Nachrichten sind Geschäft


Skript, 2000

3 Seiten


Leseprobe


Nachrichten sind Geschäft

Die Anfänge

Nachrichten sind ein Geschäft. Das wussten schon die Gründer der ersten europäischen Agenturen. Sie waren Unternehmer, hatten kein vorrangiges publizistisches Interesse und wollten Gewinn machen. 1835 gründete Charles Louis Havas die spätere AFP (Agence France Press) in Paris. Erklärtes Ziel war es, dieselbe Nachricht an so viele Kunden wie möglich zu verkaufen. Das erforderte ein hohes Maß an Objektivität, schließlich durfte weder der konservative Bankier noch die linksgerichtete Zeitung verärgert werden. Überall der erste zu sein, das war der Traum von Paul Julius Reuter, der ab 1851 seine Agentur in London aufbaute. Er hatte bei Havas gearbeitet, besaß im Gegensatz zu diesem aber den Ehrgeiz, jede Nachricht schneller als andere Agenturen zu vermitteln. Nur so sei ein gewinnbringendes Geschäft auf die Dauer möglich. Dies hatte zur Folge, dass 1858 erstmalig eine Agenturmeldung berichtigt werden musste. Reuters hatte bei einem Bericht über ein Schiffsunglück den Namen der gesunkenen Fregatte falsch angegeben. Um zu vermeiden, dass einer seiner Kunden sich ungerecht behandelt fühlte, achtete Reuter streng darauf, dass jeder von ihnen seine Nachrichten zur gleichen Zeit bekam. Havas hingegen soll für eine Vorzugsbehandlung bestimmter Firmen am Anfang noch Sondertarife verlangt haben.

Auch der Gründer der ersten deutschen Agentur, Bernhard Wolff, sammelte in Paris seine ersten Erfahrungen mit einer Nachrichtenagentur. Als er 1849 in Berlin Wolffs Telegraphisches Bureau gründete, lieferte er zunächst nur Börsennachrichten. „Kurse fallen regelmäßig zu einer bestimmten Zeit, an einem bestimmten Ort an. Es ist kein langes Suchen notwendig.“ Kunden waren anfangs hauptsächlich Banken und Unternehmen, Zeitungen konnten sich die Agentur kaum leisten. Wolff verfolgte hier als erster eine neue Geschäftsstrategie. Während Havas und Reuters um die Gunst der großen Blätter buhlten, kümmerte sich Wolff vor allem um Regionalzeitungen. Die konnten sich nämlich keine eigenen Korrespondenten leisten. Diese Beispiele sollen zeigen, dass die Richtlinien der Agenturen durch die Gesetze des Marktes geformt wurden. Sie selbst sind ein Resultat des Marktes. Agenturen sind Dienstleistungsunternehmen. Sie existieren als Antwort auf den Stoßseufzer von „Times“ - Manager Mowbray Morris 1853: „Wäre doch der Telegraph nie erfunden worden. Wer soll diese Kosten tragen?“

Das Abonnieren einer Agentur muss sich für ein Medium lohnen. Eine deutsche Tageszeitung mit 100.000 Exemplaren Auflage pro Tag könnte sich von dem Geld mit dem sie den dpa - Dienst bezahlt, gerade drei Korrespondenten leisten. Sollte dies irgendwann nicht mehr so sein, werden die Agenturen in ihrer heutigen Form aufhören zu existieren.

Die angeführten Beispiele zeigen aber auch Probleme im Nachrichtengeschäft auf ,die bis heute Bestand haben. „Der Wettbewerbsdruck war von Anfang bis heute verantwortlich für die Missstände im Nachrichtengeschäft“, kommentiert Peter Zschunke in seinem Buch „Nachrichtenschreiben im Sekundentakt“ das Berichtigen der Reuters - Nachricht von 1858.

Die amerikanische United Press vermeldete 1918 das Ende des ersten Weltkrieges vier Tage früher, 1964 wurde Chruschtschow von den Agenturen für tot erklärt.

Der Konkurrenzkampf der Agenturen untereinander birgt die Gefahr des unsauberen Recherchierens. Das Geschäft zwingt jede einzelne von ihnen, die schnellste zu sein.

