in die übliche Klassifikation nur schwer einpassen, weil die prophylaktische Anwendung hier die Hauptindikation darstellt. Trotzdem werden sie unter der Kategorie "Psychopharmaka" eingeordnet. Die Einteilung der Psychopharmaka erfolgt in folgende Hauptgruppen:

1. Tranquilizer
2. Hypnotika
3. Antidepressiva
4. Phasenprophylaktika (Lithium, Carbamazepin)
5. Neuroleptika

Psychostimulantien, Nootropika, Parkinsonmittel, Antiepileptika und Betarezeptorenblocker stellen außerdem noch eine eigene Gruppe dar, gehören aber nicht mehr in den engeren Rahmen der klassischen Einteilung der Psychopharmaka, obwohl z.B. auch die Antiepileptika wie Analgetika wichtige psychische Wirkungen aufweisen.

Durch die ständig wachsende Zahl dieser Medikamente kann sich zweifelsohne zukünftig etwas an dieser Klassifizierung ändern.

3. Umgang mit Psychopharmaka

3.1. Welchen Stellenwert besitzen Psychopharmaka in der Behandlung psychischer Störungen ?

Keine andere Arzneimittelgruppe wird so emotional und kontrovers diskutiert wie die Psychopharmaka, schließlich gehören sie zu den am meisten verordneten Medikamenten und fast jeder Arzt setzt sie routinemäßig ein. Psychopharmaka sind in der Behandlung sog. großer psychiatrischer Krankheiten, die mit hirnorganischen Veränderungen und Hirnstoffwechselstörungen einhergehen (z.B. organische Psychosen, manisch-depressive Erkrankungen, schizophrene Psychosen) obligat, insofern haben sie unmißverständlich einen großen Beitrag zur Humanisierung der Psychiatrie geleistet. Hier einige typische Anwendungsgebiete:

- Umweltbedingte, reaktive, situative seelische Störungen (Krisen) stellen nur in begründeten Fällen Indikationen für PP dar, entlastende Gespräche, Zuwendung und Entspannungsverfahren können helfen, die vorübergehende Störung zum Abklingen zu bringen (sog. kleine Psychotherapie).
- Seelische Fehlhaltungen im Sinne von Neurosen bedürfen einer gezielten Psychotherapie z.B. Verhaltenstherapie, Partner- bzw. Familientherapie.
- Schwere Neurosen oder akute Krisen mit Suizidgefahr können (vorübergehend) eine medikamentöse Behandlung mit PP erforderlich machen.
- Last but not least gibt es noch eine kleine Gruppe von konstitutionell Nervösen (,,psychovegetative Störung") die, trotz physikalischer Maßnahmen und Beratung, nur mittels Psychopharmaka individuell und sozial stabilisierbar zu sein scheinen.
- In der Behandlung von Schlafstörungen, Angst- und Erregungszuständen sowie zur Behandlung chronischer Schmerzsymptome und zur vorübergehenden Sedierung (z.B. präoperativ) haben Psychopharmaka einen hohen Stellenwert.

Die meisten Medikamente greifen in äußerst komplexe neurobiologische Regulationsmechanismen ein, d.h. sie beeinflussen biologische Ursachen seelischer Störungen und besitzen keine kausale Wirkung; zudem ist ihr Wirkungsangriff bei etwa 15 Milliarden Nervenzellen des menschlichen Gehirns keineswegs spezifisch.

Viele Nachteile liegen bei den weit am häufigsten verordneten Psychopharmaka, dem Tranquilizern und zwar dann, wenn sie unkritisch nur zur ,,Ruhigstellung" oder zur Erleichterung des Lebens (,,happy pills") eingesetzt werden. Zwar können sie den Leidensdruck reduzieren - allerdings nur scheinbar - dabei kann jedoch der fatale Irrglaube entstehen, durch die Einnahme von Medikamenten ließe es sich leichter und besser leben.

Der Stellenwert von Psychopharmaka in der Behandlung psychischer Krankheiten ist sehr unterschiedlich und hängt von der psychischen Störung ab. Prinzipiell muß eine individuelle Gesamtbehandlung für jeden Patienten/Klienten in Erwägung gezogen werden.

3.2. Psychopharmaka und Lebensgewohnheiten

Psychopharmaka wirken auf das ZNS und können bestimmte Eigenschaften beeinflussen.

Allgemein gilt: Kausal sind in 15-25% aller Unfälle Medikamente beteiligt, 45-60% der Arzneimittel stammen aus der Gruppe Analgetika, Hypnotika und Tranquilizer. Mit der Beeinträchtigung des Reaktionsvermögens, Aufmerksamkeit und Konzentration durch Psychopharmaka können gewisse Gefahrensituationen entstehen, so können gewohnte Alltagstätigkeiten im Berufsleben wie die Bedienung von Maschinen, bei denen rasches Reaktionsvermögen gefordert wird oder Verletzungsgefahr besteht, sowie die Verkehrstüchtigkeit erheblich eingeschränkt sein. Sehr wichtig ist es auch, bei der Beurteilung des Einflusses von Psychopharmaka auf das Verkehrsverhalten auf die psychische Grunderkrankung zu schauen, denn diese für sich alleine kann schon Anlaß zu einer Verminderung der Verkehrsfähigkeit sein. Psychostimulantien können die Verkehrstüchtigkeit im negativen Sinne insofern beeinflussen, als daß durch sie hervorgerufene Nebenwirkungen wie Zittern, Herzklopfen, Schwindel, Konzentrationsstörungen oder auch erhöhte Aggressionsbereitschaft die Fähigkeit, verantwortungsvoll ein Fahrzeug zu führen, reduzieren.

Vor allen Dingen bedeutsam und nicht folgendes ist die Wechselwirkung mancher Psychopharmaka mit Alkohol. Da er eine potenzierende Einfluß auf die Wirkung vieler Medikamente ausüben kann, ist während der Behandlung auf Alkoholkarenz bzw. -restriktion zu achten.

Neuroleptika können mit Kaffe und Tee u.a. gerbstoffhaltigen Zubereitungen in eine chemisch- physikalische Wechselwirkung treten, und es kommt zur Wirkungsabschwächung der Neuroleptika. Auch Rauchen kann die Wirkung von Psychopharmaka vermindern.

3.3. Mißbrauch und Abhängigkeit von Psychopharmaka

Aus wissenschaftlicher Sicht beinhalten die Worte ,,Mißbrauch, Abhängigkeit und Sucht" in erheblichem Maße eine Wertung. ,,Es scheint sinnvoll zu sein, dann von Mißbrauch zu sprechen, wenn Medikamente bei fehlender Indikation oder in zu hoher Dosierung eigenmächtig eingenommen werden. Nach längerem Gebrauch oder bei bestimmten Personen von Anfang an kann es aufgrund der entspannenden bis euphorisierenden Wirkung der Tranquilizer zur echten Abhängigkeit (Sucht) kommen. Diese kann psychisch sein (der Patient hat ein übermächtiges seelisches Verlangen, das Medikament weiter einzunehmen) und/oder physisch sein (nach Absetzen treten körperliche Entzugserscheinungen auf). Längerfristige Einnahmen hoher Dosen kann zur Toleranzentwicklung führen, d.h. zum Erreichen des gewünschten Effektes sind immer größere Substanzmengen notwendig (Gewöhnung)."2

Ursachen für die häufige Einnahme von Beruhigungsmitteln sind komplex und dürfen niemals isoliert betrachtet werden. Eine bedeutende Rolle spielen Persönlichkeits- und Umweltfaktoren wie: Technisierung, Automatisierung, Reizüberflutung und Schnellebigkeit bei gleichzeitiger Sinnentleerung des Lebens; immer mehr Menschen kommen mit sich selbst nicht mehr zurecht, empfinden die Umwelt als befremdlich. Streßbedingte psychosomatische Erkrankungen häufen sich parallel mit dem zunehmenden Zivilisationsgrad. Im ,,Zeitalter des Funktionierens" mit dem ständig neu genährten Glauben an Fortschritt und einer ,,Machbarkeitsideologie" hat der Mensch eine Art ,,Konsumenten- und Anspruchshaltung" mit Neigung zu schneller Bedürfnisbefriedigung entwickelt, synchron dahingegen entwickelte seine körperlich- seelische Belastungsfähigkeit zurück, so daß er in Zeiten kritischer Lebenssituationen eher dazu neigt, auf inadäquate Bewältigungsmechanismen - wie den Griff zur Pillezurückzugreifen. Er versucht sich dadurch rasch den psychosozialen Schwierigkeiten, Alltagsstreß und der zum Leben gehörenden Verstimmungszuständen zu entledigen.

Faktisch resultiert hieraus, daß unter Psychopharmaka, den Tranquilizern, Schlafmitteln und Psychostimulantien, eine gewisse Tendenz zur Abhängigkeitsentwicklung und somit zum Mißbrauch gegeben ist.

3.4. Psychopharmaka bei Kindern/Jugendlichen und im höheren Lebensalter

3.4.1. Psychopharmaka bei Kindern/Jugendlichen

Die Häufigkeit psychischer Störungen bei Kindern und Jugendlichen wird zwischen 1 und 30% angegeben. In fast allen Fällen sind Psychopharmaka nur als additives Therapieverfahren anzusehen. Die Behandlung mit Psychopharmaka im Kindes- und Jugendalter weist einige Besonderheiten auf:

- Es ist eine enge Zusammenarbeit mit den Bezugspersonen (Eltern, Erzieher) herzustellen,
- es ist keineswegs selbstverständlich, daß Arzt und Eltern immer gleiche Behandlungsziele haben
- Kinder können ,,Symptomträger" ihrer Eltern sein
- prinzipiell ist auf eine adäquate Dosierung zu achten
- es sollte nie mehr als ein Psychopharmaka appliziert werden
- ausführliche Information über Ziel, Zweck und Stellenwert der Behandlung mit Psychopharmaka ist vonnöten

Verordnet werden Psychopharmaka bei Kindern und Jugendlichen hauptsächlich bei:

- psychotischen Erkrankungen
- frühkindliche Hirnschädigungen
- hyperaktiven, hyperkinetischen Kindern
- apathischen Kindern
- retardierten Kindern
- depressiven Erkrankungen.

