Wahrheitstheorien und politikwissenschaftliche Praxis - Eine Positionsbestimmung in Anschluß an Michel Foucault


Hausarbeit (Hauptseminar), 2000

45 Seiten, Note: 1,0


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

I. Einleitung

II. Das Problem der Wahrheit aus Foucaultscher Perspektive

A. Die Defizite klassischer Wahrheitstheorien
1. Korrespondenztheorie der Wahrheit
2. Konsenstheorie
3. Kohärenztheorie

B. Foucaults Fragestellung

III. Foucaults Wahrheitskonzeption

A. Archäologie
1. Diskurs
2. Episteme

B. Genealogie der Macht
1. Macht als Kräfteverhältnis
2. Monismus der Macht
3. Verschränkung von Macht, Wissen und Wahrheit
a) Kritik des Ideologiebegriffes
b) Macht konstituiert Wissen - mittels Wahrheit
c) Kein Wissen ohne Machtwirkungen
4. Macht ist produktiv
5. Wahrheitsregime und Biomacht

IV. Foucaults Wahrheitskonzeption und kritische politikwissenschaftliche Praxis

A. Das Problem des Wahrheitsstatus von Foucaults Wahrheitskonzeption

B. Foucaults Wahrheitskonzeption als heurisitsches Prinzip

C. Konsequenzen für die politikwissenschaftliche Praxis

V. Resümee

VI. Anhang

VII. Literaturverzeichnis

I. Einleitung

Ausgangspunkt für diese Arbeit ist ein Paradox, das sich bei der Lektüre von Michel Foucaults Abhandlung Die Ordnung des Diskurses aufdrängt: Einerseits scheint seine Wahrheitskonzeption und das Instrument der Diskursanalyse eine neue Dimension der Kritik gesellschaftlicher (Macht-) Verhältnisse für die Politikwissenschaft zu eröffnen.1 Anderseits scheint die Radikalität von Foucaults Theorie jegliche emanzipatorische Gesellschaftskritik zu desavouieren, indem sie Wahrheitsansprüche auf ihre spezifisch historischen, diskursimmanenten Bedingungen und den Machtwillen zurückführt. Zugespitzt hieße dies, daß sich aus Foucaults Analyse keine Kriterien, Normen und Argumente ableiten lassen, aufgrund derer beispielsweise eine demokratische Gesellschaftsordnung einer autoritäreren vorgezogen werden könnte.2 Aus diesen beiden unterschiedlichen Foucaultrezeptionen resultieren auch die divergierenden politischen Einordnungen Foucaults sowohl als ,,Kypto-Marxisten" als auch ,,Gaullisten".3

Die Grundlagen dieses Paradoxes werden in dieser Arbeit anhand von Foucaults Wahrheitskonzeption analysiert: Zum einen wird dieser Ansatzpunkt gewählt, weil Foucault sein Werk rückblickend als das Projekt einer ,,Geschichte der Wahrheit"4 beschreibt und sich somit anhand des Wahrheitsbegriffes seine zentralen Gedanken herausarbeiten lassen müßten. Zum zweiten bietet die Auseinandersetzung mit der Foucaultschen Wahrheitskonzeption die Gelegenheit, den Status des Wahrheitsbegriffes für eine kritische politikwissenschaftliche Praxis zu reflektieren. Dabei wird das dieser Arbeit zugrunde gelegte Verständnis von Politikwissenschaft hinterfragt, das deren Aufgabenstellung darin verortet, dazu beizutragen ,,alle Verhältnisse umzuwerfen, in denen der Mensch ein erniedrigtes, geknechtetes, ein verlassenes, ein verächtliches Wesen ist."5

Um diesem Anspruch gerecht zu werden, gliedert sich die Arbeit in drei Teile:

Die theoretische Sprengkraft des foucaultschen Ansatzes wird im ersten Teil der Arbeit verdeutlicht, indem das Wahrheitsproblem und seine Lösungsversuche anhand der hier als klassisch bezeichneten Korrespondenz-, Konsens- und Kohärenztheorien der Wahrheit umrissen werden. Zugleich werden deren theoretische Probleme aus einer Foucaultschen Perspektive benannt. Nachdem so ein Vorverständnis für Foucaults Forschungsinteresse entwickelt wurde, wird im zweiten Teil der Arbeit Foucaults Wahrheitskonzeption dargestellt. Hier werden zunächst die zentralen Ergebnisse von Foucaults Archäologie wiedergeben, um sodann nach einer Analyse der Fehlstellen dieses Konzeptes zur Analyse der Macht überzuleiten, die anhand von vier Charakteristika vorgestellt wird. Die Untersuchung gruppiert sich dabei um den Text Die Ordnung des Diskurses, da sich in ihm der Übergang Foucaults von einer Archäologie hin zu Genealogie widerspiegelt. Auf Basis von Überwachen und Strafen und Der Wille zum Wissen wird die Weiterentwicklung der Foucaultschen Machtheorie im Hinblick auf die Wahrheitsproblematik nachgezeichnet.6 Sofern dies die Foucaultschen Ausführungen erlauben, wird dabei die politikwissenschaftliche Praxis explizit reflektiert. Im dritten Teil wird sodann im Hinblick auf die eingangs angeführte Paradoxie gefragt, welche Probleme sich aus Foucaults Ansatz ergeben und welche Konsequenzen seine Theorie für die politikwissenschaftliche Praxis hat. Dieser Teil gruppiert sich um die Frage des Wahrheitsstatus von Foucaults Theorie. Dabei wird die These begründet, daß sich die eingangs angeführte Paradoxie produktiv auflösen läßt, insofern Foucaults Wahrheitskonzeption auf sein Werk selber angewendet wird und die Wahrheitskonzeption somit als heuristische Hypothese kritische politikwissenschaftliche Analysen schärft.

Wie gezeigt wird, kann somit folgerichtig das Ziel der Arbeit nicht eine methodische Handreichung sein, die aus der Kritik Foucaults abgeleitet werden kann. Dies liegt jedoch auch darin begründet, daß es für eine konsistentere Theoretisierung des Wahrheitsbegriffes in der Politikwissenschaft an dieser Schnittstelle von Wissenschaftstheorie, Philosophie und Politik notwendig wäre, die wissenssoziologischen Forschungen z.B. Bachelards7, Feyerabends8, Mannheims9, aus der marxistischen Tradition10 sowie die Aufklärungskritik der Kritischen Theorie vergleichend miteinzubeziehen. Hier können nur Stich punkte geliefert werden, die bei der konkreten politikwissenschaftlichen Arbeit mit zu bedenken sind.

II. Das Problem der Wahrheit aus Foucaultscher Perspektive

A. Die Defizite klassischer Wahrheitstheorien

Mit der Charakterisierung seines Werkes als Geschichte der Wahrheit grenzt Foucault sich explizit von Wahrheitstheorien ab, die auf Kant zurückgehend als ,,Analytik der Wahrheit" danach fragen, ,,unter welchen Bedingungen eine wahre Erkenntnis möglich ist."11 Den Ursprung des Wahrheitsproblems verortet Foucault allerdings schon in der antiken parrhesia (»Wahrsprechen) zu dem Zeitpunkt, als mit der attischen Demokratie dieses Wahrsprechen nicht mehr eindeutig Philosophen zugeschrieben werden konnte, sondern die Äußerungen aller Leute denselben Anspruch auf Wahrheit erhoben. Somit ergab sich zum einen die Frage nach dem richtigen Argumentationsverfahrens zur Wahrheitsfindung. Zum anderen eröffnet sich hier schon die Frage, worin für Individuen und Gesellschaften die Bedeutung von parrhesia liegt, und wie Wahrsprechende erkannt werden können. Aus der ersten Frage resultiert die Analyseform der Wahrheit, wie sie von den klassischen Wahrheitstheorien systematisch betrieben wird. Aus der zweiten Frage entwickelte sich nach Foucault die kritische Tradition in der abendländischen Philosophie.12

Kennzeichen von Wahrheitstheorien im allgemeinen sind mit unterschiedlicher Schwerpunktsetzung die Beantwortung der fünf Fragekomplexe:

1. Was ist Wahrheit?
2. Was ist das Kriterium von Wahrheit?
3. Welche Methodik wird zur Wahrheitsfindung angewandt (induktiv, deduktiv, dialektisch)?
4. Was sind die historischen, sprachlichen, religiösen, politischen etc. Bedingungen von Wahrheit?
5. 4. Was ist die Relevanz von Wahrheit?13 Hierbei können die einzelnen Theorien danach unterschieden werden, ob sie einen absoluten oder relativen Wahrheitsbegriff beinhalten.14 Foucaults Werk läßt sich vorwiegend der vierten und fünften Fragestellung zuordnen. Deshalb soll in Abgrenzung zu den klassischen Theorien der Wahrheit, die primär die Fragen eins und zwei behandeln, bei Foucaults Ansatz von Wahrheitskonzeption gesprochen werden.

Im folgenden werden die wichtigsten philosophischen Wahrheitstheorien skizziert und deren Defizite im Hinblick auf den Foucaultschen Ansatz herausgearbeitet, um so den theoretischen Ort von Foucaults Fragestellung zu bestimmen. Wie Foucault diese schließlich bearbeitet, wird im darauf folgenden Kapitel dargelegt.

1. Korrespondenztheorie der Wahrheit

Die Ursprünge der ältesten und dem Alltagsverstand naheliegendsten Korrespondenztheorie der Wahrheit reicht zurück bis auf Aristoteles und Platon.15 Thomas von Aquin formulierte Wahrheit als ,,adequatio intellectus et rei", als die Angleichung des Verstandes und des Dinges aneinander.16 Gemeinsam ist allen Richtungen der Korrespondenztheorie der Wahrheit von der ontologisch-methaphysischen Auffassung17, über materialistische Ausarbeitungen18 bis hin zu Poppers aproximationstheoretischem Ansatz19 und Tarskis semantischer Theorie der Wahrheit,20 daß sie eine Aussage genau dann als wahr definieren, wenn sie mit dem Sachverhalt übereinstimmt.21 Gemeinsam ist allen dieser Richtungen ebenfalls ihr immanenter Fortschrittsgedanke: Das Telos wahre Erkenntnis erreichen Menschen durch Praxis 22 im Verlauf ihrer geschichtlichen Entwicklung oder sie kommen ihm zumindest näher durch Falsifizierung bisher als wahr erachteter Hypothesen. Neben den Problemen, welche die Begriffe der Praxis23 oder Falsifizierung24 als Kriterien der Wahrheit in sich bergen, muß hinsichtlich Foucaults Konzeption eingewandt werden, daß die Wissenschaftsgeschichte keineswegs einen kontinuierlichen Erkenntnisfortschritt nahelegt. Vielmehr wechseln sich Paradigmen von dem, was als wahr bezeichnet wird, historisch ab. Diese Paradigmen sind jeweils durch eine gemeinsame Sprache und Methodik sowie spezifische Problemstellungen und metaphysische Vorstellungen gekennzeichnet.25 Ebenso wurde im Zuge des linguistic turns in der Philosophie die Sprache als universales Medium der Philosophie mit ihren Determinanten, Verwendungsweisen und Strukturen in den Mittelpunkt der wahrheitstheoretischen Diskussion gerückt, da Wahrheit, sei sie nun objektiv oder intersubjektiv verstanden, nur in Sprache ausgedrückt werden kann, indem Aussagen über die Welt gemacht werden.26 Jegliches korrespondenztheoretische Kriterium für die Übereinstimmung von Aussage und Wirklichkeit muß selber als wahr vorausgesetzt werden, da es nicht außerhalb von Sprache aus der Wirklichkeit gewonnen werden kann.

2. Konsenstheorie

Konsenstheorien der Wahrheit versuchen diese Mängel der Korrespondenztheorie zu beseitigen, indem Wahrheit transzendentalpragmatisch als intersubjektiver Konsens einer unbegrenzten ForscherInnengemeinschaft aufgefaßt wird.27 Habermas hat diese Theorie am präzisesten gefaßt, indem er die Bedingungen aufzeigt, unter denen dieser Konsens herstellt werden muß, damit das Ergebnis dieser Konsenssuche als Wahrheit bezeichnet werden kann: Die Unterstellung einer ,,idealen Sprechsituation" soll hierbei den infiniten Regreß vermeiden helfen, daß jeweils über die Bedingungen, unter denen ein Konsens als wahr bzw. falsch angesehen wird, auch wieder erst ein Konsens innerhalb der Scientific Community erzielt werden müßte.

Die Kriterien28 dieser idealen Sprechsituation zielen einerseits darauf ab zu erklären, warum überhaupt in der Alltagspraxis beständig ein solcher Konsens hergestellt wird, und warum sich jedeR zutraut, einen wahren von einem falschen Konsens zu trennen. Die ideale Sprechsituation ist notwendige Bedingung vernünftigen Argumentierens. Andererseits bietet sie einen kritischen Maßstab, bei dessen Mißachtung Wahrheitsansprüche bestritten werden können.29

Aus der Perspektive Foucaults ist vor allem ein Punkt an der Theorie Habermas' fragwürdig:30 Obwohl Habermas eingesteht, daß in keinem empirischen Fall eindeutig festgestellt werden kann, ob die ideale Sprechsituation zur Wahrheitsfindung vorgelegen hat, behauptet er, die Unterstellung der idealen Sprechsituation ,,kann, muß aber nicht kontrafaktisch sein".31 Daß die ideale Sprechsituation prinzipiell jemals realisiert werden kann, ist für Foucault jedoch utopisch.32 Die Vernunft, die Habermas' Diskursbegriff impliziert, kann nicht vorausgesetzt werden, sondern ist im Gegenteil historisch kontingent. Gerade durch das Kriterium der Suspendierung von Handlungszwängen in der Idealen Sprechsituation übersieht Habermas, daß Wahrheit aufgrund von bestimmten Strukturen und Interessen geltend gemacht wird sowie Funktionen erfüllt, die nicht unabhängig von Handlungszwängen analysiert werden können.

