Die japanische Wirtschaftskrise von 1995 bis 2004. Entstehung, Verlauf sowie Stabilisierungspolitik


Seminararbeit, 2019

15 Seiten, Note: 1,0


Leseprobe

Inhaltsverzeichnis

1 Einleitung

2 Die Wirtschaftsstruktur Japans
2.1 Japans Ökonomie vor der Krise
2.2 Japans Banken

3 Entstehung und Verlauf der Krise
3.1 Verringerung der aggregierten Konsumnachfrage
3.2 Schuldendeflation

4 Maßnahmen gegen die Rezession – Stabilisierungspolitik
4.1 Geldpolitik
4.2 Fiskalpolitik

5 Zusammenfassung

6 Literaturverzeichnis

7 Abbildungsverzeichnis

1 Einleitung

Ushinawareta Nijūnen, auf Deutsch ‚zwei verlorene Dekaden‘, bezeichnet die Rezession in Japan, die mit dem Platzen der Blasen-Wirtschaft zu Beginn der 1990er Jahre eingeleitet wurde und sich in der Zeit des großen Preisverfalls fortsetzte. Da auch die wirtschaftliche Entwicklung von 2000 bis 2010 sehr schwach war, wird auch von den zwei verlorenen Dekaden gesprochen.

Hatte Japan in den 1980er Jahren noch ein starkes Wirtschaftswachstum zu verzeichnen (zwischen 1960 und 1990 BIP-Wachstum von 5% pro Jahr), sank ab 1991 das Wachstum gegen Null und es kam zu einem enormen Anstieg der Arbeitslosenrate. Die erste Rezession dauerte von 1992 bis 1995, die zweite begann 1997. Das Resultat war ein Rückgang der Inflation ab den frühen 1990er Jahren und ab 1998 eine Deflation. Durch die Deflation wurden die nominalen Zinssätze auf null gesenkt. Der japanische Aktienmarkt fiel um 75% und die Werte für Gewerbeimmobilien sanken um 80% gegenüber ihren vorzeitigen Höhepunkten von 1990. Zudem hielten japanische Banken Unmengen an faulen Krediten, was die wirtschaftliche Lage noch verschlimmerte. Parallelen zur Großen Depression sind erkennbar. (vgl. Knoop 2004: 229)

In dieser Arbeit werden die Entstehung und der Verlauf der japanischen Wirtschaftskrise von 1995 bis 2004 beschreiben sowie die wirtschaftstheoretischen Modelle dargelegt, die die Rezession erklären können. Zuerst werden die Charakteristika der japanischen Wirtschaft aufgezeigt, danach erfolgt eine Erläuterung der japanischen Bankenstruktur. Die Gründe für die Rezession und die einzelnen Faktoren, die bei der Krise bedingten stellen Hauptaugenmerk des nächsten Kapitels dar. Infolgedessen wird auf die gescheiterte Stabilisierungspolitik eingegangen. Keynesianische und neu-keynesianische Erklärungen zur Krise sollen im abschließenden Kapitel beurteilt werden.

2 Die Wirtschaftsstruktur Japans

2.1 Japans Ökonomie vor der Krise

Vor der Krise stellte Japan neben den USA, Europa und der Sowjetunion eine der führenden Wirtschaftsmächte dar. US-amerikanische und europäische Politiker befürchteten sogar in den späten 1980er Jahren, dass Japan ökonomisch zu stark und mächtig werden würden. (vgl. Summers 1989, zit. n. Knoop 2004: 230f.)

Japan galt im 20. Jahrhundert als das ‚wirtschaftliche Wunder‘ schlechthin. Dies zeigte sich durch BIP-Wachstumsraten von durchschnittlich 5% pro Jahr und einen enormen Anstieg des Lebensstandards. In kürzester Zeit entwickelte sich das Land von einer agrarisch geprägten Wirtschaft zum Vorreiter in der Stahl- und Automobilindustrie. In den 1980er Jahren verschob sich der industrielle Schwerpunkt von der Chemie- und Schwerindustrie auf die Hightech- und Elektroindustrie. (vgl. Knoop 2004: 231)

