Das Leben des Martin Luther


Ausarbeitung, 1995

52 Seiten, Note: 15 Punkte


Leseprobe


Einleitung

'Ich glaube nicht an einen Gott' ist ein Satz, den man des öfteren zu hören bekommt, wenn man in der heutigen Gesellschaft erzählt, daß man sich mit Theologie beschäftigt. 'Ja, ich glaube schon an einen Gott' - ein weiterer Satz, den man wohl genau so oft hört. Und von beiden Aussagen fühle ich mich nie angesprochen, es scheinen mir leere, inhaltslose Worte. Dies war für mich ein Anknüpfungspunkt an Dorothee Sölles Theologie, wenn sie schreibt: "Die Mehrheit der Deutschen glaubt bekanntlich heute nicht mehr an Gott. Das hat mich bislang nicht allzusehr beunruhigt, weil ich das, woran sie früher glaubten, nicht unbedingt für Gott hielt"1.

Was meinen die Mitmenschen, wenn sie 'Gott' sagen ? Um aus den oben genannten Aussagen solche Aussagen zu machen, über die man reden kann, die also wirkliche Aussagen sind, muß man sich folglich jedesmal zuerst darüber verständigen, was jeder Gesprächspartner mit 'Gott' verbindet, welche Vorstellungen er mit diesem Begriff verbindet - erst dann kann über die daraus resultierenden Konsequenzen diskutiert werden. Oft habe ich darauf, was ich unter 'Gott' verstehe, als Antwort skeptisches Kopfschütteln bekommen, denn diesen Gott wollten so manche Gesprächspartner nicht als Gott verstanden wissen; es fehlte Ihnen da etwas von dem, was in ihrer Vorstellung von Gott enthalten war und ihnen eventuell essentiell wichtig war. Auf der anderen Seite widersprachen sich manche Vorstellungen. Wir konnten also beide sagen, 'ich glaube an Gott' - also genau dieselben Worte gebrauchen - der darin enthaltene Inhalt war jedoch keinesweges genau derselbe; unsere Aussagen waren also bei weitem nicht kongruent, sondern besaßen nur eine mehr oder weniger große inhaltliche Schnittmenge. 'Gott' war nicht 'Gott'. So scheint die Frage nach Gott für viele zugleich zu bedeuten: 'Glauben Sie an eine andere, von uns unabhängige, eine transzendente Wirklichkeit - sind Sie bereit, mehr zu akzeptieren als das, was zu unserem dreidimensionalen Weltbild gehört ?'. Um diese Aussage 'Gott' soll es deshalb in dieser Arbeit gehen. Wie können wir in einer Zeit, die sich selbst so gerne als 'postmodern' bezeichnet, von Gott sprechen ? Ist Gott 'tot' in einem Weltbild, das sich seit der Zeit dieses Mannes aus Nazareth so sehr verändert hat - ist da kein Platz mehr für den Gott, den Jesus verkündigte ? Haben wir ihn etwa getötet ? Oder hat die moderne Deutung unserer Welt, die ja unser subjektives Weltbild bestimmt, die Wirklichkeit so sehr verändert, daß wir Gott lediglich nicht mehr sehen - zugedeckt von den naturwissenschaftlichen Erkenntnissen dieser Zeit ? Da mir dies sehr zentrale Fragen zu sein scheinen - sowohl in Bezug auf unsere heutige Situation, in der es oft unmöglich erscheint, von Gott zu reden, als auch bezüglich des weiteren Verstehens von Sölles Ansatz - wird diesem Nachdenken über Gott ein breiter Raum einzuräumen sein. Dies soll mit Hilfe der Begriffe 'Transzendenz' und 'Immanenz' geschehen: Ist die Transzendenz eine von der Immanenz unabhängige Größe, die sich in ihr offenbaren kann, oder sind beide nur zusammen denkbar ? Anders formuliert: Ist Gott souverän und unabhängig, oder ist er nur mit dieser unserer Welt gemeinsam denkbar ?

Es wird auch nach der passenden Sprache, um von Gott zu reden, zu fragen sein. Sölle gebraucht gerade in ihren neueren Veröffentlichungen oftmals die Sprache der Poesie. Was kann sie leisten im Gegensatz zur theologisch-reflektierenden Sprache ? Vielfach erscheint die reflektierende Sprache noch möglich, da hier aus einem gewissen Abstand über ein Thema diskutiert werden kann, sozusagen auch ohne innere Beteiligung, da es sich hierbei um eine sekundäre Redeform handelt. Reden wir jedoch mit Gott, weshalb dies als primäre Redeform bezeichnet wird, so fehlen plötzlich die Worte. Deshalb wird es auch von Interesse sein, die Bedeutung des Gebets zu betrachten.

Als letzter Teil der Arbeit sollen dann die Konsequenzen aus den vorigen Teilen gezogen werden: Welche Konsequenzen haben diese Überlegungen für unser Handeln in der Gesellschaft oder der Kirche in der Gesellschaft ? Wichtig erscheint mir diese Reihenfolge der Aufgliederung, vom Gottesbild zur Ethik zu gehen, um das Handeln als Folge eines Nachdenkens über Gott zu sehen, da von diesem Ausgangspunkt aus das entsprechende Handeln dann immer wieder neu hinterfragt werden soll. Sicherlich widerspricht dies oft der Praxis in der Alltagssituation, in der man oftmals handelt, ohne im voraus lange darüber nachzusinnen; ich denke aber, daß daraus ein kritischeres, bzw. selbstkritischeres Handeln erwachsen kann, das sich seines Rückbezugs ständig zu vergewissern versucht. Sölle selbst spricht sich zwar einmal gegen diese Reihenfolge aus, wenn sie sagt, daß "Theologie ja der 'zweite Schritt' ist, die Reflexion nach der Aktion, die Theorie nach der Praxiserfahrung"2, jedoch möchte ich mir die Freiheit nehmen, ihre Praxis von ihrer Theorie aus zu verstehen, da dies vor allem auch der systematischen Darstellung zugute kommt. Allerdings ist auch bei Sölle nicht eindeutig auszumachen, ob Theorie die Praxis formt oder umgekehrt, denn ohne zu denken, also ohne eine gewisse grundlegend vorhandene Vorstellung von dem zu erreichenden Handlungsziel entwickelt zu haben, wäre ja jegliches Handeln nur Reflex-, bzw. Instinkthandeln. Somit erscheint es mir sinnvoll, besser von einer Wechselbeziehung zwischen Theorie und Praxis auszugehen, daß sich also beide gegenseitig beeinflussen, hinterfragen und befruchten.

1. Transzendenz in Immanenz - zur Theologie Dorothee Sölles

1.1. Transzendenz in Immanenz - die Frage nach Gott

Welche Bedeutung besitzen die Begriffe 'Immanenz' und 'Transzendenz', und in welchem Verhältnis stehen sie zueinander ?

Wörtlich übersetzt bedeutet 'trans-scendere' 'hinübersteigen', 'hinüberschreiten'. Immanent setzt sich aus 'im-manere' zusammen, wird also mit 'darin-bleiben', 'bei etwas bleiben' übersetzt3 und bildet somit den Gegenbegriff. Das bedingt das Fragen nach dem Ausgangspunkt, in dem wir uns befinden und von dem aus das Hinüberschreiten stattfindet, damit ist der immanente Ort - die Immanenz - gemeint; sodann das Fragen nach dem Zielort, zu dem hinübergeschritten wird, also der transzendente Ort - die Transzendenz, und desweiteren die Art, wie sich solch ein Hinüberschreiten vollziehen kann. Allerdings muß auch die Richtung des Schreitens untersucht werden: Vollzieht sich die Bewegung vom immanenten Ort in den transzendenten Ort, oder findet die Bewegung umgekehrt von der Transzendenz in die Immanenz statt - wird also die Transzendenz zum Ausgangspunkt ?

"In uns rumort eine Transzendenz, die sich nicht abspeisen läßt [...] Gott selber will ja in uns glauben, hoffen"4. Damit wird ausgesprochen, daß die Bewegung vom transzendenten Ort hin zum immanenten führt. Der Ausgangspunkt der Bewegung ist Gott - eine genauere Beschreibung liegt hier nicht vor. Der Zielort sind wir, die Menschen; genauer das Innere der Menschen ('in uns ...'). Das Hinüberschreiten vollzieht sich dabei auf die Art, daß in uns etwas - die Transzendenz selbst - 'rumort', daß wir durch die Transzendenz bewegt werden; der aus der Transzendenz kommende Gott will in der Immanenz selbst mitleben. Können über den Ausgangspunkt der Bewegung noch nähere Angaben gemacht werden ? "Transzendenz ohne Immanenz ist verdinglicht und verkommt zu einer beziehungslosen dogmatischen Behauptung, die uns in keiner Weise persönlich betrifft und unser Weltbild nicht bestimmt"5. Transzendenz kann also nicht losgelöst von der Immanenz gedacht werden. Damit sie für uns Relevanz erlangt, müssen wir sie an dem Ort, an dem wir leben, erfahren können, sonst ist sie für uns ohne Belang, und das Nachdenken über sie wäre ein reines Gedankenspiel, ein sinnloser Zeitvertreib. Gott ist auf der Straße zu suchen6, also in dieser Welt - das bedeutet aber, daß dies für uns der entscheidende Ort ist, Gott - und damit der Transzendenz - zu begegnen.

An anderer Stelle schreibt Sölle: "Beide, Transzendenz und Immanenz, beziehen sich auf dieselbe Sache, dieselbe eine Schöpfung. Die Differenz besteht darin, daß die Transzendenz jedes Phänomen der Immanenz, auf das sie angewandt wird, verdichtet und heiligt"7. 'Dieselbe Sache' ist hier also 'dieselbe eine Schöpfung'. Ort des Erfahrens der Transzendenz wird folglich diese Schöpfung, indem die Transzendenz die Immanenz konkretisiert und intensiviert. "Wir erkennen den Schöpfer in der Schöpfung, wo denn sonst. Wir sehen die Transzendenz in der Immanenz"8.

Relevanz hat somit die Transzendenz in der Immanenz.

Liegt nun aber damit die Transzendenz ganz in der Immanenz, so daß Ausgangspunkt und Zielpunkt der Bewegung identisch werden ?

Sölle verabschiedet sich von einem dualistischen Weltbild, in dem zwei getrennte Ortdistierten, von denen zumindest der eine, der transzendente Ort ohne den anderen denkbar wäre. Deutlich wird dies, wenn sie durch Rückbezug auf die Worte der Evangelien sagt: "Keine Religion also als Vermittlung zweier Welten". Gerade darin bestehen die "Chancen ... für den ums Jahr 30 in Galiläa durchaus profangewordenen Gott"9. Doch steht die ganze Transzendenz noch aus, wenn sie schreibt: "Im vorläufigen Christus ist das Reich Gottes zugleich da und noch nicht da"10 ; das Reich Gottes bleibt die größte Vision, die erst noch werden soll.11 Es soll also eben nicht ausgesagt werden, daß die Transzendenz ganz in der Immanenz aufgeht, bzw. sichtbar wird, sondern die "Schöpfung ist unvollendet, und Gott braucht uns in der Geschichte, sie zu vollenden"12.

Was man sich nun aber konkret unter dieser Transzendenz vorzustellen hat, soll im weiteren versucht werden, darzustellen.

1.2. Transzendenz im heutigen Weltbild

1.2.1. Eine Vorüberlegung

Was können wir uns im heutigen Weltbild unter Transzendenz vorstellen ? Um dies zu verdeutlichen, soll zuerst der Begriff der Immanenz erläutert werden: Immanenz bedeutet in unserem von der Naturwissenschaft dominierten Weltbild, daß wir mit ihrer Hilfe die Weltzusammenhänge erklären können. Eine physiologische Beschreibung kann mir z.B. erklären, welche Stoffwechselvorgänge sich in meinem Körper abspielen, wenn ich jemanden liebe oder hasse, und sie kann mir eventuell auch erklären, warum ich jemanden liebe oder nicht lieben kann. Die Vorgänge kann sie somit genau untersuchen, doch beschreibt sie damit letzten Endes nur die Symptome, die sich äußern, wenn ein Mensch sagt "ich liebe". Liebe selbst bleibt für sie - auch im wörtlichen Sinne - nicht erfaßbar.

Man kann darüber diskutieren, ob 'Liebe' überhaupt existiert, als Faktum kann sie mit den Mitteln dieser immanenten Wissenschaft nicht bewiesen werden.

Diese naturwissenschaftliche Wirklichkeit scheint mir heute dominierender zu sein, als wir es uns oft klar machen. Innerhalb dieser Wirklichkeit kann z.B. nicht vom Kommen des Reiches Gottes gesprochen werden, denn Hoffnung ist darin eine nicht verrechenbare Größe, da sie aus der Natur mit keinem Meßwerkzeug abzulesen ist. Erst wenn dieses Weltbild an seine immanenten Grenzen stößt, bzw. diese überschritten werden, sind weltfremde Aussagen wie 'jetzt hilft nur noch hoffen und beten' möglich und erlaubt. Um es anders auszudrücken: Der Mensch gibt erst dann auf, Schöpfer seiner eigenen Wirklichkeit zu sein, wenn er an seine eigenen schöpferischen Grenzen stößt.

Um folglich über Begriffe wie 'Liebe', 'Haß', 'Hoffnung' oder 'Gerechtigkeit' Aussagen machen zu können, bedarf es des Hinüberschreitens aus dieser Wirklichkeit in eine andere, bzw in eine erweiterte.

Transzendenz in diesem Sinn verstanden, erweitert folglich eine eingeengte Sicht der

Wirklichkeit, damit aber auch die Wirklichkeit selbst. Die Transzendenz erscheint damit in der Immanenz. Transzendenz und Immanenz gemeinsam bilden eine Wirklichkeit, die somit auch offen ist für ein Reden von Gottes Transzendenz in unserer Immanenz.

1.2.2. Transzendenz bei Dorothee Sölle

Bei Sölle scheinen mir zwei unterschiedliche Vorstellungen von Transzendenz vorzuliegen:

zum einen die Transzendenz, die zwar noch nicht vollendet ist und offen ist für Hoffnung, wie in 1.1., aber die Transzendenz in Immanenz ist. Hieraus entsteht dann eine Aussage wie "Gott ist Gerechtigkeit"13, oder: "'Gott ist Liebe' ist die christliche Antwort auf die Frage nach dem Sinn"14. Gerechtigkeit und Liebe sind hier also nicht als Attribute Gottes aufgefaßt, sondern als sein Wesen selbst. Sölle schreibt dazu selbst: "Die theologische Verwirrung entsteht nur aus der falschen Idolisierung, als sei Gott zunächst ein Wesen in sich selbst, das dann Attribute wie Liebe oder Gerechtigkeit zugesprochen bekommt"15.

Genau diese Attribute verleiht sie selbst aber Gott, wenn sie noch eine weitere Vorstellung von Transzendenz beschreibt, indem sie sagt: "Gerechtigkeit ist der Weg zu Gott, den wir finden können" 16. Da Gerechtigkeit selbst schon ein transzendenter Begriff ist, führt sie hier nochmals ein Transzendieren der Transzendenz ein. Oder wie verhält es sich, wenn sie schreibt, "Glaube, Hoffnung und Liebe haben etwas Unausrottbares an sich. Ich kann auch einfach sagen: Sie kommen von Gott" 17. Wenn sie sagt 'Sie kommen von Gott', so leitet sie hier z.B. die Liebe - als transzendente Größe - von der Transzendenz Gottes ab und macht sie gerade damit zu einem Attribut Gottes.

Versteht sie Gottes Transzendenz also als eine qualitativ andere als die Transzendenz von Gerechtigkeit und Liebe ? Doch ist dann noch die Transzendenz in der Immanenz; oder findet hier nicht ein Vertrösten statt, daß hinter der für uns erfahrbaren Transzendenz in der Immanenz noch eine weitere Transzendenz verborgen ist, und somit die für uns relevante Transzendenz nur eine abgeleitete darstellt ? Dies widerspricht doch einer Äußerung wie oben, daß eine Transzendenz ohne Immanenz zu einer beziehungslosen dogmatischen Behauptung verkomme.

Mir scheint, daß sich Sölle hier ein 'Plus' bewahren will, das sie beispielsweise in einer Diskussion ihrem Gesprächspartner nicht gönnt 18, denn sie argumentiert hier, daß das Plus, das er fordere - nämlich Gottes Kritik am Menschen - bereits in der Liebe selbst enthalten sei. Hier plädiert sie also selbst für die hier erstgenannte Lösung und gegen die zweite, attributive. An anderer Stelle nimmt sie ganz eindeutig dazu Stellung: "Man könnte vielleicht das Anliegen einer nachtheistischen Theologie beschreiben, indem man einfach sagt, hier wird versucht, den Satz, daß Gott Liebe sei [...] nicht zurückzuführen, so als sei Gott zunächst irgend etwas anderes und dann auch noch oder manchmal Liebe" 19.

Wollte man beide Lösungen verbinden, könnte man analog zu oben, 'sie kommen von Gott', formulieren, 'die Liebe kommt von der Liebe'. Diese dritte Lösung wäre jedoch ein Rückschritt, da in diesem Satz die erstgenannte Liebe Subjekt und die zweite Objekt des Gebens wäre; die qualitative Differenz bliebe also erhalten.