3.4.2. Psychopharmaka im höheren Lebensalter

Die Psychopharmaka-Therapie im höheren Lebensalter gewinnt zunehmend an Bedeutung. Etwa 75% der Bewohner von Altenheimen erhalten Psychopharmaka. Patienten im höheren Lebensalter weisen einige Besonderheiten auf, die auch für die Psychopharmaka- Behandlung von Bewandtnis sind: Fast immer leiden diese Patienten an Multimorbidität, d.h. neben der seelischen Erkrankung liegen praktisch immer auch körperliche Erkrankungen vor. In den meisten Fällen müssen diese ebenfalls medikamentös behandelt werden, deshalb ist auf Arzneimittel-Wechselwirkungen besonders zu achten. Die neurobiologische Altersforschung hat gezeigt, daß es im Alter zu quantitativen Gehirnveränderungen kommt, wie Verringerung des Gehirngewichts, Abnahme der Hirnzellen, Abnahme der Gehirndurchblutung, Verminderung der Nervenüberträgerstoffe. Diese körperlichen Faktoren sind, neben psychosozialen Faktoren, von entscheidender Bedeutung, da sie eine Änderung der Wirkungsweise von Psychopharmaka erzeugen, denn letztendlich kommt es zu einer erheblichen Veränderung in der Pharmakokinetik sowie Pharmakodynamik. So werden die Medikamente teilweise schlechter resorbiert, langsamer verstoffwechselt und verzögert ausgeschieden, folglich müssen die Medikamente zumeist niedriger dosiert werden, ferner kann mit einem verzögerten Einsetzen der gewünschten Medikamentenwirkung des öfteren gerechnet werden und letztendlich muß eine erhöhte Nebenwirkungs- Empfindlichkeit einkalkuliert werden.

Hauptindikationen der Psychopharmaka bei Alterspatienten sind:

- körperlich begründbare Psychosen (Verwirrtheitszustände, Wahnerkrankungen, Unruhezustände): organische Psychosyndrome, Demenzen
- ängstlich- unruhige bzw. gehemmte Depressionen (Alters-/Involutionsdepression)
- (nicht körperlich begründbare) paranoide Syndrome
- Erregungszustände unterschiedlicher Verursachung
- behandlungsbedürftige Schlafstörungen

3.5. Die goldenen Regeln der Psychopharmaka

1.- Psychopharmaka sollten nur auf ärztliche Anweisung eingenommen werden, dabei hat der Arzt exakt über die Wirkungen und Nebenwirkungen zu informieren.
2.- Der Patient sollte den Arzt darüber zu informieren, welche anderen Medikamente er gleichzeitig einnimmt, weiterhin soll er etwaige (auch frühere) Probleme mit Alkohol, Drogen, Schmerz- und Beruhigungsmittel ansprechen.
3.- Den Arzt aufsuchen sobald das Medikament nicht hilft oder störende Nebenwirkungen auftreten.
4.- Keine eigenmächtige Dosisänderung und kein abruptes absetzen der Medikamente.
5.- Keine eigenmächtige Kombination mit anderen Medikamenten und möglichst auf Alkohol verzichten.
6.- Beachtung der möglichen sedierenden Wirkung von Psychopharmaka.
7.- Führen eines Behandlungsausweises bei Langzeittherapie.
8.- Sich nicht durch sog. ,,Ratschläge" von Laien (Bekannte, andere Patienten, Regenbogenpresse z.B. ,, Ilona Christen" oder ,,Hans Meiser" aus RTL) verunsichern lassen, sondern ggf. einen Fachspezialisten bzw. den Arzt zu Rate ziehen.
9.- PP sollten, sobald sie nicht mehr benötigt werden, aus dem Haushalt entfernt werden, vor allem sollten sie Kindern und anderen Personen nicht zugänglich sein.
10.- Eine ununterbrochene, längerfristige Einnahme von Benzodiazepin-Tranquilizern sollte vermieden werden, da sie zur Abhängigkeit führen kann.
11.- Möglichst andere Therapiemaßnahmen mit einbeziehen z.B. Psychotherapie, physikalische Maßnahmen, Entspannungsverfahren, Ratschläge zur Lebensführung (Psychohygiene).

II. Spezieller Teil

1. Tranquilizer

1.1. Tranquilizer - chemische Harmonie für die Seele?

Nach dem Alkohol sind Tranquilizer zur Volksdroge Nummer zwei geworden; die Gründe dafür sind vielfältig. So konsumieren die Menschen Tranquilizer wahrscheinlich deshalb, weil sie unangenehme Streßsituationen am Arbeitsplatz oder in der Familie überwinden helfen, weil sie die verschiedenartigsten Angstempfindungen lindern, innere Unruhe und Frustration besänftigen und Körper und Seele entspannen. Die Umgebung wird wie durch eine ,,rosarote Brille" gesehen, Gegensätze und Widersprüche verschwimmen, vormals quälende Konflikte werden belanglos, alles wird angenehmer und freundlicher, das Leben wird leichter; daher werden Tranquilizer auch gerne als ,,Glückspillen" betitelt. Die Wirkung der Tranquilizer kaschiert folgenschwere Probleme; so erscheinen vorhandene psychische Schwierigkeiten, z.B. familiäre Konflikte irrelevant und nichtig. Tranquilizer erleichtern so das rasche Verdrängen und Vergessen, ohne daß die Betroffenen sich mit den drückenden Problemen auseinandersetzen müssen. Unerträgliche Lebensumstände, die tatsächlich Aufregung, Angst und Unruhe evozieren, werden durch Tranquilizer erträglich gemacht und damit indirekt fundiert. Angst kann ein wichtiges Warnsignal des Körpers sein und fordert den Menschen auf, nach der Ursache der Angst zu fahnden. Anxiolytisch wirksame Tranquilizer verbannen die Angst, das Warnsignal vergeht, aber die Ursache bleibt. Weil es so bequem ist, werden Tranquilizer zunehmend gewohnheitsmäßig bei Befindlichkeitsstörungen, Nervosität, Unlustgefühlen, Verstimmungen, Anspannungen, leichten Schlafstörungen u.a. benutzt. Man schluckt schnell eine Pille gegen die alltäglichen Frustrationen, obwohl solche Enttäuschungen in der Regel ihren Sinn haben und eigentlich anderweitiger Abhilfe bedürfen.

1.2. Definition

Unter dem Begriff Tranquillantien (engl. minor tranquilizer) werden PP zusammengefaßt, die zur Behandlung von Angst und Spannungszuständen verwendet werden (lat. tranquillare = beruhigen), zudem sollen sie auf Zwangsvorstellungen dämpfend wirken. Synonyme sind Ataraktika (gr. ataraktos = ausgeglichen) oder Anxiolytika (lat. = angstlösend). Ein idealer Tranquilizer sollte weder die geistige Leistungsfähigkeit noch sensomotorische Funktionen beeinträchtigen. Den klinischen Tranquilizer-Effekt (angstlösende, beruhigende und emotional entspannende Wirkung) zeigen auch niedrig dosiert Neuroleptika, dämpfende Antidepressiva und z.T. auch Betarezeptorenblocker. Tranqulizer besitzen keine antipsychotische Wirkung und mildern auch keine Wahnvorstellungen.

1.3. Einteilung

Man unterscheidet (u.a.) vier Hauptgruppen:

1.- Benzodiazepine: Diazepam (Valium®), Oxazepam (Adumbran®), Chlordiazepoxid (Librium®), Nitrazepam (Mogadan®), Flurazepam (Dalmadorm®), Bromazepam (Lexotanil®).
2.- Carbaminsäurepräparate: Bedeutend sind nur noch das Meprobamat (Visano N®). Meprobamat ist toxischer als die Benzodiazepine, ihre Wirkungsdauer ist auch kürzer, sie besitzen gegenüber den Benzodiazepinen keinen Vorteil. Zudem wurden unter Meprobamat mehr Todesfälle bei Suizidversuchen registriert; von dem Präparat ist daher abzuraten.
3.- Diphenylmethane: Heute noch bedeutsam ist das Hydroxyzin (Atarax®).
4.- Tri- und Tetrazyklische Tranquilizer: Sie stehen wirkungsmäßig zwischen den Tranquilizern und Antidepressiva. Bekannte Substanzen sind Benzoctamin (Tacitin®) und Opipramol (Insidon®).

Eine weitere Unterscheidungsmöglichkeit ist die nach der chemischen Struktur:

1.- Benzodiazepine
2.- niedrig dosierte Neuroleptika, d.h. unterhalb der sog. neuroleptischen Schwelle können auch Neuroleptika (engl. major tranquilizer) aufgrund ihrer dämpfenden, affektiv-entspannenden Wirkung als Tranquilizer eingesetzt werden.
3.- chemisch andersartige Tranquilizer (Nicht-Benzodiazepin-Tranquilizer), ehrfahrungsgemäß hat diese Substanz, das Buspiron, aber keine entscheidenden Vorteile gegenüber den Benzodiazepinen
4.- Betarezeptorenblocker; sie werden eingesetzt, wenn bei einem Angst-Syndrom körperliche Beschwerden im Vordergrund stehen
5.- Phytotherapeutika: Dies sind pflanzliche Arzneimittel, dessen Grenzen man sich bewußt machen muß, nämlich dort wo man ihren Einsatz bei bedrohlichen Akuterkrankungen grundsätzlich ausschließen muß. Zweifellos können diese Medikamente eine vorzügliche Ergänzung zur PP-Therapie sein, gewissermaßen sind Phytotherapeutika Sedativa mit milder Wirkung und großer therapeutischer Breite. Zum Einsatz kommen vor allem: Baldrian (Valdispert, Baldrisedon), Hopfen-, Johanniskraut- (Hyperforat) und Melissenextrakte, Passionsblume (Passiflora), Kava-Kava und Hafer (Avena).

1.4. Wirkungsmechanismus

Die Tranquillantien wirken generell dämpfend auf die Formatio reticularis und auf das limbische System. Heute sind die Benzodiazepine, die ursprünglich nur als Tranquillizer im Handel waren, die am häufigsten verordneten Sedativa. Dabei wird scheinbar spezifischer als bei den Hypnotika die vom limbischen System ausgehende emotionsbedingte Aktivierung des Wach-Systems gehemmt, was indirekt zur schlaffördernden Wirkung führt. Die Wirkung der Benzodiazepine wird über spezifische, im Groß- und Kleinhirn und im limbischen System lokalisierte Rezeptoren übermittelt.