Kartell und Konkurrenz

Ab 1858 begannen die europäischen Gründeragenturen ihre Wirtschaftsnachrichten untereinander auszutauschen und miteinander zu nutzen. Ab 1870 teilten dann Associated Press ( erst ab 1900, vorher New York Press Association), Havas, Reuters und WTB die Welt in Einflusssphären auf. Nationale Agenturen konnten ihre Nachrichten dann vom Kartell beziehen.

Diese Teilung hielt jedoch nur so lange sie Gewinn versprach. Nach dem 1. Weltkrieg war die Position des deutschen WTB extrem geschwächt, zudem nahmen die Regierungen der Weimarer Republik sehr starken Einfluss auf die Meldungen des Telegraphischen Bureau.

So schickten vor allem die angelsächsischen Agenturen bald erste Korrespondenten nach Berlin. Auch die Gründung der aufstrebenden amerikanischen United Press im Jahre 1907 trug zur langsamen aber stetigen Auflösung des Kartells bei.

Als die Nationalsozialisten die Macht übernahmen und damit keine Garantie mehr für verlässliche Nachrichten aus Deutschland gegeben werden konnte, fand das Kartell 1934 sein Ende.

Noch heute sind jedoch die Auswirkungen dieser Zeit zu merken, so ist Westafrika z.B. immer noch hauptsächlich das Gebiet der AFP, während der Nahe Osten vorwiegend die Domäne von Reuters ist.

Der nach Ende des Kartells folgende Konkurrenzkampf um Kunden hatte zur Folge, dass die Agenturen sich mehr und mehr nach den Forderungen des Marktes richten und mit besseren Angeboten als ihre Wettbewerber aufwarten mussten. So führte zum Beispiel die AP ab 1927 den ersten Bilderdienst einer Agentur ein.

Unabhängigkeit?

Die Agenturen reklamieren gern für sich, dass sie unabhängig arbeiten. Ihre Nachrichten sollen ohne Einflussnahme irgendeiner Interessengruppe zum Empfänger gelangen, damit dieser sich ein möglichst objektives Bild von den für ihn wichtigen Geschehnissen machen kann.

Im Selbstverständnis der Nachrichtenagenturen des Ostblocks, wie TASS oder ADN war dies nicht so, aber das Berufsbild sozialistischer Journalisten soll hier unberücksichtigt bleiben.

Wolffs Telegraphisches Bureau schloss einige Jahre nach seiner Gründung einen Zehnjahresvertrag mit dem preußischen Staat. Dieser erlaubte es dem WTB das Telegraphennetz Preußens zu nutzen, einer der Hauptgründe, warum es der Agentur gelang den Konkurrenten Reuters vom deutschen Markt zu verdrängen. Dafür erlaubte Wolff Eingriffe der kaiserlichen Regierung in seine Berichterstattung. Das WTB hatte Deutschland und auch seine Wirtschaft zu schützen. 1907 wurde der verantwortliche Direktor gemaßregelt, weil eine gegen die Firma Krupp gerichtete Erklärung der griechischen Regierung an die deutsche Presse weitergeleitet worden war.

Bevor 1911 Rockefellers Standard Oil in 30 verschiedene Gesellschaften aufgeteilt wurde, weil der Ölriese 90 Prozent des amerikanischen Marktes kontrollierte, wurde mindestens ein Reporter von der Standard Oil bestochen. Er sollte die Berichterstattung positiver für den Konzern ausfallen lassen. Einem Redakteur fielen die geschönten Nachrichten jedoch auf und diese gelangten nie an die amerikanischen Zeitungen. Manchmal versuchten Staaten Einfluss auf die Agenturen zu nehmen, indem sie zu guten Kunden werden. Bis in die 80er Jahre hinein bestanden die Einnahmen von AFP zu 52 Prozent aus Geldern des französischen Staates. Dafür repräsentierte die Agentur das Bild Frankreichs in „angemessener Weise“.

Auch Reuters erhielt bis zur Umwandlung in eine Aktiengesellschaft 1986 vom britischen Foreign Office Finanzspritzen im Werte von 296.000 Pfund im Jahr.