Diese Unschärfe in Sölles Theologie macht viele andere Aussagen von ihr zweideutig, da der Leser, der ein weiteres Plus behalten will, implizit die zweite Lösung als Sölles Ansicht voraussetzen kann; wer dies aber nicht will, kann mit dem gleichen Recht ihre erste Lösung als die entscheidende verstehen. Hier bedürfte es also der Verständlichkeit zuliebe einer eindeutigen Stellungsnahme.

1.3. Wer ist unser Gott ?

"Von Gott reden können wir nur, wenn wir zu Gott reden" 20. Mit dieser Stellungnahme korrigiert Sölle den Titel des Kapitels, in dem dieser Satz zu finden ist ' Von welchem Gott reden wir eigentlich ?' hin zu ' Zu welchem Gott reden wir eigentlich ?'. Über das Wesen Gottes können wir folglich keine Aussagen machen, wenn wir über seinen Kopf hinweg von ihm reden, sondern wenn wir Gott selbst dabei anreden und damit in Beziehung zu ihm treten. Im Anschluß daran schreibt sie: "Gott wird nicht gefunden wie ein kostbarer Stein [...] sondern Gott ereignet sich. Gott geschieht" 21, Gott ist ein "Movens, nicht ein Quietiv" 22. Es geht also um eine Form der Interaktion zwischen Gott und Mensch, bzw. zwischen Transzendenz und Immanenz; und weiter: "Was in der Gottesbegegnung geschieht, ist nicht, daß das Suchen durch Finden beendet wird, sondern durch Gefundenwerden" 23. Es geht also um ein Angesprochenwerden, ein Bewegtwerden. Gott tritt zu uns in Beziehung - die Bewegungsrichtung ist also auch hier von der Transzendenz in die Immanenz, Gottes Handeln geht dem unseren voraus, so daß unser Handeln zu einem Antwortgeben wird. Anders ausgedrückt: Gott offenbart sich uns.

Doch werden wir im Alltag von vielen Seiten bewegt: Gerade in unserer Gesellschaft wird der Mensch ständig systematisch in Bewegung versetzt, so vor allem von der Werbung, die die Unruhe der Menschen braucht und deswegen selbst erzeugt, um dem Mensch ständig Angebote für eine - kurzfristige - Befriedigung anbieten zu können. "Die Sprache der Werbung ist voll von Traum, Wunsch und Hoffnung" 24, sie ist eine religiöse Sprache, in der Heilsversprechungen zu finden sind, "die so total sind wie nur einst die Versprechungen der Religion" 25. Wie sollen wir unter all diesem Angesprochenwerden jenes von Gott noch heraushören ? Wie sollen wir unter all diesem Bewegtwerden jenes von Gott noch wahrnehmen ? Eine Hilfe bietet dabei die Person Christi, wie es deshalb im Folgenden dargestellt werden soll.

1.3.1. Dorothee Sölles Christozentrismus

Um nun Gottes Bewegen als ein explizites herauszuheben, nimmt Sölle in ihrem ersten Buch 'Stellvertretung' einen radikal christozentrischen Ansatz vor, indem sie Christus als den Stellvertreter Gottes darstellt. Doch muß deshalb im voraus darüber nachgedacht werden, wie ihr Christozentrismus zu verstehen ist. Wer ist Christus - und wer ist Jesus ? 26 Christi Stellvertreten ist bei Sölle endgültiger Art. Christus verweist nicht auf einen weiteren Stellvertreter, der kommen wird, wie es beispielsweise Johannes der Täufer tat. Sölle kann Christus als 'absolute Metapher' bezeichnen, ein 'Nein' zu allen gottlosen Verhältnissen 27. Ist Jesus der eine zu Tode gefolterte Mensch aus Galiläa, so ist Christus "dieses Nicht-Umzubringende, das mit ihm in die Welt gekommen ist und durch uns in ihm lebt". Jesus verblaßt daneben also etwas, denn er war 'nur' dieser eine Mensch, in dem dieser Christus sichtbar wurde. Christus kann aber somit geradezu ein Kollektiv ausdrücken: "Wenn ich Christus sage, denke ich immer auch an Franziskus von Assisi und Hildegard von Bingen und Martin Luther King" 28. Der eine Christus, der in Jesus war, kann immer wieder in verschiedenen Menschen auferstehen. Genau darin liegt ihr christozentrischer - aber nur bedingt jesuzentrischer - Ansatz.

Sölle schildert ihre Situation, in der diese Sicht entstanden ist folgendermaßen: "Christus verlockte mich zum Glauben, weil dieser Mensch mir die Macht machtloser Liebe zeigte [...] Nach zwei Weltkriegen hatte meine Generation das naive Vertrauen in Gott als den Vater, den Schöpfer, Regenten und Erhalter, verloren und richtete den Blick ganz auf Christus. Unschuldiges Gottvertrauen war unmöglich geworden" 29. "Ich konnte mir nicht vorstellen, wie man den Gott, der 'alles so herrlich regieret', nach Auschwitz loben könnte " 30. Hatte also Christus die Shoah unverletzt überstanden ?

1.3.2. Christi Stellvertreten

"Jemanden vertreten heißt: auf Zeit für ihn einstehen [...] es ist als eine vorübergehende Zwischenlösung gedacht" 31. Damit ist das erste Kriterium für Stellvertretung genannt: die Zeitlichkeit. Die Zeitbegrenzung soll deutlich machen, daß es sich nicht um einen Ersatz handelt, der Vertretene also nie mehr ins Spiel käme und somit überflüssig wäre. Vielmehr hält der Stellvertreter die Zukunft für den Vertretenen gerade offen.

Das zweite Kriterium der Stellvertretung ist die Personalität, d.h., die vertretene Person soll "unersetzbar, aber vertretbar" 32 sein. Der Vertretene gewinnt gerade dadurch seine Identität und Unersetzlichkeit, daß er auf Stellvertretung angewiesen ist. "Niemand kann sich selber zu einem Unersetzlichen machen" 33, es bedarf immer des Dativs, wem man unersetzlich ist. "Unersetzlich bin ich einzig denen, die mich lieben" 34. Der Stellvertreter vertritt deshalb auch nur unvollständig, nämlich nur in einer bestimmten Situation, denn er und der zu Vertretene werden nie identisch.

Angewandt auf Christus, den Stellvertreter bedeutet dies nun: Er vertritt den Lebendigen - gemeint ist damit Gott - bei uns, denn "Gott selber, Gott als Handelnder und Sprechender kann nicht erfahren werden. Wir können uns halten an den herrschaftsfreien, den machtlosen Christus, der außer seiner Liebe nichts hat, uns zu gewinnen und zu retten" 35 ; "und eben dies ist das Geschäft Christi bis heute: Vorläufer Gottes zu sein" 36.

Sölle geht also hier von der Erfahrung aus, daß sich Gott heute "nicht mehr unmittelbar gibt und uns vor sein Angesicht stellt, wie es die religiöse Erfahrung früherer Zeiten als erlebt bezeugt" 37. Wie auch immer man zu dieser Aussage stehen mag, denn der verborgene Gott wird auch im Alten Testament häufig thematisiert (z.B. in Ex1610 wird Gottes Herrlichkeit durch eine Wolke verdeckt), es scheint wohl ein für unsere Zeit doch sehr spezifisches Problem darzustellen, daß wir uns schwer tun, von Erfahrungen mit Gott zu berichten. 38 Gott selbst steht somit noch aus, nicht ein Attribut Gottes, sondern er selbst. Christi Stellvertreten Gottes ist also zeitlich begrenzt, es ist nur vorläufig, bedingt; und es ist personal gedacht, er vertritt Gott unvollständig.

Durch sein Vertreten hat sich Christus aber von Gott abhängig gemacht, da er von dessen Zustimmung oder Ablehnung abhängig ist. Er handelte im 'Namen Gottes', aber konnte sich seiner Identifikation mit Gott nicht als Identität sicher sein.

Nun bedeutet dies allerdings auch, daß nach der Definition des Stellvertreters Gott seine Identität zwar durch Christi Stellvertreten nicht verliert, aber eben auch gerade dadurch gewinnt, daß er auf Stellvertretung angewiesen ist. Er ist also auch wiederum abhängig von dem, der ihn vertritt.

Doch Sölle dehnt dieses Stellvertreten nun auch auf uns aus, 'Christi Sache' muß in der Welt von uns vertreten werden. Christus "setzt sich - sein Leben, seine Arbeit, seine Sache - aufs Spiel, indem er sie von uns abhängig macht. Er setzt, so können wir auch sagen, seinen Gott aufs Spiel, indem er die Wahrheit dieses Gottes von unserem Ja abhängig macht" 39. Wir handeln stellvertretend und halten damit Christus seinen Platz frei - soll heißen: Indem wir Christi Sache zur unsrigen machen, bleibt es trotzdem die seine. Wir ersetzen ihn nicht, denn wir tun dies nur vorübergehend und unvollständig. Wo immer wir aber dasselbe tun, was Christus getan hat, nämlich Gott füreinander in Anspruch nehmen, da machen wir uns auch abhängig von Gott 40, seinem Ja zu unserem Stellvertreten.

Christi Stellvertretung hat aber nun auch noch eine andere Ausrichtung: Er vertritt uns vor Gott. Sein Vertreten geschieht dabei in Vorläufigkeit, d.h., er läuft uns voraus, er ist "unser Vorläufer zu Gott. Solcher Vorläufigkeit - im wörtlichen Sinne - entspricht unsere Nachfolge" 41. Er tut dies auf Zeit, damit unsere Personalität gewahrt bleibt. Helmut Gollwitzer wirft Sölle hier einen zu engen Personalitätsbegriff vor, und setzt dagegen, daß Christi Stellvertretung kein Verhältnis auf Zeit darstelle, sondern ein Verhältnis auf Ewigkeit. Der Mensch verliere seine Personalität nicht, wenn er für allezeit vertreten würde. Christi Vertreten des Menschen vor Gott habe streng-exklusiven Charakter, "als ein Tun für uns, das wir nie und nimmer nachzumachen, selbst zu leisten haben". Christi Tun sei dann zwar ersetzendes Tun, aber nicht Ersetzung, genau dadurch bliebe die Personalität bewahrt. 42 Gollwitzer schränkt jedoch dieses 'Tun' auf Christi Kreuzestod ein, wohingegen Sölle das Vertreten stärker auf Jesu Leben bezieht - das Kreuz aber nur als eine Folge seines Lebens. Somit scheint mir Gollwitzers Kritik nicht ganz zu treffen; wobei aber trotzdem sein Verweis auf Sölles eingeschränktes Personalitätsverständnis sehr ernst zu nehmen ist. Denn verliert ein Mensch, der 'für immer' vertreten werden - also ersetzt werden - muß, weil er beispielsweise im Koma liegt, aus dem er nie wieder aufwachen wird, seine Personalität, wenn andere Menschen für ihn ersatzweise handeln ?

Sölle verwendet zur Verdeutlichung Christi Vorläufigkeit das Bild vom Lehrer. Jedoch versucht sie die Vorstellung von Christus als Lehrer, wie sie vor allem zur Zeit der Aufklärung bestandt - beispielsweise in Lessings 1780 erschienener Schrift 'Die Erziehung des Menschengeschlechts': Christus als "der erste zuverlässige, praktische Lehrer" 43, damit zu verändern, daß sie sagt, das Ziel eines guten Lehrers müsse es sein, sich selbst überflüssig zu machen, eben weil der Lehrer uns nur für eine gewisse Zeit vertreten soll und uns damit die Möglichkeit gibt, daß wir lernen, für uns selbst, bzw. für Gott zu sprechen. Christus also als ein Lehrer, der will, daß wir nicht im Stande der Unmündigkeit bleiben, sondern der uns an 'unsere Stelle' bringen will - um uns so zu Mitarbeitern Gottes (1. Kor 39), Erben seiner Welt (Gal 329) 44 zu machen.

Bezüglich der Abhängigkeit ist nun aber ein Kreis geschlossen, in dem jeder (Gott, Christus, Mensch) zu den jeweils beiden anderen in gegenseitiger Abhängigkeit steht. Und was heißt nun also, von Gott bewegt werden ?: Wir lassen uns von Gott bewegen, wenn wir uns von dem Gott, der davon abhängig ist, daß wir ihn wegen seiner Abwesenheit in der Welt vertreten, selbst abhängig machen.

Doch wie geschieht solche gegenseitige Abhängigkeit, bzw. wie können wir diese Abhängigkeit von all den anderen Abhängigkeiten, die unser Leben bestimmen, unterscheiden ?

1.3.3. Gott ereignet sich interpersonal

Sölle geht davon aus, "daß das Gesicht Gottes uns nur erkennbar ist als das Gesicht des anderen neben mir" 45, denn Gott ereignet sich in dem, was zwischen Menschen geschieht, weil er seine Sache zu der des Menschen erklärt hat, als er selbst Mensch wurde. Daß er sich von den Menschen abhängig gemacht hat, bedeutet nun, daß er auf unsere Hände angewiesen ist, "Gott [...] hat keine anderen Hände als unsere" 46. Damit wird der Satz, daß wir von Gott nur reden können, wenn wir zu ihm reden konkret: Wollen wir Gott erkennen, so müssen wir mit unseren Mitmenschen in Beziehung treten, denn nur dann kann sich Gott ereignen. Gottes Abhängigkeit von uns besteht also darin, daß er darauf angewiesen ist, daß wir seine Sache zu der unseren machen, ihm ermöglichen, sich interpersonal zu ereignen, also ihm unsere Hände zur Verfügung stellen; dann kann es im Aufeinanderzugehen geschehen, daß wir Gott im Gesicht des andern erkennen und dem anderen ermöglichen, Gott in uns zu sehen. Christus bewegt uns, wenn wir sein Rufen hören, "sein Komm mit!, Folge mir nach!, Nimm Dein Bett und geh!, zieht uns in Gott hinein" 47. Aber man "kann den Ruf, dieses Komm mit! nicht hören, wenn man sich vor dem Schrei der Armen und ihrer Forderung nach Gerechtigkeit verschließt" 48.

Gott können wir folglich in der Kommunikation, bzw. Interaktion zwischen Menschen finden. Wir beginnen mit den Augen Gottes zu sehen, "die Augen jener Liebe, die nichts und niemanden aufgibt und die im Hinsehen, im Mehrsehen das, was sie sieht, verändert, weil sie seine Möglichkeiten entdeckt, weil sie ein schöpferischer Akt ist" 49.

1.4. Zwischenbilanz

Um das bisher Gesagte kurz zu verdeutlichen kann nun die Aussage 'Gott ist Liebe' in diesen Zusammenhang eingesetzt werden, was bedeutet: Die transzendente GrÖße 'Liebe', deren Wesen wir in Christus festmachen können, kann sich nur ereignen, wenn sie in der Immanenz zwischen Menschen stattfindet. Liebe ohne ein interpersonales Geschehen ist tot, bzw. nicht- existent. Sie verkommt zur bloßen, beziehungslosen Behauptung. Erst im Verhalten zum Gegenüber wird sie erfahrbar. Oder anders ausgedrückt: Nur so wird die Transzendenz in der Immanenz Ereignis.

Und die gegenseitige Abhängigkeit äußert sich zum einen darin, daß die Liebe uns braucht, um Geschehen zu werden und auf der anderen Seite darin, daß wir nicht mehr ohne Liebe leben können, es uns nach ihr dürstet.

1.5 Die vier Dimensionen der Liebe

Da bisher Gott als Liebe beschreiben wurde, soll nun näher betrachtet werden, wie Sölle Liebe beschreibt. Sie veranschaulicht dies in Bezug auf die sexuelle Liebe zwischen Menschen. "Woran können wir Beziehungen erkennen, in denen sich erfüllt und verwirklicht, daß wir nach dem Bilde der Liebe geschaffen sind? Ich will vier Dimensionen der Liebe darstellen: Ekstase, Vertrauen, Ganzheit und Solidarität" 50.

Wir sind als Wesen mit sexueller Identität geschaffen, damit wir teilhaben können an der Ekstase des Lebens. In der Ekstase treten wir heraus und streifen das alte Ich ab wie ein Kleid 51. Sölle stellt der Ekstase nun den Orgasmus gegenüber: "Den Orgasmus können wir allein erreichen, Ekstase aber beruht auf Gegenseitigkeit" 52. Um sie also zu erleben, müssen wir füreinander empfindsam, ja verletzbar bleiben. Durch die Ekstase erkenne wir, wie allein wir oft sind, bzw. waren.

"Vertrauen bedeutet, nicht der Verzweiflung zu verfallen, wenn wir zeitweise impotent oder frigide sind" 53. Wir können uns in einer Liebesbeziehung beim Gegenüber verstecken und damit unsere Schwäche zeigen. Und da auch Vertrauen auf Gegenseitigkeit beruht, können wir auch die Schwachheit des anderen ertragen. Wir werden uns gegenseitig zur Heimat.

"Beides, Ekstase und Vertrauen, gehören zum Wesen einer Beziehung zu Gott; wenn eine dieser Dimensionen verkümmert, so wirkt sich das früher oder später auch auf die andere aus" 54.