1.5. Indikationen

Tranquillantien werden zur Therapie von Angstzuständen und zur Begleittherapie neurotischer Angstzustände verwendet. Durch ihren günstigen Einfluß auf vegetative Spannungszustände werden die Tranquillantien zur Sedierung erregter und nervöser Patienten gegeben. Da die Tranquillantien schlafinduzierend und schlaffördernd wirken, werden sie auch zur Therapie von Schlafstörungen verabreicht. Bei der Therapie endogener Depressionen hat sich die Kombination von Tranquillantien mit Antidepressiva besonders bei ängstlichen und agitierten Patienten bewährt. Zur Therapie von Entzugssyndromen werden die Tranquillantien ebenfalls eingesetzt. Einige Benzodiazepine haben antikonvulsive Eigenschaften und finden bei epileptischen Anfällen Anwendung. Tranquillantien werden auch bei der Therapie des Tetanus verwendet, da sie auf die fördernden Interneurone im Rückenmark, die den Muskeltonus erhöhen, hemmend wirken. Gerne verwendet man sie auch zur Prämedikation vor Operationen. Weitere Indikationen sind Herzinfarkte, das Prä- und Postmenopausensyndrom bei Frauen.

1.6. Tranquilizer vom Typ Benzodiazepine

1.6.1. Benzodiazepine (allgemein)

Benzodiazepine bewirken eine Änderung der affektiven Reaktionen auf Wahrnehmungen, insbesondere machen sie gleichmütig gegenüber angsteinflößenden Eindrücken (anxiolytischer Effekt), überdies wirken sie beruhigend (sedativ), unterdrücken eine Krampfneigung (antikonvulsiver Effekt) und senken den Tonus der Skelettmuskulatur (myotonolytischer Effekt). Sie wirken schlafinduzierend und schlaffördernd und beeinflussen in theapeutischen Dosen kaum die Schlafphasen (siehe Kapitel 2.4.); als Schlafmittel haben sie weite Verbreitung gefunden, weil ihre Nebenwirkungen im Vergleich zu den Hypnotika gering sind. Alle diese Wirkungen beruhen darauf, daß die Benzodiazepine den Einfluß inhibitorischer Neurone in Gehirn und Rückenmark verstärken; dies wird durch eine Reaktion mit spezifischen Bindungsstellen, den ,,Benzodiazepin-Rezeptoren", hervorgerufen. Diese Wirkung kann therapeutisch genutzt werden bei Angstneurosen, Phobien und ängstlicher Depression. Benzodiazepine lösen jedoch keine Probleme, sondern verhindern die Reaktion auf die Probleme und erleichtern die notwendige Psychotherapie. Ferner sind sie indiziert zur Verminderung einer angstbedingten Stimulation des Herzens bei einem Myokardinfarkt, zur Behebung von Schlafstörungen, zur Operationsvorbereitung (Prämedikation), zur Behandlung von Krampfanfällen oder zur Herabsetzung des Tonus der Skelettmuskulatur bei spastischer Verspannung, auch bei sog. Horrortrips durch Halluzinogenmißbrauch sind Benzodiazepine indiziert. Die therapeutische Breite als der Abstand zwischen der Dosis, die für den gewünschten Effekt erforderlich ist, und der toxischen Dosis (Atemdepression) liegt um mehr als das Zehnfache über der von Barbituraten und anderen Sedativa. Bei einer Intoxikation steht ein spezifisches Antidot wie z.B. das Flumazenil zur Verfügung. Unter der Einwirkung von Benzodiazepinen kann auf äußere Reize nicht mehr rasch und adäquat reagiert werden. Durch die mitunter lange Halbwertzeit, besonders bei wiederholter Einnahme, besteht oft am nächsten Morgen noch eine Restwirkung (Müdigkeit, Benommenheit, Leistungs- und Reaktionsrückgang, mnestische Störungen, Schwindel und zerebrale Ataxie).

Bei der akuten guten Verträglichkeit der Benzodiazepine dürfen die möglichen Persönlichkeitsveränderungen (,,Wurstigkeit") und die bei chronischer Einnahme drohende Abhängigkeit nicht übersehen werden. Möglicherweise beruht die Benzodiazepin-Abhängigkeit auf einer Gewöhnung, welche sich nach Absetzen des Wirkstoffes mit Entzugssymptomen wie Unruhe, Angst, Gereiztheit, Nervosität und gelegentlich auch Krämpfen bemerkbar macht. Diese Symptome fördern die andauernde Benzodiazepin-Einnahme. Bei längerer Anwendung kann sich diesbezüglich auch eine psychische Abhängigkeit durch die schlafverbessernde Wirkung und die durch die Benzodiazepine bei den Patienten hervorgerufene Kritiklosigkeit entwickeln. Benzodiazepine dürfen weder verteufelt noch verharmlost werden. Sie sind gut wirksame Medikamente, die jedoch verantwortungsvoll angewendet werden müssen.

Präparate von A bis Z

Alprazolam (Tafil®), Bromazepam (Lexotanil®), Brotizolam (Lendormin®), Chlordiazepoxid (Librium®), Clobazam (Frisium®), Clonazepam (Rivotril®), Clotiazepam (Trecalmo®), Diazepam (Valium®, Lamra®, Neurolytril®), Dikaliumchlorazepat (Tranxilium®), Flunitrazepam/Schl.

(Rohypnol®), Flurazepam/Schl. (Dalmadorm®), Ketazolam (Contamex®), Loprozolam/Schl. (Sonin®), Lorazepam (Tavor®,Temesta®), Lormetazepam/Schl. (Noctamid®, Ergocalm®), Medazepam (Nobrium®), Metachlazepam (Talis®), Midazolam/Schl. (Dormicum®), Nitrazepam/Schl. (Mogadan®), Nordazepam (Tranxilium®), Oxazepam/Schl. (Adumbran®, Anxiolit®, Durazepam®, Praxiten®), Oxazolam (Tranquit®), Prazepam (Demetrin®), Temazepam/Schl. (Remestan®), Triazolam/Schl. (Halcion®).

Schl. = Benzodiazepine, die auch als Schlafmittel verwendet werden.

1.6.2. Benzodiazepine (speziell)

Typ: Diazepam (Valium®) Eigenschaften

Diazepam wurde in den 60er Jahren in die psychiatrische Pharmakotherapie eingeführt. Es hat typische antiaggressive, antikonvulsive und muskelrelaxierende Eigenschaften. Diazepam zeigt nach oraler Verabreichung den schnellsten Wirkungseintritt von allen Benzodiazepinen; es wird vollständig resorbiert und hat eine Halbwertszeit von 20-40 h. Nach Einmaldosierung ist die Wirkung wegen des großen Verteilungsvolumens allerdings nur kurzdauernd.

Indikationen

In der psychiatrischen Akutsituation ist Diazepam bei Unruhe und ängstlich-agitierten Erregungszuständen - auch wenn diese im Rahmen einer Psychose auftreten - indiziert. Auch außerhalb einer Notfallsituation kann Diazepam bei psychotischen Angstzuständen vorübergehend als Adjuvans verordnet werden, zweifellos ist es für den Notfallkoffer des Arztes unentbehrlich. Bei psychomotorischen Erregungszuständen nach Mißbrauch von halluzinogenen Drogen, besonders beim ,, Horrortrip", kommt es nach Diazepam zu einer schnellen Beruhigung. Bei gelegentlicher Einmaldosierung ist es als Hypnotikum gut geeignet. In der Neurologie wird Diazepam als Muskelrelaxans und zur Unterbrechung eines Status epilepticus eingesetzt.

Nebenwirkungen (NW)

In den ersten Behandlungstagen kann Schläfrigkeit mit Beeinträchtigung der Aufmerksamkeit und des Reaktionsvermögens auftreten. Vorwiegend nach längerem Gebrauch sind neurologische Symptome wie Ataxie, verwaschene Sprache und allgemeine muskuläre Schwäche beobachtet worden. Seltener sind Gewichtszunahme und Minderung des sexuellen Verlangens. Bei chronischer Gabe besteht die Gefahr der Abhängigkeit. Das Präparat muß, wie alle Benzodiazepine, vorsichtig abgesetzt werden.

2. Hypnotika

2.1. Definition

Hypnotika (Schlafmittel) sind zentral wirksame Pharmaka mit allgemein dämpfender Wirkung, sie erzeugen Müdigkeit und Schlaf. Eine scharfe Abgrenzung von den Sedativa einerseits und den Narkotika andererseits ist nicht möglich. Insofern ist es eine Frage der Dosierung, wann ein Sedativum zum Hypnotikum, ein Hypnotikum zum Sedativum oder auch zum Narkotikum wird. Die Wirkungsweise ist nicht restlos geklärt; sie wirken unspezifisch auf das ZNS, wobei das Traumstadium verkürzt, der Tiefschlaf gefördert und verlängert wird.

2.2. Einteilung

Einteilung in 3 große Klassen:

1. Die sogenannten klassischen älteren Schlafmittel, diese Gruppe umfaßt vor allem die Substanzen, die vor der Einführung der Benzodiazepine die meistverwendeten Schlafmittel waren. Diese Präparate sind gegenwärtig teilweise obsolet oder werden nur noch auf ganz speziellen Gebieten angewendet. Bsp.: Alkohole (Ethanol), Aldehyde (Chlorhydrat), Barbiturate (Luminal®), Bromide u.a.
2. PP im engeren Sinne: Hinsichtlich der hypnotischen Wirkung sind diese neurochemisch und pharmakologisch meist besser durchleuchtet als die beiden anderen Klassen. Hierzu gehören Benzodiazepine (s.o.), Cyclopyrrolole (Zopiclon), Imidazopyridine (Zolpidem z.B. Stilnox®, Bikalm®), sowie Neuroleptika und Antidepressiva obwohl die beiden letztgenannten keine Hypnotika an und für sich sind, sondern durch ihre u.a. dämpfende ZNS-Wirkung nur bei einen bestimmten Personenkreis in Frage kommen.
3. Sonstige Hypnotika und Sedativa: Diese Gruppe reiht all die Hypnotika auf, die nur schwierig in eine der beiden anderen Klassen einzuordnen sind oder auch mehr als Sedativa zu bezeichnen sind. Hierzu gehören pflanzliche Sedativa (Baldrisedon®, Hyperforat®), Antihistaminika, Clomethiazol (Distraneurin®).