3. Kohärenztheorie

Ähnlich gelagert sind die Probleme der Kohärenztheorie.33 Neurath umreißt prototypisch die Kohärenztheorie folgendermaßen, wobei er Wissenschaft als ein System von Aussagen auffaßt:

,, Aussagen werden mit Aussagen verglichen, nicht mit `Erlebnissen', nicht mit einer Welt, noch mit sonst etwas. Alle diese sinnleeren Verdoppelungen gehören einer mehr oder minder verfeinerten Metaphysik an und sind deshalb abzulehnen. Jede neue Aussage wird mit der Gesamtheit der vorhandenen, bereits miteinander in Einklang gebrachten, Aussagen konfrontiert. Richtig heißt eine Aussage dann, wenn man sie eingliedern kann. Was man nicht eingliedern kann, wird als unrichtig abgelehnt. Statt die neue Aussage abzulehnen, kann man auch, wozu man sich im allgemeinen schwer entschließt, das ganze bisherige Aussagensystem abändern, bis sich die neue Aussage eingliedern läßt."34

Wovon hängt es jedoch neben den von Neurath, Rescher35 und anderen KohärenztheoretikerInnen untersuchten logischen Bedingungen ab,36 daß eine Aussage eingegliedert wird? Warum entschließt sich eine Wissenschaft nur schwer, ihr bisheriges Aussagensystem abzuändern? Diese Fragen führen mit Foucault auf die machtanalytische Dimension von Wahrheit und Wissen,37 die von KohärenztheoretikerInnen ausgeblendet bleibt.

Nach diesem kursorischen Überblick über die wichtigsten klassischen Wahrheitstheorien38 kann im folgenden Foucaults Ansatz dargestellt werden. Dabei handelt es sich nicht um eine neue Theorie der Wahrheit, welche die logisch-philosophischen Defizite der hier dargestellten klassischen Wahrheitstheorien ausräumt, sondern um eine Explikation ihrer gesellschaftstheoretischen Defizite und damit um eine Kritik des philosophischen Wahrheitsbegriffes selber.

B. Foucaults Fragestellung

Durch die Fragen an die klassischen Wahrheitstheorien wurde deutlich, daß Foucault eine Verschiebung des Wahrheitsproblems vornimmt: Er gibt nicht Definitionen und Kriterien zur Wahrheitsfindung an. Statt dessen fragt er nach den institutionellen Bedingungen und epistemologischen Strukturierungen, aufgrund derer eine Aussage zu einem bestimmten Zeitpunkt als wahr angesehen wird:

,,`Wahrheit' ist zu verstehen als ein Ensemble von geregelten Verfahren für Produktion, Gesetz, Verteilung, Zirkulation und Wirkungsweise der Aussagen."39

Darüber hinaus beschäftigt er sich mit den Ursachen und Wirkungsweisen des Strebens nach Wahrheit in der abendländischen Geschichte. Inwieweit es sich bei Foucault um eine folgerichtige Forschungskonzeption40 oder um einen von Brüchen und Sackgassen41 gekennzeichneten Forschungsweg handelt, soll dabei nicht entschieden werden, vielmehr werden die unterschiedlichen Akzentuierungen seiner Kritik des Wahrheitsbegriffs beleuchtet: Foucault begreift Wahrheit einmal als Effekt einer diskursiven Ordnung, die mit Hilfe der Archäologie herausgearbeitet wird. Zum anderen erforscht er das Phänomen der Wahrheit als Produkt eines Macht-Wissenskomplexes, was er in der Genealogie darstellt.

III. Foucaults Wahrheitskonzeption

A. Archäologie

1. Diskurs

Da Foucault die Stellung der Wahrheit innerhalb von Diskursen analysiert, ist es vorab notwendig, den Diskursbegriff zumindest vorläufig zu klären. Der Begriff des Diskurses ist bei Foucault gekennzeichnet von Uneindeutigkeit. Er bezeichnet mit Diskurs einmal alles, was ,,an Zeichenmengen produziert worden" ist.42 Zum anderen, und dies ist Foucaults dominierende Verwendungsweise, ist Diskurs ,,eine Menge von Aussagen, die einem gleichen Formationssystem zugehören." Formationssystem meint dabei die Verbreitungs- und Verteilungsprinzipien von Aussagen. So unterscheidet Foucault angesichts unterschiedlicher wissenschaftlicher Erkenntnisfelder den klinischen vom ökonomischen Diskurs, den Diskurs von der Naturgeschichte vom psychiatrischen.43

Beruhend auf dem Prinzip der Seltenheit, das beinhaltet, ,,daß nie alles gesagt worden ist" im ,,Verhältnis zu dem, was in einer natürlichen Sprache hätte ausgesagt werden können", untersucht Foucault die einzelnen Diskurse. 44 Im Gegensatz zu hermeneutischen Ansätzen betrachtet er Aussagen allein in ihrer ,,Positivität", d.h. er analysiert sie in ihrer Differenz zu andern Diskursen unter Absehung ihrer tieferen Bedeutungen und Intentionen.45 Er fragt, wie es dazu kommt, daß eine bestimmte Aussage in einer historischen Situation erscheint und warum nicht eine andere.46 So analysiert er in Wahnsinn und Gesellschaft und Die Geburt der Klinik die Regeln und Konstellationen, durch die der medizinische Blick mit seiner Terminologie in Abgrenzung zu überkommenen Vorstellungen auftaucht.47 Da Foucault Diskurse als soziale Praktiken begreift, ist ebenso die Beziehung der Diskurse zu nicht-diskursiven Praktiken zu berücksichtigen.48 Die unbewußten Strukturen, welche die jeweiligen Diskurse hervorbringen, will er in einer ,,Ethnologie unserer eigenen Gesellschaft"49 aufzeigen. Dies geschieht unter Rückgriff auf die Ethnologie Claude Lévi-Strauss', die Psychoanalyse von Jacques Lacan und die Linguistik von de Saussures.

2. Episteme

Diese basalen methodischen Überlegungen führen Foucault zum Begriff der Episteme. Darunter versteht er die Gesamtheit der diskursiven Regelmäßigkeiten, die zu einer gegebenen Zeit in den Wissenschaften vorgefunden werden können. Diese Regeln grenzen die unterschiedlichen Wissenschaften voneinander ab und definieren den Modus, nach denen Diskurse als wahr bzw. wissenschaftlich anerkannt werden. Somit versucht Foucault eine Erkenntnisordnung zu bestimmen, die als Raster den Erkenntnisobjekten vorgeordnet ist. Praktisch analysiert Foucault die Episteme in Die Ordnung der Dinge anhand des abendländischen Denkens von der Renaissance bis zur Neuzeit. Dabei zeigt er ausgehend von dem Beispiel einer chinesischen Enzyclopädie, in der Tiere nach den Kriterien wie dem Kaiser gehörig, einbalsamiert, gezähmt klassifiziert werden,50 daß die Vernunft in keiner bestimmten Form vorausgesetzt werden kann. Die heutige Form bildete sich demnach in Europa über die Epistemen der Repräsentation, Klassifikation und Menschen historisch erst heraus, wie er anhand der Entwicklung der Naturwissenschaften, Sprachwissenschaft und Ökonomie in Die Ordnung der Dinge zeigt. Mit der Entdeckung des Menschen konstituierte sich einmal die moderne Erkenntnistheorie, in welcher der Mensch Ausgangspunkt und Subjekt jedweder Erkenntnis ist, gleichzeitig wurde mit der Herausbildung der Humanwissenschaften der Mensch Gegenstand wissenschaftlicher Erkenntnis.51 Indem Foucault somit die Bedingungen des Diskurses aufweist, verweist seine Philosophie auf den Begriff der Relation oder der Struktur.

,,Anstelle einer Welt, die aus Subjekten oder Objekten oder ihrer Dialektik besteht, oder einer Welt, in der das Bewußtsein seine Objekte im vorhinein kennt, sich auf sie richtet oder das ist, was die Objekte aus ihm machen, haben wir es hier mit einer Welt zu tun, in der die Relation zuerst kommt: Es sind die Strukturen, die der Materie objektive Gesichter verleihen."52

Insoweit ist die Einordnung Foucaults als Strukturalist gerechtfertigt. Analysiert er in Wahnsinn und Gesellschaft praktische Ausschlußstrukturen von dem, was als Wahrheit und Vernunft betrachtet wird, untersucht er linguistisch orientiert in der Archäologie des Wissens und der Ordnung der Dinge die epistemischen Integrationsstrukturen. Jedoch verwehrt er sich gegen das Etikett des Strukturalismus, da er als Archäologe im Gegensatz zu Strukturalisten wie Levi-Strauss und de Saussures den Status der Wissenschaft als solche in Frage stellt. Dieser wird von Strukturalisten statt dessen unreflektiert als objektiv vorausgesetzt, um von dieser scheinbar gesicherten Grundlage universelle Strukturen zu erforschen.53 Zusammenfassend kann somit gesagt werden, daß die archäologische Diskursanalytik zu einer erkenntniskritischen Position führt, welche das Subjekt seiner zentralen Stellung beraubt. Foucault verdeutlicht die komplexen und regelmäßigen Beziehungen zwischen Diskurspraktiken und dem, was als Objekt oder Subjekt erkannt wird sowie was als wahr erachtet wird.54

B. Genealogie der Macht

Wurde von Foucault in der Archäologie das Wahrheitsproblem als Zusammenspiel von Diskursen und epistemischer Ordnung dargestellt, so vollzieht Foucault in Die Ordnung des Diskurses eine theoretische Wende hin zur Analyse der Beziehung zwischen Wissen, Wahrheit und Macht. Diese wird in der Archäologie zwar schon angedeutet, jedoch kehrt sich mit Die Ordnung des Diskurses das Bedingungsverhältnis radikal um: Hängen in der Archäologie die nicht-diskursiven Praktiken vor allem von den inneren Formationsbedingungen der Diskurse ab, so sind hier nun die Diskurse Ausfluß der Machtverhältnisse in der außerdiskursiven Sozialordnung.55 So definiert Foucault die Genealogie als Formgeschichte der Konstituierung von Wissen56. Dabei ist dieses im wissenschaftlichen Diskurs generierte Wissen Konstiuens der Macht und wirkt machteffektivierend. Wahrheit ist hier somit sowohl Resultat als auch Instrument zur Herstellung der jeweiligen gesellschaftlichen Machtverhältnisse:

,,Ich glaube wichtig ist, daß die Wahrheit nicht außerhalb der Macht steht und auch nicht ohne Macht ist [...].Die Wahrheit ist von dieser Welt. Sie ist kraft vielfältiger Zwänge produziert und besitzt geregelte Machteffekte."57

Die Gründe für diese Verschiebung sind zum einen innertheoretischer Natur: Foucault kann diskursimmanent nur unzureichend in der Archäologie die Gründe für die Übergänge von einer Episteme zu einer anderen erklären.58 Ebenso vermag er nicht zu vermitteln, wieso die beobachteten formalen Regelmäßigkeiten, welche eine Episteme konstituieren, gleichzeitig Ursache dieser Regelmäßigkeiten sein können.59

Zum anderen wird mit der Niederlage der 68er Revolte Foucault die Überbetonung sprachlicher Strukturen deutlich: Die Art und Weise, in der die etablierten Herrschaftssysteme gegen radikale Oppositionsbewegungen effektiv vorgingen, ließ im Gegenzug die Machtproblematik hervortreten, die mit einem orthodoxen Marxismus nicht zu fassen waren.60

Im folgenden werden die vier wichtigsten Charakteristika der Genealogie skizziert, und zwar zuerst Foucaults Deutung von Macht als Kräfteverhältnis, zweitens seine monistische Konzeption der Macht, drittens die sich daraus ergebende Verschränkung von Macht und Wissen sowie viertens die Produktivität der Macht. In dem Konzept der Biomacht werden diese Aspekte abschließend zusammengefaßt.