Ganzheit ist die dritte Dimension, d.h., die Liebe bedarf der "Integration unserer physischen, psychischen, intellektuellen, ästhetischen, emotionalen und spirituellen Fähigkeiten" 55. In einer ganzheitlichen Liebe teilen wir unsere jeweiligen Bedürfnisse miteinander und stärken unsere Identität im Zusammensein 56.

Solidarität bedeutet, nicht zwischen Liebe und Gerechtigkeit zu trennen. "Der Trieb zu lieben und das Bedürfnis, Gerechtigkeit zu verwirklichen, sollten eins werden; und sie werden sich annähern, je mehr wir die gegenwärtige Spaltung zwischen privatem und öffentlichem Leben überwinden" 57. Weil solidarische Liebe also über die Privatsphäre hinausstrebt, bekommt sie immer auch eine politische Dimension. "Solidarität intensiviert unsere Ekstase, stärkt unser Vertrauen und ist unabdingbar für unser Ganzsein" 58.

Alle diese vier Dimensionen braucht die Liebe, da anderenfalls unsere Beziehungsfähigkeit und unser Vermögen zur Transzendenz litten 59.

1.6. Das Kreuz - die Mitte des christlichen Glaubens

"Die genaueste Interpretation der menschlichen Existenz, die ich kenne und die sich mir erwiesen hat, ist das Kreuz Christi" 60.

Wie sieht diese Interpretation aus ? Warum und inwiefern interpretiert das Kreuz speziell das Leben Jesu ? Haben die Christen eine perverse Neigung zum Leiden, wenn sie ein Symbol der Unterdrückung, der Vernichtung, an dem ein Gequälter, ein Gefolteter hängt, verehren ? Denn es ist ja gerade ein "Spezifikum des Christentums, daß in seiner Mitte das Kreuz steht, dieses Zeichen des Todes" 61. Schaut man sich heute in einem Buchladen bei alternativen Religionsformen um, so geht es dabei in erster Linie oftmals um zur-Ruhe-kommen, die eigene Mitte finden, um Harmonie. Diese "neuen Religionen laufen auf Leidensvermeidung hinaus, sie versprechen happiness [...] Sie deuten den Willen Gottes als private Erfüllung" 62. Darin wird schon eine Unterscheidung deutlich, denn wie oben gezeigt wurde, kann sich nach Sölles Gottesverständnis Gott nur interpersonal ereignen - und eben nicht intrapersonal nur als private Erfüllung. Gott muß zwischen Menschen gelebt werden, sonst ist er tot. Warum aber das Kreuz ? Spielt dabei eine Form von Genugtuung eine Rolle ? In dieser Art versteht es die Anselm'sche Satisfaktionslehre: Ein Gott-Mensch muß wegen des Sündenfalls Gott durch sein Selbstopfer mit den Menschen versöhnen; nur so kann Gott Genugtuung erhalten 63. Doch Sölle lehnt die Vorstellung eines Gottes, der versöhnt werden muß ab; auch geht ihr die liberale Interpretation dieser Lehre nicht weit genug, die statt Gott die Gesellschaft als die zu versöhnende sieht. Diese Interpretationen sähen das Kreuz nur als Symbol an. Hingegen schließt sie sich der befreiungstheologischen Interpretation an, die das Kreuz als realistisches Ereignis versteht, als erfahrene Unterdrückung, Hunger, Verfolgung, Leiden 64.

Doch wo stehen bei uns in Mitteleuropa noch Kreuze - wo kreuzigen wir Christus auch heute noch ? Es sind die Orte, an denen Gerechtigkeit und Liebe getötet werden, wo man Gott aus der Welt hinauswerfen will: Banken, die die Armen ärmer machen, Massenvernichtungsanlagen wie in Mutlangen 65 An diesen Beispielen wird erkennbar, daß nicht Gott das Kreuz aufrichtet, sondern die Herren dieser Welt 66, denen Gott im Wege steht.

Leben wir Gott, so werden wir zum Störfaktor, und Störfaktoren werden eliminiert. D.h.: "Die Liebe 'bedarf' des Kreuzes nicht, aber de facto kommt sie ans Kreuz" 67. Das Kreuz Jesu war die logische Konsequenz seiner gelebten Liebe. "Dieser subversive Jesus mußte eliminiert werden" 68, weil er das Reich Gottes - das Reich der Gerechtigkeit - aufrichten wollte. Doch argumentiert Sölle fragwürdig, wenn sie nun die Römer als die alleinigen Herren darstellt, die dieses Reich verhindern wollten. Sicherlich wurde Christus auch"im Namen der Götter der Pax Romana als jüdischer Messiasprädentent verurteilt" 69, aber hatten sich die Menschen in seinem Umfeld damals nicht zudem ein anderes Reich vorgestellt, als das, welches Christus brachte ? Stand Christi Reich quer zur rÖmischen und jüdischen Vorstellung ? Oder ging manchen seiner Anhänger die Revolution, die er begonnen hatte nicht schnell genug - hatten sie den Vorläufer mit dem zu Vertretenden verwechselt ?

Als Christen können wir folglich zwar auf das Kreuz verzichten - denn Christsein bedeutete eben nicht, eine perverse Neigung zum Leiden zu haben, kein Masochismus ist gefragt - aber wir werden es in der Welt zwangsläufig zu spüren bekommen. Wollen wir das Kreuz vermeiden, so können wir nicht Gott leben. "Wo immer Christen sich das Kreuz unter Berufung auf ihren Herrn erspart haben, da haben sie ihn allein gelassen [...] das Kreuz, das sie sich sparten, wurde zu dem, an das sie andere schlugen" 70. Verzichten wir auf Gerechtigkeit, so lassen wir Ausbeutung zu und leben damit auf Kosten anderer. Gerade in unseren Breitengraden ist solch eine Aussage hartes Brot, denn unser Leben finanzieren zu einem Großteil die Menschen, die wir unterdrücken, indem wir die Preise für Rohmaterialien niedrig halten, die sie uns liefern, z.B. für Kaffee und Baumwolle, ihnen unseren Giftmüll geben, auf ihren Inseln Atombombenversuche durchführen. Das Kreuz, an das wir andere schlagen, ist also oftmals genau mitten in unserem Alltag zu finden.

Anschaulich wird dies bei einem Kreuzzug in Canto Grando in Peru, von dem Sölle erzählt 71:

An ein großes Holzkreuz, welches das Kreuz Christi darstellt, heften die Menschen kleine Kreuze aus Pappe, die sie selbst zu tragen haben, Kreuze der Ungerechtigkeit, des Egoismus, der Gleichgültigkeit. Dieses große Kreuz tragen sie nun alle gemeinsam. Doch dabei bleibt es nicht; sie fügen den vierzehn Stationen des traditionellen Kreuzweges eine fünfzehnte hinzu, indem sie die vielen Pappkreuze jeweils durch Nelken als Zeichen der Auferstehung ersetzen. Das Kreuz, das für Hunger stand, wird durch eine Nelke ersetzt, die für das Teilen steht, das in den Armenküchen stattfindet. Symbolik und Realität werden so aussagekräftig dargestellt und miteinander verwoben.

"'Das Kreuz umarmen' heißt heute, in den Widerstand hineinzuwachsen. Und das Kreuz wird grünen und blühen" 72. Denn erst dann, wenn wir "das Kreuz als Lebensbaum lieben lernen" 73, kann Auferstehung bei uns Ereignis werden.

War das Kreuz für Jesus umgehbar ? Für Sölle steht fest: "Jesu Leiden war vermeidbar, er hat es freiwillig gelitten" 74. Muß man nun sagen: Jesus hätte diesen Leidensweg auch umgehen können, doch Christus war in ihm so stark, daß er deshalb nicht kehrt machte ? Doch um Jesu Personalität, bzw. Mündigkeit nicht zu gefährden, muß Jesus auch die Möglichkeit offen gestanden haben, 'nein' zu sagen, anderenfalls hätte Christus ihn ersetzt. Oder anders gesagt: Das Kreuz interpretiert Jesu Leben gerade deswegen so konkret, weil er so deutlich 'ja' zu Gott sagte, und eben nicht 'nein' sagte, als das Kreuz als Konsequenz seines Lebens vor ihm stand.

1.7. Der Heilige Geist - Fragen zur Trinität

Eine Vorstellung vom Heiligen Geist findet sich in Sölles Theologie nur sehr spärlich. Man hat fast den Eindruck, daß er neben Christus und Gott keinen Platz mehr hat. Denn was bei anderen Theologen mit der Kraft des Hl. Geistes beschrieben wird, deutet Sölle bereits auf Gott um, wenn sie Gott als "Kraft-in-Uns" 75 bezeichnet. Oder Christi Auferstehen in unser Leben stellt eine parallele Vorstellung zur Wirkung des Hl. Geistes dar. Sucht man bei ihr aber nicht gerade nach Aussagen über ihn, so scheint deshalb dessen seltene Erwähnung gar nicht aufzufallen. Ist ihr die Vorstellung des Hl. Geistes vielleicht zu theistisch ?

Doch wie paßt dazu die Stellungnahme von ihr, daß sie sich ihr Leben ohne den Glauben an die ruach nicht vorstellen könne 76 ? Diese Bedeutung kann der 'Geistin Gottes' 77 deshalb zukommen, da Sölle sie als die bezeichnet, die wahrheitsfähig macht. Der Geistin kommt dabei eine Funktion zu, die man als gewissensbildend bezeichnen könnte. Angesichts der Rüstungsindustrie können wir sehen, daß unser Wissen immer mehr zu Todeswissen degeneriert; Aufklärung allein genügt da nicht mehr, um die herrschende Geistlosigkeit zu überwinden. "An Gottes Geist zu glauben bedeutet vor allem, ihn zu rufen" 78.

Das Rufen deutet bereits auf eine andere Weise hin, in der Sölle vom Hl. Geist spricht, nämlich im Gebet. Er vertritt uns, wenn wir nicht wissen, was wir beten sollen 79. So spezifiziert sie den Hl. Geist z.B. bei ihrer Auslegung des Credos 80, als denjenigen, "der mit Jesus in die Welt gekommen ist" 81.

Trotz der seltenen Nennung des Hl. Geistes spielt er also in Sölles Theologie eine nicht ganz unerhebliche Rolle, doch bleibt etwas der Eindruck einer - angemessenen? - Unkonkretheit vorhanden.

Mit Jesus kamen folglich der Hl. Geist - der uns die Wahrheit erkennen läßt - und Christus - die absolute Metapher, das Nein zu gottlosen Welt - in die Welt, und Gott wurde für uns sichtbar - als Liebe und Gerechtigkeit. Hieraus jedoch nun eine Trinität zu erstellen halte ich für unangebracht; dieses Unternehmen wäre ziemlich zwanghaft und wohl kaum im Sinne Sölles, zumal mir keine Stelle bekannt ist an der sie dies explizit vornimmt. Allenfalls im oben erwähnten Credo könnte man einen Ansatz sehen, doch gebraucht sie hier die Sprachform des Gedichts, und auf diese wird ausführlich im zweiten Kapitel einzugehen sein.

1.8. Das Subjekt der Theologie - der Mensch in der Schöpfung

"Es ist wichtig zu fragen, wer, also welche Subjekte Theologie betreiben" 82. Theologie wird vom Menschen betrieben, d.h., wir haben hier nach dem Menschen zu fragen, der als Subjekt von, bzw. zu Gott redet, der den Geist ruft und Christus in sich auferstehen läßt. Es ist dabei nicht zu übersehen, daß diese Bewegung stets vom Menschen ausgeht, auch wenn diese ja als eine Antwortbewegung auf das Bewegtwerden durch Gott zu verstehen ist. Kommt somit dem Menschen in der Schöpfung eine klare Vorrangstellung zu allen übrigen Geschöpfen zu ? Er besitzt Personalität - und diese ist notwendig, um Gott Ereignis werden zu lassen, wenn Sölle Gott als "die Kraft der Beziehung" 83 bezeichnet. "Gott ereignet sich in dem, was zwischen Menschen geschieht. Und darüber hinaus ist er nicht" 84. Entsteht aber gerade dadurch nicht ein starker Anthropozentrismus ? Der Mensch als Mittelpunkt der Schöpfung - der Mittler Gottes auf Erden ? Der Mensch, herausgehoben aus der Schöpfung als deren Krone ?

Helmut Gollwitzer sieht Sölle in der Reihe der Bultmann-Schüler. Deren Desinteressement an der Gottheit Gottes habe zu einem atheistischen Anthropozentrismus geführt. 85 Bultmann habe als Historiker ein welthaft-objektivierendes Reden von Gott abgelehnt, doch hätten seine Schüler dies zu einem systematischen Programm ausgearbeitet und damit den Menschen in den Mittelpunkt gerückt. Aber Gollwitzer sieht nun bei Sölle eine Differenz zu anderen Bultmann-Schülern, denn ihr Christozentrismus schließe einen Anthropozentrismus aus. Steht Christus in der Mitte, so kann dort nicht mehr der Mensch stehen. Er sieht dabei eine Parallele zu Karl Barths Axiom, daß Gotteserkenntnis nur durch Christus geschehen könne. Doch ich denke, gerade Sölles Christusverständnis macht eine entscheidende Differenz zu Barths offenbarungstheologischem Ansatz deutlich, denn Christus ist eben bei ihr nicht auf Jesus beschränkt, sondern er kann - wie oben erläutert - in jedem Menschen auferstehen in Form eines Neins zur gottlosen Welt.

Da aber das Auferstehen Christi ein Geschehen bleibt, das sich nur im Menschen abspielen kann, sehe ich bei Sölle zwischen Chritozentrismus und Anthropozentrismus keinen Gegensatz, sondern ersterer birgt letztlich lediglich die Gefahr in sich, zu zweiterem zu führen.

Betrachtet man sich aber die Welt, in der wir leben, so scheint sie tatsächlich in der Hand der Menschen zu liegen. Wir haben die realistische Möglichkeit, die gesamte Schöpfung zu vernichten. Wir scheinen viele Wege gleichzeitig zu beschreiten, die Sintflutgeschichte weltweit wahrwerden zu lassen, ob es nun auf schnelle Weise geschehen kann durch die Nutzung der Atomenergie im zivilen oder militärischen Bereich oder langsam, indem wir unsere Erde in ein Treibhaus verwandeln. Diese Beobachtung scheint Sölles Ansicht Recht zugeben, daß der Fortbestand der Schöpfung von der Stärke der Liebe unter den Menschen abhängt 86. Der Mensch lebt 'in Gott', das bedeutet, "daß wir uns selbst als aktiv und passiv erfahren: [...] Wir sind geschaffen und sind selber schöpferisch" 87. Daß wir selber schöpferisch tätig sind, ist nicht zu übersehen, doch tun wir das wirklich 'in Gott' ? Sind nicht auch andere Geschöpfe als der Mensch schöpferisch tätig, auf die die Bezeichnung 'in Gott' mindestens genau so gut passen würde ? Es ist ein hoher Anspruch, wenn wir gerade explizit unser menschliches Leben damit beschreiben.

Sölles Leistung ist es zwar, Gott und Mensch nicht als zwei voneinander unabhängige Ebenen darzustellen, eben die Transzendenz in der Immanenz zu suchen, aber diese Immanenz erscheint mir eine etwas allzu menschliche zu sein.

Doch sie wendet sich an anderer Stelle nun auch gegen diesen hier vorgetragenen Vorwurf des Anthropozentrismus. Sie betont die Heiligkeit der gesamten Schöpfung - und wendet sich gegen eine Überbetonung der Unterschiedenheit von Mensch und seinen natürlichen Geschwistern, den Tieren und Pflanzen. "In Wahrheit sind wir genauso abhängig von Luft, Wasser, Licht und Nahrung wie sie" 88. "Von Gott geschaffen zu sein ist die tiefste Ursache unserer irdischen Gemeinsamkeit, nicht nur unter den Menschen, sondern mit allen anderen

Lebewesen " 89. "Und der Kinderpantheismus ist nicht auszurotten, sondern zu stärken" 90. Wir haben verlernt, die sakrale Wirklichkeit Gottes in der Natur fromm zu verehren und müssen lernen, "wie wir die Erde mehr lieben können". 91 Ebenfalls hat SÖlle die Heiligkeit der gesamten Schöpfung im Blick, wenn sie gegen die Enfremdung von der Natur plädiert; darauf wird später zurückzukommen sein 92.

1.9. Bemerkungen zu Dorothee Sölles Theologie

"Gott ist Liebe, Glück, Gerechtigkeit, Schönheit" 93. Dies sind transzendente Größen im eingangs beschriebenen Sinn. Doch stellt sich natürlich die Frage, ob diese nun unter dem Begriff 'Gott' zusammengefaßt werden müssen. Gollwitzer urteilt über Sölles Theologie: "Das ist eine schöne, wichtige und nötige Lehre. Was hat sie mit Theologie zu tun? [...] 'Gott' ist ein [...] entbehrlicher, weil zur Sache selbst nichts mehr hinzufügender Titel. Nun ist er aber ohne Zweifel ein religiöser Titel. Er ist also irreführend, denn er soll in keinem Sinne religiös gemeint sein. Man wird also nur vorschlagen können, ihn der Klarheit wegen endlich wegzulassen" 94. Bezeichnen wir also Gott mit Liebe und verstehen sie nicht als Attribut, so können wir demnach auf die Vokabel 'Gott' verzichten. In der Tat setzt auch die Bibel an keiner Stelle Gott explizit mit der Liebe gleich, sie redet hingegen oftmals von der 'Liebe Gottes', also attributiv.