2.3. Wirkungsmechanismus

Zur Physiologie des Schlafes: Man unterteilt den Schlaf in zwei Phasen, den orthodoxen (nREM-Schlaf) und den paradoxen Schlaf (REM-Schlaf). Der orthodoxe Schlaf ist der sog. Tiefschlaf, dessen Phasen dauern i.d.R. 90 Min. und werden gegen Morgen immer kürzer und seltener. Der paradoxe Schlaf ist durch Traumtätigkeit und schnelle Augenbewegungen (sog.rapid eye movements) charakterisiert, seine Phasen dauern etwa 20 Min. und werden jeweils von einer Phase orthodoxen Schlafes gefolgt. Gegen Morgen werden die REM-Phasen immer länger, ihr Auftreten immer häufiger, da die non REM-Phasen an Dauer abnehmen. Dieser physiologische Schlafablauf ist bei der Erholung des Organismus notwendig. Hypnotika greifen durch Dämpfung der Aktivität der Neurone der Formatio reticularis in den physiologischen Schlafablauf ein. Die REM-Phasen des Schlafes werden unterdrückt und daraus resultiert eine Störung des Schlafablaufs, sowie ein Erholsamkeitsverlust des Schlafes und letztendlich geht aus dieser Konstellation eine Leistungsstörung des Gehirns am nächsten Tag hervor. Setzt man Hypnotika nach einer längeren Einnahmeperiode ab, ist in der Folgezeit die Traumtätigkeit (REM-Phase) gesteigert. Alle Hypnotika greifen nun auf verschiedenartige Weise in dieses Schlafmuster ein und verändern es in Richtung eines unphysiologischen Schlafablaufes. Das ideale Hypnotikum, das keinerlei Einfluß auf den natürlichen Schlaf ausübt, ist immer noch ein Wunschbild, dem die heute verfügbaren Schlafmittel mehr oder weniger nicht entsprechen.

2.4. Unerwünschte Wirkungen

Hypnotika dämpfen das Atemzentrum, dadurch kann es zu einer Reduktion des Atemminutenvolumens kommen; deswegen ist bei Patienten mit Ateminsuffizienz Vorsicht geboten. Durch hemmende Einflüsse auf das Vasomotorenzentrum sinkt der Blutdruck. Die Temperaturregulation wird gestört, da das Regulationszentrum im Hypothalamus gedämpft wird. Durch Hemmung der aktivierenden Neurone der Formatio reticularis wird der Muskeltonus gesenkt, und die Reflexe werden vermindert. Bei älteren Menschen und kleinen Kindern können durch Hypnotikagabe paradoxe Erregungszustände hervorgerufen werden. Alle Hypnotika führen sukzessive zur psychischen Gewöhnung. Aus der psychischen Abhängigkeit kann sich eine physische entwickeln. Alle zentral wirksamen Substanzen führen zu einer Wirkungsverstärkung anderer zentral wirksamer Stoffe.

2.5. Charakteristika verschiedener Schlafmittel-Gruppen Hierzu einige Beispiele:

1. Klasse

- Chloralhydrat (Chloraldurat®): Chloralhydrat ist ein gut wirkendes Schlafmittel, in niedrigen Dosen wirkt es leicht sedierend.

Indikation: Ein- und Durchschlafstörungen, Erregungen, es kann bei Schwangeren und Kindern eingesetzt werden, jedoch entwickelt sich sehr schnell eine Toleranz.

NW: bei Patienten mit Nieren-, Leber- und Herzfunktionsstörungen ist Vorsicht geboten (potenzierende Wirkung bei gleichzeitigem Alkoholkonsum und Sensibilisierung des Herzens gegen Katecholamine) auch gastrointestinale Störungen wie Schleimhautreizungen können auftreten.

- Barbiturate (z.B. Luminal®):

Die Barbiturate besitzen eine allgemein dämpfende Wirkung auf das ZNS und haben dosisabhängig sedierende, hypnotische oder narkotische Effekte.

Indikation: Schlafstörungen und teilweise als Tagessedativum.

Wirkungsweise: Psychische und physische Erholung während des Barbituratschlafes ist herabgesetzt (,,REM-Hemmung" s. Tabelle). Durch unspezifische Dämpfung auf die Neurone der Formatio reticularis entsteht eine generelle Dämpfung, Leistungsfähigkeitsrückgang, Beeinträchtigung der Konfliktwahrnehmung und -verarbeitung.

NW: Barbiturate können eine Hyperalgesie hervorrufen, Symptome von Zerebralsklerotikern werden verstärkt, lösen relativ leicht Dependenz aus und müssen deshalb ausschleichend abgesetzt werden, bei Überdosierung besteht starke Intoxikationsgefahr, sollen in der Schwangerschaft nicht appliziert werden da, zumindest nach hohen Dosen, vermehrt Lippen-Kiefer-Gaumenspalten, Herzfehler und Mikrozephalie beobachtet wurden.

2. Klasse

- Benzodiazepine (s.o.)
- Cyclopyrrolone, Vertreter ist das Zopiclon (Ximovan®):

Cyclopyrrolonderivate sind eine neue Klasse von Hypnotika, die strukturell weder mit Benzodiazepinen noch mit Barbituraten verwandt sind.

Indikation: Symptomatische Therapie von Ein- und Durchschlafstörungen.

Wirkungsweise: Zopiclon interagiert mit dem GABA -Rezeptorkomplex insofern, daß sich die Hemmwirkung dieses Neurotransmitters verstärk und daraus eine Sedierung hervorgeht. NW: Bitterer metallischer Geschmack durch Ausscheidung des Wirkstoffes in den Speichel, Mundtrockenheit, Schläfrigkeit, Benommenheit, Schwindel, Muskelschwäche, Gangunsicherheit, evtl. Atemdepression, depressive Verstimmungen. Toleranzentwicklung möglich, deshalb ausschleichend absetzen.

3. Klasse

- Antihistaminika, Vertreter ist das Diphenhydramin (Dolestan®, Sekundal®)

Diphenhydramin zählt zu der Gruppe der Antihistaminika mit stark zentraler Sedierung. Die NW der Antihistaminika werden bei der Verwendung als Hypnotikum zur Hauptwirkung gemacht. Jedoch ist im Vergleich zu den eigentlichen Hypnotika die schlafinduzierte Wirkung der Antihistaminika nicht so stark ausgeprägt, ihre Toxizität ist jedoch höher als die von Benzodiazepinhypnotika oder ähnlich wirkenden Substanzen.

Indikation: Ein- und Durchschlafstörungen.

NW: Anticholinerge NW wie Mundtrockenheit durch Sekretionshemmung der Schleimhautdrüsen, Mydriasis mit Steigung des Augeninnendrucks (akuter Glaukomanfall !)

Gastrointestinalbeschwerden, Hautreaktionen, Müdigkeit, Miktionsbeschwerden. Es besteht keine Suchtgefahr. Es kann ein paradoxer Erregungszustand bei älteren Menschen und Kleinkindern auftreten.

2.6. Die Problematik der Hypnotika aus medizinischer Sichtweise

,, ...es gibt keine Schlafmittel, nur Dämpfungs- oder Beruhigungsmittel! Was wir fälschlicherweise so nennen, verhindert in Wirklichkeit den natürlichen Schlafrhythmus, bewirkt Entzug sowohl von Tiefschlaf als auch von Traumschlaf. Es zerstört also die körpereigene, endogene Schlaftätigkeit und verschlimmert dadurch die Schlaflosigkeit. Da sich der Körper schon ab der 2.Woche an das jeweilige Mittel gewöhnt, ist die Verführung zum Dauerkonsum bei abnehmender Wirkung und Dosiserhöhung, also die Suchtgefahr von vornherein gebahnt. Dies kann - außer der pharmazeutischen Industrie - niemanden nützen."3

3. Antidepressiva

3.1. Definition

Antidepressiva (Thymoleptika) werden v.a. bei der Behandlung der endogenen, aber auch der schweren akuten neurotischen Depression eingesetzt. Sie wirken mit verschiedener Schwerpunktbildung antriebssteigernd, angstdämpfend und stimmungsaufhellend. Unter Antidepressiva kann eine Manie provoziert werden; sie erzeugen aber keine Euphorie. Der nicht depressive Mensch empfindet die Wirkung dieser Substanzen eher als unangenehm, als sedierend oder auch dysphorisierend. Suchtpotentiale sind bis dato nicht festgestellt worden.

3.2. Einteilung

In der medikamentösen Depressionsbehandlung werden derzeit 4 verschiedene Klassen von Antidepressiva angewandt. Diese Substanzklassen, die ihren Namen der chemischen Strukturformel verdanken, sind:

1. die ,,klassischen" trizyklischen Antidepressiva
2. tetrazyklische und modifizierte trizyklische Antidepressiva
3. chemisch andersartige und Serotonin-selektive Antidepressiva
4. reversible Inhibitoren der Monoaminooxidase (A-Typ) RIMA

Etliche Antidepressiva sowie einige Kombinationspräparate (Antidepressivum + Tranquilizer;

Antidepressivum + Neuroleptikum) sind derzeit im Handel. Infolgedessen wurde die Vielzahl der Antidepressiva nach 3 Hauptwirkungskomponenten eingeteilt:

1. Depressionslösende, stimmungsaufhellende Wirkung
2. Psychomotorisch aktivierende, antriebssteigernde Wirkung
3. Psychomotorisch dämpfende, sedierend- angstlösende Wirkung

3.3. Biochemie und Wirkungsmechanismus der Antidepressiva

Antidepressiva heben die Wirkung von Reserpin, einer in der Bluthochdruckbehandlung eingesetzten Substanz, die medikamentös bedingte Depressionen erzeugen kann, auf. Außerdem beruht der Wirkungsmechanismus auf einer Hemmung der Serotonin- und/oder Katecholaminrückresorption in der präsynaptischen Zelle. Dadurch wird die Katecholaminkonzentration im synaptischen Spalt erhöht und die Katecholamine können länger wirken. Denn als Ursache von Depressionen gilt ein Mangel bzw. eine Dysbalance dieser adrenergen Substanzen (zuzüglich Tryptamin) an spezifischen Rezeptoren im Gehirn. Darüber hinaus sind aber auch noch andere Faktoren an der Aufrechterhaltung der zerebralen Homöostase beteiligt, z.B. Histamin, Glukokortikoide, cholinerge Substanzen.