1. Macht als Kräfteverhältnis

Zentrales Paradigma zur Machtanalyse ist für Foucault in Rekurs auf Nietzsche und in Abgrenzung zur Archäologie der Kampf:61

,,Auf was man sich meiner Meinung nach [in der Gesellschaftsanalyse M.B.] beziehen muß, ist nicht das große Modell der Sprache und der Zeichen, sondern das des Krieges und der Schlacht. Die Geschichtlichkeit, die uns mitreißt und uns determiniert, ist eine kriegerische; sie gehört nicht zur Ordnung der Sprache."62

Politik wird als Fortsetzung des Krieges mit anderen Mitteln betrachtet.63 Somit deutet Foucault Macht als ,,Kräfteverhältnisse"64 und ,,Mechanismen"65, die eine Gesellschaft strukturieren, indem sie Verhalten oder Diskurse induzieren. Kennzeichen der so verstandenen Macht ist, daß sie nicht Eigentum oder Privileg einer Person oder Gruppe ist, die angehäuft oder besessen werden kann.66 Vielmehr kommt die Macht ,,von unten"67 und wird selbst in den intimsten Beziehungen zwischen Menschen ausgeübt. Verfestigen sich bestimmte Machtverhältnisse zwischen Personen oder Gruppen, kann es zu ,,Kristallisierungen" wie gesellschaftlichen Hegemonien, Institutionen oder dem Staat kommen. Deren Macht beruht aber immer auf der beständigen Reproduktion von Machtverhältnissen in den alltäglichen Auseinandersetzungen, den diskursiven wie nicht-diskursiven Praktiken auf der Mikroebenen der Gesellschaft.68

2. Monismus der Macht

Aus dieser Dezentrierung von Foucaults Machtkonzeption, die sich abwendet von den konventionellen Machtzentren wie dem Staat, wirtschaftlichen oder religiösen Oligarchien hin zu einer relationalen Macht, die netzwerkartig Gesellschaft und Individuen durchzieht, folgt, daß ,,die Macht überall [ist]".69 Es gibt ,,kein Außen".70 Dies impliziert, daß die Macht sowohl nicht-subjektiv wie intentional ist. Einerseits sind die Machtbeziehungen an die individuellen Ziele, Strategien, Kalküle und Absichten der Individuen gebunden, anderseits resultieren diese Absichten nicht aus dem freien Willen der Individuen, und die Machtbeziehungen sind nicht an bestimmte Akteure gebunden.71 Weil Macht überall ist, kann Widerstand auch nur innerhalb der Macht praktiziert werden, gleichzeitig ist Widerstand ,,das nicht wegzudenkende Gegenüber" der Machbeziehungen, der sich ebenfalls quer durch die Institutionen oder gar Individuen zieht.72

Foucaults Schriften sind allerdings noch bis hin zur Ordnung des Diskurses von Dualismen gekennzeichnet, indem er beispielsweise in Wahnsinn und Gesellschaft die Herausbildung der neuzeitlichen Vernunft der damit verbundenen Ausgrenzung des so konstituierten Wahnsinns gegenüberstellt oder der repressiven Diskurskontrolle einen ungebändigten Diskurs entgegensetzt.73 Das Problem dieser Konzeption besteht jedoch darin, wie Lemke feststellt, daß Ausschluß oder Unterdrückung anderer Aussagen eine Konstitutionsbedingung von Diskursen sind und somit die Organisationsbedingungen von Diskursen mit ihren Existenzbedingungen zusammenfallen. Damit ist Ordnung per se Macht und Zwang.74

Mit der monistischen Machtkonzeption75 versucht sich Foucault diesen Widersprüchen zu entziehen und von zwei Dimensionen herkömmlicher Machtkonzeptionen abzusetzen. Zum einen stellt er in seiner Analyse des Zusammenhangs von Macht und Wissen heraus, daß die Verbindung von Macht und Wissen nicht notwendig Ideologie hervorbringt. Zum anderen löst er sich von der auf dem Weberschen Machtbegriff76 basierenden Vorstellung, daß Macht mit Repression und Verboten verbunden sei und hebt dagegen die produktive Seite von Macht hervor.77

3. Verschränkung von Macht, Wissen und Wahrheit

a) Kritik des Ideologiebegriffes

Foucault plädiert dafür

,,einer Denktradition [zu] entsagen, die von der Vorstellung geleitet ist, daß es Wissen nur dort geben kann, wo die Machtverhältnisse suspendiert sind, daß das Wissen sich nur außerhalb der Befehle, Anforderungen, Interessen der Macht entfalten kann."78

Damit wendet er sich gegen einen Ideologiebegriff, der die Erkenntnis der wirklichen Wirklichkeit aufgrund von Machtprozessen und -interessen verhindert sieht. Die Bestimmung von Ideologie als notwendig falsches Bewußtsein79 kann nur in Rekurs auf eine objektive Wahrheit vorgenommen werden, woraus sich dann wie in der Wiederspiegelungstheorie das Problem der Adäquanzbeziehung zwischen Wirklichkeit und Wahrheit ergibt. Für Foucault sind Diskurse jedoch weder wahr noch falsch: Vielmehr verstellt der Ideologiebegriff die Fragestellung, warum ein bestimmter Diskurs in einer Epoche als wahr angesehen wurde. Auch bezieht sich der Ideologiebegriff auf die Vorstellung eines freien, erkennenden Subjektes, das durch Machtprozesse an der wahren Erkenntnis gehindert wird. Dies ist jedoch gerade eine Fiktion: Subjekte werden selber erst durch Macht hervorgebracht, was unten zur Produktivität der Macht noch weiter ausgeführt wird.80

b) Macht konstituiert Wissen - mittels Wahrheit

Im Gegensatz zu diesem Ideologiebegriff zeigt Foucault in seinen genealogischen Studien, daß Macht gerade das ,,Erkenntnisraster"81 dafür liefert, was als Wissen gilt, d. h. welche Aussagen als ,,Erkenntnisse [gelten], die in einem bestimmten Gebiet akzeptabel sind".82

So könnten zwar die in Die Ordnung des Diskurses genannten Verknappungsmechanismen von Diskursen als machtanalytischer Kriterienkatalog einer Kohärenztheorie der Wahrheit gelesen werden. Diese Interpretation geht jedoch an Foucaults Intention vorbei, da für Foucault Wahrheit selber ein heimtückischer Ausschließungsmechanismus ist:83 Was als Wissen gilt, wird extern reguliert durch Verbot, die Differenzierung zwischen Vernunft versus Wahnsinn und den Willen zur Wahrheit, das ist die Einteilung in Wahres und Falsches. Noch bei den Griechen soll der wahre Diskurs als der herrschende Diskurs kenntlich gewesen sein, dem man sich unterwarf.84 Um jedoch seine Machtwirkungen entfalten zu können, muß dieser Wille zur Wahrheit seinen Machthintergrund verbergen:

,,Der wahre Diskurs, den die Notwendigkeit seiner Form vom Begehren ablöst und von der Macht befreit, kann den Willen zur Wahrheit, der ihn durchdringt, nicht anerkennen; und der Wille zur Wahrheit, der sich uns seit langem aufzwingt, ist so beschaffen, daß die Wahrheit, die er will, gar nicht anders kann, als ihn zu verschleiern."85

Diese Regulation wird gestützt durch Institutionen und Praktiken beispielsweise im Wissenschaftsbetrieb, Justiz und Psychiatrie, die auf der Unterscheidung von wahr und falsch basieren und sie reproduzieren. Dabei bewegen sich in der Neuzeit die beiden zuerst genannten auf das Ausschließungssystem der Wahrheit zu: So werden Verbote durch Rekurs auf Wahrheit legitimiert und wird Wahnsinn definiert.86

Als diskursinternes Regularium sind die Disziplinen hervorzuheben, unter denen Foucault eine Menge von Methoden, Techniken und als wahr angesehene Sätze versteht, die jedem zur Verfügung stehen.87 Ein Satz muß Bedingungen erfüllen, um zu einer Disziplin zu gehören und den Regeln der ,,diskursiven `Polizei'"88 gehorchen: Erst wenn ein Satz in einer bestimmten historischen Situation erstens einer spezifischen Gegenstandsebene angehört, zweitens bestimmte begriffliche oder drittens technische Instrumente verwendet sowie viertens dem jeweils aktuellen theoretischen Horizont angehört, befindet er sich ,,`im Wahren'".89 Dies bedeutet, er genügt dem in einer bestimmtem Epoche vorherrschenden, nach Regeln geleiteten Erkennen der Welt. Somit kann er potentiell zur anerkannten Wahrheit werden, das heißt, der Satz kann als wahr oder falsch bestimmt werden. Ist er nicht im Wahren, wird er von vornherein als nicht wahrheitsfähig aufgefaßt und als unvernünftig, verrückt, unwissenschaftlich gekennzeichnet.90

Neben internen und externen Diskursregulierungen ist die Verknappung der sprechenden Subjekte von Bedeutung. Rituale definieren die Qualifikation von Subjekten, die an Diskursen teilnehmen können, um so eine Unterscheidung zwischen wissenschaftlichen, religiösen, künstlerischen Diskursen und den Diskursen von durchschnittlichen Leuten herzustellen. Das Ritual definiert die besonderen Eigenschaften der sprechenden Subjekte wie Gesten, Habitus und die äußeren Umstände, die einen Diskurs begleiten müssen, um anerkannt zu werden.91

Doktrinen sind gekennzeichnet durch die Akzeptanz eines bestimmten Ensembles von Wahrheiten durch eine im Prinzip unbegrenzte Zahl von Sprechenden Subjekten. Diskurse können dabei nur auf Basis dieser Wahrheiten geführten werden. Der Unterschied zu den Disziplinen ergibt sich daraus, daß bei von der Doktrin abweichende Aussagen nicht nur die Aussage nicht akzeptiert wird, sondern gleichzeitig das Subjekt in Frage gestellt wird, was beispielsweise die Inquisition drastisch vor Augen führte.92

Die Doktrin beinhaltet also eine zweifachen Unterwerfung, ,,die Unterwerfung der sprechenden Subjekte unter die Diskurse und die Unterwerfung der Diskurse unter die Gruppe der sprechenden Individuen."93

Ebenso führen Spaltungen in der gesellschaftlichen Aneignung von Diskursen zu Diskurskontrollen, wie sie z.B. durch das Bildungssystem mit seinen Selektionsmechanismen induziert werden. Für Foucault stellt es eine politische Methode dar, ,,die Aneignung der Diskurse mitsamt ihrem Wissen und ihrer Macht aufrechtzuerhalten und zu verändern."94

Die klassische Wahrheitsphilosophie ignoriert die hier vorgestellten Regulationsmechanismen von Diskursen, welche die Instanzen und Mechanismen, die Techniken und den Subjektstatus des wahrsprechenden Individuums umfassen, was zusammengenommen ein ,,Wahrheitsdispositiv" ergibt.95 Damit wird die ,,spezifische Realität des Diskurses", nämlich seine Machtdurchzogenheit geleugnet. Statt dessen wird die Machtfunktion der Wahrheit in den klassischen Wahrheitstheorien sogar noch verstärkt, indem Wahrheitsideale als Strukturierungsprinzip von Diskursen postuliert werden, aus denen dann wie z.B. bei Apel und Habermas eine entsprechende Diskursethik abgeleitet wird.96

c) Kein Wissen ohne Machtwirkungen

Wie Macht Diskurse und Wissensproduktion in der Form von Wahrheit durchzieht, so hat umgekehrt Wissen Machtwirkungen.97 Wie unten zu den humanwissenschaftlichen Disziplinen noch ausgeführt wird, zeigt Foucault in Überwachen und Strafen die Vervielfältigung der Machtwirkungen dank der Formierung und Anhäufung neuer Kenntnisse.98

Wissen und Macht ist ein ,,Analyseraster", das nicht aus zwei Kategorien zusammengesetzt ist, sondern bei dem beide ineinander verwoben, aber nicht gleichzusetzen sind: Nichts kann als Wissen auftauchen, ohne den Machtmechanismen wissenschaftlicher Diskurse zu gehorchen. Umgekehrt hat Wissen, das im Wahrem ist, Machtwirkungen und kann somit gesellschaftliche Beziehungen beeinflussen.99

4. Macht ist produktiv

Die Produktivität der Macht zeigt sich nach Foucault darin, das Machtbeziehungen anderen Verhältnissen wie ökonomischen oder sexuellen immanent sind und diese sogar erst hervorbringen.100 Damit wendet er sich vor allem gegen den Begriff der Repressionsmacht in den meisten Machttheorien.101 Zentral in seiner Kritik ist das Paradox, daß eine Macht, die nur Verbote durchsetzt und Gehorsam verlangt, ,,nichts vermag als dafür zu sorgen, daß die von ihr Unterworfenen nichts vermögen, außer dem, was die Macht sie tun läßt."102 Zum anderen beinhaltet der Begriff der Repression die Vorstellung, daß es eine natürliche Alternative zum Bestehenden gibt, die gewaltsam unterdrückt wird. Diese Vorstellung einer zu befreienden Menschennatur lehnt Foucault ab, da der Mensch mit seiner Körperlichkeit und Subjektivität erst durch Machtbeziehungen hervorgebracht wird.103

In Wirklichkeit ist die Macht produktiv; und sie produziert Wirkliches. Sie produziert Gegenstandsbereiche und Wahrheiten: Das Individuum und seine Erkenntnisse sind Ergebnisse dieser Produktion. Macht wirkt, indem sie ,,die Körper durchdringt, Dinge produziert, Lust verursacht, Wissen hervorbringt, Diskurse produziert".104 In bezug auf Foucaults Wahrheitskonzeption beinhaltet die Produktivität der Macht erkenntnistheoretisch nicht nur die Hervorbringung einzelner Diskurse, sondern sie bringt in den Praktiken das hervor, was gemeinhin als Wirklichkeit aufgefaßt wird, womit er sich gleichzeitig von sprachphilosophischen Wahrheitstheorien absetzt. Worte täuschen uns, ,,weil sie uns an die Existenz von Dingen, natürlichen Gegenständen, Regierten oder Staaten glauben lassen, während diese Dinge nur das Korrelat entsprechender Praktiken sind."105 Das heißt wiederum nicht, das Foucault die Existenz eines prädiskursiven ,,Referenten"106, einer Gegenständlichkeit leugnet. Diese Referenten können allerdings nicht als Zielscheibe irgendeiner korrespondenztheoretischen Teleologie dienen, da diese Wahrheitstheorien immer nur neue Objektivierungen auf Basis der genealogischen Determinationen der Diskurse hervorbringen und sich über diese nicht hinwegsetzen können.