Aber ich möchte darum noch einmal anders fragen: Entsteht eine neue Wirklichkeit, wenn wir alle Seinsweisen Gottes aufzählen könnten ? Ich denke ja, denn Liebe, Gerechtigkeit und alle hier sonst bisher genannten Seinsweisen Gottes haben ja keinen Anspruch auf Vollständigkeit. Wir können die Transzendenz nie ganz beschreiben, und eben darum - der Offenheit zuliebe - brauchen wir den Begriff 'Gott'. Natürlich bleibt er austauschbar mit 'Transzendenz', doch ist dies nur eine Definitionssache, denn er verändert ja seine Wirklichkeit nicht, wenn er einen anderen Namen bekommt; der Stuhl bleibt ein Stuhl, auch wenn ich 'chair' zu ihm sage. Sicherlich können verschiedene Gottesvorstellungen im Gespräch eine scheinbare Übereinstimmung vortäuschen, wenn beide Gesprächspartner 'Gott' sagen - wie eingangs erwähnt. Aber sollen wir deshalb etwa gar nicht mehr 'Gott' sagen ? Dann müßten wir sprachlos bleiben, wenn heute Götter wie z.B. 'ewige Jugend und Schönheit' ausgerufen werden. Genau dann müssen wir eben als Christen Stellung dazu nehmen können, ob das der christliche Gott ist.

Meine zweite Anfrage betrifft die Stellung des Menschen in der Schöpfung. Hier sollte sie eine klarere Position beziehen. Entwickelt sie einen gewissen Anthropozentrismus, weil sie die Personalität beim Modell der Stellvertretung benötigt ? Kam damit Christus nur zu den Menschen, Gott hingegen kann auch in der Natur selbst sein - kann er sich aber dort auch ereignen ? Auf jeden Fall erscheint mir diese Spannung innerhalb Sölles Theologie nicht zu beseitigen zu sein.

2. Auf der Suche nach einer neuen Sprache - zur Religiosität Dorothee Sölles

Wie können wir von Gott reden ? - indem wir zu ihm reden. So war die Eingangsaussage im Kapitel 1.3 'Wer ist unser Gott ?'. Aber wenn wir zu ihm reden wollen, so stellt sich die Frage nach der Sprachform, die wir dafür wählen. Ist die wissenschaftlich-reflektierende Sprache, die bis jetzt verwandt wurde, überhaupt geeignet, um zu Gott zu reden ? Wie können wir unsere 'religio' - unsere Rückbindung - kommunizierbar und damit mitteilbar machen ? Im Mittelpunkt wird dabei Sölles Poesie in Form von Gebeten und Gedichten als eine eigene Ausdrucksweise stehen.

2.1. Unsere Sprache ist zerstört - eine Beobachtung

Benötigen wir eine neue Sprache ? "Unsere Sprache empfinde ich als zerstört, als wahnsinnig korrumpiert. Wenn ein Wort wie 'Liebe' aufs Auto angewandt wird oder ein Wort wie 'Reinheit' auf die Wäsche oder auf Waschmaschinen, dann haben diese Wörter überhaupt keinen Sinn mehr, sie sind zerstört" 95. Wörter, die auf Gott angewandt werden können und in der Religion ihren Platz haben, verlieren an Bedeutung, wenn sie im Umfeld oberflächlich eingesetzt werden. Gemeint ist nicht, daß wir prinzipiell keine Alltagswörter mehr verwenden könnten um zu Gott zu sprechen - gerade die Gleichnissprache zeigt ja, daß wir solcher Vergleiche bedürfen. Und wenn die Transzendenz in der Immanenz Ereignis werden soll, so liegt es doch auch nahe, sie mit Wörtern aus dem Alltag zu beschreiben. Sölles Feststellung zielt daher auf den inflationären Gebrauch der Sprache ab. Gerade die Sprache der Werbung - wie in 1.3. bereits angesprochen - trägt mit dem Verwenden religiöser Vokabeln viel zur Inflation bei. Die Priester dieser neuen Religion sprechen mit der "Stimme eines allwissenden und allmächtigen Gottes [...] Religiöse Sprache, wohin man sieht: die Sünde, das Kapital nicht richtig anzulegen, der Glaube an die heute gelebten Träume, das Vertrauen auf den Drogisten" 96

Wenn in Familien das Nebeneinanderherleben die Liebe verdrängt hat und Kinder mit einem Satz 'aber ich habe dich doch lieb' abgespeist werden, was soll dann diesen Heranwachsenden ein Satz wie 'Gott ist Liebe' noch bedeuten ? 97

"Erklärungen und Deutungen genügen nicht; wir brauchen eine andere, neue Sprache. Ich brauche eine Vision, die ich mit anderen teilen kann. Wir brauchen eine integre und ganzheitliche Sprache, die das älteste Versprechen des Glücks erneuern kann" 98. "Wir brauchen eine Sprache, die mehr sagt, als sich empirisch rechtfertigen läßt" 99 ; "es ist notwendig, eine Sprache der Heimat zu finden" 100.

Doch wie werden wir eine neue Sprache finden ?: "Es ist ein Versuch, anders mit den Wörtern umzugehen, mit der eigenen Tradition und allen Gefühlen. Ach, ein Versuch, die Sprache nicht als ein Instrument zu benutzen, sondern als ein Stück des Lebens selber" 101. Dieser Versuch Sölles soll nun im weiteren aufgezeigt werden.

2.2. Theologie und Theopoesie

"Ist es möglich, die Gewißheit Gottes mitzuteilen ? Meine Zweifel an der theologischen Reflexionssprache sind groß" 102. Dieser Zweifel hat bei Sölle dahingehend Folgen, daß sie gerade in ihren neueren Veröffentlichungen nicht ausschließlich die reflektive Sprache wählt, sondern auch die der Dichtung. So kann man dies beispielsweise im Vergleich ihres Buches "Stellvertretung: ein Kapitel Theologie nach dem 'Tode Gottes'" (1965) mit einem späteren wie etwa "Das Eis der Seele spalten: Theologie und Literatur in sprachloser Zeit" (1996) betrachten. Dabei scheint 'Stellvertretung' als ein Buch, in dem Sölle manchmal geradezu verbissen nach den richtigen Worten sucht. Ihre 'Theologie nach dem Tode Gottes' entsteht scheinbar erst durch ständiges Reflektieren während des Schreibens, indem sie das Bild vom Stellvertreter immer wieder auf verschiedene theologische Entwürfe und Themen anwendet 103.

In 'Das Eis der Seele spalten' 104 fragt sie deshalb mit Hilfe der Verbindung von Theologie und Literatur nach einer neuen Sprache. "Theologietreiben ohne Gebet, ohne Theopoesie scheint mir überflüssig" 105.

Theologie ist reflektierendes Reden von, bzw. zu Gott. Die Literatur, die von Gott erzählt, drückt sich in Form von Theopoesie aus, weshalb Sölle Poesie als die andere Möglichkeit sieht, um Gott Ereignis sein zu lassen. Beide Wege schließen sich aber nicht gegenseitig aus, sondern zielen beide auf das Gleiche ab, nämlich die Religion. 'Theologie' bekommt dadurch aber eine etwas schillernde Bedeutung, denn einerseits will Sölle sich nun von der poesielosen Theologie weg- und zur Theopoesie hinwenden, andererseits bekommt Theologie einen neuen, hohen Stellenwert, wenn sie die Poesie nicht ausschließt; dies ist dann Aufgabe einer 'nachaufklärerischen Theologie'. Somit bedarf der Begriff 'Theologie' immer noch eines erklärenden Zusatzes, um welche Theologie es sich handle; ohne diesen Zusatz verwendet Sölle sie aber immer als poesielose Theologie, um die Theopoesie dagegenstellen zu können.

2.2.1. Drei verschiedene Sprachebenen

Zur Einordnung stellt sie drei Sprachebenen dar, an denen eine nachaufklärerische Theologie Anteil haben muß: die mythisch-narrative, die argumentativ-reflektierende und die religiös- konfessorische Sprachebene. Es sind die Sprachebenen, in denen sich Religion ausdrückt 106. Die mythisch-narrative Sprachebene ist die Form der Erzählung von Geschichten, die die Welt in der Form des Mythos deutet. Die religiös-konfessorische Sprachebene nennt sie die Ebene der Religion, auf der bestimmte Phänomene religiös gedeutet werden. Die argumentativ-reflektierende Sprachebene ist die der Theologie, ihre Bedeutung ist es, dogmatische Begriffe aufzubauen. Nun ordnet sie der ersten Ebene "Erzählen und Dichten" zu, der zweiten "Bekennen und Beten" und der dritten "Denken und Reflektieren" 107. Die Poesie bezieht sich dabei auf Gebet und Erzählung - korreliert also mit der mythisch- narrativen und der religiös-konfessorischen Sprachebene.

Zur Verdeutlichung wendet sie nun diese drei Sprachebenen auf das Phänomen des menschlichen Leidens an: "Wir können den Mythos vom Paradiesgarten und von der Vertreibung der ersten Menschen, Adam und Eva, erzählen. Das ist eine Geschichte, das sind Bilder, die auch ohne Auslegung Gedanken und Gefühle wachrufen. Zweitens können wir uns das Verhängnis von Schuld und Feindschaft zwischen Menschen subjektiv aneignen und im Begriff der 'Sünde' religiös aussprechen. [...] Die dritte Art des Sprechens ist theologisch- philosophische Reflexion, die die Schuld im Dogma der Erbsünde zu fassen versucht" 108. Die religionskritische Tradition der Aufklärer habe nun mit ihrer fort- schrittsgläubigen- historisierenden Denkweise versucht aufzuzeigen, daß der Mythos (Ebene 1) durch die Religion (Ebene 2) in den Logos (Ebene 3) hineinsterbe. Diesem diachronen Verständnis setzt Sölle das synchrone entgegen, da ihrer Beobachtung nach sich die Religion dem aufklärerischen Denken zum Trotz nicht von selbst erübrigt habe. Sie will nun mit der Hinwendung zur Theopoesie "einem veränderten 'postmodernen' Verständnis von Mythos Rechnung tragen" 109. Beispiele für solche Mythen sind Exodus oder Auferstehung. Die Sprachgestalt des Mythos ist das Narrative und das Gebet. Innerhalb der Befreiungstheologie sind dies Orte, an denen erzählt, geklagt, gefeiert wird, also Gebete, Liturgien oder Gottesdienstentwürfe, in denen die Mythen im Logos dramatisiert werden. In der mythischen Sprache können wir für die Sonne danken und erzählen damit davon, daß das Leben heilig ist 110. Das narrative Element besteht also aus dem Nacherzählen älterer Mythen, aber auch aus dem Erzählen von eigenen Erfahrungen.

Sölle nimmt das Bild Kierkegaards vom 'Sprung' auf, indem sie ihn in ihr Sprachebenen- Modell einfügt: Der Sprung von der argumentativ-reflektierenden Sprachebene in die mythisch-narrative - und die religiös-konfessorische - ist nötig, damit die Theologie nicht austrocknet. Gerade durch diesen Sprung können Mythos und Gebet im religiösen Diskurs wieder sprachfähig werden 111.

"Heute entsteht eine neue Synthese von Mythos, Religion und Reflexion, wo immer die Theologie befreienden Charakter hat" 112. Man könnte sagen: Exodus und Auferstehung zeigen sich im Beten und werden reflektiert, um ihre Auswirkungen in der Gesellschaft zu durchschauen. Und dies zu dem Zweck, Gott mitzuteilen, ihn zu verteilen 113. Somit könnte man den Einganssatz dieses Abschnittes dahingehend umformen: Eine nachtheistische Theologie muß Anteil an Theo-poesie und Theo-logie haben. Könnte man im Hinblick auf Sölles oben skizzierte Entwicklung auch sagen, sie wendet sich vom rein spekulativen Fragen zur existentiellen Fragestellung hin ?

2.3. Das Gebet

"Mein metaphysisch-ästhetischer Traum ist die vollkommene Poesie, die zugleich reines Gebet wäre" 114, und umgekehrt soll das Gebet immer mehr reine Poesie werden. Wie diese neue, poesiereiche Sprache - und damit verbunden Sölles Religiosität - aussieht, soll nun an der Form und Funktion des Gebets untersucht werden.

Das Gebet ist heute keine übliche Sprechweise mehr. Man muß nur einmal versuchen, wenn man mit Freunden in einem Lokal ist, vor dem Essen zu beten - Aufmerksamkeit seitens der Begleiter ist garantiert. Warum beten so viele Menschen nicht mehr ? Warum hat es ihnen die Sprache verschlagen ? Ist es, weil sie die Stimme am anderen Ende der Leitung nicht oder nicht mehr hören ? Ist der, an den sich der Betende mit seinem Gespräch wenden könnte, tot - und ist deswegen die Leitung tot ? Oder hängt es damit zusammen, daß wir Angst davor haben, uns als religiös erkennen zu geben, indem wir beten, denn diese geäußerte Emotion scheint heute ähnlich tabuisiert zu sein wie die Sexualität zu Zeiten unserer Großeltern 115.

2.3.1. Wir wissen nicht, was wir beten sollen

"[...] wir wissen nicht, was wir beten sollen [...]" schreibt Paulus im Brief an die Römer (826). Sölle zitiert diesen Teilvers und legt ihn aus 116. Im voraus sei aber noch darauf hingewiesen, daß die im folgenden vorhandene Abwehr der Religion in der Zeit, in der sie dies geschrieben hat, zu sehen ist.

Zunächst fragt sie nach dem 'wir', also dem Subjekt des Satzes. Dieses sind ganz exklusiv die Glieder der Gemeinde Jesu - also nicht die Juden, Kommunisten oder Gottgläubige. Ihre Art, Gott zu verehren, wirkte unfromm, und sie wurden deshalb von ihrer Umgebung als 'atheoi', als Gottlose, bezeichnet 117. Die Christen wohnten nicht mehr im bergenden Haus der Religion, das sie schützte; sie hatten es verlassen. Doch nun wußten sie nicht mehr, was sie beten sollten. "Religiöse Menschen wissen, was sie beten sollen. Mit Christus ist dieses Zeitalter der Religionen, die wissen, was sie beten sollen, zu Ende" 118. Religion versucht durch kultische Handlungen, Gott gegenwärtig zu machen; aber Gott muß nicht erst gegenwärtig gemacht werden - er ist gegenwärtig, denn Gott selbst hat das Haus verlassen, er ist auf der Straße. "Jesus stellt den Menschen auf die Straße, weil Gott auf der Straße ist" 119. Doch damit erübrigt sich das Beten nicht. Sölle geht dazu auf das "' was ' wir beten sollen" ein. Sie fordert dazu auf, dieses nicht einfach präpositional zu verstehen, sondern den Akkusativ ernst zu nehmen: "wen oder was sollen wir beten? Die Antwort kann nur heißen: uns selbst. Sich-beten meint sich zur Sprache bringen" 120. Dieses personale 'uns selbst' ist aber in der Welt, in der es lebt, zu sehen - wir sagen Gott unsere Welt; damit will sie den Vorwurf eines naiven Egoismus abwehren.

Aber wir wissen nicht mehr, wie wir uns selbst zur Sprache bringen können. Doch uns fehlt nicht die Sprache im Sinne eines Verständigungsmittels, das wir besitzen könnten, sondern wir haben verlernt, selbst ein Gespräch zu sein; "wir sind nicht der Dialog, als der wir gemeint sind" 121. Das heißt nun aber nicht, daß wir darauf warten sollen, daß wir durch das Beten erhört werden, sondern indem wir beten, antworten wir - und zwar dem, der bereits da war. "Beten heißt Gott antwortgebend leben" 122. Welche Folgen dieses Gebetsverständnis hat, wird folglich im Zusammenhang ihrer Ethik wieder auftauchen.

Ich halte dies für eine bedenkenswerte Auslegung Sölles, weil sie Menschen das Beten ermöglichen kann, die sonst bildlich gesprochen die Stimme am anderen Ende der Leitung vermißt haben. Sölle nimmt ihnen quasi den Hörer aus der Hand und weist sie darauf hin, daß der Gesprächspartner am anderen Ende bereits gesprochen hat und sie nun an der Reihe sind, mit ihrem Leben zu antworten. Allerdings ist ihr personal verstandener Akkusativ vom Griechischen ausgehend nicht möglich, da Paulus '??' verwendet, also eine Neutrumform. Und als Neutrum will sich Sölle doch wohl kaum verstanden wissen. Somit kann man zwar ihre Gedanken würdigen, man darf es aber nicht als ein paulinisches Gebetsverständnis auffassen.