3.4. Wirkungen und Nebenwirkungen

3.4.1. Trizyklische Antidepressiva wirken meistens in 3 Phasen:

Während der ersten Behandlungstage ist der Patient gedämpft, nach etwa 8 Tagen tritt er in die Phase des gesteigerten Antriebs ein. Während dieser Phase können latente Selbstmordgedanken aktiviert werden und somit ist er stark suizidgefährdet, da zwar sein Antrieb und seine Lebendigkeit gesteigert sind, die depressive Grundstimmung aber noch persistiert. In der dritten Phase, etwa nach 14 Tagen, beginnt die stimmungsaufhellende Wirkung.

Die trizyklischen Antidepressiva werden nochmals in 3 Grundtypen unterteilt:

1. Desipramin-Typ: psychomotorisch aktivierend, antriebssteigernd (Pertrofan®)
2. Imipramin-Typ: psychomotorisch stabilisierend, d.h. neutral (Tofranil®Anafranil®)
3. Amitriptylin-Typ: sedierend- dämpfend (Saroten®, Aponal®)

Mögliche NW:

- vegetativ- anticholinerg _ Mundtrockenheit, Schwitzen, Obstipation, Glaukomanfall;
- neurologisch _ parkinsonähnlicher Tremor, zerebrale Krämpfe in toxischen Dosen;
- kardiovaskulär _ Tachykardie, Hypotonie, Schwindel, Herzmuskelschäden, Schäden am Reizleitungssystem;
- psychisch _ Unruhe, Aktivierung suizidaler Impulse oder Müdigkeit, bei Schizophrenen kann die depressive Phase in eine paranoid- halluzinatorische Phase umschlagen;
- endokrin _ Gewichtszunahme, Abnahme der Libido und Potenz, Amenorrhoe;
- dermatologisch-allergisch _ Ödeme, Exantheme.

3.4.2. Tetrazyklische Antidepressiva und andere Verbindungen:

Tetrazyklische Antidepressiva wie das Mianserin (Tolvin®) zeigen keinen Reserpinantagonismus, es wirkt anxiolytisch-sedierend, ähnlich wie das Amitriptylin. Da die anticholinerge Komponente fehlt, treten vegetative NW nur im geringen Maße auf.

Dizyklische Antidepressiva wie das Viloxazin (Vivalan®) zeigt biochemisch eine leichte Noradrenalin- Rückaufnahmehemmung (leichte adrenerge Wirkung) und hat keine anticholinerge Eigenschaften, es wird besonders bei gehemmten Depressionen eingesetzt, da es keinen sedierenden, sondern eher antriebssteigernden Effekt zeigt. Mögliche NW sind Übelkeit und Unruhe.

3.4.3 Serotonin-selektive Antidepressiva bzw. selektive Serotonin-Rückaufnahmehemmer oder selektive ,,re-uptake-Hemmer":

Serotonin entsteht aus der Aminosäure Tryptophan, dessen Synthese auch hauptsächlich von der Konzentration des Tryptophans abhängt, das bedeutet, daß bei einem Tryptophanüberschuß auch die Serotoninkonzentration deutlich erhöht ist. Die Serotonin-selektiven Antidepressiva hemmen die Rückaufnahme von Tryptophan und somit den neuronalen Wiederaufnahmemechanismus für Serotonin, folglich wird damit die Inaktivierung des Transmitters Serotonin gehemmt und seine Konzentration im synaptischen Spalt ist erhöht. Vertreter sind Fluoxetin (Fluctin®), Fluvoxamin (Fevarin®), Paroxetin (Seroxat®, Tagonis®). Sie alle besitzen keine bzw. sehr schwache anticholinerge Eigenschaften, klinisch weisen sie keine sedierende sondern eher eine antriebssteigernde Komponente auf. Mögliche NW sind Übelkeit, Unruhe, Angst- und Erregungszustände sowie Schlafstörungen, Appetitlosigkeit und nicht selten Kopfschmerzen.

3.4.4. reversible Inhibitoren der Monoaminooxidase (A-Typ) RIMA bzw. reversible MAO-Hemmer Typ A:

MAO-Hemmer wirken durch irreversible Hemmung der Monoaminooxidase indirekt sympathomimetisch, sie erhöhen die Katecholaminkonzentration am Rezeptor; diese kann so stark erhöht sein, daß es schon bei der Zufuhr tyraminhaltiger Nahrung (Käse, Rotwein insbes. Chianti) zu Wirkungsverstärkung und Blutdruckkrisen (Tyramin ist ein indirektes Sympathomimetikum) kommt. MAO-Hemmer wirken stark antriebssteigernd, kaum antidepressiv und nicht anxiolytisch (also psychomotorisch aktivierend) deswegen besteht hier eine große Suizidgefahr, weshalb man sie aus diesem Grunde aus dem Verkehr zog; außerdem wirken sie hepatotoxisch.

Ein neues Prinzip zur Behandlung endogener Depressionen steht mit der Entwicklung reversibler MAO- Hemmer Typ A zur Verfügung. Die erste Substanz, das Moclobemid (Aurorix®) wurde 1991 in Deutschland eingeführt. Moclobemid hemmt im Gegensatz zu den herkömmlichen MAO-Hemmern die MAO reversibel. Außerdem hemmt es selektiv die MAO-A. Dadurch kann das indirekte Sympathomimetikum Tyramin, das u.a. in Käse und Rotwein enthalten ist und unter herkömmlicher MAO-Hemmertherapie zu Blutdruckkrisen führt, durch die nicht blockierte Monoaminooxidase Typ B (MAO-B) abgebaut werden. Als unerwünschte Wirkungen wurden Übelkeit und Lichtblitze beschrieben.

4. Phasenprophylaktika (Lithium, Carbamazepin)

4.1. Lithium

Lithium ist ein einwertiges Metall, welches in der Natur nur als Salz gebunden im Meer, in Mineralien, Mineralwässern und tierischen wie pflanzlichen Geweben vorkommt. Litiumsalze (z. Hypnorex ret.®) wirken antimanisch und über lange Sicht stimmungsstabilisierend.

4.1.1. Indikationen

Lithiumsalze werden prophylaktisch bei rezidivierenden manischen und/oder depressiven Phasen im Rahmen unipolarer und bipolarer Depressionen, schizoaffektiver Psychosen und vereinzelt bei depressiven Phasen nicht psychotischer Genese eingesetzt. In Kombination mit Neuroleptika kann Lithium auch zur Therapie chronisch hypomanischer und manischer Zustände eingesetzt werden. Lithium wirkt nicht bei Schizophrenien, sondern nur bei zyklischen Psychosen mit manisch-depressivem Erscheinungsbild. Da der prophylaktische Effekt erst nach ca. ½ Jahr einsetzt, ist es wichtig, frühzeitig mit der Therapie zu beginnen.

4.1.2. Nebenwirkungen und Intoxikationserscheinungen

NW initial: Händetremor, Magen-Darm-Störungen, Polyurie, Durst;

später: Feinschlägiger Händetremor, Gewichtszunahme, Polyurie, Durst, Ödeme, Nierenschädigung, Schwindel, Erbrechen, Durchfälle, mäßige Leukozytose, Struma, Mattigkeit, Müdig-keit; selten Verwirrtheit; sehr selten: EKG-, EEG-Veränderungen, Akne, Psoriasis, Muskelschwäche, Haarausfall.

An ,,psychischen NW" klagen manche Patienten über das Fehlen der ,,manischen Energie und Begeisterung" und über eine Herabsetzung ihrer Kreativität.

Überdosierungen sind meist Folge eines zu raschen Dosisanstieges; eine Lithiumvergiftung kann drohen durch Nierenkrankheiten, Salz- und Wassermangel, dieser kann verursacht sein durch kochsalzarme Diät, Abmagerungskuren, Behandlung mit Diuretika, starkes Schwitzen, körperliche Erkrankungen und krankheitsbedingte verminderte Zufuhr von Nahrung und Flüssigkeit. Während der Therapie ist der Litium- Blutspiegel ständig zu überwachen.

Symptome der Lithiumintoxikation: Erbrechen, Diarrhoe, grobschlägiger Tremor, Krampfanfälle, Konfusionen, Ataxie, Rigor, Diabetes insipidus und Herzrhythmusstörungen.

4.2. Carbamazepin

4.2.1. Indikationen

In den letzten Jahren zeigte sich, daß auch Carbamazepin (Tegretal®,Timonil® u.a.) sowohl in der Behandlung von akuten Manien als auch zur Rückfallverhütung bei manisch-depressiver Erkrankung (insbes. bei ,,Lithium-Versagern", raschen Phasenwechsel oder bei Kontraindikationen für Lithium) eingesetzt werden kann. Es wird aber weder bei der Akutbehandlung manischer Syndrome noch bei der Phasenprophylaxe affektiver Psychosen als ein Mittel der ersten Wahl angesehen.

Carbamazepin in der Akutbehandlung manischer Syndrome:

Bei 60% der mit Carbamazepin behandelten Personen wurde eine zufriedenstellende Wirkung beobachtet, in einer anderen Untersuchung schnitt Lithium aber besser ab als Carbamazepin. Die antimanische Wirkung von Carbamazepin setzt offenbar dosisabhängig innerhalb von 3-7 Tagen ein, wobei die Substanz keine akut sedierenden Eigenschaften hat.

Carbamazepin in der Phasenprophylaxe affektiver Störungen:

Auch hier wurden günstige Effekte beobachtet, obwohl einige Befunde eine rückfallverhütende Wirkung wahrscheinlich machen, kann aufgrund der immer noch zu schmalen und z.T. wiedersprüchlichen Datenbasis derzeit keine generelle Empfehlung für Carbamazepin gegeben werden, da eine Gleichwirksamkeit gegenüber Lithium bisher nicht nachgewiesen worden ist.

4.2.2. Nebenwirkungen

Unter Carbamazepin können, v.a. bei Therapiebeginn, Müdigkeit, Schwindel und ataktische Störungen auftreten. Sehstörungen, Doppelbilder, gastrointestinale NW wie Übelkeit und Erbrechen sowie Herzrhythmusstörungen, Veränderung von Blutbild und Leberwerten und Hautausschläge sind beschrieben worden.