Anhand der Konstituierung von Körpern konkretisiert Foucault in Überwachen und Strafen die Produktivität der Macht, indem er am Beispiel der Transformation des Strafsystems in der Neuzeit ,,eine gemeinsame Geschichte der Machtverhältnisse und Erkenntnisbeziehungen" herleitet.107

Dabei konstatiert er für die Moderne eine spezifische politische Ökonomie des Körpers,108 die darauf abzielt, nützliche Körper zu generieren. In Bezug auf das Strafsystem hat dies zur Folge, das nicht mehr die Marter und Qual im Vordergrund des Strafsystem stehen, sondern die gemeinhin als Humanisierung des Strafvollzuges ausgelegte Besserung und Milde. Diese Humanisierung zielt jedoch nur auf Produktion und Profit.109 Umgesetzt wird dieser Paradigmenwechsel durch die Herausbildung der Humanwissenschaften, die das Wissen zur Disziplinierung der Gesellschaft mittels rationaler Organisation, Psychologie, Medizin und Sozialwissenschaften bereitstellen.

Mit dem Begriff der Disziplin geht Foucault dabei über die Kategorien der Gewalt und Manipulation in der Machtanalyse hinaus. In den Disziplinen manifestiert sich die Produktivität der Macht mittels Wissens in der Produktion möglichst nützlicher Individuen: ,,Allgemein kann man sagen, daß die Disziplinen Techniken sind, die das Ordnen menschlicher Vielfältigkeiten sicherstellen sollen." Dabei entsprechen die Disziplinen einer spezifisch modernen Machttaktik, indem sie drei Zwecke erfüllen:

Erstens helfen sie dabei, daß die Ausübung der Macht möglichst geringe Kosten verursacht und wenig Widerstand erregt, wie dies beispielsweise mittels politikwissenschaftlicher Akzeptanzforschung geschieht.110

Zweitens soll die Wirkung der Macht intensiv und umfassend sein.

Drittens sollen die Disziplinen die Nützlichkeit der Apparate und Institutionen des Systems steigern helfen, in denen Macht ausgeübt wird.111

Die Disziplin ist somit eine politische Machttechnologie, die gekennzeichnet ist von der Gleichzeitigkeit der wissenschaftlichen Wissensproduktion und Machtausübung.

Paradigmatisch für diese effiziente Form der Macht steht für Foucault das Panoptikum, das ihr architektonisches Pendant ist:112 In ihrer wissenschaftlichen Praxis nehmen HumanwissenschaftlerInnen jenen Zentralraum im Panoptikum ein, von dem aus das Wachpersonal Gefangene beobachten kann, ohne selbst beobachtet zu werden, wodurch konformes Verhalten bei den Gefängnisinsassen herbeigeführt wird. Ebenso entfalten die Diskurse der Humanwissenschaften ihre Machtwirkungen, indem sie normalisierend auf die Gesellschaftmitglieder einwirken mit ihren Definitionen von z.B. gesund, legitim und moralisch.113

Die modernen Humanwissenschaften und mit ihnen die Veränderungen der Episteme sind somit aus den Veränderungen der Macht hervorgegangen, die Foucault anhand der Entwicklung des Kerkersystem nachweist.114 Die Episteme ist also dem Wissen nicht wie in der Archäologie vorgeordnet, sondern den Erfordernissen einer bestimmten Spielart der Macht nachgeordnet. Resultat der Macht ist schließlich der erkennbare Mensch, dessen Seele, Gewissen und Verhalten erst konstituiert werden. Somit wird verständlich, warum Foucault die Seele als ,,Gefängnis des Körpers" versteht. Seele und Gewissen werden als sublimer Effekt und Instrument eines Gesellschaftssystems verstanden, in dem der moderne Mensch aus der panoptischen Unterwerfung des Körpers erst geboren wird.115

5. Wahrheitsregime und Biomacht

Weder das Subjekt, wie in den Konsenstheorien der Wahrheit, noch das Objekt, wie in den Korrespondenztheorien, gehen somit der Wahrheit voraus: Subjekt und Objekt werden in den Wahrheitsspielen erst konstituiert. Diese Spiele sind jedoch erstens nicht beliebig sondern von Macht strukturiert. Zweitens ist Wahrheit nicht nur in Diskursen verankert, sondern fußt gerade in diskursiven und nichtdiskursive Praktiken.116

Das bis hierhin zum Wahrheitsproblem auf der Mikroebene in der Genealogie Beschriebene fügt sich auf den Makroebenen der Macht117 aggregiert zu historisch spezifischen Wahreitsregimen zusammen. Das Wahrheitsregime in der gegenwärtigen kapitalistischen Gesellschaft bezeichnet Foucault mit dem Begriff der Biomacht, deren zwei Pole zum einen die Disziplinierung des Individualkörpers und die Regulierung der Bevölkerung zum Ziel haben.118 Die Regulierungsmechanismen arbeitet Foucault in Der Wille zum Wissen heraus. Hierunter faßt Foucault sämtliche Techniken der Demographie, Geburts- und Sterblichkeitskontrolle sowie das Netz gesellschaftlicher Einrichtungen, die um das Dispositiv der Sexualität entstanden sind. Im Gegensatz zu früheren Machtverhältnissen, in denen die Macht des Souveräns in der möglichen Entscheidung über den Tod der Untergebenen bestand, zielt die moderne Machttechnologie darauf, ,,das Lebende in einem Bereich von Wert und Nutzen zu organisieren".119

Die Charakteristika dieses Wahrheitsregimes sind einmal, daß diese ökonomische Verwertung in Verbindung mit einem Wissen geschieht, ,,das Techniken und `wissenschaftliche' Diskurse einschließt und sich mit der Praxis der Strafgewalt verflicht."120 Diese Wissensproduktion wird jedoch erst ermöglicht durch Prozeduren des Geständniszwanges, die eine der Haupttechniken der Wahrheitsproduktion im Abendland geworden ist. In der Medizin, Justiz und Pädagogik wird freiwillig oder gezwungener maßen von den Menschen das Geständnis von Obsessionen, Gedanken und Verfehlungen verlangt. Die zur heute vorherrschenden wissenschaftlichen Wahrheitsproduktion verwerteten Geständnisse wirken wieder in der Form des beschriebenen Macht-Wissens-Komplexes auf die Subjekte zurück.121

Zweitens ist die Wahrheitsproduktion politischen und vor allem auch ökonomischen Anforderungen ausgesetzt. Letztere faßt Foucault mit dem Begriff der Beschlagnahme (séquestration): Ziel der Machtstruktur, welche die Form der Beschlagnahme annimmt, ist es, ,,Lebenszeit in Arbeitskraft zu verwandeln. Die Beschlagnahme entspricht hinsichtlich der Macht dem, was auf Seiten der Ökonomie Akkumulation des Kapitals heißt."122 Die produktiv einstellbare Arbeiterschaft des modernen Kapitalismus mußte erst mittels der Biomacht hervorgebracht werden.123 Dies beinhaltet, das für Foucault Machtbeziehungen ökonomischen Verhältnissen immanent sind und sie nicht nur zur Aufrechterhaltung einer bestimmten Produktionsweise dienen.124

Drittens kennzeichnet das kontemporäre Wahrheitsregime die große Verbreitung und Zirkulation von Wahrheit mittels der Massenmedien und moderner Kommunikationsmittel. Diese stehen allerdings viertens unter der Kontrolle einiger weniger großer Apparate wie Medienkonzernen. Und schließlich ist das, was als Wahrheit bezeichnet wird, heute umkämpfter und Anlaß gesellschaftlicher Auseinandersetzungen im Gegensatz zu früheren Epochen.125

Die Suche nach wahrer Wahrheit ist für Foucault aufgrund der hier vorgestellten Wahrheitskonzeption illusorisch, da Wahrheit ohne Macht nicht funktioniert. Deshalb ist Ideologiekritik nicht sein Ziel.126 Vielmehr geht es Foucault um eine ,,Veränderung des politischen, ökonomischen und institutionellen Systems der Produktion von Wahrheit".127

Erfordert dieses Postulat aber nicht eine Vorstellung davon, in welcher Weise ein Wahrheitsregime verändert werde soll? Wieso sollte überhaupt eine Veränderung notwendig sein, wenn Wahrheiten, qualitativ nicht zu unterscheiden sind, da sie immer mit Machtmechanismen verquickt sind und es keine Macht für niemand gar nicht geben kann?

IV. Foucaults Wahrheitskonzeption und kritische politikwissenschaftliche Praxis

,,Die wahre Welt haben wir abgeschafft: welche Welt bleibt? Die scheinbare vielleicht?.. Aber nein! mit der wahren Welt haben wir auch die scheinbare abgeschafft! (Mittag; Augenblick des kürzesten Schattens; Ende des längsten Irrtums; Höhepunkt der Menschheit [...])"128

In den beiden vorausgegangen Kapiteln wurde ein Verständnis für Foucaults Fragestellung in Bezug auf die Wahrheitsproblematik entwickelt und seine Wahrheitskonzeption in der Archäologie und Genealogie rekonstruiert. Dabei wurde vor allem die für die sozialwissenschaftliche Theoriebildung relevante Frage ausgespart, inwieweit sein Ansatz letztlich einen Relativismus impliziert, der SozialwissenschaftlerInnen zur Indifferenz gegenüber gesellschaftlichen Ungleichheitsverhältnissen und politischen Entwicklungen nötigt, da Kritik mit der Dekonstruktion des Wahrheitsbegriffes selber nicht mehr fundiert werden könnte.129 Ebenso wird die Foucaultsche Analyse als Absage an Kriterien von Wissenschaftlichkeit interpretiert, kritisiert oder ignoriert. Anhand der Frage nach dem Wahrheitsstatus von Foucaults Wahrheitskonzeption soll diesem Problem im folgenden nachgegangen werden. Anschließend wird der Versuch einer Lösung dieser Schwierigkeiten formuliert werden, woran sich eine Skizze der daraus folgenden Konsequenzen für die politikwissenschaftliche Praxis anschließt.

A. Das Problem des Wahrheitsstatus von Foucaults Wahrheitskonzeption

Auf welchen Wahrheitsbegriff rekurriert Foucault selber, wenn er mit seiner Geschichtsschreibung der Wahrheit scheinbar absolute und relative Wahrheiten verneint, und Wahrheit vielmehr selber als Funktionselement von Macht bestimmt? Hierzu muß festgestellt werden, daß Foucault das Problem des eigenen Wahrheitsstatus' nicht eindeutig gelöst hat.130 Vielmehr umgeht Foucault das in der Fragestellung angelegte grundsätzliche Wahrheitsproblem und somit die Frage nach der Legitimität von Macht- und Herrschaftsverhältnissen.131

Er versucht, sich den Kategorien der klassischen Wahrheitstheorien zu entziehen, aufgrund derer seine Konzeption der skeptizistischen Philosophie zugerechnet wird. Die Paradoxie des Skeptizismus unterzog schon Aristoteles einer logischen Kritik, welche Foucault bekannt gewesen sein dürfte: ,,wer aber alles für falsch erklärt, der erklärt auch seine eigene Behauptung für falsch."132 Noch bestimmter bestreitet Hegel die skeptische Position:

,,Inzwischen, wenn die Besorgnis, in Irrtum zu geraten, ein Mißtrauen in die Wissenschaft setzt, welche ohne dergleichen Bedenklichkeiten ans Werk selbst geht und wirklich erkennt, so ist nicht abzusehen, warum nicht umgekehrt ein Mißtrauen in dieses Mißtrauen gesetzt und besorgt werden soll, daß diese Furcht zu irren schon der Irrtum selbst ist."133

Angesichts solcher Probleme des Skeptizismus ergeben sich für viele FoucaultinterpretInnen nur selbstwidersprüchliche Lösungsmöglichkeiten, um das Problem des Wahrheitsstatus' zu klären: Beansprucht Foucault absolute Geltung für seine Wahrheitskonzeption, gibt er sich der Blöße hin, im Widerspruch zu seiner Theorie zu stehen. Schließlich interpretiert er selber diese Wahrheiten als nur verdeckte Machttaktiken. Auch der Weg klassischer relativer Wahrheitstheorien stellt seine eigene Theorie in Frage, da die dort angebotenen Lösungsmöglichkeiten einer wie auch immer gearteten Tranzendentalpragmatik ebenso seinen theoretischen Ergebnissen widersprechen. Hier wie auch im ersten Fall müßte er die Möglichkeit eines Standpunktes außerhalb von Machtbeziehungen zugestehen.134

B. Foucaults Wahrheitskonzeption als heurisitsches Prinzip

Diese Widersprüche lassen sich durch eine Interpretation lösen, in welcher der theoretische Status von Foucaults Arbeiten nicht als der von wissenschaftlichen Ergebnissen bestimmt wird, die einen Anspruch auf Wahrheit erheben. Vielmehr bleiben sie auf der Stufe des Hypothetischen: Die bei Foucault implizite ontologische These, es gibt nur historisch kontingente, machtbedingte Wahrheiten, 135 kann daher auch weder als wahre Aussage im Sinne der klassischen Wahrheitstheorien vorausgesetzt, noch kann sie als ein solches Resultat der Analysen betrachtet werden. Vielmehr ist diese Thesen als heuristisches Prinzip zu verstehen,136 das in der sozialwissenschaftlichen Gesellschaftsanalyse dazu dienen kann, Differenzierungen herauszuarbeiten, anstatt vorschnell Bedeutungen und Identitäten zu konstruieren.137 Daraus folgt, das ihr Geltungsanspruch nicht präskriptiv sondern fakultativ ist, das heißt für diejenigen, die sich unterschiedlich intensiv daran halten wollen.138 Diese eindeutig uneindeutige Position zeigt sich in Foucaults Äußerung: ,,Ich glaube zu sehr an die Wahrheit, um nicht anzunehmen, daß es verschiedene Wahrheiten gibt, sie auszusprechen."139