2.3.2. Zur Sprache des Gebets

Sölle versteht das Antwortgeben nicht nur als antwortendes Leben. In ihrem Buch 'Die Hinreise' nimmt das Meditieren Elemente auf, die man sonst unter dem Begriff Gebet suchen würde. Hier tauchen auch Begriffe auf, die sie an anderer Stelle für das Gebet verwendet, z.B. 'Konzentration' oder 'Aufmerksamkeit' 123. Sie beschreibt in Anlehnung an buddhistische Vorstellungen eine Form, Gott zu erfahren, "indem wir ihn in uns einlassen [...] in der Form der Vereinigung, des Zurückgehens in ihn [...] Der Weg nach innen ist eine Übung, er verlangt Konzentration und Aufmerksamkeit, vor allem aber kann er nur in der größten Aufrichtigkeit, deren wir fähig sind, gegangen werden" 124. Elemente dieser Meditation sind z.B. Askese, Tanz, Musik, Atemtechniken und Drogen als Ermöglichungen des Innehaltens in den eigenen Lebens- und Konsumgewohnheiten und den alltäglichen Turbulenzen zu entkommen. Das meditative Vorsichhinsprechen des Satzes 'mir wird nichts mangeln' stellt z.B. den Versuch dar, diese Worte mit Leib und Seele aufzunehmen, sie nicht nur rational zu verstehen, sondern sie zu vollziehen - um sich selbst an alles zu erinnern, was einem fehlt. "Ich lasse mich selber, verlasse meine unruhigen Bewegungen und hin- und herhüpfenden Gedanken, lasse mich fallen und höre, um das Gespräch mit mir selbst zu beginnen, auf eine andere Stimme" 125. Dadurch zieht man sich nicht aus der Wirklichkeit zurück. "In Wirklichkeit nehmen wir ein anderes Verhältnis zur Wirklichkeit auf, eine ganzheitliche Beziehung" 126.

Auf diese Hinreise zu Gott, als dem äußersten für den Menschen erreichbare Punkt - vom Ego zum Selbst - muß dann auch wieder die Rückreise folgen. Als Beispiel führt sie Elia an, der nach einem Gespräch mit Gott wieder die Rückreise antritt, indem er seinem politischen Auftrag als Propheten nachkommt 127.

An anderer Stelle beschreibt Sölle eine Begegnung mit einem Schriftsteller. Sie fragt ihn, warum er morgens die Zeitung lese, woraufhin er antwortet, "es sei etwas Ähnliches wie das Morgengebet für frühere Generationen: Man vergewissere sich über den Gesamtzusammenhang" 128. Sie stellt sich daraufhin die Frage, ob 'Gesamtzusammenhang' ein anderes Wort für Gott sei. Teilhabe am Gesamtzusammenhang gehört für sie zur Transzendenzbereitschaft.

Heinrich Ott kritisiert in Bezug auf diese Erzählung an Sölles Gebetsverständnis, daß es sich hier letzten Endes nur um ein meditatives Selbstgespräch handle. "Denn das Gebet ist im Unterschied zum bloßen Zeitungslesen eine Zwiesprache [...] Unserer Erfahrung und unserer Reflexion über die Erfahrung und über den Gesamtzusammenhang wächst im Gebet eine neue Dimension zu: eben die dialogische" 129.

Inwieweit ist bei Sölle ein Dialog vorhanden ? Das oben beschriebene Dialog-Verständnis scheint Ott zu wenig zu sein, da der Beter hier nicht nachfragen kann. Die Gebetsform in 'Die Hinreise' stellt eher eine Dialogform dar, doch bleibt sie im Menschen. Ott will ein "nicht- menschliches Du" 130, eines, das außerhalb des Menschen liegt. Zu fragen ist also nach dem Objekt des Gebets.

Doch wo genau liegt der Unterschied zwischen Ott und Sölle ?

Ist es nicht eine gewisse Wortspielerei, danach zu Fragen, ob Gott im Menschen oder 'extra nos' ist ? Sage ich, Gott ist Liebe, so werde ich die transzendente Größe Liebe weder im Inneren noch außerhalb des Menschen festmachen können - im wörtlichen Sinne; und nur dann wäre sie dem Menschen verfügbar, bzw. fügig. Dadurch entsteht auch kein Privatgott, denn die Liebe drängt nach außen, weil sie nur so Ereignis werden kann, was man an Sölles sozialem Engagement deutlich sehen kann. Aber auf der anderen Seite braucht diese Liebe natürlich den Menschen, um nach außen drängen zu können; die Vorstellung einer autarken Liebe, die wir bitten können, daß sie uns an einem anderen Ort ersetze, kann es bei Sölle nicht geben. Das Gebet kann bei ihr also den Menschen bessern, ihm eine ganzheitliche Beziehung zur Wirklichkeit geben. Die Besserung der Welt geschieht dann aber in Form menschlichen Engagements für die Veränderung der sozialen und politischen Verhältnisse - des Lebens der Liebe. Gott hat sich nach Sölle von den Menschen abhängig gemacht; Ott hingegen sieht Gott auch unabhängig von den Menschen.

Aber kann man diese Liebe auch anreden und ihr einen Namen geben, wie z.B. 'unser Vater' ? Ist diese Dialogform für Sölle denkbar ? Hier scheint mir die Grenze der argumentativ- reflektierenden Sprache zu liegen, weshalb nun exemplarisch ein Gebet und eine Erzählung von Sölle untersucht werden sollen.

2.4. Gebet und Erzählung - poetische Texte Dorothee Sölles

Zu Beginn sei eine Frage erlaubt: Können poetische Texte überhaupt theologisch reflektiert werden - oder werden sie dadurch zerstört ? Könnte man dann nicht von vornherein in der reflektierenden Sprache bleiben - ist die poetische Ausdrucksweise dann nur ein Umweg ? Dies ist ein Grundproblem bei allen Texten, die von Gott erzählen, denn die Gefahr ist dabei, daß man das poetisch Gesagte reduziert auf das Reflektierbare und damit genau der Poesie die Möglichkeit nimmt, mehr zu sagen. "Ich habe Angst vor der Begrenzung auf das Machbare, vor dem Verbot, noch einen anderen Welttraum zu haben" 131. Doch genau diese Differenz zwischen Poetisch-Sagbarem und Reflektierbar-Sagbarem soll betrachtet werden. Auch wegen der Gefahr, daß z.B. in einer mythischen Erzählung sexistische oder rassistische Inhalte enthalten sind, muß sie kritisierbar bleiben. "Es zerstört den Mythos nicht, wenn wir seine Funktionen in einer bestimmten Situation durchschauen" 132. Und ich denke, das Gleiche gilt auch für das Gebet, denn wir dürfen nicht stumm bleiben, wenn beispielsweise der amerikanische Prediger Billy Graham im Golfkrieg Waffen segnet und für den Sieg betet, solche Gebete sind durchauß argumentativ-reflektierend zu hinterfragen.

2.4.1. Eine Erzählung - die mythisch-narrative Sprachebene

Über133 auferstehung

Sie fragen mich nach der auferstehung sicher sicher gehört hab ich davon daß ein mensch dem tod nicht mehr entgegenrast daß der tod hinter einem sein kann weil vor einem die liebe ist daß die angst hinter einem sein kann die angst verlassen zu bleiben weil man selber gehört hab ich davon so ganz wird daß nichts da ist das fortgehen könnte für immer Ach fragt nicht nach der auferstehung ein märchen aus uralten zeiten das kommt dir schnell aus dem sinn ich höre denen zu die mich austrocknenen und kleinmachen ich richte mich ein auf die langsame gewöhnung ans totsein in der geheizten wohnung den großen stein vor der tür Ach frag mich nach der auferstehung ach hör nicht auf mich zu fragen

2.4.1.1. Versuch einer Deutung der Erzählung

Bereits das Schriftbild verweist auf die poetische Sprachebene. Man wird gezwungen, aufmerksam zu lesen, sich dem Text konzentriert hinzuwenden, da sämtliche Satzzeichen fehlen und es keine Groß- und Kleinschreibung gibt. Dadurch erreicht diese Sprachform bereits durch ihr Äußeres das, was Sölle z.B. im Gebet als Grundvoraussetzung nannte, also Konzentration und Aufmerksamkeit.

Das narrative Gedicht erzählt vom Mythos Auferstehung, jedoch ohne die Namen Jesus oder Christus zu gebrauchen. Was vor 2000 Jahren passiert ist, wird nicht explizit ausgedrückt, und doch wird wohl jeder Leser an das eine bestimmte Geschehen, das sich mit dem einen bestimmten Mann aus Nazareth verbindet, denken. Historie kommt nur im zweiten Vers kurz vor, 'ein märchen aus uralten zeiten'. Aber danach will der Sprecher nicht gefragt werden, das ist Vergangenheit, mit der er nichts mehr anfangen kann.

Auferstehung wird somit von Anfang an als heutiges Ereignis gedeutet, als ein Nein zum Tod. Die Abwendung vom Tod wird vollzogen, weil die Liebe auf der anderen Seite sichtbar ist. Tod und Liebe werden damit zu Gegensatzpaaren. Der Dichter beschreibt Auferstehung quasi als 1800 -Drehung; es gab Menschen im Erfahrungshorizont des Erzählers, die dem Tod den Rücken zukehrten, weil sie wußten, daß auf der anderen Seite nicht einfach das Nichts ist. Diese Drehung ist Auferstehung.

Doch der Dichter will nun nicht nach der Auferstehung gefragt werden - warum ?

Auferstehung sagt ihm zwar im übertragenen Sinn etwas, aber in seinem Umfeld gibt es

Menschen, die ihn austrocknen, d.h., die ihn daran hindern, den Sprung zu machen und die Auferstehung als historische Lüge bezeichnen. Sie erlauben ihm die Poesie nicht. Diesem Druck kann er nicht widerstehen, er resigniert und schafft es nicht, Auferstehung für sich zu realisieren.

Aber er gibt nicht ganz auf, er will genervt werden, weil er weiß, daß es zu seinem Leben eine bessere Alternative gibt. In den letzten zwei Zeilen kommt darum die Hoffnung zum Ausdruck, daß er es doch schaffen könnte, wenn ihm jemand weiterhin die Schönheit der Auferstehung vor Augen hält, indem er sie in ihm in Erinnerung ruft.

2.4.2. Ein Gebet - die religiös-konfessorische Sprachebene

Gib mir die gabe der tränen 134 gott

gib mir die gabe der sprache

Führ mich aus dem lügenhaus wasch meine erziehung ab

befreie mich vin meiner mutter tochter nimm meinen schutzwall ein

schleif meine intelligente burg

Gib mir die gabe der tränen gott

gib mir die gabe der sprache

Reinige mich vom verschweigen

gib mir die wörter den neben mir zu erreichen

erinnere mich an die tränen der kleinen studentin in göttingen

wie kann ich reden wenn ich vergessen habe wie man weint mach mich naß

versteck mich nicht mehr

Gib mir die gabe der tränen gott gib mir die gabe der sprache

Zerschlage den hochmut mach mich einfach

laß mich wasser sein das man trinken kann

wie kann ich reden wenn meine tränen nur für mich sind nimm mir das private eigentum und den wunsch danach gib und ich lerne geben

Gib mir die gabe der tränen gott gib mir die gabe der sprache gib mir das wasser des lebens

2.4.2.1. Versuch einer Deutung des Gebets

In reflektierender Sprache könnte Sölle nie Gott anreden; der Verstand sagte sofort, daß Gott tot ist - 'er hört dich nicht mehr'. Nur ein theistisches Gottesverständnis könnte dies erlauben. Aber wohin redet sie - wer ist hier das Objekt des Gebets ? Betet sie sich selbst ? Das Bild von der Hinreise kann hier helfen: "Der biblische Gott ist die tiefste Regression" 135 - also eine Suche nach Gott, ein Weg vom Ego zum Selbst, im Menschen. Sie vollzieht einen Sprung - weg von der argumentativen Sprachebene hin zu einem Reden mit Gott. Das Gebet hat keine Überschrift, es beginnt sofort mit einer Bitte. Drückt sich darin die Dringlichkeit des Gebets aus ? Ein Mensch der Tränen zulassen kann, zeigt Gefühle. Aber dies ist dem Beter unmöglich. Doch er bittet darum, er will sich also öffnen können, empfindsam werden, er ist bereit das Risiko der Verletzbarkeit in Kauf zu nehmen. Er will sich verändern, aber dazu braucht er Hilfe. Und diese will er am liebsten sofort.

Welche Sprache ist hier gemeint ? Sprache setzt Menschen miteinander in Beziehung, sie ist eine Form des gegenseitigen Mitteilens. Aber der Beter sieht sich in einer Burg, die ihn schützt, aber die es ihm unmöglich macht, mit anderen Menschen über sein Inneres, seine Gefühle, zu sprechen. Der Schutzwall ist die verlogene Sprache, die es nicht wagt, von seinem Selbst zu reden. Wer ehrlich kommunizieren will, muß Gefühle zulassen. Und er muß die richtigen Worte finden, denn die Wörter, die sich nur an der Oberfläche aufhalten, sind leere Worte, sie sagen eigentlich gar nichts, sie sind Schweigen.

Wörter, die Gefühle ausdrücken - im wörtlichen Sinn - sind welche, die Leben weitergeben. Wasser ist die Lebensgrundlage. 'Laß mich Wasser sein das man trinken kann' zeigt, daß der Beter entdeckt hat, daß das Leben nur lebendig ist, wenn er seine Lebensgrundlage, das was ihn am Leben erhält, seine Gefühle, mit anderen teilt.

Aber er setzt voraus, daß zuerst er die Gaben der Träne und der Sprache erhalten muß; nur dann kann er auch etwas von sich weitergeben, nur dann kann er sich anderen Menschen gegenüber verletzbar machen - 'gib und ich lerne leben'. Er selbst braucht zuerst das 'wasser des lebens', damit er es weiterreichen kann.

3. Konsequenzen für das Handeln - zur Ethik Dorothee Sölles

Gott leben, ist eine Form des Gebets. Wie sieht dieses Leben aus ? "Christus hat keine anderen Hände als unsere, er ist auf uns angewiesen. Wenn keine Christen mehr da sind, ist Christus tot. Auch Gott kann nicht un-abhängig, un-relational gedacht werden" 136. Diese Aussagen haben in sich eine starke Aufforderung zum Handeln. Der Blick wird deshalb nun auf die daraus entspringende Ethik zu richten sein. Was heißt es, Gerechtigkeit oder Liebe zu leben ? Welche Konsequenzen hat dies beispielsweise für das Verhältnis zu Politik und Gesellschaft ?

Als gedankliche Grundlage ist Sölles Aufforderung zur Phantasie anregend. Es ist ein ethisches System denkbar, in dem sich alle Tugenden auf Phantasie gründen [...]: die Toleranz und der Humor, der gerechte Zorn und die Einfühlung, die Initiative und die Beharrlichkeit einer produktiven Vorstellungskraft" 137. Als Setzung ist also die gedankliche Beweglichkeit zu sehen und nicht zeitbedingte Überlegungen über ethisches Handeln. "Christus nachfolgen bedeutet, daß es keinen ein für allemal fixierten Weg gibt; der Weg ist in der jeweiligen Situation selber zu finden" 138.

3.1.Das befreiungstheologische Modell

Die Befreiungstheologie ist zwischen 1965 und 70 entstanden und hatte v.a. in Lateinamerika ihr geistiges Zentrum. Sie ist eine kontextuelle Theologie, die von den Verhältnissen der Unterdrückten in der Gesellschaft ausgeht; dies kann sich auf Völker, Klassen oder das Geschlecht - wie in der feministischen Theologie - beziehen 139. Sölle hat sich seit der Entstehung dieser Theologie ihr angeschlossen. In ihrer feministischen Theologie geht sie von den Frauen als die in unserer Gesellschaft Unterdrückten aus. Man kann somit sagen, Befreiungstheologie sucht nach den Unterdrückten in ihrem jeweiligen Umfeld und versucht sie von der Unterdrückung zu befreien, indem sie (auch) in die politischen und sozialen Zustände eingreift.

Sölle vergleicht die Befreiung mit dem Exodus des Volkes Israel aus Ägypten und weist darauf hin, daß der Befreiungsglaube zum ältesten Bestand des Alten Testaments gehört, indem sie sich darauf beruft, daß das Buch Exodus älter ist als das Buch Genesis mit dessen Schöpfungsglauben. "Im Anfang war Befreiung" 140. "Diese jüdische Tradition enthüllt der gesamten Menschheitsfamilie, daß wir zur Freiheit erschaffen sind und Freiheit unsere geschichtliche Aufgabe ist" 141. Die als Gottestat verstandene Befreiung ist also Aufforderung an den Menschen, gleiches zu tun.

Die Aufgabe der Theologie besteht somit in der Mitarbeit an Gottes Werk der Befreiung.

Glauben ist dann eine andere Art zu leben, zu hoffen, zu handeln, weshalb Glaube, bzw.