Im Allgemeinen zeichnet sich Japan durch einen kleinen exportorientierten Sektor, einen geschlossenen heimischen Markt, starke Regulierungen und Konzentration der Industrie, niedrigen Konsum, hohe Sparraten, sowie durch ein großes Bankensystem und eine bürokratische Regierung aus. Die japanische Wirtschaft ist vor allem exportorientiert und international extrem wettbewerbsfähig. Allerdings produzieren nur 15% der Unternehmen für den Export. Die restlichen Unternehmen, die Güter und Dienstleistungen für den heimischen Konsum produzieren, sind vom internationalen Markt geschützt. Der Staat hat starke Kontrolle über die Marktbedingungen und reguliert mehr oder weniger die Preisbildung. Dadurch kam es zu Marktmachtkonzentration und zur Entstehung von Oligopolen und Monopolen. Preisabsprachen zwischen den einzelnen Konglomeraten hielten die Preise auf einem gleichbleibenden, hohen Niveau. (vgl. Knoop 2004: 231f.)

Nach dem 2. Weltkrieg wollte Japan den internationalen Markt durch Exportsteigerung erobern. Dazu brauchte es Investitionen. Billige Finanzierung kam dadurch zustande, dass der Staat Subventionen und Kredite bereitstellte, einerseits durch die japanische Steuerpolitik, die die Ersparnisse der privaten Haushalte förderte, indem sie sich stark auf die Verbrauchssteuern konzentrierte und andererseits dienten die überhöhten Preise am Heimatmarkt dazu Exporte zu subventionieren. Die Förderung der Exporte einerseits und die protektionistische Wirtschaftspolitik am heimischen Markt andererseits führten zu einem Produktivitätsungleichgewicht und erhöhten die Preise für inländische Konsumgüter. So betrugen die Preise teilweise das Sechsfache von vergleichbaren Preisen in den USA oder Europa. Folglich reduzierte sich der Konsum und Sparen wurde aus Sicht des Einzelnen immer rationaler. Japan sparte so fast 20% des gesamten BIP. Die hohen Sparraten führten wiederum zu Zinssatzsenkungen und zu hohen Investitionen. (vgl. Knoop 2004: 231ff.)

Ein weiterer Grund für den Produktivitätsrückgang war bzw. ist die zunehmende Überalterung der japanischen Bevölkerung, die durch sinkende Geburtenraten und strikte Einwanderungsbestimmungen bedingt wurde. Dadurch sank die Kaufkraft und zudem standen weniger Arbeitskräfte zur Verfügung. Die Ineffizienz im heimischen Markt und der schrumpfende Arbeitsmarkt führten dazu, dass immer mehr japanische Firmen ins Ausland abwanderten, um so die Produktivität zu erhöhen. (Knoop 2004: 232) Zum Beispiel wurden mehr Automobile im Ausland produziert als im Inland selbst. (vgl. Katz 2000) Abgesehen davon wurden japanische Produkte im Inland extrem teuer. Zum Vergleich: Ein japanischer Haushalt gab etwa 20% des Einkommens für Nahrungsmittel aus, ein US-amerikanischer Haushalt hingegen nur etwa 10%. (vgl. Knoop 2004: 232)

2.2 Japans Banken

Der Staat spielt im japanischen Finanzsystem eine große Rolle, da die Banken durch den Staat stark reguliert und vom internationalen Markt geschützt werden. Durch die Staatssubventionen wurden, wie schon zuvor erwähnt, Haushalte ermutigt ihre Ersparnisse auf den Banken zu halten. So wurde ein unglaublicher Prozentanteil des Vermögens der japanischen Haushalte, nämlich 54%, gespart. (vgl. Knoop 2004: 233) Aus diesem Grund besaß Japan auch in den 1990er Jahren acht von den zehn größten Banken der Welt. (vgl. Yamaguchi 2002) Trotz ihrer Größe und ihres Einflusses sind japanische Banken vom internationalen Wettbewerb geschützt. Unternehmen verließen sich bezüglich der Finanzierung durch Kredite auf die Banken. Es ist anzumerken, dass die Beziehung zwischen Banken und Unternehmen in Japan sehr eng ist, wodurch Kredite nicht auf Basis tatsächlicher Profite bzw. auf Basis von Wachstum, sondern aufgrund von guten Beziehungen vergeben wurden. (vgl. Knoop 2004: 233; vgl. Burgschweiger 2009: 2) Es gab also keine Regeln bei der Gewährung von Krediten. Banken und Unternehmen erwarteten sich von der engen Beziehung, dass bessere Kredit- und Investitionsentscheidungen getroffen werden können. Auch die Kreditvergabe an einfache BürgerInnen war sehr locker, da die Banken darauf hofften, dass der Staat im Falle von Rückzahlungsunfähigkeit eingreifen würde. Seit 1982 waren die Leitzinsen in Japan stetig gefallen. Durch die hohen staatlichen Investitionsausgaben und die massive Senkung der Leitzinsen war Kapital damit zu extrem niedrigen Zinsen am Finanzmarkt zu bekommen. Billige Kredite und steigende Aktienkurse verleiteten immer mehr Unternehmen, Investitionen am Finanzmarkt zu tätigen. Weiters wurden ab den 1980er Jahren Deregulierungsmaßnahmen durchgeführt. In Verbindung mit dem übertriebenen Optimismus der Unternehmer und Spekulanten spielte die Deregulierung Ende der 1980er Jahre eine große Rolle bei der Schaffung unglaublicher Immobilien- und Aktienmarktblasen in Japan. Durch die ökonomischen Fehlanreize wurden Banken leichtsinnig und vergaben noch mehr Kredite (moral hazard). Die Blase wuchs, da Risiken als gering eingeschätzt wurden und man die Auffassung war, dass die Banken ‚too-big-to-fail‘ seien. (vgl. Knoop 2004: 233f.) Erst 1990 erhöhte die japanische Zentralbank die Zinsen, um zu verhindern, dass die Wirtschaftsblase weiter anwächst.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 1 – Inflationsrate und Zinssätze in Japan 1986-2002; Quelle: Knoop 2004: 230