Nachrichten können zum Vor- oder Nachteil eines Geschäftes werden, darum wird immer wieder versucht sie zu beeinflussen.

Andrerseits haben Agenturen ein Beeinflussen in Kauf genommen, um ihrerseits ein besseres Geschäft mit der Nachricht machen zu können.

Im Computer- und Internetzeitalter

Im Zeitalter des Internet tauchen neue Probleme auf. Die großen Agenturen werden von ihren Kunden oftmals als zu schwerfällig angesehen und als zu teuer. Besonders auf dem Markt der Finanzdaten ist ein heißer Kampf zwischen Marktführer Reuters und kleineren Agenturen wie Bloomberg und Dow Jones entbrannt. Lex Fenwick, der Europa - Manager von Bloomberg meint dazu: „20.000 Dollar, eine eigene Homepage, ein paar Journalisten und fertig - schon haben sie ihre eigen Agentur.“ Ob bei einem solchen Geschäftsgebaren noch Wahrhaftigkeit und Glaubwürdigkeit gewährleistet werden kann, ist fraglich.

Das traditionelle Geschäft mit den Medien wird für die klassischen Nachrichtenagenturen immer zu einem

„Nebenjob.“ Am deutlichsten ist dies bei Reuters zu beobachten. Von drei Milliarden Pfund Jahresumsatz werden nur 7% mit dem traditionellen Verkaufen von Nachrichten verdient. Den Großteil des Umsatzes, nämlich 1,7 Milliarden Pfund, macht die Agentur wie vor 150 Jahren mit dem Handel von Finanzinformationen. 800 Millionen US-Dollar will der weltweit größte Datenhändler in den nächsten vier Jahren investieren, um die Umwandlung in eine Internet - Firma voran zu treiben. Wirtschaftsinformationen sollen dann nicht mehr an Medienunternehmen verkauft werden, die diese dann aufbereiten und verkaufen. Dies will Reuters dann selbst übernehmen, die Agentur wird zum Konkurrenten ihrer Kunden.

Aber auch die Kleinen reagieren. So versucht die Schweizerische Depeschen Agentur (SDA) Kunden im PR-

Bereich zu gewinnen. „Die Wachstumsbranche“, glaubt SDA - Marketingleiter Markus Reck. Zusätzlich wurden die Online-Dienste Elias und SwissWeb gegründet

Die Deutsche Presse Agentur hat mit alphanews eine eigene werbefinanzierte Internetzeitung gegründet. Den deutschen Marktführer im Nachrichtengeschäft drohen hohe Umsatzeinbußen. Die „Rheinpfalz“, „Die Freie Presse“ und die „Lausitzer Rundschau“ sind nur einige Beispiele für verlorene Kunden. Im wachsenden Konkurrenzkampf mit den aktuelleren Medien Fernsehen und Rundfunk setzen vor allem lokale Medien auf eigenes Profil und wollen sich vom „Nachrichtengroßhandel“ abkoppeln.

Quellen:

Peter Zschunke: Agenturjournalismus. Nachrichtenschreiben im Sekundentakt. München 1994 Manfred Steffens: Nachrichten als Geschäft.

Siegfried Weischenberg: Journalistik 2 . Opladen 1995

www.tages-anzeiger.ch/archiv/99juli/990703/191785.HTM www.gnn.de

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Details

Titel
Nachrichten sind Geschäft
Hochschule
Universität Leipzig
Veranstaltung
Seminar: Agenturjournalismus
Autor
Jahr
2000
Seiten
3
Katalognummer
V96592
ISBN (eBook)
9783638092685
Dateigröße
327 KB
Sprache
Deutsch
Anmerkungen
Ein zweiseitiges Skript zum Geschäft um und mit der Nachricht. Für ein wirklich differenziertes und kompetentes Bild zu dem Thema lesen sie bitte die angegebene Literatur.
Schlagworte
Nachrichten, Nachrichtenagenturen
Arbeit zitieren
Daniel Schulz (Autor:in), 2000, Nachrichten sind Geschäft, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/96592

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