Theologie und Handeln, bzw. Politik zusammengehören 142. Vorbild für dieses Handeln ist die messianische Praxis Jesu, "der mit den Hungrigen sein Brot teilte [...] und für die Gerechtigkeit lebte und starb" 143. Sölle wendet sich dagegen, der Grund des Glaubens sei, daß Christus mit göttlicher Vollmacht geredet habe; dies führe nur zu einer Autoritätshörigkeit 144. In Jesus wurde deutlich, daß Gott für die Armen optiert hat. Seine Vorliebe für die Armen ist ein Element der Absolutheit, d.h., "Gott ist in jeder Situation mit den Armen und für die Armen, mit und für die Gequälten und Unterdrückten in den verschiedensten Lagern" 145. Ihre Kämpfe für Befreiung sind darum Orte der Gegenwart Gottes, weshalb wir von hier aus Gottes Wort interpretieren müssen. "Wenn wir die Armen außer Acht lassen [...] dann betreiben wir - ob gewollt oder nicht gewollt - eine Theologie der Reichen" 146. Darum brauchen wir die Bekanntschaft mit den Armen, den Ausgegrenzten, den Gedemütigten; von ihnen aus können wir Gott suchen, sie sind deshalb in der Befreiungstheologie die Lehrer. Und was lehren uns die Armen ? Sie warten auf "das Wunder, dessen Kern die Umverteilung ist" 147.

Im hermeneutischen Modell der Befreiungstheologie gibt es vier Größen: der biblische Text, der biblische Kontext, der eigene Kontext und der biblische Text 'für uns' 148. Die beiden Kontexte sind jeweils 'mit den Augen Jesu' zu sehen, was bedeutet, sie aus der Sicht der Opfer wahrzunehmen. Denn an die Nichtseßhaften, die Arbeitslosen, die Landlosen hat Jesus seine Botschaft gerichtet, sie waren die Adressaten seiner Botschaft. D.h., der biblische Text wird nur dann Text 'für uns', wenn wir ihn von seinen Adressaten her lesen. Theologie beginnt "im Stall, der vom historischen Unrecht stinkt [...] Wir sehen uns den Stall an, und daraus erwachsen - wie ich meine notwendigerweise - Fragen wie die biblische 'Wie lange noch?'" 149.

In diesem Zusammenhang wird Sünde als Besitzgier verstanden, die die Menschen von Gott, der Gerechtigkeit ist, trennt, weil sie Ungerechtigkeit in der Gesellschaft herstellt 150. Entfremdung und Trennung von Gott kann aber auch da entstehen, wo Menschen sich selbst aufgeben. Sölle zitiert dabei den Schwarzen James Cone: "'Sünde ist der Wunsch, weiß zu sein' [...] Als Frauen können wir analog sagen: Sünde ist der Wunsch, ein Mann zu sein" 151. Innerhalb dieser Defintion von Sünde steht der Aufforderungscharakter eindeutig im Vordergrund - sogar für die Unterdrückten.

Die Gnade Gottes wird hingegen als Befreiung verstanden, die sich innerhalb des soziokulturellen und soziopolitischen Kontextes vollzieht. Befreiung ist dabei ganzheitlich gemeint, denn eine politische und wirtschaftliche ist auch zugleich eine seelische und kulturelle. "In diesem Sinn ist Befreiung Veränderung des ganzen Lebens, des Lebensstils, des Verhaltens" 152.

Wie und wo muß Befreiung bei stattfinden ? Sölle formuliert dies in einem Gebet: "Mach uns frei, Gott,

wir bitten dich um unsere Befreiung

Führ uns aus dem Diensthaus des technischen Fortschritts

mach uns frei von dem Zwang, mehr Energie zu verbrauchen als nötig, mach uns frei von der Rolle der Ausbeuter unserer Erde mach uns frei von denen, die unsere Demokratie mit ihrem Atomstaat verwechseln

Sei du unser Gott - nicht die Bombe

sei du unser Friede - nicht das Wachstum gründe uns in Deiner Gerechtigkeit sei du unser Frieden" 153

3.2. Kirche in der Nachfolge

Welche Bedeutung und Aufgabe hat die Kirche innerhalb des befreiungstheologischen Konzepts ? Ist Kirche der exklusive Ort, an dem sich Transzendenz in Immanenz vollzieht, an dem Gerechtigkeit und Liebe gelebt werden ?

Sölle verweist darauf, daß sich die Jesusnachfolge, die Antwort ist auf die Botschaft vom nahe herbeigkommenen Reich, von Anfang an in Gemeinschaft vollzogen hat 154. Kirche, Jesusnachfolge und Reich Gottes bedingen sich also gegenseitig, sie sind aufeinander bezogen. Die Kirche nimmt dabei die Zwischenposition ein: Sie erinnert an ihren Ursprung, also an die Jesusbewegung, und lebt zugleich auf das Reich, die andere Zeit am Ende aller Zeit, hin. Allerdings bezieht sich die Kirche auch auf Gottes Handeln vor der Zeit Jesu, so daß z.B. das Bild vom Exodus auch heute noch gilt. Die 'historische Befreiung findet auch heute noch statt: "einmal, daß Gott auch heute sein Volk aus Ägypten herausführt, und dann, daß Gott selber befreit wird: Der verborgene Gott wird sichtbar, greifbar, hörbar" 155. Beim Kirchenbegriff gebraucht Sölle wie bei Christus das Modell der Stellvertretung: Die Kirche vertritt die Welt vorläufig, unvollständig bedingt und auf Zeit vor Gott; d.h., es muß eine Zeit vorstellbar sein, in der die Kirche überflüssig wird, und zwar dann, wenn das Reich Gottes sich verwirklicht hat, in dem Gott mit der Welt identisch wird 156. "Lebendige Kirche [...] drückt gerade das Warten auf Gott, die Sehnsucht nach dem himmlischen Jerusalem aus" 157. Daß das Reich noch aussteht ist auch deshalb entscheidend für Sölle, damit Gott nicht zum 'habitus' wird, damit Gott nicht zu einem Haushaltsgegenstand der Kirche wird, dessen man sich bedienen könnte. Somit ist das Reich zwar schon in seiner vorläufigen Art unter uns, andererseits steht seine ganze Verwirklichung noch aus.

Damit wird das Kriterium, was Kirche ist, die Stellvertretung der Reiches, denn aus seiner Verkündigung heraus entsteht Kirche 158. Als Institution hat sich die Kirche also ständig dadurch als Kirche Christi zu bewähren, daß sie das Reich vertritt; doch kommt ihr dabei keine Exklusivität zu, denn diese Stellvertretung ist auch außerhalb der Institution möglich. Eine Gemeinschaft der Jesusnachfolge kann die Grenzen einer institutionalisierten Kirche überspringen, wie z.B. bei den politischen Nachtgebeten in Köln sichtbar wurde. Sölle nimmt dabei auch auf Dietrich Bonhoeffers Kirchenverständnis Bezug. Dieser schreibt 1944 aus der Haft: "Die Kirche ist nur Kirche, wenn sie für andere da ist" 159. Sölle will dies aber dialektisch verstanden wissen: "Die Kirche vertritt zwar die Welt, aber sie ist zugleich auf sie angewiesen" 160. So ist zwar das Dienen ein Auftrag an sie, aber sie muß im Dialog mit der Welt bleiben und sie nicht nur als Missionsobjekt sehen. Damit kritisiert sie Bonhoeffer, der den Dienst der Kirche nicht stellvertretend, sondern ersetzend verstehe. Die Kirche stehe bei ihm an der Stelle, an der die ganze Welt stehen sollte; doch meint Bonhoeffer damit wirklich ein Ersatzhandeln ? Er sagt zwar in der Funktion des Jugendsekretärs 1932: "Das Revier der Kirche Christi ist die ganze Welt" 161. Aber ich sehe vielmehr gerade ein Zugeständnis an die Vorläufigkeit der Kirche, wenn er an anderer Stelle äußert: "Die Kirche wagt also etwa zu sagen: geht nicht in diesen Krieg; seid heute Sozialisten, dieses Gebot als Gottes Gebot aus der klaren Erkenntnis, daß es sein kann, daß sie damit Gottes Namen lästert, daß sie irrt und sündigt, aber sie darf es sprechen im Glauben an das Wort von der Sündenvergebung, das auch ihr gilt" 162. Kirche ist bei Bonhoeffer dann Kirche, wenn sie die reine Wahrheit des Evangeliums verkündigt, diese Wahrheit aber ist zerrissen, und deshalb muß sie ihre Schuld an der Wahrheit erkennen. Äußert sich nicht gerade hier die Bedingtheit der Kirche ?

Die Aufgabe der Kirche ist eine dreifache: Sie besteht aus Kerygma, Diakonia und Koinonia, also Verkündigung, Dienst und Gemeinschaft 163. Allen dreien hat die Kirche nachzukommen und sie gegenseitig im Gleichgewicht zu halten. Die Verkündigung bezieht sich zum einen auf den Akt der Verkündigung - Predigt, Lehre, Unterweisung - und den Inhalt - die Verheißung, die in Christi Leben, Tod und Auferstehung sichtbar wurde. Hier vollzieht sich Partizipation, Bekennen und Lernen. Der Dienst der Kirche erstreckt sich auf alle Notleidenden und äußert sich im Miteinander - im Teilen, Heilen und Versöhnen. Dienen bedeutet somit auch Kritik an aller Herrschaft, denn es hat das Ziel, Unterdrückung aufzuheben. Koinonia, d.h., Gemeinschaft mit Gott und untereinander, erwächst aus Kerygma und Diakonia; sie entsteht in der zu bauenden Einheit der Kirchen und ihrer Erwartung von Gottes Reich. Gemeinschaft bedeutet, das Leben miteinander zu teilen. So findet sich die Transzendenz in der Immanenz hier in drei verschiedenen Formen wieder: im Erzählen davon, wie und wo Transzendenz in der Immanenz stattfindet, im Leben und Praktizieren der Transzendenz in der Immanenz und im gemeinsamen Erfahren und dem Trachten nach der Transzendenz in der Immanenz.

Nun ist gerade der Auftrag zur Diakonia in der Befreiungstheologie sehr stark, aber es wäre eben eine Verzerrung, wenn dabei Kerygma und Koinonia zu kurz kämen. Bei Sölle ist der Aufruf, etwas zu tun, bestimmt ein zentrales Element; Gollwitzer meint, darin ihren Hauptwunsch sehen zu können: "Es soll von Christus in seinem Für-Uns-Sein so gesprochen werden, daß wir [...] endlich anfangen, etwas für ihn zu tun, und d.h. für unsere Mitmenschen" 164. Doch darf dieses 'Tun' nicht mit Diakonia gleichgesetzt werden, vielmehr besteht es aus Dienen, Verkündigen und Gemeinschaft haben, wie z.B. bei den politischen Nachtgebeten sichtbar wurde.

"Kirche [...] ist in meinen Augen nur dann wirklich Kirche, wenn sie Widerstand leistet. Im Widerstand leben, das heißt gegen alle Hoffnung auf Hoffnung hin glauben" 165. Widerstand bezieht sich also, wenn ich Sölle hier richtig verstehe, auf alle drei Aufgaben der Kirche, kann sich in allen dreien äußern und erwächst aus allen dreien.

Die Kirche darf nicht konform mit den jeweiligen herrschenden Strömungen gehen, denn andernfalls produziert sie Menschen, die Christus bewundern 166. Sie braucht hingegen Nachfolger. Glaube und Nachfolge gehören zusammen wie die zwei Seiten einer Münze, Nachfolge ist die soziale Gestalt des Glaubens. Eine Kirche in der Nachfolge darf nicht bei der Meditation stehen bleiben, "denn christlich leben heißt Christus nachfolgen, und das ist gesellschaftliche Praxis" 167.

Anders formuliert: Kirche, die sich als Christi Kirche verstanden wissen will, muß mit dem Leben und Reden ihrer Mitglieder, ihr Nein zu allen gottlosen Verhältnissen deutlich machen und mit ihrem Ja zu Gerechtigkeit Gott stellvertretend in der Welt leben. In einer Kirche, die sich in der Nachfolge versteht, muß der Glaube handeln.

3.3. Mitarbeit in Politik und Gesellschaft

Wenn Kirche in gegenseitiger Abhängigkeit zur Welt lebt und Christus nachfolgen soll, dann wird schon darin deutlich, daß Christsein nicht hinter den Mauern der Kirche verharren darf, sondern an die Öffentlichkeit drängen soll. Und das kann auch bedeuten, in die Politik einzugreifen. Gerade die Trennung von Staat und Kirche hat ja gute geschichtliche Gründe, wenn eine machtvolle Religion andere Religionen unterdrückt. Aber betreibt nicht ein Staat auch seine Form der Religion, wenn er Verfolgte ausweist, Eurofighter baut anstatt die Gelder für soziale Aufgaben zu verwenden - nur daß er eben einer lebensvernichtenden Religion nachgeht, eine Rückbindung an einen Gott, der nicht Liebe ist ? "Ich bin der Schreckensherrschaft schon immer unterworfen [...] So lebe auch 'ich' [...] schon immer unter gewalttätigen Mächten - dem Militarismus, der Energieverschwendung, dem Fleischverzehr, der Ausplünderung. Ist dies verstanden als der Terror, den die Sünde ausübt, so wird die Frage dann allerdings sein, wie ich mich dazu verhalte" 168.

Wirkliche Liebe zu Gott muß sich der Wirklichkeit stellen, in der wir leben 169. Aber eben diese unsere Wirklichkeit nötigt uns zu Verdrängungen. Würden wir jede Zerstörung der Liebe in unserer Welt mitempfinden, sei es in Form von Krieg, sozialer Ungerechtigkeit o.ä., so wären wir wohl kaum mehr lebensfähig. Wollen wir also in dieser Welt ganz leben, so müssen wir sie verändern.

Aber was kann eine Religion ausrichten, die sich des Lebens der Liebe und der Gerechtigkeit verschrieben hat ? Müssen wir nicht eher an Jesus lernen, daß man mit Gerechtigkeit und Liebe sowieso nur aus der Welt hinausgekreuzigt wird, weil Liebe in dieser Welt nichts ausrichten kann ? Bedeutet dies somit, daß Christen in der Politik immer in der Opposition bleiben werden ? Eine ewige Revolution ? Doch würde dies Sölles Stellvertretungsverständnis widersprechen, denn Gott soll ja nur auf Zeit vertreten werden. Doch was berechtigt uns, zu hoffen daß die Liebe gewinnen wird ? Nicht ihr eigener Glaube trägt sie, sagt Sölle, sondern "der Glaube und die Hoffnung der Armen, die nicht aufgeben" 170. Solange sie weitermachen, haben wir nicht das Recht zu resignieren und zu sagen, man könne ja doch nichts machen. "Wenn wir uns den Traum, daß die Hungrigen satt werden, verbieten lassen, dann haben wir uns von Gott getrennt, jedenfalls von dem der Bibel".

3.3.1. Die Vorläufigkeit aller weltlichen Ordnungen

Sölle nimmt in ihrer Habilitationsschrift171 Paul Tillichs Vorstellung einer Theologie der Kultur auf. Es soll dabei nicht darum gehen, durch eine religiöse Deutung die säkulare Kultur zu klerikalisieren, und auch darf nicht das Vorläufige und Relative den Status des Endgültigen, bzw. Absoluten erhalten. Aber in dem Vorläufigen verwirklicht sich das Engültige. "Eine Theologie der Kultur respektiert also und schärft ein die Grenze zwischen Absolutem und Relativem [...] Daher können Gesetzesentwürfe, politische Programme, soziale Ideen, wissenschaftliche Erkenntnisse oder auch Kunst jeweils zu theologischen Gegenständen werden: in ihnen verwirklicht sich das Absolute" 172. Gott kann sich also innerhalb der vorläufigen Ordnung, z.B. in einer demokratischen Staatsform, teilweise verwirklichen, aber ohne daß damit das Vorläufige unendliche Bedeutung bekäme. Oder so: Die Transzendenz wird in der Immanenz sichtbar, doch muß alle Immanenz vorläufig verstanden werden. Dies bedeutet folglich, daß beispielsweise kein Staatschef die Gesellschaftsordnung seines Staates als die einzige Möglichkeit ansehen darf, sondern er muß immer wieder neu fragen, ob sich darin Gerechtigkeit verwirklicht.

Bonhoeffer wendet sich dagegen, daß Friede als ein Stück Reich Gottes auf Erden verstanden werde. "So wird der Friede zum absoluten Ideal. Diese Auffassung ist abzulehnen; auch der Friede ist nur eine Ordnung der Erhaltung, die zerstört werden kann" 173. Die Grenzen des Friedens sind dort zu sehen, wo Wahrheit und Recht mißachtet werden. Das Problem sehe ich allerdings darin, daß Wahrheit und Recht schwerlich objektive Größen sein können, auch sie unterliegen der Bedingtheit, auch sie müssen hinterfragbar bleiben.

Sölle unterscheidet dagegen bei Frieden dessen Zustandekommen - ob er auf Gerechtigkeit oder Unterdrückung gegründet ist. Sie stellt den Vergleich von Pax Christi und Pax Romana auf. Der Friede Christi gründet sich auf Gerechtigkeit, während die Befriedung durch die Römer auf Gewalt und Unterdrückung basierte. "So müssen wir die Pax Christi, die mit der Geburt Jesu in die Welt kommt, verstehen als eine Geschichte der Friedensstiftung, eine Geschichte der Gewaltunterbrechung" 174. "Dieser 'andere' Frieden [...] zieht andere Boten des Friedens an" 175. Doch vermisse ich dabei die Relativierung dieses 'anderen' Friedens, wie er von den 'anderen' Boten des Friedens gelebt wird. Auch die Pax Christi äußert sich in der Welt nur in vorläufiger Form. Mit der Parallelisierung durch die jeweilige Verwendung des Wortes 'andere' entsteht der Eindruck, der von diesen Anderen gelebte Friede sei bereits der absolute.

