Zur Rolle von Natur im sozio-ökonomischen Vermittlungsprozess


Examensarbeit, 2000

95 Seiten


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis:

Einleitung

1 Erster Teil
1.1 Die ökologische Wirkung von Schulden
1.2 Die Rolle von Raum und Zeit in ökonomischer Theorie
1.3 Der Begriff von Natur und Stoffwechsel
1.4 Wert und Stoff
1.5 Gebrauchswert und Entropie
1.6 Entropiebilanz und systemische Intelligenz
1.7 Fünf Dimensionen der Widersprüche zwischen Ökologie und Ökonomie
1.8 Die gesellschaftliche Dimension der Widersprüche zwischen Ökonomie und Ökologie
1.9 Globale Ökonomie und nationale Umweltpolitik
1.10 Ökologischer Kapitalismus, räumliche Polarisierung und Zeitpiraterie
1.11 Zahlungsbereitschaft und Zahlungsfähigkeit
1.12 Drei Typen sozialer Konflikte
1.13 Ein ökologischer Marxismus
1.14 Massenproduktion, Massenkonsum und massenhafter Energieverbrauch
1.15 Positionelle Güter und die Grenzen der Marktsteuerung

2 Zweiter Teil 43
2.1 Der physikalische Entropiebegriff
2.2 Der anthropomorphe Entropiebegriff
2.3 Das ökonomische und das ökologische Ordnungsprinzip
2.4 Die „historische Schablone des Kapitalismus“
2.5 Die Bedeutung des Doppelcharakters der Arbeit für Ökologie, Ökonomie und Vergesellschaftung
2.6 Die besondere Bedeutung des Geldes im ökonomisch-ökologischen Vermittlungsprozess
2.7 Die Auswirkung der Entropiesteigerung auf die Profitrate
2.8 Entgegenwirkende Ursachen eines entropiebedingten Falls der Profitrate

3 Kritik an Altvaters Positionen

4 Resümee

5 Quellenverzeichnis

6 Schaubilderverzeichnis

Einleitung

An der Schwelle eines neuen Jahrtausends scheint der Siegeszug des Kapitalismus unaufhaltsam zu sein. Die real-sozialistischen Gesellschaften in Osteuropa sind zusammengebrochen und haben in den Gesellschaften westlichen Charakters eine Markteuphorie erzeugt, wie sie noch nie zuvor dagewesen ist. Doch ebenso wie die kapitalistische Rationalität globale Geltung erlangt, so ist auch die zunehmende Degradierung der Natur mehr und mehr zu einem globalen Problem geworden, denn Umweltverschmutzung macht vor nationalen Grenzen nicht halt. Eine intakte Natur jedoch ist Bedingung menschlichen Lebens und damit die Grundlage aller sozialen Prozesse. Andererseits sind die stofflichen Elemente der Natur und die Naturkräfte selbst Elemente der ökonomischen Produktion. Als solche werden sie verbraucht und stehen zukünftigen Generationen oder alternativer Nutzung nicht mehr zur Verfügung. Daß eine degradierte „Umwelt“ menschlichen Lebens auf das Soziosystem und dadurch vermittelt auf das gesellschaftliche Subsystem der Ökonomie (Arbeit ist eine gesellschaftliche Veranstaltung) zurückwirken muß, ist verständlich. Warum aber insbesondere kapitalistische Ordnungsprinzipien zwangsläufig zu einer immer umfangreicheren Vernichtung der Natur führen müssen, ist schon schwieriger zu fassen.

Die Wechselwirkungen von Soziosphäre, ökonomischer Sphäre und Ökosphäre sind das Thema dieser Arbeit. Ich habe mich hierzu im wesentlichen an Elmar Altvaters Buch „Die Zukunft des Marktes - Ein Essay über die Regulation von Geld und Natur nach dem Scheitern des „real existierenden Sozialismus““ orientiert. Im ersten Teil der vorliegenden Arbeit habe ich Altvaters Ansichten und Begriffe im Sinne des gestellten Themas ausgearbeitet und, wo es mir nötig erschien, Parallelen zu anderen Paradigmen aufgezeigt. Der zweite Teil meiner Arbeit stellt die Intensivierung der Gedanken Altvaters auf Grundlage des Entropiegesetzes dar und enthält zusätzlich die meiner Ansicht nach notwendigen Konsequenzen.