3 Entstehung und Verlauf der Krise

Im Dezember 1989 kam es zum Zusammenbruch des japanischen Wertpapiermarktes und zum großen Preisverfall. Nachdem der Output sank, stiegen die Forderungsverluste der Banken; die Kredite konnten nicht mehr zurückgezahlt werden und die Banken saßen auf den faulen Krediten fest. Es wurden keine weiteren Kredite mehr vergeben. Dies führte wiederum zu einem Sinken des Outputs und einer Reduktion der aggregierte Konsumnachfrage. Die Parallelen der japanischen Rezession und der Großen Depression der 1930er Jahren sind offensichtlich. Der Unterschied liegt allerdings darin, dass die Große Depression verheerende Auswirkungen auf die gesamte Weltwirtschaft hatte, während die japanische Rezession auf Japan selbst beschränkt war. Beispielsweise waren der Anstieg der Arbeitslosigkeit und die Verringerung des Outputs in Japan viel kleiner im Vergleich zur Großen Depression. (vgl. Knoop 2004: 234)

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 2 – Harmonisierte Arbeitslosenrate in Japan 1990-2008; Quelle: OECD

Die Reduzierung des aggregierten Konsumangebots ist auf strukturelle Ineffizienzen am japanischen Markt zurückzuführen. Einerseits war die Inflexibilität auf dem Arbeitsmarkt, d.h. die japanische Tradition der lebenslangen Anstellung, dafür verantwortlich. Andererseits können die rigiden nominalen und realen Löhne als Ursache dafür gesehen werden. Nach neu-keynesianischen Überlegungen zur Reallohnrigiditäten führte die Deflation zu höheren Reallöhnen und hoher Arbeitslosigkeit. Aber auch die starker Marktkonzentration und der mangelnde internationale Wettbewerb können als Ursache für die Verringerung des aggregierten Konsumangebots durch Produktionsabnahme verantwortlich gemacht werden. Außerdem nahm die Produktivität auch durch nachlassenden Grenzerträge ab. (vgl. Knoop 2004: 234f.) Die Deflation wurde aber vor allem durch die Verringerung der aggregierten Konsumnachfrage bedingt, die im Folgenden näher betrachtet werden soll.

[...]

Ende der Leseprobe aus 15 Seiten

Details

Titel
Die japanische Wirtschaftskrise von 1995 bis 2004. Entstehung, Verlauf sowie Stabilisierungspolitik
Hochschule
Universität Wien
Note
1,0
Autor
Jahr
2019
Seiten
15
Katalognummer
V975792
ISBN (eBook)
9783346320643
ISBN (Buch)
9783346320650
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Rezession, Japan, Wirtschaft, Stabilisierungspolitik, 1995-2004, Deflation
Arbeit zitieren
Dominik Prinz (Autor:in), 2019, Die japanische Wirtschaftskrise von 1995 bis 2004. Entstehung, Verlauf sowie Stabilisierungspolitik, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/975792

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