Somit wird auch deutlich, worin Foucault die Aufgabe seiner ebenso machtdurchzogenen140 Wissensproduktion sieht: Der Grund für Foucaults Arbeiten ist erstens in seinem epistemologischen Anliegen zu suchen, universelle wissenschaftliche Geltungsansprüche zu kritisieren, um damit zu verhindern, daß kritisches Denken in den Dienst irgendeiner vermeintlichen Befreiung gestellt wird, die u.U. zur Rechtfertigung sozialer Diskriminierungen und Ausschlüsse führt.141 Aufgrund seiner Forschungen zur genealogischen Bedingtheit von Prinzipien der Wissenschaftlichkeit argumentiert er antinormativistisch, da er nicht einmal für seine eigene Forschungs- und Begründungsweise den Vorrang gegenüber anderen postuliert.142

Aber nicht nur insofern ist seine Wahrheitskonzeption eine im weiteren Sinne ,,politische Geschichte der Wahrheit":143 Aus dieser Konzeption ergibt sich für Foucault spezifisches Verständnis von Kritik als ,,die Kunst nicht dermaßen regiert zu werden."144 Kritik hat für ihn in dem ,,Spiel, das man die Politik der Wahrheit nennen könnte [...] die Funktion der Entunterwerfung."145 In seinen späten Schriften grenzt er Herrschaft explizit als verfestigte Machtverhältnisse negativ zu prinzipiell umkehrbaren Machtbeziehungen ab.146 KritkerInnen Foucaults wie Habermas sehen hierin einen auf Umwegen eingeführten ,,Kryptonormativismus"147. Fink-Eitel konstatiert, daß Foucault sich in seiner Machtheorie entgegen seiner Bemühungen nicht von der Repressionsthese lösen kann, womit seine Machtheorie widersprüchlich und damit gescheitert sei.148 Das letztere Argument kann jedoch nur aufgrund eines Theorie- und Wissenschaftsverständnisses angeführt werden, für das Theorien erstens widerspruchsfrei zu sein haben, für das es sich zweitens bei festgestellten Widersprüchen allein um Widersprüche des Denkens handelt und für das drittens diese Widersprüche jede politische Praxis disqualifizieren.149 Diese Konzeption will Foucault gerade kritisieren. Weder können wissenschaftliche Theorien politischen Eingriffen eine solide legitimatorische Basis schaffen, noch entlastet die nach Foucault unmögliche wahrheitstheoretische Fundierung nicht davon, sich der Frage nach der politischen Rolle von Wissenschaft zu stellen.

Diese bei Foucault bewußt inhaltlich unausgefüllte Kritikform führt zu seiner Konzeption des spezifischen Intellektuellen. Dieser weiß nicht schon ganz genau im Gegensatz zu den von Foucault als ,,Beamte der Wahrheit"150 titulierten universellen Intellektuellen, wie eine Situation zu interpretieren ist und was zu tun ist. Der spezifische Intellektuelle geht vorübergehende und situationsabhängige Bündnisse mit Widerständigen ein, stellt sein Wissen für diese lokalen Kämpfe bereit und nimmt an den Kämpfen auch selber teil, sofern er selber betroffen ist.151

Auch wenn sich Foucault gegen direkte Ableitungen von der Theorie zur Praxis wehrt,152 widerspricht Foucaults Vita mit seinem politischem Engagement diesem Konzept zumindest nicht:153 Angesicht der Macht- und Herrschaftsverhältnisse in den westlichen kapitalistischen Gesellschaften engagiert sich Foucault politisch in eher linken Oppositionsbewegungen. Hier sieht Foucault angesichts der Übermacht der bürgerlichen Ordnung die Aufgabe des Intellektuellen darin, ,,in dem Kampf soviel Fröhlichkeit, Helligkeit und Ausdauer wie nur möglich hineinzutragen. Wirklich traurig wäre, sich nicht zu schlagen."154 Ebenso aber ermöglicht es ihm seine Konzeption, Widerständige unter anderen Herrschaftsverhältnissen zu unterstützen, wie seine politische Biographie mit seinem Engagement für Dissidenten in Polen und seine wohlwollende Berichterstattung über die Revolution im Iran zeigt. Nicht zuletzt können für Foucault aufgrund seiner Mikrophysik der Macht Sexualität, Identität und Krankheit zum Feld der politischen Auseinandersetzung werden, da mit seiner Analyse die natürliche Gegebenheit dieser Kategorien in Frage gestellt und auf gesellschaftliche Machtverhältnisse zurückgeführt werden kann.

Aus diesen beiden, epistemologischen wie konkret politischen Gründen ist Foucaults Werk gekennzeichnet von einem durchaus instrumentellen Charakter, dem ein Hang zur Widerstandsromantik anhaftet:

,,Das Schreiben interessiert mich nur, sofern es sich als Instrument, Taktik, Erhellung in einen wirklichen Kampf einfügt. Ich möchte, daß meine Bücher so etwas wie Operationsmesser, Molotowcocktails oder unterirdische Stollen sind und daß sie nach dem Gebrauch verkohlen wie Feuerwerke..."155

Die spezifische Ausrichtung läßt Foucault konzeptionell folgerichtig offen.156

C. Konsequenzen für die politikwissenschaftliche Praxis

Die Konsequenzen für die politikwissenschaftliche Praxis aus Foucaults Wahrheitskonzeption klingen zunächst widersprüchlich: Aufgrund der hier vorgeschlagenen Interpretation seiner Wahrheitskonzeption als methodische Hypothese sollte Foucaults Werk einerseits nicht zu ernst genommen werden. Andererseits sollten seine theoretischen Implikationen nicht nur oberflächlich berücksichtigt werden. Beide Pole werden im folgenden dargestellt und kritisiert, um anschließend zusammenfassend eine Synthese zu formulieren.

Zu ernst nehmen TheoretikerInnen Foucault, die mit seinem Werk die Absage an politisches Engagement oder die einseitige Beschränkung ihrer wissenschaftlichen Arbeit auf cultural studies begründen. Hier wird aus der Not eine Tugend gemacht: Wo keine weitreichenden politischen Aktionen realistisch machbar erscheinen, wird allein Mikropolitik auf die Tagesordnung gesetzt. Mit Berufung auf Foucault sind diese InterpretInnen überzeugt, daß ,,die eigenen politischen Grenzen sozusagen eine solide ontologische Grundlage haben".157 Genealogisch läßt sich mit Foucault sein in diese Richtung verweisender Rezeptionsboom in den achtziger und neunziger Jahren aus der Enttäuschung vieler ehemals Linker über die praktische politische Wirkungslosigkeit in Bezug auf die emanzipatorischen Ziele der Revolten von 1968 erklären.158 Die damit einher gehende Absage an das Bemühen um Wissenschaftlichkeit und die Qualifizierung von Wissenschaft als social construction 159 rührt von der privilegierten Position vieler SozialwissenschaftlerInnen her, aufgrund derer für sie politisch und materiell nichts auf dem Spiel steht, wenn sie Unentscheidbarkeit zur Tugend ausrufen, wo präzise Kenntnisse insbesondere auch der politischen Ökonomie für gesellschaftliche Veränderungen notwendig wären.160

Mit Foucault kann eine solche Haltung jedoch nicht legitimiert werden. Zum einen sperrte er sich gerade gegen eine solche Inanspruchnahme. Indem ein Geltungsanspruch im Sinne klassischer Wahrheitstheorien an Foucaults Arbeiten herangetragen wird und die polit-ökonomischen Aspekte seines Oeuvres bei der Rezeption ausgeklammert werden,161 wird sein epistemologisches Anliegen auf perfide Weise nicht berücksichtigt und sein umfassender politischer Anspruch negiert.

Zu oberflächlich analysieren InterpretInnen wie Burchell Foucaults Arbeiten, die in seiner Wahrheitskonzpetion einen Kriterienkatalog erblicken, der zu noch strengerer Anwendung herkömmlicher wissenschaftlicher Prinzipien zwingt:

,,Precisely because nothing is more historical than thruth, the historian of the present must have a concern for it, must be attentative to its different forms, must be curious about its real and possible transforamtions, must be meticulous in describing the shapes it assumes, must be accurate in the accounts he or she gives of it and must bewilling todisturb or even changed by it."162

Burchell leitet hieraus alle bekannten wissenschaftlichen Tugenden aus Foucault ab wie z.B. Wertfreiheit, ,,conceptual and argumentative coherence", ,,descriptive accuracy", "appropriateness of method to material and problem".163

Mit einer solchen Interpretation wird Foucaults Wahrheitskonzeption der kritische Zahn gezogen, denn Foucault wendet sich gerade nicht gegen zu wenig wissenschaftliche Redlichkeit, intellektueller Bescheidenheit und Methodenadäquanz im herrschenden Wissenschaftsbetrieb. Für Foucault besteht die Aufgabe nicht darin, die Wahrheit von Macht zu befreien. Bestrebungen dieser Art stützen dagegen sogar noch die normalisierende Funktion der Humanwissenschaften in unserer heutigen Gesellschaft, da sie den Nimbus von Objektivität der Wissenschaften verstärken. Er zeigt vielmehr auf, daß Forschende sich der Machtdurchzogenheit und den Machtwirkungen ihres Wissens nicht entziehen können und somit ihr Handeln grundsätzlich auf dessen Wirkungen hin reflektieren sollten. Dadurch kann die Macht unter Umständen zumindest anders funktionieren.164

Aus seiner Konzeption von Kritik hat Foucault eine Handreichung für sozialwissenschaftlich Forschende entwickelt, die den Problemen der beiden beschriebenen Pole entgegensteht.

,,Man möchte nicht wissen, was wahr oder falsch, begründet oder nicht begründet, wirklich oder illusorisch, wissenschaftlich oder ideologisch, legitim oder mißbräuchlich ist. Man möchte wissen, welche Verbindungen, welche Verschränkungen zwischen Zwangsmechanismen und Erkenntniselementen aufgefunden werden können, welche Verweisungen und Stützungen sich zwischen ihnen entwickeln, wieso ein bestimmtes Erkenntniselement - sei es wahr oder wahrscheinlich oder ungewiß oder falsch - Machtwirkungen hervorbringt und wieso ein bestimmtes Zwangsverfahren rationale, kalkulierte, technisch effiziente Formen und Rechtfertigungen annimmt."165

Diese Position umfaßt zum einen die wissenschaftlich akribische Erfassung von produziertem Wissen und Wahrheiten. Gleichzeitig werden diese Erkenntnisse kritisch auf ihre Machtwirkungen hin untersucht, was wiederum zumindest eine veränderte soziale Praxis stützen und hervorbringen kann.

Sollen jedoch Phänome z.B. sozialer Ungleichheit nicht nur in ihrem diskursiven Rahmen bestimmt werden, sondern auch in ihren Ursachen verstanden werden, schließt die wissenschaftliche Arbeit auch die Analyse von Interessen und ihren materiellen Grundlagen mit ein. Hier ergibt sich aus Foucaults Wahrheitskonzeption allerdings keine Antwort auf die Frage, wie ein politikwissenschaftlicher Ansatz aussehen könnte, der zwischen einer Korrespondenztheorie der Wahrheit und einer Interpretation jeder Forschungsarbeit als Diskursformation steht.166 Foucaults Wahrheitskonzeption gibt einer kritischen Politikwissenschaft jedoch zumindest Fragen an die Hand, die herrschende Wahrheiten ins Wanken bringt.167

V. Resümee

Indem die Struktur von Foucaults Wahrheitskonzeption in Abgrenzung zu den klassischen Wahrheitstheorien bestimmt und die Kritik an ihr reflektiert wurde, ist deutlich geworden, das sich seine Konzeption in Hinblick auf eine kritische politikwissenschaftliche Praxis nicht umgehen läßt. Diese Kritikfunktion einer Interpretation seines Werkes als heuristisches Prinzip kann notwendig nur erfüllt werden, wenn sie mit einem Antinormativismus und einer Wissenschaftskritik einhergeht, die bewußt keinen tragfähigen Wahrheits- und Kritikbegriff generiert, aus dem sich eine wie auch immer geartete emanzipatorische Praxis ableiten läßt.

Daraus folgt für PolitikwissenschaftlerInnen, die sich dem eingangs zitierten Marxschen kategorischem Imperativ verpflichtet fühlen, zumindest eine größere Uneindeutigkeit ob der eigenen Konzeptionen von dem, was menschliche Emanzipation heute bedeuten kann. Dabei sind ebenso die Bedeutung und gesellschaftliche Funktion des von einer kritischen Politikwissenschaft generierten Wissens immer wieder neu in Frage zu stellen. Diese Uneindeutigkeit hilft vielleicht, zukünftig vorschnelle Antworten und ihre repressiven Wirkungen zu vermeiden. Ebenso kann sie eine produktive Begleiterin bei der unendlichen Aufgabe sein, die Wahrheit über das Elend der Welt zu formulieren.168

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

VI. Anhang

Bangemachen gilt nicht

,,Was objektiv Wahrheit sei, bleibt schwer genug auszumachen, aber im Umgang mit Menschen soll man sich davon nicht terrorisieren lassen. Es gibt da Kriterien, die fürs erste ausreichen. Eines der zuverlässigsten ist, daß einem entgegengehalten wird, eine Aussage sei `zu subjektiv'. Wird das geltend gemacht und gar mit jener Indignation, in der die wütende Harmonie aller vernünftigen Leute mitklingt, so hat man Grund, ein paar Sekunden mit sich zufrieden zu sein. Die Begriffe des Subjektiven und Objektiven haben sich völlig verkehrt. Objektiv heißt die nicht kontroverse Seite der Erscheinung, ihr unbefragt hingenommener Abdruck, die aus klassifizierten Daten gefügte Fassade, also das Subjektive; und subjektiv nennen sie, was jene durchbricht, in die spezifische Erfahrung der Sache eintritt, der geurteilten Convenus darüber sich entschlägt und die Beziehung auf den Gegenstand anstelle des Majoritätsbeschlusses derer setzt, die ihn nicht einmal anschauen, geschweige denken - also das Objektive."169

Zu Zeiten Zolas war noch klar, wozu Wissen zu gebrauchen ist...