Im 5. Kapitel des Buches „Die Zukunft des Marktes“ beginnt Altvater mit der ökologischer Kritik der politischen Ökonomie. Er wählt als Einstieg die ökologischen Auswirkungen von Schulden, insbesondere in der dritten Welt, diesem Einstieg schließe ich mich an.

Erster Teil Ausarbeitung der Paradigmen Altvaters

1.1 Die ökologische Wirkung von Schulden

Altvater sieht in externen Schulden ein wesentliches Moment der Degradation von Natur in der Dritten Welt, da der Zinslast dieses Schuldenbergs nicht mehr aus Zuwächsen an Deviseneinnahmen zu begegnen ist. Vielmehr muß die Substanz der Ressourcen der Schuldnerländer angegriffen werden, um die Schulden zu bedienen. Was hat jedoch fatale Folgen hat. Die Substanz der Ressourcen stellt die Grundlage der wirtschaftlichen und sozialen Reproduktion der betreffenden Nationen dar. Sobald also Schulden aus dieser Substanz finanziert werden, hat das eine negative Veränderung der natürlichen Grundlage von Produktion und Reproduktion zur Folge. Künftige Generationen müssen bei substanzfinanzierter Zinslast mit einer weniger gut ausgestatteten natürlichen Grundlage von Ressourcen auskommen, denn „von den heute verbrauchten nicht erneuerbaren Ressourcen bleiben den zukünftigen Generationen nur Abfall, Abwasser, Abluft; der Mensch ist ein Müll produzierendes Wesen.“1

Doch Elmar Altvater ist der Ansicht, daß nicht erst Schulden die Frage nach der Übernutzung der Umwelt aufwerfen, sondern jede einzelne Stoff- und Energietransformation sowohl in der Produktion als auch in der Distribution und der Konsumtion. Damit gibt es drei Dimensionen ökonomischer Prozesse, nämlich erstens der Austausch von (Preis)Signalen, auf deren Grundlage die Marktteilnehmer rationale Entscheidungen treffen, sowie zweitens die Allokation der Faktoren, die über die Marktmechanismen geschieht und, drittens die schon angesprochene Transformation von Stoffen und Energie. Darüber hinaus muß man der dritten Dimension einen gewissen universellen Charakter zugestehen, da die beiden anderen Dimensionen ökonomischer Prozesse auch nicht ohne Energie- und Stofftransformationen vonstattengehen können, da jede Information -und sei sie noch so geringeines materiellen oder energetischen Trägers bedarf.

Zwischen dem ökonomischen System und dem Reservoir der natürlichen Ressourcen kann es also zu einer gefährlichen Rückkopplung kommen, und zwar derart, daß die durch die Marktlogik und Zinslast aufgeherrschte Notwendigkeit von Effizienz sowie die Notwendigkeit Überschüsse zu erzeugen zu einer immer weiteren Übernutzung der vorhandenen Ressourcen führen. Die so degradierte Naturbasis der Produktion und Reproduktion läßt nur noch eine eingeschränkte Nutzung in der Zukunft zu; „Die in Vergangenheit und Gegenwart degradierte oder zerstörte Natur verhindert ökonomische Entwicklung in der Zukunft.“2, denn mit der degradierten Ausstattung an Ressourcen wird es immer schwerer die vom Markt geforderte Rendite zu erwirtschaften. Die Schuldenkrise hat also einen negativen Effekt auf die ökologische Sphäre, und die degradierte Natur verschärft wiederum die Schuldenkrise.