5. Neuroleptika

5.1. Definition

Neuroleptika (auch Antipsychotika und gelegendlich Psycholeptika genannt) sind Substanzen, die vorwiegend in der Schizophreniebehandlung ihren Platz haben. Sie wirken dämpfend auf die produktiven Symptome wie Angst, Erregung, Halluzinationen, Wahnbildungen sowie auf Zwangsvorstellungen des Erkrankten. Sie dämpfen Spannung, Antrieb, fördern die Schlafbereitschaft, führen aber auch in großen Dosen nicht zur Narkose. Der Patient wird in eine apathischen Dämmerzustand versetzt. Neuroleptika haben keine antikonvulsive Wirkung. Die therapeutische Breite der Neuroleptika ist wesentlich größer als die der Barbiturate.

5.2. Einteilung

Klassifikationsmöglichkeiten:

1.- Nach chemischer Struktur:

Hiernach können 6 Gruppen unterschieden werden: Phenothiazine (Atosil®, Psyquil®, Taxilan®, Melleril®), Thioxanthene (Truxal®), Butyrophenone und diphenylbutylpiperidine (Haldol- Janssen®, Dipiperon®), Dibenzoipine und die Benzamide. Die Kenntnis der Zugehörigkeit einer Substanz zu den einzelnen Gruppen ist u.a. deshalb von Bedeutung, weil bei Nichtansprechen auf ein Medikament der Wechsel zu einem Präparat einer anderen Gruppe zum Erreichen des therapeutischen Zieles führen kann.

2.- Nach klinischen Kriterien:

Praxisorientierter ist die Klassifikation der Neuroleptika nach klinischen Wirksamkeitskriterien, die in erster Linie auf der antipsychotischen und psychomotorisch dämpfenden, sedierenden und schlafanstoßenden Wirkung beruht.

Schwachpotente Neuroleptika

mit milder bis sehr geringfügiger antipsychotischer Wirkung und gut ausgeprägter sedierender, schlafanstoßender und vegetativ beruhigender Wirkung.

Medikamentenvertreter: Chlorprothixen (Truxal®), Levomepromazin (Neurocil®), Melperon (Eunerpan®), Pipamperon (Dipiperon®) Bromethazin (Atosil®), Thioridazin (Melleril®)

Mittelpotente Neuroleptika

mit mittelstarker antipsychotischer und guter psychomotorisch dämpfender Wirkung. Ausgeprägt sedierende, schlafanstoßende und vegetativ beruhigende Wirkung. Medikamentenvertreter: Perazin (Taxilan®), Chlorpromazin (Megaphen®), Clozapin (Leponex®)

Hochpotente Neuroleptika

mit ausgeprägt antipsychotischer und psychomotorisch dämpfender Wirkung; keine oder nur gering sedierdende, schlafanstoßende und vegetativ beruhigende Wirkung.

Medikamentenvertreter: Benperidaol (Glianimon®), Bromperidol (Impromin®, Fluxpenthixol (Fluanxol®), Haloperidol (Haldol-Janssen®)

Depotneuroleptika

sind für die Langzeittherapie chronisch schizophrener Psychosen geeignet.

Medikamentenvertreter: Clopenthixoldecanoat (Ciatyl®Depot), Fluxpenthixoldecanoat (Fluanxol®Depot), Perphenazinoenanthat (Decentan®Depot), Haloperidoldecanoat (Haldol®-Janssen- Depot)

5.3. Wirkungsmechanismus

Psychotische Krankheitsbilder gehen in hohem Maße mit einer exzessiven Freisetzung des Neurotransmitters Dopamin in zentralen Synapsen und einer Überstimulation postsynaptischer Dopaminrezeptoren einher. Der antipsychotische Effekt von Neuroleptika basiert in erster Linie auf einer spezifischen postsynaptischen Dopaminrezeptorblockade.

Dies hat zur Folge:

- Auftreten extrapyramidal-motorischer Störungen (können durch Anticholinergika beseitigt werden)
- Früh- Spätdyskinesen, sowie Störungen der Libido und Potenz

5.4. Wirkungen

Neuroleptika besitzen verschiedene klinische Basiswirkungen, die bei den einzelnen Wirksubstanzen zum Teil sehr unterschiedlich ausgeprägt sind. Somit ergeben sich für die verschiedenen Neuroleptika spezifische klinische Wirkprofile, die mit den entsprechenden Rezeptorbindungsprofilen korrelieren. Neuroleptika können Dopaminrezeptoren, Noradrenalin-, Serotonin-, Acetylcholin- und Histaminrezeptoren in unterschiedlicher Affinität blockieren.

5.5. Indikationen

Die Therapie einer Schizophrenie muß immer über einen längeren Zeitraum und über die Symptomfreiheit hinweg durchgeführt werden. Man stellt die Dosis individuell ein (so tief wie möglich, so hoch wie nötig).

_ Psychiatrische Indikationen:
- Schizophrene und schizoaffektive Psychosen

Zielsymptome: Halluzinationen, Denkstörungen, Wahn, Angstzustände, Unruhe und Erregung, autistisches Verhalten, Schlafstörungen

- Manien

Zielsymptome: Unruhe, Gereiztheit, Wahn, Schlafstörungen

- organische Psychosyndrome/Alterspsychosen

Zielsymptome: Unruhe, Wahn, Angstzustände, Schlafstörungen

- Delirien

Zielsymptome: Halluzinationen, Wahn

- Erregungszustände jeglicher Genese
- Als Zusatzbehandlung bei endogenen Depressionen, Zwangssyndromen, Verhaltensstörungen im

Kindes- und Jugendalter

_ Nicht - psychiatrische Indikationen:
- Hyperkinetische Syndrome: Chorea, Athetose, Torsionsdystonie, Hemiballismus, Gilles de la Tourette Syndrom
- Schmerzsyndrome
- Neuroleptanalgesie (NLA)
- (postoperatives) Erbrechen

5.6. Nebenwirkungen

1. Motorik Frühdyskinesen, Parkinsonoid, Akathisie,Tasikinesie, Spätdyskinesen
2. Nervensystem Mundtrockenheit, Störung der Harnblasenfunktion, Obstipation, Akkomodationsstörungen
3. Innere Organe Blutdruckregulationsstörungen (Blutdruckabfall, orthostatische Hypotonie), Blutbild: Leukozytopenie, Eosinophilie, Monozytose, Lymphozytose; sehr selten: Agranulozytose, Leberfunktion: Leberzellschädigung (allergisch), Enzymanstieg, intrahepatische Cholestase, Ikterus Hormonhaushalt: Prolaktinanstieg (Gynäkomastie, Galaktorrhoe), Störung der Libido, Orgasmus, Erektion, Ejakulation
4. Sinnesorgane Haut: Allergische Reaktionen, Exantheme, Lichtsensibilisierung, Pigmenteinlagerung
5. Psyche

Müdigkeit, Einschränkung der Konzentrationsfähigkeit, Depression

III. Finaler Teil

Wie schon anfänglich erwähnt stellen Nootropika, Psychostimulanzien, Betarezeptorenblocker, Parkinsonmittel und Antiepileptika eine eigene Gruppe dar. Da sie nicht mehr in den engeren Rahmen der Psychopharmaka gehören aber trotzdem eine psychische Wirkung auf den Organismus ausüben, werde ich sie zwecks der Vollständigkeit in komprimierter Version darstellen.

1. Nootropika

Als Nootropika werden zentralwirksame Substanzen bezeichnet, welche die Hirnleistung, insbesondere Gedächnis, Konzentrations- und Auffassungsfähigkeit, Aufmerksamkeit, Urteilsvermögen und Orientierung verbessern und beeinträchtigte soziale Alltagsaktivitäten beheben können. Es wird vermutet, daß die Nootropika noch funktionsfähige Nervenzellverbände zu optimaler Leistung anregen oder vor pathologischen Einflüssen schützen können. Wichtigste Zielgruppe ist der geriatrische Patient, bei dem im Rahmen eines zerebralen Abbauprozesses psychopathologische und neurologische Störungen im Sinne eines hirnorganischen Psychosyndroms bzw. Demenz vorliegen. Präparate sind: Bufedil®, Sibelium®, Hydergin®, Dusodril®, Nimotop®, Nootrop® u.v.m.

2. Psychostimulantien

Unter der Bezeichnung "Psychostimulantien" werden alle psychisch anregenden, vorwiegend antriebsstimulierenden Pharmaka zusammengefaßt. Synonyme sind Stimulantien, Psychotonika, Energetika und Energizer. Diese Substanzen wirken kurzzeitig leistungs- und konzentrationsstimulierend und mit ihrer Hilfe können Erschöpfungszustände oder Müdigkeit überbrückt werden. Einige von ihnen unterdrücken das Hungergefühl und werden deswegen gerne als Appetitzügler verwendet. In höheren Dosen erzeugen sie ein ausgesprochenes Wohlgefühl und euphorische Zustände. Bei regelmäßiger Anwendung können sie zur Gewöhnung und Abhängigkeit führen. Heute gibt es nur noch zwei Indikationen für die Anwendung von Psychostimuantien: Die Narkolepsie und andere Formen der Hypersomnie sowie das Hyperkinetische Syndrom bei Kindern. Koffein, Alkohol und Nikotin sind ebenso dieser Substanzklasse zuzuordnen wie das Kokain. Hauptvertreter der heute therapeutisch gebräuchlichen Psychostimulantien sind die Amphetaminderivate (auch als ,,Weckamine" bezeichnet), sie sind eng verwandt mit den Katecholamin Ephedrin und sein Wirkmechanismus ist daher sympathomimetisch. Dem Amphetamin verwandte Substanzen sind das Methylphenidat (Ritalin®), Amfetaminil (AN1®), Fenetyllin (Captogon®), Pemolin (Tradon® ) und Prolintan (Katovit®). Fenetyllin und Methylphenidat unterliegen dem Betäubungsmittelgesetz. Letzteres ist die klinisch wohl am besten untersuchte Substanz. Seine Indikation ist vor allem das Hyperkinetische Syndrom. Hier ist eine Suchtgefahr selbst nach mehrjähriger Behandlung nicht gegeben.