Jürgen Moltmann sieht die Gefahr der Verabsolutierung durch die Rückkehr der Politik zur Religion. "Im Zeitalter der nuklearen Bedrohung und des massenhaften Hungers gewinnt Sicherheitspolitik in der 'Ersten Welt' religiöse Dimensionen, weil sie die tiefsten Ängste des Volkes anspricht und ausnutzt" 176. Im Namen der nationalen Sicherheit würde gegen Gesetze gehandelt und Menschenrechte mißachtet und damit Leben zerstört und Unsicherheit verbreitet. "Das bedeutet, daß politisch die 'nationale Sicherheit' den Charakter des Unbedingten und Transzendenten gegenüber Gesetz und Verfassung angenommen hat" 177. Moltmann sieht deshalb die Aufgabe der Theologie gerade darin, kritisch Selbstrechtfertigungen und Feindbilder aufzulösen 178.

3.4. Arbeit und Entfremdung

"Ohne eine Analyse der Arbeitsverhältnisse können wir die Macht und die Herrschaft der Sünde über unser Leben [...] nicht verstehen" 179. Sölle stellt fest, daß die heutigen Arbeitsverhältnisse den Menschen entfremden. Sie nimmt dazu Karl Marx' vier Formen der Enfremdung auf 180: Die arbeitende Person ist entfremdet von sich selber, weil sie im Produktionsablauf nicht als ganzer Mensch gebraucht wird, sondern z.B. nur ihre zwei Hände. Ihre vielen verschiedenen Begabungen werden nicht gebraucht, verkümmern und sterben ab. Das Ergebnis ist eine geistige Zerstörung. Die zweite Enfremdung ist die der Person von ihren Mitmenschen. Der Mensch neben ihr darf nicht Freund oder Helfer sein, sondern muß Feind oder Konkurrent sein. Dies äußert sich in Form der Konkurrenzgesellschaft. Die dritte Gestalt der Entfemdung ist die von der Natur; diese wird als totes Material angesehen. Der Mensch steht dadurch der Natur gegenüber und kann sich nicht mehr als Teil von ihr begreifen. Die vierte Entfremdung schließlich ist jene von der Zughörigkeit zur Menschheit selbst. Sie zeigt sich im Nicht-Wahrnehmen der Menschen, denen wir z.B. unseren Giftmüll zumuten oder auf deren Kosten wir leben. Dadurch zerstören wir unsere Zusammengehörigkeit zu den anderen Gliedern der menschlichen Familie.

Doch gerade dadurch, bemerkt Sölle, entfremden wir uns auch von Gott. "Indem wir unter der Herrschaft der Sünde leben, arbeiten, miteinander und mit der Schöpfung umgehen, handeln wir als Feinde Gottes" 181. Um Gott zu finden, müssen wir folglich aus der Herrschaft der Sünde hervortreten, und das bedeutet, den Entfremdungen am Arbeitsplatz entgegentreten. Sicherlich hat Marx eine frühe Form des Kapitalismus vor Augen, aber zum einen findet auch heute noch an vielen Arbeitsplätzen diese Entfremdungen statt, und zum zweiten besteht diese frühe Form weiterhin in vielen Ländern. Als Mitteleuropäer leben wir ja gerade davon, daß der Kapitalismus in anderen Ländern noch in den Anfängen steckt, und diese Menschen für einen geringen Lohn billig Waren produzieren, die wir dann erwerben. Und gerade darauf reagieren wir dann oft mit Distanzierung zu diesen Menschen, entfremden uns also bewußt von ihnen, weil andernfalls das Gewissen zu laut rufen würde. Wie aber sollen wir einen Gott, der sich gerade in der Beziehung ereignet, finden, wenn wir Beziehungen absichtlich verneinen ?

Wie aber soll Arbeit aussehen ? "Arbeit im höchsten Sinne trägt ihren Zweck in sich selbst und darf nicht nur als Mittel zur Erreichung von irgend etwas anderem verstanden werden" 182. Sölle nennt dazu drei Dimensionen, die den Sinn der Arbeit darstellen: "Selbstausdruck des Menschen, soziale Beziehungshaftigkeit und Versöhnung mit der Natur" 183. Dies bedeutet, daß wir uns selbst als Mit-Schöpfer verstehen lernen, "die konstuktive und beglückende Arbeit brauchen, durch die wir herausgefordert werden, die in uns schlummernden kreativen Fähigkeiten zu entwickeln" 184. Dazu müssen wir aber erst die vom Menschen gemachte Entfremdung beseitigen, nur so können wir wieder unsere Gottebenbildlichkeit erlangen. "Wir dürfen uns nicht mit weniger zufriedengeben als mit einer Arbeit, die gut für den Arbeiter ist. Denn wir brauchen nicht nur unsere Produkte, sondern die Arbeit selbst, um uns zu entwickeln und 'Vollkommenheit der Seele' zu erreichen" 185. Demjenigen, der mit seiner Arbeit eine Familie ernähren muß, mag dieser Satz mit Sicherheit lediglich ein trauriges Lächeln zu entlocken. Aber die Aufforderung, die darin enthalten ist, darf deswegen nicht untergehen.

3.5. Leben in der Schöpfung

Der Umgang mit der Natur wird in erster Linie durch die Stellung des Menschen zu seiner Umwelt, was hier mit Natur bezeichnet werden soll, bestimmt. Ist der Mensch von der Natur entfremdet, so sieht er sie als Gegenüber und versteht sich selbst nicht als ein Teil von ihr.

Wollte er die Natur von dieser Sicht aus schützen, so wäre die Natur ihm zu Dank verpflichtet, daß er sich für sie einsetzte.

Aber braucht die Natur denn die Hilfe des Menschen ? Der Mensch ist in der Nahrungskette ganz oben angesiedelt, somit würde sein Fehlen in der Natur doch eigentlich keine Lücke hinterlassen. Vielmehr scheint er die Natur umso mehr zu schützen, je mehr er sich aus ihr zurückzieht, also passiver wird - nicht ohne jedoch zuvor seinen Müll aus der Natur aktiv zu beseitigen. Es scheint mir deshalb angebrachter, Mensch und Natur nicht zu trennen, sondern vom Menschen in der Schöpfung zu sprechen. In dieser hat der Mensch als GeschÖpf seinen Platz zu suchen.

Nun wurde die Frage nach der Stellung des Menschen in der Schöpfung bereits im Zusammenhang Sölles Theologie in 1.8. erörtert, und die dort geschilderte Ambivalenz taucht natürlich an dieser Stelle wieder auf.

"Die Schöpfung ist unvollendet, und Gott braucht uns in der Geschichte, sie zu vollenden" 186. D.h., die menschliche Arbeit setzt die Schöpfungstat Gottes fort in Form einer 'co-creatio'. Doch mit Schöpfung ist nicht nur die Natur gemeint, sondern mit diesem Begriff soll zugleich die Heiligkeit der Erde ausgedrückt werden. Bei Fragen der Ökologie kommt es deshalb darauf an, "die Schöpfung zu lieben, sich selber und die Kinder zu erziehen zu einer Aufmerksamkeit für die Schöpfung" 187. Wir müssen die Trauer über das Sterben von Pflanzen und Tieren um uns herum zulassen, also die Entfremdung von der Natur auflösen. Das bedeutet aber, wir sollten "klagen lernen, uns fühlfähig machen" 188.

Quasi als Vorbild an Mitfühlen innerhalb der SchÖpfung dient Sölle die sog. Ansprache des Indianerhäuptlings Seattle an den 'großen Bruder' in Washington. Darin wird dem weißen Mann vorgeworfen, daß er die Erde nicht als seinen Bruder behandle, sondern als seinen Feind 189. "Gott existiert für sie [die amerikanischen Ureinwohner] innerhalb der geschaffenen Welt [...] Gott hat seine Seele in die Schöpfung gegeben" 190. Im Umgang mit der Schöpfung ist deshalb eine Haltung der Demut angebracht. Gerade in der christlichen Religion wurde aber auf das totale Anderssein Gottes hingewiesen, was die Gefahr mit sich bringt, daß Gott in seiner Schöpfung nicht mehr gesehen wird. Sölle macht deshalb die christliche Tradition mitverantwortlich für die derzeitige sich anbahnende ökologische Katastrophe. "Wenn wir ein neues Verständnis von Schöpfung entwickeln wollen, brauchen wir ein kritisches Bewußtsein von der unserem Glauben innewohnenden Destruktivität" 191.

Heißt das aber auch, daß das ganz auf den Menschen bezogene Modell der Stellvertretung überdacht, bzw. überarbeitet werden muß ?

Schlußbemerkung

Woran ist Dorothee Sölles Theologie zu messen: An ihrer dogmatischen Redlichkeit, am

Christuszeugnis des Neuen Testaments, an den Konsequenzen für die Ethik, an der Akzeptanz bei ChristInnen und NichtchristInnen, an der Kommunizierbarkeit des Gottesverständnisses ? Schafft Sölles es, den christlichen Glauben in der heutigen Zeit adäquat zur Sprache zu bringen ?

Mit ihrem Aufruf zu einer neuen Sprache stellt sie eine Forderung, der mit Sicherheit nachzukommen ist. Es kann nicht mehr genügen, alte Vorstellungen in der Kirche nur so umzuformulieren, daß sie für den heutigen Menschen annehmbar sind. Sölle beschreitet den umgekehrten Weg: Sie nimmt alte Worte wie z.B. 'Auferstehung' und macht deren Inhalt für den Menschen dieser Zeit annehmbar.

Aber inwieweit macht sie dabei Zugeständnisse an die dogmatische Redlichkeit, inwiefern sieht sie in der Praxis Handlungsbedarf, den sie dann christlich-dogmatisch begründet ? Gerade beim Thema Auferstehung halte ich eine nach-theistische Interpretation für fraglich, denn SÖlles Auferstehungsinterpretation erscheint mir kaum mit dem Neuen Testament vereinbar zu sein. Läßt sich solch ein urchristliches Wort überhaupt neu interpretieren, ohne es dabei umzuinterpretieren ? Wäre es hier nicht besser, für den Auferstehungsvorgang, den sie z.B. in ihrem zitierten Gedicht mit einer 1800 -Drehung vergleicht, ein neues Wort zu finden, weil die Schnittmenge zwischen ihrer Auferstehungsvorstellung und derer zur Zeit des Urchristentums zu klein ist, um dafür einen einzigen Begriff zu strapazieren - und zwar um der Sprachverwirrung entgegenzuwirken ? Müßte man sich dann eben von dem Wort 'Auferstehung' verabschieden, weil, bzw. wenn sich unser Weltbild so verändert hat, daß für ein Leben nach dem Tod kein Platz mehr ist ?

Doch ebenso könnte man dies natürlich auch bei einem Wort wie 'Gott' einwenden, wie dies ja Gollwitzer bemerkte, oder auch bei der Metapher 'Christus'. Würden wir bei der Verwendung dieser Worte im Gespräch nicht stehen bleiben, sondern solch einen Begriff immer zugleich mit Inhalt füllen, so könnte sich keiner in der Kirche mehr hinter diesen Begriffen verstecken, und wäre dazu aufgefordert durch das Verwenden sich eignender Worte explizit zu sagen, welche Vorstellung er mit diesen Begriffen verbindet. Anstatt bei einer Frage wie: "Glaubst du an Gott ?" stehen zubleiben, würde man sofort eine klärendere Frage nachstellen, wie z.B.: "Glaubst du an die Verwirklichung der Liebe ?". Für solch einen Dialog fehlen uns nicht die Worte - und hoffentlich auch nicht die Zeit - wir riskieren nur oft nicht, die für unsere Vorstellungen aussagekräftigen Erläuterungen zu gebrauchen, denn sie würden so manche Differenzen in der Kirche deutlich werden lassen - aber darf die Kirche denn nicht ruhig etwas bunter werden ?

Dies soll somit kein Statement sein, Worte mit einer langen Wirkungsgeschichte nicht zu verwenden, sondern in erster Linie sie dialogfähig zu machen; aber wenn dies nicht mehr mÖglich erscheint, sollte man auch in Erwägung ziehen, neue, andere Worte zu suchen. Zeigt sich unser Verständnis von Gott nicht am deutlichsten in unserem Handeln, in unserer Ethik ? Ist Gott Gerechtigkeit, so liegt darin eine nicht zu überhörende Aufforderung zum Handeln. Die Ethik kann somit zum Ansatzpunkt eines Dialogs über und mit Gott werden, indem ich jemanden, der mit hilft, frage, warum oder für wen er dies tut. So gesehen kann man, wie in der Einleitung erwähnt, Theologie als den zweiten Schritt, als Theorie nach der Praxiserfahrung, verstehen. Ich erfahre 'Gerechtigkeit' und frage nach. Und genau darin sehe ich die Stärke Sölles Ansatz. Ihre Ethik macht neugierig zu fragen: "Warum tust du das alles, warum gehst du auf die Straße, warum setzt du dich für die Verwirklichung der Liebe ein ?". Impliziert dies nicht auch schon die Frage: "Wie sieht deine Religion, deine Rückbindung aus, und woran weißt du dich rückgebunden ?" - also: "Wer ist dein Gott ?". Für einen guten und wichtigen Ansatz halte ich ihre Forderung nach einem ethischen System, in dem sich alle Tugenden auf Phantasie gründen, also keinem ein für alle mal fixierten Weg zu folgen, sondern situativ zu handeln - auf Basis von Toleranz, Humor, etc.. Dies fordert zum einen das kritische Mitdenken und kann damit vermeiden helfen, einem Weg blind zu folgen; zum zweiten sehe ich darin auch die Chance, gegen herrschende Strömungen anzudenken, nicht in der Konformität unterzugehen, damit die Menschen Nachfolger und nicht Bewunderer sind. Allerdings muß dabei natürlich immer auch die Basis hinterfragbar bleiben, damit z.B. Toleranz nicht zu Desinteresse am Mitmenschen erstarrt. Ereignet sich Gott interpersonal, so folgt daraus, daß die Gemeinschaft eine wichtige Rolle spielt. Dieser theologische Ansatz richtet sich somit gegen die Individualisierung des Glaubens und trägt zum gemeinsamen Handeln der Christen in der Gesellschaft bei - denn in der Mitte soll das Kreuz stehen und keine individualistisch verkürzte Selbstbeweihräucherung. Selbstverwirklichung bedarf des Gegenübers. Und eben genau hier - in der Gemeinschaft, im Miteinander - kann die Transzendenz in der Immanenz erfahren und gelebt werden.

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G. E. Lessing; hrsg. von P. Rilla: Werke, Bd 8, München 1979

B. Moeller: Geschichte des Christentums in Grundzügen, Göttingen 1992 2

J. Moltmann: Die Politik der Nachfolge Christi gegen christliches Milleniumspoli-

tik; in: E. Schillebeeckx (Hrsg.): Mystik und Politik, Mainz 1988

H. Ott: Gott, in: H. J. Schultz (Hrsg.): Themen der Theologie, Bd 10, Stuttgart 1971

[...]


1 Dorothee Sölle: Atheistisch an Gott glauben (1968), 19943, S. 136f

2 vgl.: D. Sölle; hrsg. von T. Christiansen und J. Thiele: Dorothee Sölle im Gespräch, 1988, S. 238

3 K. E. Georges: Ausführliches Lateinisch-Deutsches Handwörterbuch, Bd 2, 19592

4 D. Sölle: Mutanfälle, 1996, S. 21

5 D. Sölle: Lieben und Arbeiten, 1985, 31

6 D. Sölle: Atheistisch an Gott glauben (1968), 19943, S. 118

7 D. Sölle: Gott denken, 1990, S. 247

8 a.a.O, S. 63

9 D. Sölle: Atheistisch an Gott glauben (1968), 19943, S. 114

10 D. Sölle: Stellvertretung (1965), 1982 erweiterte Neuauflage, S. 125

11 D. Sölle: Ein Volk ohne Vision geht zugrunde, 1986, S. 17

12 D. Sölle: Gott denken, 1990, S. 71

13 D. Sölle: Sympathie, 1978, S. 122

14 D. Sölle: Die Hinreise (1975), 199210, S. 175

15 D. Sölle: Sympathie, 1978, S. 120

16 D. Sölle: Mutanfälle, 1996, S. 21

17 ebd.

18 vgl.: D. Sölle; hrsg. von T. Christiansen und J. Thiele: Dorothee Sölle im Gespräch, 1988, S. 28

19 D. Sölle; hrsg. von T. Christiansen und J. Thiele: Dorothee Sölle im Gespräch, 1988, S. 24

20 D. Sölle: Es mu ß doch mehr als alles geben (1992), 19952, S. 12

21 D. Sölle: Gott denken, 1990, S. 242

22 D. Sölle: Atheistisch an Gott glauben (1968), 19943, S. 83

23 D. Sölle: Gott denken, 1990, S. 242

24 D. Sölle: Sympathie, 1978, S. 152

25 a.a.O., S. 153

26 Doch behält Sölle ihre Unterscheidung von 'Christus' und 'Jesus' allerdings nicht immer konsequent bei. An manchen Stellen spricht sie von 'Christi Handeln' - doch meint damit aber speziell das Handeln Jesu.