,,Rom hatte die Schlacht verloren, Frankreich war errettet aus der großen Gefahr des Unterganges, aus dem allmählichen, unaufhaltsamen Verfall, dem die katholischen Nationen eine nach der andern anheimfielen. Es war befreit von der klerikalen Partei, die auf seinem Gebiete ihre Kämpfe ausgetragen, seine Felder verwüstet, sein Volk vergiftet, überall Finsternis verbreitet hatte, um aufs neue die Herrschaft der Welt an sich zu reißen. Frankreich war nicht mehr davon bedroht, unter der Asche einer toten Religion begraben zu werden, es war Herr seiner selbst geworden und konnte unbehindert seine Bestimmung als Befreier und Gerechtigkeitsbringer erfüllen. Und es hatte nur gesiegt durch den Elementarunterricht, der die Armen und Geringen, die großen Massen des Volkes aus ihrer Sklavenunwissenheit, aus dem mörderischen Stumpfsinn gerissen hatte, in dem sie jahrhundertelang durch den Katholizismus niedergehalten worden waren.

Ein unseliges Wort hatte verkündet: `Glücklich sind die Armen im Geiste', und das Elend zweier Jahrtausende war aus diesem entsetzlichen Irrtum entstanden. Die Legende von der Wohltätigkeit der Unwissenheit erschien nun wie ein lange fortgesetztes soziales Verbrechen. Armut, Schmutz, Ungerechtigkeit, Aberglaube, Lüge, Tyrannei, die Geringschätzung und Ausnützung der Frau, die Verdummung und Unterjochung des Mannes - alle körperlichen und moralischen übel waren die Frucht dieser absichtlich herbeigeführten Unwissenheit, die zum politischen System der weltlichen und geistlichen Machthaber erhoben worden war. Erst das Wissen hatte die lügenhaften Dogmen getötet, hatte die verjagt, die davon lebten, und war zur Quelle reichsten Überflusses an Früchten der Erde und an Blüten des Geistes geworden. Nein, das Glück war nie in der Unwissenheit begründet gewesen, es lag einzig im Wissen, das das schreckliche Feld materiellen und moralischen Elends in ein weites, fruchtbares Land verwandeln sollte, dessen Ertrag durch eifrige Bebauung immer reicher und reicher werden würde."170

Ein Forscher fragte Herrn K., ob es die absolute Wahrheit gäbe und ob sie erkannt werden könnte. Herr K. sagte: ,,Ich rate Dir nachzudenken, ob sich deine Forschungspraxis je nach der Antwort auf diese Frage ändern würde. Würde es sich nicht ändern, dann können wir die Frage fallen lassen. Würde es sich ändern, dann kann ich Dir wenigstens noch soweit behilflich sein, daß ich Dir sage, Du hast Dich schon entschieden: Du brauchst die Idee einer absoluten Wahrheit."171

VII. Literaturverzeichnis

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Zola, Emile: Wahrheit, Berlin o.J..

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

[...]


1 Vgl. z.B. die umfangreichen auf Foucault basierenden feministischen Ansätze zur Dekonstruktion von Geschlecht: MacNay, Lois: Foucault and Feminism. Power, Gender and the Self, Cambridge 1994; Ramazanoglu, Caroline (Hg.): Up against Foucault. Explorations of some tensions between Foucault and feminism, London 1993; Sawicki, Jana: Disciplining Foucault. Feminism, Power, and the Body, New York 1991.

2 Vgl. dazu im Überblick Honneth, Axel: Zur philosophisch-soziologischen Diskussion um Michel Foucault, in: Erdmann, Eva / Forst, Rainer / Honneth, Axel (Hg.): Ethos der Moderne: Foucaults Kritik der Aufklärung, Frankfurt a. M / New York 1990, S. 14 ff; vgl. ebenso Eagleton, Terry: Die Illusionen der Postmoderne. Ein Essay, Stuttgart 1997, 37 f.

3 Vgl. Lemke, Thomas: Eine Kritik der politischen Vernunft. Foucaults Analyse der modernen Gouvernementalität, Berlin / Hamburg 1997, S. 27.

4 GdL, S. 13.

5 Marx, Karl: Zur Kritik der Hegelschen Rechtsphilosophie, Einleitung, in: MEW, Bd. 1, Berlin 1956, S. 378 - 391, S. 385. Auch auf die Gefahr hin, sich den Vorwurf eines naturalistischen Fehlschlusses einzuhandeln, ergibt sich dieses Verständnis u.a. aus der Tatsache, daß national wie global ökonomische Ressourcen und damit die Lebenschancen der betroffenen Individuen und Kollektive eklatant ungleich verteilt sind und es nicht als Aufagbe von Poltikwisenschaft verstanden wird, dies zu legitimieren (vgl. United Nations Development Programme (UNDP): Human Development Report 1998, New York / Oxford 1998, S. 51). 1,3 Milliarden Menschen leben von weniger als einem Dollar, 3 Milliarden von weniger als 2 Dollar pro Tag. ,,New estimates show that the worlds's 225 richest people have a combined wealth of over $ 1 Trillion, equal to the annual income of the poorest 47% of the world's people (2,5 billion)" (ebd., S. 30), und die Schere zwischen Arm und Reich öffnet sich beständig weiter: ,,In 1960 the 20% of the world's people who live in the richest countries had 30 times the income of the poorest 20 % - by 1995 82 times as much income"(ebd., S. 29) Gleiches gilt auch selbst innerhalb der Industrieländer (ebd., S. 27).

6 Angesichts des Umfanges von Foucaults Werk erstreckt sich die Analyse hauptsächlich bis zu Der Wille zum Wissen, da sich in den erst acht Jahre später erschienenen Bänden der Geschichte der Sexualität die hier interessierende Beziehung zwischen Wissenschaft, Wahrheit und Macht zugunsten einer Analyse der Konstitutionsbedingungen von Subjektivität und Ethik in den Hintergrund rückt. Eine Vermittlung zwischen diesen Werkphasen kann an dieser Stelle nicht umfassend geleistet werden; jedoch wird im letzen Teil Foucaults Wendung zum Subjekt implizit hergeleitet.

7 Vgl. Bachelard, Gaston: Die Bildung des wissenschaftlichen Geistes. Beitrag zu einer Psychoanalyse der objektiven Erkenntnis, Frankfurt a. M. 1978.

8 Vgl. Feyerabend, Paul: Wider dem Methodenzwang. Skizze einer anarchistischen Erkenntnistheorie, Frankfurt am Main 1981.

9 Vgl. Mannheim, Karl: Ideologie und Utopie, 8. Auflage, Frankfurt am Main 1995.

10 Vgl. zu Foucaults Verhältnis zum Marxismus vgl. Smart, Barry: Foucault, Marxism and Critique, 2. Auflage London 1985, Barrett, Michèlle: The Politics of Truth. From Marx to Foucault, Cambridge 1991, S. 121 ff.

11 WiA, S. 11.

12 Vgl. DuW, S. 177 ff; WdA, S. 16 ff.

13 Vgl. Puntel, Lorenz Bruno: Wahrheitstheorien in der neueren Philosophie. Eine kritisch-systematische Darstellung, 3. Auflage, Darmstadt 1993, S. 4 f; Sowitzki, Ralf: Wahrheitshteorien als Beurteilungsrahmen konkurrierender Methodologien. Zur Relevanz der Wahrheitsidee für Fach- und Metawissenschaftler, Berlin 1985, S. 93.

14 Vgl. Kernig, Claus Dieter (Hg.): Sowjetsystem und demokratische Gesellschaft. Eine vergleichende Enzyklopädie, 6 Bd., Bd. 6, Freiburg / Basel / Wien 1972, S. 819.

15 Vgl. Platon: Sophistes, in: ders.: Sämtliche Werke, Bd. 3, Reinbeck 1994, S. 253-337, S. 326 f, 263 b; Aristoteles: Metaphysik, Reinbeck 1994, S. 122, IV, 7, 1011b, 25 -28; ebd. IX, 10, 1051b, 2-18, S. 250.

16 Aquin, Thomas von: Von der Wahrheit / De veritate. Lateinisch - Deutsch, Hamburg 1986, S. 8.

17 Vgl. Coreth, Emerich: Metaphysik.. Eine methodisch-systematische Grundlegung, 2. Auflage, Innsbruck / Wien / München 1964, S. 342 ff.

18 Vgl. Lenin, Wladimir I.: Materialismus und Empiriokritizismus, Werke Bd. 14, 10. Auflage Berlin 1987, S. 116 ff; Mao Tse-tung: Über die Praxis, in: ders.: Ausgewählte Schriften Bd. 1, 4. Bd. , Berlin 1956, S. 333 - 352.

19 Vgl. Popper, Karl R.: Logik der Forschung, 5. Auflage, Tübingen 1971.

20 Tarski, Alfred: Die semantische Konzeption der Wahrheit und die Grundlagen der Semantik (1944), In: Skirbekk, Gunnar (Hg.): Wahrheitstheorien. Eine Auswahl über Diskussionen über Wahrheit im 20. Jahrhundert, 7. Auflage, Frankfurt a. M. 1996, S. 140 - 188.

21 Vgl. Puntel, Lorenz Bruno a.a.O., S. 28.

22 Zur Problematik des Praxisbegriffes im Marxismus vgl. Schwarz, Philipp: Marxistische Philosophie. Das Wahrheits- und Praxisproblem in der Gegenwart, Köln/Wien 1976.

23 Hierbei muß angemerkt werden, daß Marx' vereinzelte direkten Äußerungen zum Wahrheitsproblem v.a. auch im Gesamtkontext seines Werkes die widerspiegelungstheoretische Deutung Lenins zumindest problematisch erscheinen lassen (,,Die Frage, ob dem menschlichen Denken gegenständliche Wahrheit zukomme - ist keine Frage der Theorie, sondern eine praktische Frage. In der Praxis muß der Mensch die Wahrheit, i.e. Wirklichkeit und Macht, Diesseitigkeit seines Denkens beweisen. Der Streit über die Wirklichkeit oder Nichtwirklichkeit des Denkens - das von der Praxis isoliert ist - ist eine rein scholastische Frage." Marx, Karl: Thesen über Feuerbach, MEW 3, Berlin 1962, S. 3 - 7, S. 5.

24 Zu den Problemen des kritischen Rationalismus Poppers vgl. Heinrich, Michael: Zum Verhältnis sozialwissenschaftlicher und naturwissenschaftlicher Formen des Wissens, In: PROKLA. Zeitschrift für politische Ökonomie und sozialistische Politik, 20 Jg., Nr. 79 (Juni 1990), S. 88 - 106, S. 95 ff. Die Beanspruchung von Wahrheit für den Satz ,,keine wissenschaftliche Aussage ist sicher" stellt die Bruchstelle des kritischen Rationalismus dar; vgl. Pöter, Wolfgang: Wahrheitstheorien und die Stellung des Wahrheitsbegriffes in den Sozialwissenschaften, Münster 1990, S. 4, S. 156 ff.

25 Vgl. Feyerabend, Paul a.a.O., S. 246 ff; Kuhn, Thomas: Die Struktur wissenschaftlicher Revolutionen, 14. Auflage, Frankfurt a. M. 1997.

26 Dies faßte Wittgenstein zusammen in dem Satz: ,,1.1 Die Welt ist die Gesamtheit der Tatsachen, nicht der Dinge." vgl. Wittgenstein, Ludwig: Tractatus logico-philosophicus, Werkausgabe, 8 Bd., Bd. 1, 12. Auflage, Frankfurt a. M. 1999, S. 11.

27 Vgl. zur Genese dieser wahrheitstheoretischen Richtung und zu den Berührungspunkten mit pragmatischen wahrheitstheoretischen Ansätzen Apel, Karl Otto: Transformation der Philosophie, 2. Bd., Frankfurt a. M 1973.