3. Betarezeptorenblocker ,,Betablocker"

Betablocker wurden zuerst in der inneren Medizin eingesetzt zur Behandlung bestimmter Formen des arteriellen Bluthochdruckes. Der Wirkmechanismus beruht auf der reversiblen Blockade sogenannter Betarezeptoren; diese befinden sich an der Zellmembran vieler Organe, z.B. Herz, Gefäße, Bronchien, Uterus. Im physiologischen Zustand reagieren diese Rezeptoren auf Stimulation durch die körpereigenen Katecholamine Adrenalin und Noradrenalin welche nach der Aktivierung des Nervus Symphatikus entweder aus den Nervenendigungen oder aus dem Nebennierenmark freigesetzt werden. Indikationen sind das hyperkinetisches Herzsyndrom, ein funktionell bedingtes Krankheitsbild mit anfallsartigen Tachykardien, Hypertonie und herzbezogenen Beschwerden (Engegefühl). Als psychiatrische Indikation sei an dieser Stelle das Angstsyndrom genannt. Stehen bei einem Angstsyndrom die körperlichen Beschwerden im Vordergrund, so bieten sich Betablocker als therapeutische Alternative zu den Benzodiazepinen an. Aber auch NW durch PP wie Tachykardie oder/und durch trizyklische Antidepressiva oder lithium- bedingten Tremor können durch Betablocker reduziert werden.

Neurologisch sind Betablocker bei dem essentiellen Tremor, Parkinson-Tremor und Migräne (Anfallsprophylaxe) indiziert. Zuletzt sei noch auf eine nicht-psychiatrische Indikation hingewiesen: Erwartungs- und Sprechängste wie Prüfungsangst, Lampenfieber und Flugangst (,,Stress-Angst"). Präparate sind: Beloc®, Dociton®, Sotalex®, Trasicor® u.a. Abhängigkeitsentwicklungen sind bisher bei Betablockern nicht bekannt.

4. Sonstige Psychopharmaka in komprimierter Edition

Die folgenden Substanzen stehen im engeren Zusammenhang mit der Psychopharmaka-Therapie; sie entfalten ebenfalls eine eigene psychische Wirkung sind aber schwierig in eine der Psychopharmaka- Gruppen einzuordnen.

4.1. Antiepileptika

Antiepileptika, auch Antikonvulsiva, sind Mittel zur Verhinderung oder Abschwächung zentral bedingter Anfälle. Sie werden in der Behandlung der Epilepsie, eine chronisch zerebrale Funktionsstörung, die durch rezidivierende epileptische zerebrale Anfälle charakterisiert ist, eingesetzt. Antiepileptika sind: Barbiturate (Luminal®), Benzodiazepine (Rivotril®, Mogendan®) u.a.

4.2. Antiparkinsonmittel

Beim Parkinson-Syndrom handelt es sich um eine Degenerationserkrankung der Zellen der Substantia nigra im Mittelhirn die mit einer Reduktion oder einen Ausfall der dopaminergen Systems mit der Folge eines Überwiegens des cholinergen Systems einhergeht.

Parkinson-Mittel sind: Amantadin-ratiopharm®, PK-Merz®, Akineton®, Pravidel®, L-Dopa- ratiopharm® u.a.

4.3. Anticholinergika

Die wichtigsten therapeutisch unerwünschten Wirkungen bei der Neuroleptikamedikation sind die extrapyramidal-motorischen Symptome. Für die Behandlung dieser NW bieten die Anticholinergika eine hervorragende Grundlage, da die neuroleptikabedingte Dopaminrezeptorblockade zu einem relativen cholinergen Übergewicht führt und die Anticholinergika hier für einen Ausgleich sorgen. Die wichtigsten Mittel sind (Antiparkinsonmittel): Akineton®, Cogentinol®, Sormodren®, Artane®, Tremarit®.

4.4. Parasympathomimetika (Cholinergika)

Die vegetativen NW der Antidepressiva sind sehr ausgeprägt und die Begleitwirkungen wie Mundtrockenheit, Obstipation, Harnverhalten und Akkomodationsstörungen (s. Kapitel 3.4.) spielen eine wichtige Rolle. Durch die anticholinerge Charakteristik dieser NW sind die Parasympathomimetika (Cholinergika) - Substanzen, die wie Azetylcholin die parasympathomimetischen Rezeptoren erregen - bei der Therapie mit Antidepressiva immer wieder erforderlich. Die wichtigsten Vertreter dieser Gruppe sind: Doryl®, Mestinon®, Prostigmin®, Ubretid®.

IV. Schluß

Wie meine Aufzählung gezeigt hat, hat sich die Entwicklung der Psychopharmaka seit ihrem Beginn in den 50er Jahren zu einem der wichtigsten Felder der Pharmaindustrie entwickelt. Zweifelsohne sind PP heute aus der Therapie psychischer Erkrankungen nicht mehr wegzudenken. Will man auf diese Medikamente zurückgreifen, so ist stets eine kritische, sorgfältige Auswahl und richtiger Umgang mit ihnen erforderlich.

Auch heute wird weiterhin fieberhaft an der Entwicklung neuer Substanzen gearbeitet, und in naher Zukunft werden sicherlich noch einige bahnbrechende Erfindungen hizukommen und vielleicht bei heute unheilbaren Krankheiten (z.B. Morbus Alzheimer) helfen. Trotzdem sollte man bedenken, daß die PP lediglich nur eine Behandlungsform von psychischen Krankheiten darstellt. Demgegenüber stehen freilich auch andere Therapieverfahren zur Verfügung, dazu zählen: Lichttherapie, Schlafentzug, Ergotherapie, Arbeitstherapie, Milieutherapie, Musiktherapie, Bewegungstherapie, andere körperliche Therapieverfahren (Massagen, medizinische Bäder). So kann Freude am eigenen kreativen Schaffen bei der Ergotherapie entstehen und zudem die Eigeninitiative gefördert werden, eine Lichttherapie kann bei "saisonalen" Depressionen sehr hilfreich sein, in der Arbeitstherapie kann sich der Betroffene in einem Schaffensprozeß erleben. Sie trainiert die Konzentrations- und Arbeitsfähigkeit und erleichtert dem Patienten den Übergang "nach draußen". In der Milieutherapie wird ein möglichst "gesundes" Umfeld - auch im Krankenhaus - geschaffen. Wichtig ist, daß eine humane Atmosphäre herrscht, in der sich zwischenmenschliche Kontakte und ein gesundes Verhältnis zur sozialen Umwelt ausbilden können.

Ich denke, eine Krankheit sollte aus einer ganzheitlichen Sichtweise betrachtet werden so daß man mehrere therapeutische Ansätze in eine Behandlung miteinbezieht, sehr wichtig finde ich auch Hilfen anzubieten, die sich an den Ressourcen des Patienten/ Klienten oder Kunden orientieren.

Unbezweifelbar besitzen PP einen hohen Stellenwert, sie sollten allerdings nicht als Monotherapeutikum eingesetzt werden. In manchen Fällen muß ein Patient sofort sediert werden, damit er sich selbst und anderen keinen Schaden zufügt. In einer solchen Akutsituation sind PP absolut wichtig. Natürlich gibt es noch eine Bandbreite von Beispielen in denen PP einen bedeutenden Beitrag leisten. Nicht von der Hand zu weisen ist der systemische Ansatz. Nach diesem benutzt ein an Schizophrenie Erkrankter seine Krankheit als Bewältigungsstrategie für seinen internen Probleme. Er bewältigt seine (inneren) Probleme, indem er sich eine eigene Wirklichkeit, eine neue nach außen gerichtete Realität, verschafft. Er entwickelt eine Psychose, diese hat für ihn durchaus einen Sinn, denn in seiner eigens konstruierten Welt erlebt er diesen Sinn. Der systemische Ansatz berücksichtigt diese "Sinnhaftigkeit" und räumt dem Patienten eine eigene Entscheidungs- und Einsichtsfähigkeit ein. Der Patient besitzt die Verfügungsgewalt über seine psychische Erkrankung. Der Therapeut kann nun an die Zuständigkeit des Patienten appelieren, so daß dieser selbst entscheiden kann ob er seine Sichtweise, die er selbst erlebt, verändert. Ich kann mir vorstellen, daß sich dieses Therapieverfahren noch durchsetzen wird. Durchaus besitzen die klassische Psychoanalyse, die kognitiven Verhaltenstherapien u.a. ihren Sinn, doch sind sie meistens sehr einseitig; die Probleme aber sind überwiegend vielschichtiger Natur. Ich glaube, daß mit den systemischen Ansätzen eine neue Denkära anbricht, welche womöglich viele bisherigen Therapieverfahren gewaltig in den Schatten stellen könnte.

Literatur

Benkert,O./Hippius,H.: Psychiatrische Pharmakotherapie. Springer-Verlag 1992

Haase, H.-J.: Therapie mit Psychopharmaka und anderen seelisches Befinden beeinflussenden Medikamenten. F.K. Schattenauer Verlag 1977

Irion, R./Oettinger, T. und R.: Fast das gesamte Wissen zum 1.Staatsexamen-ALLES in einem Buch. BON-MED Verlag GmbH & Co. Kg

Küttler, T.: Spezielle Pharmakotherapie. Jungjohann Verlag 1995

Küttler, T.: Pharmakologie und Toxikologie. Jungjohann Verlagsgesellschaft 1992

Laux/Dietmeier/König: Psychopharmaka. Gustav Fischer Verlag 1993

Löffler, G.: Funktionelle Biochemie. Springer-Verlag 1993

Lüllmann, H./Mohr, K./Ziegler,A.: Taschenatlas der Pharmakologie. Thieme Verlag 1994

Marks, J.: Die Benzodiazepine - Gebrauch und Mißbrauch. 1985

Silbernagel, S./Despopoulos, A.: Taschenatlas der Physiologie. Thieme Verlag 1990

Snyder, S.H.: Chemie der Psyche-Drogenwirkungen in Gehirn. Spektrum der Wissenschaft Verlagsgesellschaft 1989