27 vgl.: D. Sölle: Gott denken, 1990, S. 155

28 D. Sölle: Es mu ß doch mehr als alles geben (1992), 19952, S. 93

29 D. Sölle: Lieben und Arbeiten, 1985, 15

30 D. Sölle: Atheistisch an Gott glauben (1968), 19943, S. 134

31 D. Sölle: Stellvertretung (1965), 1982 erweiterte Neuauflage, S. 20

32 a.a.O., S. 54. Sölle vollzieht hier die Synthese der idealistischen These 'Der Mensch ist unersetzlich' und der positivistischen Antithese 'Jeder ist ersetzbar'. Der Widerspruch dieser Thesen könne nur als dialektischer Gegensatz begriffen werden.

33 a.a.O., S. 47

34 a.a.O., S. 48

35 D. Sölle: Es mu ß doch mehr als alles geben (1992), 19952, S. 26

36 D. Sölle: Stellvertretung (1965), 1982 erweiterte Neuauflage, S. 153

37 a.a.O., S. 151

38 Genau dies sehe ich als die Stärke Sölles, daß sie versucht, ehrlich als Mensch ihrer Zeit nach Gott zu suchen und damit die für sie aktuelle Situation ernst nimmt. Allerdings steht sie dabei auch immer in der Gefahr, ihre Situation zur generellen Situation der Gesellschaft zu erheben.

39 D. Sölle: Stellvertretung (1965), 1982 erweiterte Neuauflage, S. 141

40 vgl.: D. Sölle: Stellvertretung (1965), 1982 erweiterte Neuauflage, S. 162f

41 a.a.O., S. 121

42 vgl.: H. Gollwitzer: Von der Stellvertretung Gottes, 1967, S. 43

43 G. E. Lessing; hrsg. von P. Rilla: Werke, Bd 8, 1979, S. 502f

44 vgl.: D. Sölle: Stellvertretung (1965), 1982 erweiterte Neuauflage, S. 133

45 D. Sölle: Atheistisch an Gott glauben (1968), 19943, S. 92

46 D. Sölle; hrsg. von T. Christiansen und J. Thiele: Dorothee Sölle im Gespräch, 1988, S. 25

47 D. Sölle: Es mu ß doch mehr als alles geben (1992), 19952, S. 97

48 a.a.O., S. 96

49 D. Sölle: Atheistisch an Gott glauben (1968), 19943, S. 88

50 D. Sölle: Lieben und Arbeiten, 1985, S. 174

51 vgl.: ebd.

52 a.a.O., S. 177

53 a.a.O., S. 178

54 D. Sölle: Lieben und Arbeiten, 1985, S. 180

55 a.a.O., S. 186

56 a.a.O., S. 189f

57 a.a.O., 1985, 196f

58 a.a.O., S. 199

59 vgl.: a.a.O., S. 186

60 D. Sölle: Atheistisch an Gott glauben (1968), 19943, S. 93

61 D. Sölle: Gott denken, 1990, S. 159

62 D. Sölle: Gott denken, 1990, S. 175

63 vgl.: B. Moeller: Geschichte des Christentums in Grundzügen 19925, S. 172ff

64 vgl.: D. Sölle: Gott denken, 1990, S. 163

65 vgl.: a.a.O., S. 173

66 vgl.: D. Sölle: Es mu ß doch mehr als alles geben (1992), 19952, S. 101f

67 D. Sölle: Leiden (1973), 19898, S. 200

68 D. Sölle: Gott denken, 1990, S. 164

69 J. Moltmann: Die Politik der Nachfolge Christi gegen christliche Millenniumspolitik; in: E. Schillebeeckx (Hrsg.) : Mystik und Politik, 1988, S. 28

70 D. Sölle: Atheistisch an Gott glauben (1968), 19943, S. 106

71 vgl.: D. Sölle: Gott im Müll, 1992, S. 17ff

72 D. Sölle: Gott denken, 1990, S. 176

73 a.a.O., S. 174

74 D. Sölle: Leiden (1973), 19898, S. 201

75 D. Sölle: Gott im Müll, 1992, S. 117f

76 D. Sölle: Es mu ß doch mehr als alles geben (1992), 19952, S. 114

77 'Ruach' ist im Hebräischen femininen Geschlechts, doch verwendet Sölle beide Geschlechter ohne ersichtliche Differenzierung. Sie variiert zwischen: die Geistin, die Geistin Gottes, die heilige Geistin, Gottes Geist, der heilige Geist.

78 D. Sölle: Es mu ß doch mehr als alles geben (1992), 19952, S. 115

79 vgl.: D. Sölle; hrsg. von I. Herman, H. R. Schlette: Die Wahrheit ist konkret, 1967, S. 105

80 Das Credo steht ja in enger Nähe zum Gebet; so z.B. in: H. Gollwitzer: Von der Stellvertretung Gottes, München 1967, S. 63, 143

81 D. Sölle: Ich will nicht auf tausend Messern gehen (1986), 19872, S. 25

82 D. Sölle: Gott denken, 1990, S. 95

83 a.a.O., S. 253. Sölle gebraucht dabei den Begriff 'Beziehung' auffälligerweise nur, wenn sie vom Menschen spricht. "Gegenstand der Theologie kann nur die Beziehung zwischen Gott und den Menschen sein" (S. 9). Selbst in ihrem Buch 'Lieben und Arbeiten', in dem sie eine Schöpfungstheologie entwickelt, beschreibt der Begriff an keiner Stelle das Verhältnis Gott(menschenlose)Natur, sondern bleibt stets auf das von Gott-Mensch eingeschränkt.

84 D. Sölle; hrsg. von T. Christiansen und J. Thiele: Dorothee Sölle im Gespräch, 1988, S. 25

85 H. Gollwitzer: Von der Stellvertretung Gottes, München 1967, S. 20f

86 vgl.: D. Sölle: Gott denken, 1990, S. 254

87 D. Sölle: Lieben und Arbeiten, 1985, 182

88 D. Sölle: Lieben und Arbeiten, 1985, 35

89 D. Sölle: Gott denken, 1990, S. 61

90 a.a.O., S. 63

91 D. Sölle: Lieben und Arbeiten, 1985, 36. Ist hier nun aber ein anderes Gottesverständnis vorhanden als es in 1.3. beschrieben wurde ? Es fehlen genau hier Sölles Kernaussagen wie 'Gott ereignet sich' - sie sagt gerade nicht 'Gott ereignet sich in der Natur'. Kommt der GottMensch-Beziehung also eine höhere Qualität zu - muß 'Personalität' vorhanden sein für eine vollwertige Beziehung ?

92 vgl.: 3.4. Arbeit und Entfremdung

93 D. Sölle: Sympathie, 1978, S. 42

94 H. Gollwitzer: Von der Stellvertretung Gottes, München 1967, S. 70-73

95 D. Sölle; hrsg. von T. Christiansen und J. Thiele: Dorothee Sölle im Gespräch, 1988, S. 95

96 D. Sölle: Sympathie, 1978, S. 153. Kursive Hervorhebungen vom Verfasser dieser Arbeit.

97 vgl.: D. SÖlle: Sympathie, 1978, S. 53. Allerdings werden bestimmt viele Menschen Sölle vorwerfen, sie zerstöre gerade mit ihrer Theologie die Vokabel 'Gott'.

98 D. Sölle: Lieben und Arbeiten, 1985, 169

99 D. Sölle: Es mu ß doch mehr als alles geben (1992), 19952, S. 19

100 D. Sölle: Leiden (1973), 19898, S. 205

101 D. Sölle; hrsg. von T. Christiansen und J. Thiele: Dorothee Sölle im Gespräch, 1988, S. 96

102 D. Sölle: Gott denken, 1990, S. 251

103 Das Ringen um die richtigen Aussagen scheint ihr dabei allerdings deutlich schwerer zu fallen als ihre Meinungen über andere Denker. Beispielsweise wird Karl Barth permanent damit disqualifiziert, daß er Christus zum Ersatzmann mache (z.B. Stellvertretung, S.100), während Friedrich Nietzsche bei ihr zu einem Gott-Suchenden wird (Stellvertretung, S. 152). Fühlt sie sich mit Nietzsche verbunden, weil sein 'toller Mensch' auch wie sie 'Gott ist tot' ruft. Doch ob dies seitens Nietzsche auf Gegenliebe stoßen würde ? - denn so einfach lassen sich Zarathustra und Jesus nicht vereinen.

104 Die Frage nach dem Verhältnis von Literatur und Theologie ist auch schon bereits Gegenstand ihrer Habilitationsschrift: D. SÖlle; hrsg. von H.-E. Bahr: Realisation, Studien zum Verhältnis von Theologie und Dichtung nach der Aufklärung, 1973. Allerdings untersucht sie hier, die Wechselbeziehung von Literatur, die nicht explizit religiös ist bzw von Gott erzählt, und Theologie.

105 D. Sölle: Das Eis der Seele spalten, 1996, S. 8

106 vgl.: a.a.O., S. 78, 76. Der Begriff Religion bekommt nun auch wie zuvor Theologie verschiedene Bedeutungen. Einerseits sind diese drei Sprachebenen alle religiöse Ausdrucksweisen (S. 77), andererseits stellt gerade die zweite Form eine religiöse Interpretation dar (S. 76f).

107 D. Sölle: Das Eis der Seele spalten, 1996, S. 78.

108 a.a.O., S. 77

109 ebd.

110 vgl.: a.a.O., S. 83

111 a.a.O., S. 78

112 D. Sölle: Das Eis der Seele spalten, 1996, S. 79

113 vgl.: a.a.O., S. 84

114 a.a.O., S. 75

115 vgl.: D. Sölle: Die Hinreise (1975), 199210, S. 31

116 vgl. D. Sölle; hrsg. von I. Herman, H. R. Schlette: Die Wahrheit ist konkret, 1967, S. 103- 116

117 Es scheint, daß die Bezeichnung 'atheoi' Sölle gut gefällt, da sie ihre frühere Theologie ja als eine 'atheistische' bezeichnet. Aber sie verwendet diesen Begriff selbst, um sich gegen einen 'Theismus' abzugrenzen, weshalb sie anfangs zwischen atheistisch und nachtheistisch schwankte [vgl.: D. Sölle: Atheistisch an Gott glauben (1968), 1994[3]], also nicht im Sinne von gottlos. War ihre Wortwahl eher eine Kampfansage gegen ein traditionelles Christentum oder war es ein Zugeständnis an die Gesellschaft, in der viele Menschen noch immer atheistisch als eine aufklärerische Tugende verstehen ?

118 a.a.O., S. 106

119 a.a.O., S. 108

120 a.a.O.,S. 109

121 a.a.O., S. 114

122 a.a.O., S. 115

123 vgl.: D. Sölle: Das Eis der Seele spalten, 1996, S. 75

124 D. Sölle: Die Hinreise (1975), 199210, S. 89/92

125 a.a.O., S. 97

126 D. Sölle: Die Hinreise (1975), 199210, S. 102

127 a.a.O., S. 89f

128 Sölle: Atheistisch an Gott glauben (1968), 19943, S. 94

129 H. Ott: Gott, S. 132f; in: H. J. Schultz (Hrsg.): Themen der Theologie, Bd 10, 1971

130 a.a.O, S. 132

131 D. Sölle: Mutanfälle, 1996, S. 19

132 D. Sölle: Das Eis der Seele spalten, 1996, S. 79

133 D. Sölle: Ich will nicht auf tausend Messern gehen, 19872, S. 87

134 D. Sölle: Ich will nicht auf tausend Messern gehen, 19872, S. 103

135 D. Sölle: Die Hinreise (1975), 199210, S. 90

136 D. Sölle: Stellvertretung (1965), 1982 erweiterte Neuauflage, S. 180

137 D. Sölle: Phantasie und Gehorsam, 1968, S. 69

138 D. Sölle: Atheistisch an Gott glauben (1968), 19943, S. 47. Die Aufforderung, die Lehre selbst zu suchen, wird z.B. auch bei Herman Hesses Siddhartha deutlich, als dieser sich mit dem Buddha Gotama unterhält. Siddhartha schätzt den Weg, den Gotama gegangen ist, um seine Lehre zu finden; aber es kann nun nicht darum gehen, die gefundene Lehre einfach anzunehmen, sondern jeder muß den Weg wieder neu gehen. Vgl.: H. Hesse: Siddhartha (1953), 1974, S. 32

139 vgl.: V. Drehsen u.a. (Hrsg.): Wörterbuch des Christentums, 1995, S. 132

140 D. Sölle: Lieben und Arbeiten, 1985, 17

141 a.a.O., 20

142 vgl.: D. Sölle: Gott denken, 1990, S. 30

143 a.a.O., S. 31

144 Hängt sie hier aber nicht wieder dem von ihr abgelehnten sog. theistischen Gottesbild an ? Bekommt nicht Jesus bei ihr eben genau diese Autorität, weil Christus in ihm war, weil er Gott lebte, also in seiner Praxis Gott zeigte ? Gerade 'Christus' ist doch ihr Ideal, das sie in den Menschen sucht, wie es in 1.3.1. versucht wurde, darzustellen. Somit kommt Christus in Jesus durchaus göttliche Vollmacht zu. Die Vorstellung einer 'göttlichen Vollmacht' sollte somit von ihr nicht abgelehnt werden, sondern im Sinne ihres Gottesverständnisses gedeutet werden.

145 D. Sölle: Gott denken, 1990, S. 31f

146 D. Sölle: Mutanfälle, 1996, S. 150

147 a.a.O., S. 159

148 vgl.: D. Sölle: Gott denken, 1990, S. 54f

149 D. Sölle; hrsg. von T. Christiansen und J. Thiele: Dorothee Sölle im Gespräch, 1988, S. 237f

150 vgl.: D. Sölle: Gott denken, 1990, S. 85

151 a.a.O., S. 135

152 a.a.O., S. 120

153 D. Sölle: Politische Theologie; in: E. Schillebeeckx (Hrsg.) : Mystik und Politik, 1988, S. 19

154 vgl.: D. Sölle: Gott denken, 1990, S. 180

155 a.a.O., S. 181

156 vgl.: D. Sölle: Stellvertretung (1965), 1982 erweiterte Neuauflage, S. 127f

157 D. Sölle: Gott denken, 1990, S. 184

158 vgl.: a.a.O., 1990, S. 180

159 D. Bonhoeffer; hrsg. von E. Bethge: Widerstand und Ergebung, 1970, S. 415

160 Sölle: Stellvertretung (1965), 1982 erweiterte Neuauflage, S. 108

161 D. Bonhoeffer; hrsg. von E. Bethge: Gesammelte Schriften, Bd 1, 1958, S. 159

162 a.a.O., S. 147

163 vgl.: D. Sölle: Gott denken, 1990, S. 184-189

164 H. Gollwitzer: Von der Stellvertretung Gottes, München 1967, S. 23

165 D. Sölle: Lieben und Arbeiten, 1985, 208

166 vgl.: D. Sölle: Atheistisch an Gott glauben (1968), 19943, S. 39f

167 a.a.O., S. 42

168 D. Sölle: Gott denken, 1990, S. 79

169 vgl.: D. Sölle: Es mu ß doch mehr als alles geben (1992), 19952, S. 118

170 D. Sölle: Gott denken, 1990, S. 32

171 D. Sölle: Mutanfälle, 1996, S. 21

172 Sölle: Realisation, 1973, S. 90

173 D. Bonhoeffer; hrsg. von E. Bethge: Gesammelte Schriften, Bd 1, 1958, S. 160

174 D. Sölle: Gott denken, 1990, S. 208

175 ebd.

176 J. Moltmann: Die Politik der Nachfolge Christi gegen christliche Millenniumspolitik; in: E. Schillebeeckx (Hrsg.) : Mystik und Politik, 1988, S. 21

177 ebd.

178 vgl.: a.a.O., S. 28

179 D. Sölle: Gott denken, 1990, S. 86

180 vgl.: a.a.O., S. 86-88

181 D. Sölle: Gott denken, 1990, S. 89

182 D. Sölle: Lieben und Arbeiten, 1985, S. 121

183 a.a.O., S. 111

184 a.a.O., S. 116

185 a.a.O., S. 113

186 D. Sölle: Gott denken, 1990, S. 71. Bei diesem Gedanken rückt der Mensch sehr stark in die Mitte der Schöpfung.

187 a.a.O., S. 73

188 ebd.

189 vgl.: D. Sölle: Lieben und Arbeiten, 1985, S. 32-36

190 D. Sölle: Lieben und Arbeiten, 1985, S. 33

191 a.a.O., S. 36

Ende der Leseprobe aus 52 Seiten

Details

Titel
Das Leben des Martin Luther
Note
15 Punkte
Autor
Jahr
1995
Seiten
52
Katalognummer
V97759
ISBN (eBook)
9783638962100
Dateigröße
626 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Leben, Martin, Luther
Arbeit zitieren
Florian Martin (Autor:in), 1995, Das Leben des Martin Luther, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/97759

Kommentare

  • Gast am 11.3.2002

    djrtgj.

    Îrgendwie hat das nichts mit Martin Luther King zu tun.

Blick ins Buch
Titel: Das Leben des Martin Luther



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