28 1 . ,,Alle potentiellen Teilnehmer eines Diskurses müssen die gleiche Chance haben, kommunikative Sprechakte zu verwenden, so daß sie jederzeit Diskurse eröffnen sowie durch Rede und Gegenrede Frage und Antwort perpetuieren können.
2 . Alle Diskursteilnehmer müssen die gleiche Chance haben, Deutungen, Behauptungen, Empfehlungen, Erklärungen und Rechtfertigungen aufzustellen und deren Geltungsanspruch zu problematisieren, zu begründen oder zu widerlegen, so daß keine Vormeinung auf Dauer der Thematisierung und der Kritik entzogen bleibt. [...]
3 . Zum Diskurs sind nur Sprecher zugelassen, die als Handelnde gleiche Chancen haben, repräsentative Sprechakte zu verwenden, d. h. ihre Einstellungen, Gefühle und Wünsche zum Ausdruck bringen. [... Das ist die Garantie dafür,] daß die Handelnden auch als Diskursteilnehmer sich selbst gegenüber wahrhaftig sind und ihre innere Natur transparent machen.
4 . Zum Diskurs sind nur Sprecher zugelassen, die als Handelnde die gleiche Chance haben, regulative Sprechakte zu verwenden, d. h. zu befehlen und sich zu widersetzen, zu erlauben und zu verbieten, Versprechen zu geben und abzunehmen, Rechenschaft abzulegen und zu verlangen usf. Denn nur die vollständige Reziprozität der Verhaltenserwartungen, die Priviligierungen im Sinne einseitig verpflichtender Handlungs- und Bewertungsnormen ausschließen, bieten die Gewähr dafür, daß die formale Gleichverteilung der Chancen, eine Rede zu eröffnen und fortzusetzen, auch faktisch dazu genutzt werden kann, Realitätszwänge zu suspendieren und in den erfahrungsfreien und handlungsentlasteten Kommunikationsbereich des Diskurses überzutreten." Vgl. Habermas, Jürgen: Vorstudien und Ergänzungen zur Theorie des kommunikativen Handelns, Frankfurt a. M. 1995, S. 177 f.

29 Vgl. ebd., S: 180 f.

30 Neben der mangelnden definitorischen Genauigkeit von Habermas' Begriffsapparat, die von Puntel und von Luhmann aus systemtheoretischer Sicht kritisiert wird (vgl. Puntel, Lorenz Bruno a.a.O., S. 158 ff; Habermas, Jürgen/Luhmann, Niklas: Theorie der Gesellschaft oder Sozialtechnologie, Frankfurt a. M. 1971, S. 342-360) vgl. weiterführend zur sogenannten Foucault-Habermas-Debatte Kelly, Michael [Hrsg.]: Critique and Power. Recasting the Foucault Habermas Debate, Cambridge, 1994; Ashenden, Samantha: Foucault contra Habermas. Recasting the Dialogue between Genealogy and Critical Theory, London 1999.

31 Vgl. Habermas, Jürgen a.a.O., S. 180.

32 Vgl. FuS, S. 25, vgl. dazu Apel, Karl-Otto: Ist die Ethik der idealen Kommunikationsgemeinschaft eine Utopie? in: Voßkamp, Wilhelm: Utopieforschung. Interdisziplinäre Studien zur neuzeitlichen Utopie, 3 Bd., 1. Bd., Frankfurt a. M. 1985, S. 325 - 355.

33 Diese Ähnlichkeit resultiert daraus, daß Habermas' Konsenstheorie als pragmatisch ausformulierte Kohärenztheorie der Wahrheit bezüglich ihres Wahrheitskriterium angesehen werden kann, da gilt: Einen Aussage ist genau dann wahr, wenn bezüglich ihrer ein universaler Konsens erzielt werden kann _ eine Aussage ist wahr genau dann, wenn sie in das Gesamtsystem der sich als kohärenzial erweisenden Sätze eingliederbar ist; vgl. Puntel, Lorenz Bruno a.a.O., S. 163.

34 Neurath, Otto: Soziologie im Physikalismus, in: Erkenntnis, Bd. 2 (1931), S. 393 - 431, S. 403.

35 Vgl. Rescher, Nikolas: The Coherence Theory of Truth, Oxford 1973.

36 Vgl. Puntel, Lorenz Bruno a.a.O., S. 192 ff.

37,,Tatsächlich ist jeder Punkt der Machtausübung zur gleichen Zeit ein Ort der Wissensbildung. Und umgekehrt erlaubt und sichert jedes etablierte Wissen die Ausübung einer Macht." MdM, S. 102., was forschungspraktisch z.B. die Verfügungsgewalt über Forschungsmittel beinhaltet.

38 Auf die Redundanztheorie der Wahrheit, die das Wahrheitsproblem in einer sprachlichen Verwirrung oder als logisch überflüssig ansieht, wurde hier aufgrund ihrer eindeutigen Widerlegung nicht näher eingegangen; vgl. Puntel, Lorenz B. a.a.O., S. 70 ff. Mit Foucault müßte gegen sie v.a. die praktischen Funktionen von Wahrheit in der Gesellschaft angeführt werden.

39 Vgl. DdM, S. 53.

40 Vgl. Lemke, Thomas a.a.O., S. 33 ff.

41 Vgl. Fink-Eitel, Hinrich: Michel Foucault zur Einführung, 3. Auflage, Hamburg 1997, S. 124 ff.

42 AdW, S. 156. Zur Diskussion, was Foucault alles unter diesen weiten Begriff von Diskurs faßt vgl. Barret, Michèlle a.a.O., S. 127.

43 AdW, S. 156.

44 AdW, S. 173

45 Vgl. Foucault, Michel: Die Geburt der Klinik. Eine Archäologie des ärztlichen Blicks, Frankfurt a. M. 1988, S. 15. Zum Begriff der Positivität bei Foucault vgl. näher Münster, Arno: Pariser philosophisches Journal. Von Satre bis Derrida, Frankfurt a. M. 1987, S. 20; Habermas, Jürgen: Der philosophische Diskurs der Moderne. Zwölf Vorlesungen, 6. Auflage, Frankfurt a. M. 1998, S. 283.

46 Vgl. AdW, S. 42; vgl. Barrett, Michèlle a.a.O., S.126.

47 Vgl. Münster, Arno a.a.O., S. 21.

48 Ansatzpunkte zur Analyse nichtdiskursiver Praktiken und zum Verhältnis dieser zu den Diskursen, wie z.B. ökonomischer Entwicklungen finden sich schon in der AdW, S. 100 ff, S. 234. Der Schwerpunkt liegt allerdings in der Archäologie auf einer linguistischen Analyse.

49 OdD, S. 451; SdW, S. 13.

50 Vgl. OdD, S.17 ff.

51 Vgl. SdW, S. 15 f.

52 Vgl. Veyne, Paul: Die Revolutionierung der Geschichte, Frankfurt a. M. 1992, S. 67.

53,,Ich wüßte niemanden, der antistrukturalistischer wäre als ich.", Li, S. 77. , vgl. Lemke, Thomas a.a.O., S. 43 ff.

54 Folgerichtig verkündet Foucault den Tod des Menschen im epistemischen Sinn:,,Allen, die noch vom Menschen, von seiner Befreiung sprechen wollen, all jenen, die noch fragen nach dem Menschen in seiner Essenz, jenen, die von ihm ausgehen wollen, um zur Wahrheit zu gelangen, jenen umgekehrt, die alle Erkenntnisse auf die Wahrheiten des Menschen selbst zurückführen, allen die nicht formalisieren wollen, ohne zu anthropologisieren, die nicht mythologisieren wollen, ohne zu demystifizieren, die nicht denken wollen, ohne sogleich zu denken, daß es der Mensch ist, der denkt, all diesen Formen linker und linkischer Reflexion kann man nur ein philosophisches Lachen entgegensetzten - das heißt: ein zum Teil schweigendes Lachen." OdD, S. 412; vgl. dazu Münster, Arno a.a.O., S. 28 f.

55 Vgl. Honneth, Axel: Kritik der Macht. Reflexionsstufen einer kritischen Gesellschaftstheorie, Frankfurt a. M. 1985, S. 169.

56 Vgl. Li, S. 79.

57 Li, S. 84.

58 Vgl. Münster, Arno a.a.O., S. 36; Honneth, Axel: Kritik der Macht a.a.O., S. 168.

59 Zum Problem des ,,Archäologischen Zirkels", das sich hieraus ergibt, vgl. Lecourt, Dominique: Kritik der Wissenschaftstheorie. Marxismus und Epistémologie (Bachelard, Canguilhelm, Foucault), Berlin 1975, S. 96: Dadurch, daß Foucault vermeiden möchte, das Wissen aus einer bestimmten Sozialstruktur (Ökonomie, Mentalitäten, Ideen) mechanisch abzuleiten, ergibt sich bei Foucault ,,der merkwürdige Begriff der Regelmäßigkeiten, sie sich selbst regeln." (Dreyfus, Hubert L./Rabinow, Paul: Michel Foucault: Jenseits von Strukturalismus und Hermeneutik, Frankfurt a. M. 1982, S. 109 f.) Die Formen der Episteme ,,ruhen im Diskurse selbst" (AdW, S. 108) die wiederum die ,,Seltenheit" von Diskursen bestimmen. Damit nähert sich Foucault der ,,strukturalistischen These des Primats des Zeichens" an, die Foucault selber kritisiert hat (Lemke, Thomas a.a.O., S. 49 f).

60 DdM, S. 31; MdM 104 f.; vgl. Honneth, Axel: Kritik der Macht a.a.O., S. 171.

61 Vgl. SdW, S. 98 f.

62 DdM, S. 29.

63 Vgl. ÜuS, S. 217; WzW, S. 114.

64 WzW, S. 113 ff.

65 WiK, S. 32.

66 MdM, S. 100: ,,Man kann Macht nicht mit Reichtum gleichsetzen: Die Macht ist eine permanente Strategie, die man auf dem Hintergrund des Bürgerkrieges denken muß. Man muß das Schema aufgeben, nach dem die Macht einigen per Vertrag vom Willen Aller übertragen ist".

67 WzW, S. 115.

68 Vgl. DdM, S. 39, WzW, S. 115.

69 WzW, S. 114.

70 ÜuS, S. 388.

71 Vgl. WzW, S. 116.

72 WzW S. 117, DdM, S. 195. Daraus folgt für Foucault methodisch, Macht v.a. anhand der Widerstände gegen sie zu untersuchen; vgl. WiM, S. 105.

73 Vgl. ODis, S. 11., S. 33. Hier trennt sich Foucault allerdings schon selbstwidersprüchlich von der Idee eines ,,wilden Außen" (S. 25): ,,Daß es Verknappungssysteme gibt, bedeutet nicht, daß unterhalb oder jenseits ihrer ein großer unbegrenzter, kontinuierlicher und schweigsamer Diskurs herrscht, der von diesen Verknappungssystemen unterdrückt oder verdrängt wird und den wir emporheben müssen, indem wir ihm endlich das Wort erteilen." (S. 34).

74 Vgl. Lemke, Thomas a.a.O., S. 52.

75 Vgl. Fink-Eitel a.a.O., S. 78.

76 "Macht bedeutet jede Chance, innerhalb einer sozialen Beziehung den eigenen Willen auch gegen Widerstreben durchzusetzen, gleichviel worauf diese Chance beruht." Weber, Max: Wirtschaft und Gesellschaft. Grundriss der verstehenden Soziologie, 5. Auflage, Tübingen 1972.

77 Foucault bestreitet umgekehrt nicht die Existenz von Ideologie und Repression als Folge von Machtverhältnissen, vgl. WzW, S. 8.

78 ÜuS, S. 39; SdW, S. 78.

79 Vgl. z.B. Marx, Karl: Zur Kritik der Hegelschen Rechtsphilosophie a.a.O., S. 378; Marx, Karl/Engels, Friedrich: Deutsche Ideologie, in: MEW, Bd. 3., Berlin 1962, S. 9 - 532, S. 26 ff.; Marx, Karl: Das Kapital. Kritik der politischen Ökonomie. Erster Band, MEW, Bd. 23, Berlin 1962, S: 85 ff.Adorno, Theodor W.: Beitrag zur Ideologienlehre, in: Gesammelte Schriften, 20 Bände, Bd. 8, Frankfurt a. M. 1997, S. 457 - 477, S 465. Die Ideologie der Gegenwart ist für Adorno gekennzeichnet durch ,,das dünne Axiom, es könne nicht anders sein als es ist."(ebd. S. 477). Wie weiter unten gezeigt wird, versucht Foucault gerade dieses Axiom mit seinen Arbeiten aufzubrechen.

80 Vgl. Li, S. 79; DdM, S. 34; Lemke, Thomas a.a.O., S. 92. Foucault erinnert mit seiner Analyse an die ursprüngliche Bedeutung des Subjektbegriffs, der vom lateinischen subiectus (unterworfen, untergeben, pl. die Untertanen) abgeleitet ist; vgl. WiM, S: 106.

81 WzW, S. 114.

82 WiK, S. 32.

83 Vgl. Habermas, Jürgen: Der philosophische Diskurs der Moderne a.a.O., S. 291.

84 Vgl. Odis, S. 17.

85 Odis, S. 17.

86 ODis, S. 16.

87 Odis, S. 22.

88 ODis, S. 25.

89 ODis, S. 23.

90 Vgl. Schäfer, Thomas: Reflektierte Vernunft. Michel Foucaults philosophisches Projekt einer antitotalitären Macht und Wahrheitskritik, Frankfurt a. M. 1995, 90 ff. Schäfer arbeitet hierbei den Zusammenhang mit Heideggers Konzept des ,,Erschließens" der Welt heraus.

91 Vgl. ebd., S. 26 ff.

92 Als Beispiel für Doktrinen im Wissenschaftsbetrieb kann die neoklassische Theorie in der Volkswirtschaftslehre gelten. Werden deren Axiome nicht geteilt, ist eine wissenschaftliche Karriere schon ungleich schwieriger zu bewerkstelligen; vgl. Maier, Friederike: Das Wirtschaftssubjekt hat (k)ein Geschlecht! Oder: Bemerkungen zum gesicherten Wissen der Ökonomen zur Geschlechterfrage, in: Carl, Andrea-Hilla / Maier, Friederike / Regenhard, Ulla (Hg.): Ökonomische Theorien und Geschlechterverhältnis. Der männliche Blick der Wirtschaftswissenschaften, 2. Auflage, Berlin 1997,S. 15-40, S. 18.