Zehentbauer, J.: Chemie für die Seele. Zweitausendeins 1991

Pschyrembel, W.: Klinisches Wörterbuch. Walter de Gruyter 1986

Internetrecherche

Glossar

agitiert körperlich unruhig

Agranulozytose Zerstörung der Granulozyten durch allergische Reaktion

Akathisie Sitzunruhe

Akkomodation Einstellung des Auges auf die jeweilige Sehentfernung durch

Veränderung der Brechkraft der Linse

Anticholinerga Stoffe, welche die Wirkung von Azetylcholin unterdrücken

Antidot Gegenmittel

antikonvulsiv Krampfanfallverhindernd bzw. -lösend

Anxiolyse Angstlösung, Minderung von Angstgefühle

Amenorrho Ausbleiben der Menstruationsblutung

Ataxie Störung der Bewegungskoordination

Athetose Störung des Bewegungsablaufs

bipolare Depression manisch und depressive Phasen kommen im Wechsel, sehr

selten auch gleichteitig vor

Chorea schnelle, unwillkürliche Muskelkontraktionen,

Diabetes insipidus ,,Wasserdiurese",verstärkte Ausscheidung sehr unkonzentrierten Harns

Diarrhoe Durchfall

Diuretikum harntreibendes Medikament

Eosinophilie starke Verminderung oder Fehlen der Eosinophilen (weiße Blutkörperchen) im Blut

extrapyramidal motorisches System Hirnstrukturen, die für die Steuerung unwillkürlicher Bewegungen verantwortlich sind

exzitatorisch erregend

formatio reticularis Nervenzellgruppen im Hirnstamm, die an der Regulation

motorischer, sensorischer und vegetativer Funktionen beteiligt sind

Frühdyskinesen Bewegundsstörung/Muskelkrämpfe, akut auftretend

GABA Abk. f. Gamma-Amino-Buttersäure; wichtigster hemmender

Neurotransmitter im ZNS, anüber 30% aller Synapsen im

Gehirn soll GABA als Transmitter fungieren

Galaktorrhoe Milchabsonderung aus der weiblichen Brustwarze

Gilles de la Tourette Syndrom extrapyramidal-motorische Erkrankung mit blitzartigen Zuckungen

vorwiegend im Gesichtsbereich, aber auch Hals/Schultern bis zu

einem Bewegungssturm des ganzen Körpers

Gynäkomastie unnatürliche Brustentwicklung bei Männern

Hemiballismus dauernde oder anfallartig auftretende Schleuderbewegungen

einer Körperhälfte

Hepatotoxisch Bezeichnung für Stoffe, die das Parenchym (=spez.Zellen eines Organs, die dessen Funkzion bestimmen) der Leber

schädigen können

Hyperalgesieüberm äß ige Schmerzempfindlichkeit

Hypersomnie Schlafsucht

Hypertonie Bluthochdruck

inhibitorisch hemmend

Ikterus Gelbsucht

intrahepatische Cholestase Gallenstauung innerhalb der Leber, fehlender Abflußvon Galle

Leukozytopenie Verminderung der gesamten weißen Blutkörperchen

Leukozytose Vermehrung der gesamten weißen Blutkörperchen

Lymphozytose Vermehrung der Lymphozyten (= best. Art weißer Blutkörperchen)

Mikrozephalie Verkleinerung von Umfang und Inhalt des Schädels im

Vergleich zu den altersm äß igen Gr öß enverhältnissen der

übrigen Körperteile

Miktionsbeschwerden Blasenentleerungsstörung

Mnestisch das Gedächtnis betreffend

Monozytose Vermehrung der Monozyten (= best. Art weißer Blutkörperchen)

Mydriasis Pupillenerweiterung u.a. durch Sympathikusreizung

Myokardinfarkt Herzinfarkt

Narkolepsie zwanghafte, anfallsweise Schlafanfälle am Tag

von einer Dauer von Minuten bis Stunden

Neurotransmitter Ü berträgersubstanz in ZNS

Neuron Nervenzelle mit allen ihren Fortsätzen

NLA Abk. für Neuroleptanalgesie; narkoseähnlicher Zustand, in dem

Operationen durchgeführt werden können

Obstipation Stuhlverstopfung

Pharmakodynamik Wirkung(en) einer Substanz im Organismus

Pharmakokinetik Einflußdes Organismus auf das Medikament

(Verstoffwechselung)

Poliurie verstärkte Harnausscheidung

Prolaktin Hypophysenvorderlappenhormon welches die weiblichen

Brustdrüsen zur Produktion von Milch anregt

Psoriasis Schuppenflechte

Rigor Muskelstarre

schizoaffektive Psychose phasisch verlaufende Psychosen, bei denen sich

depressive/manische und schizophrenieähnliche Symptome

mischen

Struma Kropf (Schilddrüsenvergr öß erung)

Substantia nigra melaninenthaltige Nervenzellen in einem best. Bereich des

Mittelhirns, gehört auch zum anatomischen Kerngebiet des

extrapyramidalen Systems

sympathomimetisch die Erregung des Nervus Sympathikus betreffend durch

adrenerge Substanzen

Tachykardie schneller Pulsschlag

Tasikinesie Bewegungszwang

Torsionsdystonie langsame, kräftige, drehende Bewegungen im Schultergürtel,

der Gliedmaßen und im Rumpf

unipolare Depression endogene Depression in der die Patienten an wiederholten

depressiven, aber nicht an manischen Phasen erkranken

Uterus Gebärmutter

Vasomotorenzentrum Kreislaufzentrum; ,,Gef äß nervenzentrum" des autonomen

Systems, das die Gef äß e verengt und erweitert

Zerebralskleroseüblicher Ausdruck für die Folgen arteriosklerotischer

Veränderungen der Hirngef äß e, v.a. psychischer Art

[...]


1 Laux/Dietmaier/ König (1993: Seite 8)

2 Laux/ Dietmaier/ König (1993: Seite 23/24)

3 Zitat von K.Dörner und U.Plog: Irren ist menschlich. Rehberg-Loccum (1978)

Ende der Leseprobe aus 28 Seiten

Details

Titel
Psychopharmaka
Hochschule
Hochschule Ludwigshafen am Rhein
Veranstaltung
Studiengang Sozialpädagogik; Fachbereich: Psychologie
Note
gut
Autor
Jahr
1999
Seiten
28
Katalognummer
V96419
ISBN (eBook)
9783638090957
Dateigröße
547 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Psychopharmaka, Studiengang, Sozialpädagogik, Fachbereich, Psychologie
Arbeit zitieren
Inge Martini (Autor:in), 1999, Psychopharmaka, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/96419

Kommentare

  • Gast am 10.11.2008

    Meine Meinung.

    Betr.Meprobamat

    Sehr geehrter Berichtschreiber,

    ich nahm Meprobamat ein seit 1962 bis zur Gesundheitsreform im Jahre 2003 nach einem Schlaganfall mit spastischen Folgeerscheinungen.Ferner einer Spatik im Kopfbereich und einem ausgeprägtem Anfallsleiden.
    Ich war zuvor in Universitätsklinken, Kurheimen und habe jede Form von Anwendungen mitgemacht.
    Ich habe die Rote Liste rauf und runter verschrieben bekommen. Nichts half wirklich bis ich zu guter Letzt das Mittel Meprobat verschrieben bekommen habe. Daraufhin konnte ich sogar einer berufl. Tätigkeit nachgehen, wo ich ganz bestimmt einer überaus konzentrierten Arbeit nachgehen musste. Von wegen Störungen der Aufmerksamkeit habe ich nichts bemerkt. Nach über 30 jähriger Arbeit musste ich meine Tätigkeit wegen der Gesundheitsreform und dem Verbot von Meprobamat aufgeben. Seit dieser Zeit komme ich mir vor wie ein Dahinsiechender. Um nocheinmal daraufhin zu weisen. In dieser Zeit wo ich Meprobamat einnahm wurde ich mehrere Male einem pschologischem Test ausgesetzt, wo man an meiner von Ihnen beschrieben Reaktionzeit nichts auszusetzen hatte. Nach 2003 leide ich vor allem an einem Reizen und Krampfen im Kopf, dass ich nicht einmal meinen schlimmsten Feind wünsche. Selbst einige Neurogen, die mich von früher kannten, hielten diese Entscheidung der Bfarm,Bonn für falsch und gaben nach geziehlten Fragen zu, dass es etwas gleiches jetzt und in ferner Zukunft nicht gibt. Warum sind dann solche Medikamente im Ausland noch erhältlich. Im schlauen Deutschland, wo man nur Gewinnorientiert arbeitet wurde sogar ein freiwilliger Verzicht durch die Pharmaindustrie wegen des geringen Absatzes und hohen Zahlungen für eine Neuzulassung bei der Bfarm gemacht. Nochmals gesagt, seit 2003 leide ich unter den selben Symtomen wie vorher, als ich den Schlaganfall bekam. Ich habe alles, aber auch alles mitgemacht, was man mir angeboten hat. Nichts half
    meine Beschwerden zu liedern. Eines muß ich allerdings zu geben, das eine geringe Abhängigkeit besteht. Aber diese Abhängigkeit ist nichts gegen meine Beschwerden. Ich habe auch nicht gedacht, dass ich so etwas noch einmal bekomme.
    Dittrich

  • Gast am 1.2.2003

    Anmerkung zu "aktuell???".

    Hallo Karsten!

    Das wäre schön, wenn es so wäre. Mich würde mal interessieren, woher Du diese Gewissheit nimmst, denn meine Erfahrung in der beruflichen Praxis (Arbeite als Sozialpädagogin im Anerkennungsjahr im ambulanten betreuten Wohnen für seelisch behinderte Menschen und stehe viel im Austausch mit Berufskollegen) zeigt, dass in viel zu hohem Maße weiterhin mit Leponex gearbeitet wird.
    Der Grund sind die wesentlich höheren Kosten der neuen Medikamente und die beschränkten Etare der Ärzte. Zum Leid der Betroffenen, die weiterhin mit extremen Nebenwirkungen zu kämpfen haben.

  • Gast am 15.8.2002

    nicht mal schlecht.

    nicht mal schlecht

  • Gast am 4.4.2002

    aktuell ????.

    hi,
    schade, dass ich kein datum der veröffentlichung finden konnte.
    mittlerweile (seit ca. 1999) wird in der behandlung von schizophrenen patienten vermehrt eine andere gruppe der neuroleptika eingesetzt. diese nennt man "atypische NL" (zyprexa, seroquel und schon seit den 80er jahren leponex). hochpotente NL mit ihren doch sehr schweren nebenwirkungen geraten immer mehr in den hintergrund.

    karsten

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Titel: Psychopharmaka



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