93 ODis, S. 29.

94 ODis, S.30.

95 DdM 51 f.

96 Vgl. ODis, S. 31 ff; Kammler, Clemens: Michel Foucault. Eine kritische Analyse seines Werks, Bonn 1986, S. 184.

97,,Damit Wissen als Wissen funktionieren kann, muß es eine Macht ausüben. Innerhalb der tatsächlichen Wissensdiskurse übt jede als wahr betrachtete Aussage eine bestimmte Macht aus und schafft gleichzeitig eine Möglichkeit; und umgekehrt impliziert jede Machtausübung, auch eine Tötung, zumindest eine Geschicklichkeit: schließlich ist auch die grausame Vernichtung eines Individuums noch eine Art von Wissen wie man's macht." WiK, S. 46 f.

98 Vgl. ÜuS, S. 288.

99 Vgl. WiK S. 33. Macht und Wissen schließen sich unmittelbar ein, so ,,daß es keine Machtbeziehung gibt, ohne daß sich ein entsprechendes Wissensfeld konstituiert, und kein Wissen, das nicht gleichzeitig Machtbeziehungen voraussetzt und konstituiert." ÜuS, S. 39; MdM, S. 38.

100 Vgl. WzW, S.115.

101 Eine Ausnahme stellt Hannah Arendts emphatischer Machtbegriff dar, vgl. Arendt, Hannah: Macht und Gewalt, München 1970.

102 WzW S. 106.

103 Vgl. ÜuS, S. 42.

104 MdM, S. 35.

105 Veyne, Paul a.a.O., S. 29, S. 36,

106 AdW, S. 71 ff.

107 ÜuS, S 34.; vgl. SdW, S. 91, S. 97.

108 Vgl. ÜuS, S. 36.

109 Vgl. ÜuS, S. 281.

110 Vgl. MdM, S. 102.

111 Vgl. ÜuS, S. 280. Somit wurden BerufspolitikerInnen mit ihren spezifischen Aufgaben zur Aufrechterhaltung von Herrschaft erst generiert, vgl. Weber, Max: Politik als Beruf (1919), Stuttgart 1997.

112 Vgl. ÜuS, S. 256 ff; Vgl. Habermas, Jürgen: Der philosophische Diskurs der Moderne a.a.O., S. 288.

113 Vgl. MdM, S. 107.

114 Vgl. ÜuS, S. 393.

115 ÜuS, S. 42.

116 Vgl. Lemke, Thomas a.a.O., S. 334 f.

117 Zum Problem der Vermittlung von der Mikroebene der Macht zur Verstetigung von Machtverhältnissen vgl. ebd., S. 124.

118 Vgl. WzW, S. 166.

119 WzW, S. 171.

120 ÜuS, S. 33.

121 Vgl. DdM, S. 153 ff; WzW, S. 75 ff. Für Foucault ist der Mensch der Neuzeit zum ,,Geständnistier" mutiert; WzW, S. 77.

122 MdM, S. 102.

123 Vgl. ÜuS, S. 37.

124 Vgl. Vgl. WzW, S. 115.

125 Vgl. DdM, S. 51 f.

126 Vgl. DdM, S. 54; Lemke, Thomas a.a.O., S. 329 f.

127 DdM, S. 54.

128 Friedrich Nietzsche: Götzendämmerung oder wie man mit dem Hammer philosophiert, in: ders.: Werke, 2 Bd., Bd. 2, 8. Auflage, Stuttgart 1930, S. 161-212, S. 172.

129 Vgl. Fraser, Nancy: Widerspenstige Praktiken, Frankfurt a. M. 1994, S. 48, S. 82 f.

130 Vgl. Der Mensch ist ein Erfahrungstier, Frankfurt a. M. 1980, S. 44.

131 Vgl. Lemke, Thomas a.a.O., S. 94.

132 Aristoteles a.a.O., IV, 8, 1012b, 15 - 20, S. 124.

133 Hegel, Georg Wilhelm Friedrich: Phänomenologie des Geistes, in: ders.: Werke, 20 Bd., Bd. 3, 5. Auflage, Frankfurt a. M. 1996, S. 69.

134 Vgl. Honneth, Axel: Kritik der Macht a.a.O., S. 192; ,,Wir können den Skeptiker und Relativisten, solange er nur argumentiert, dessen überführen, daß er als argumentierendes Sprachwesen die Grundlage der intersubjektiven Gültigkeit [...] immer schon notwendigerweise anerkannt hat." Apel, Karl Otto: Auseinandersetzungen in Erprobung des tranzendental-pragmatischen Ansatzes, Frankfurt a. M. 1998, S. 456.

135 Es besteht ein Unterschied zwischen dieser Aussage und der Aussage, es gibt keine Wahrheit; vgl. Lemke, Thomas a.a.O., S. 335.

136 Heuristik ist die Kunst wahre Ausagen zu finden, im Unterchied zur Logik, die lehrt, wie wahre Aussagen zu begründen sind. Heuristische Prinzipie sind Regeln, Hypothesen, versuchsweise Annahmen, die nur vorläufig, im Hinblick auf das zu findende aufgestellt , nicht jedoch als tatsächlich oder endgültig betrachtet werden.

137 Vgl. WzW, S. 119; Schäfer, Thomas a.a.O., S. 59.

138 Vgl. GdK, S. 17. Aus dieser Perspektive wird auch die Wendung zum Subjekt beim späten Foucault verständlich, da diese Entscheidungen nur in einem handlungstheoretischen Konzept von Subjektivität und Ethik begründet werden können.

139 Foucault, Michel: Von der Freundschaft als Lebensweise, Berlin 1984, S. 139.

140 Vgl. SdW, S. 20: ,,Ich wäre ja wirklich blind, wenn ich das, was ich in diesen Fällen [OdD Strukturen M.B.] bemerkt habe, in Bezug auf mich selber negiert hätte. Ich weiß genau, daß ich mich in einem Kontext befinde."

141 Vgl. Schäfer, Thomas a.a.O., S. 72 f.

142 Vgl. AdW, S. 227.

143 WzW, S. 78. Zum politischen Verständnis seiner Arbeit in epistemologischer Hinsicht sagt Foucault: ,,Die Frage der Philosophie ist die Frage nach der Gegenwart, die wir selbst sind. Daher ist die Philosophie heute durch und durch politisch und durch und durch historisch. Sie ist die der Geschichte immanente Politik, sie ist für die Politik unentbehrliche Geschichte." DdM, S. 193.

144 WiK, S. 12.

145 WiK, S. 15.

146 Vgl. WwM, S. 260 f. Hieraus erschließt sich auch die positive Rezeption Foucaults in der anarchistischen Theoriediskussion, vgl. May, Todd: The political Philosophy of Poststructuralist Anarchism, Pennsylvania State University 1994; Mümken, Jürgen: Keine Macht für Niemand. Versuch einer anarchistischen Aneignung des philosophischen Projektes von Michel Foucault, in: Schwarzer Faden, Jg. 19, Heft 1 (1998), S. 34 - 46. Foucaults anarchistische Züge zeigen sich auch in ÜdV, S. 137, S. 140; WiM, S. 110.

147 Habermas, Jürgen: Der philosophische Diskurs der Moderne a.a.O., S. 334.

148 Vgl. Fink-Eitel, Hinrich a.a.O., S. 94.

149 Vgl. Lemke, Thomas a.a.O., S. 25.

150 DdM, S. 227.

151 Vgl. SdW, 128 ff; DdM, 44 ff, 227 ff; Fig, S. 88 f. ,,In all dem gibt es nichts `Wissenschaftliches' (das heißt keinerlei dogmatischen Glauben an den Wert wissenschaftlichen Wissens), aber auch keine skeptische oder relativistische Verweigerung gegenüber jeglicher erwiesener Wahrheit. Was in Frage gestellt wird, ist die Art, in der das Wissen zirkuliert und funktioniert, seine Beziehungen zur Macht. Kurz: Das Regime des Wissens." WiM, S. 106.

152 Vgl. VdF, S. 137.

153 Vgl. Eribon, Didier: Michel, Foucault, Frankfurt a. M. 1993.

154 MdM, S. 112

155 MdM, S. 112.

156,,LEVY: Es gibt keine richtige Seite? FOUCAULT: Man muß sich auf die andere Seite, die `richtige Seite' stellen - aber um zu versuchen, sich von den Mechanismen frei zu machen, die stets zwei Seiten erscheinen lassen, um die falsche Einheit, die illusorische `Natur' jener anderen Seite, deren Partei man ergriffen hat, aufzulösen. Da beginnt die wirkliche Arbeit, die des Historikers der Gegenwart." DdM, S. 192.

157 Vgl. Eagleton, Terry a.a.O., S. 11.

158 Vgl. Habermas, Jürgen: Der philosophische Diskurs der Moderne a.a.O., S. 302; Epstein, Barbara: Postmodernism and the Left, in: New Politics, Jg. 6, H. 2, Nr. 22 (1997), im Internet zu finden unter http://www.wilpaterson.edu/_newpol/issue22/epstei22.htm .

159 Vgl. Sokal, Alan D./Bricmont, Jean: Fashionable Nonsense. Postmodern Intellectuals' Abuse of Science, 2. Auflage, New York 1998, S. X. Foucaults theoretisches Werk wird von Sokal und Bricmont nicht kritisiert.

160 Vgl. Eagleton, Terry a.a.O., S. 8.

161 Vgl. z.B. in Wahnsinn und Gesellschaft die Erklärung der Internierungswellen von Armen in der Neuzeit, S. 80, seine Analyse des ökonomischen Diskursen in OdD und sein Konzept der Biomacht, das die ökonomische Verwertbarkeit von Menschen in den Vordergrund stellt. Das Foucault angesichts eines theoretisch verhärteten orthodoxen Parteikommunismus im Frankreich der sechziger und siebziger Jahre dessen Marxrezeption kritisiert, ist aufgrund Foucaults Verständnis von Kritik und aufgrund seiner genealogischen Forschungskonzeption konsequent.

162 Burchell, Graham: Liberal governement and techniques of the self, In: Barry, Andrew / Osborne, Thomas / Rose, Nikolas: Foucault and political reason. Liberalism, neo-liberalism and rationalities of governement, Chicago 1996, S. 19 - 36, S. 31 f.

163 Vgl. ebd., S. 32.

164 Vgl. Dreyfus/Rabinow, S. 236.

165 WiK, S. 31.

166 Vgl. Dreyfus, Hubert L./Rabinow, Paul a.a.O ., S. 238.

167,,Nichts ist haltloser als ein politisches Regime, das der Wahrheit gleichgültig gegenübersteht; aber nichts ist gefährlicher als ein Regime , das sich anmaßt, die Wahrheit vorzuschreiben. Die Wahrheit sagen' - diese Funktion darf nicht die Form des Gesetzes annehmen, doch es wäre ebenso verkehrt, sie in der spontanen Kommunikation zu vermuten. Die Aufgabe, die Wahrheit zu sagen, ist einen unendliche Arbeit: sie in ihrer Komplexität zu respektieren, ist einen Verpflichtung, der keine Macht sich entziehen kann. Es sei denn sie erzwingt das Schweigen der Knechtschaft" Interview mit Francois Ewald, ,,La fin d'un monde", le Magazine littéraire, April 1984, S. 32, zitiert nach GdW, S. 58; vgl. VdF, S. 139.

168 Vgl. z.B. die Gesichter dieser Wahrheit in dem Kompendium Bourdieu, Pierre/Accardo, Alain (Hg.): Das Elend der Welt. Zeugnisse und Diagnosen alltäglichen Leidens an der Gesellschaft, 2. Auflage, Konstanz 1998.

169 Adorno, Theodor W.: Minima Moralia. Reflexionen aus dem beschädigten Leben, in: ders.: Gesammelte Schriften 20 Bd., Bd. 4, Frankfurt am Main 1997, S. 77.

170 Zola, Emile: Wahrheit, Berlin o.J., S. 735.

171 Frei nach Brecht, Bertolt: Geschichten vom Herrn Keuner. Die Frage, ob es einen Gott gibt, in: ders.: Ausgewählte Werke in sechs Bänden, Bd. 5, Frankfurt a. M. 1997, S. 218

Ende der Leseprobe aus 45 Seiten

Details

Titel
Wahrheitstheorien und politikwissenschaftliche Praxis - Eine Positionsbestimmung in Anschluß an Michel Foucault
Hochschule
Freie Universität Berlin
Veranstaltung
Hauptseminar Kritische Sozialwissenschaft oder Kritik der Sozialwissnschaften: Möglichkeiten und Funktionsweise einer linken sozialwissenschaftlichen Zeitschrift am Beispiel der PROKLA
Note
1,0
Autor
Jahr
2000
Seiten
45
Katalognummer
V97200
ISBN (eBook)
9783638098755
Dateigröße
480 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Wahrheitstheorien, Praxis, Eine, Positionsbestimmung, Anschluß, Michel, Foucault, Hauptseminar, Kritische, Sozialwissenschaft, Kritik, Sozialwissnschaften, Möglichkeiten, Funktionsweise, Zeitschrift, Beispiel, PROKLA
Arbeit zitieren
Marcus Bröskamp (Autor:in), 2000, Wahrheitstheorien und politikwissenschaftliche Praxis - Eine Positionsbestimmung in Anschluß an Michel Foucault, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/97200

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