In der ökonomischen Sphäre jedoch tauchen die natürlichen, ökologischen Grenzen der Ressourcennutzung zunächst nicht auf, es sei denn sie melden sich in der Sprache der Ökonomie und zwar als Kostenbelastung. Dieses Ausblenden der natürlichen Grundlagen menschlicher Existenz hat seine Ursache laut Altvater „... im gesellschaftlichen Bezug der Menschen aufeinander durch die Medien der Ware und des Geldes.“3. Dadurch erscheint die Gesellschaftlichkeit der Menschen als eine Natureigenschaft der produzierten Waren und diese hat „... mit ihrer physischen Natur und den daraus entspringenden dinglichen Beziehungen absolut nichts zu schaffen.“4. Diese aus der Gesellschaftlichkeit der menschlichen Arbeit entspringende, vermeintliche Natureigenschaft der Waren bezeichnet Marx als „Fetischcharakter der Waren“. Eben dieser Fetischcharakter ist, so Altvater, verantwortlich für das Ausblenden der ökologischen Folgen ökonomischen Handelns, denn als Ware ist jedes Ding vereinzelt und kann herausgerissen aus ökologischen Gesamtzusammenhängen ein isoliertes Dasein führen, dem die Naturzusammenhänge seiner Produktion, Distribution und Konsumtion nicht mehr anzusehen sind. In der Warenform verschwindet aufgrund des Fetischcharakters, also der Verdinglichung gesellschaftlicher Verhältnisse, die Naturgebundenheit der Entstehung und Verwendung der Ware aus dem gesellschaftlichen Bewußtsein. Die Naturzusammenhänge tauchen erst wieder im menschlichen Bewußtsein auf, wenn sie sich auf der ökonomischen Ebene melden, also Zusatzkosten verursachen oder die menschlichen

Lebensbedingungen nachhaltig stören, dann jedoch ist es häufig nicht mehr möglich, bereits geschehene Naturzerstörung wieder vollständig rückgängig zu machen. An dieser Stelle sollte auch bedacht werden, daß die Bearbeitung ökologischer Probleme mit ökonomischen Mitteln die Verdinglichung der gesellschaftlichen Beziehungen, als Ursache der „Naturvergessenheit“ nicht aufhebt.

1.2 Die Rolle von Raum und Zeit in ökonomischer Theorie

Konflikte zwischen Ökonomie und Ökologie treten - laut Altvater - nicht ins Blickfeld, solange man das ökonomische System prinzipiell als gleichgewichtig ansieht und auf die Bedeutung von Zeit und Raum für den Produktions- und Konsumtionsprozess nicht explizit eingeht.

Die Annahme von räumlicher und zeitlicher Gebundenheit aller ökonomischen Prozesse zeigt nicht nur die Instabilität von Marktprozessen5 auf, sondern lenkt das Augenmerk auf die besondere Bedeutung von Stoff- und Energietransformation und die Notwendigkeit, diese ökonomietheoretisch zu reflektieren. Es muß nun aber darauf geachtet werden, daß die Stoff- und Energietransformationen während ihrer Integration in die ökonomische Theorie nicht ihres speziellen Charakters als Naturveränderung beraubt werden. Doch genau das findet statt, wenn man die spezifischen Naturveränderungen6 als in Geld bewertete Prozesse definiert und sie damit ihres räumlich und zeitlich gebundenen Charakters beraubt. Dieses geschieht unter anderem in den „ressourcenökonomischen“ Ansätzen, die der Regel Hotellings folgen.

Diese Regel besagt, daß der Ressourcenpreis mit der Grenzproduktivität des Kapitals steigen muß. Folgende Begründung wird dazu angegeben: „Die einzige Möglichkeit des Ertrages eines nicht abgebauten Ressourcenbestandes für seinen Eigentümer besteht im steigenden Preis; die Preissteigerungsrate der Ressource entspricht deshalb deren Verzinsung, die für alle Vermögensarten, auch für Realkapital gleich groß sein muß.“7 Altvater entlarvt hier einige Implikationen, welche die Gültigkeit der „Hotelling-Regel“ fragwürdig erscheinen lassen. Zunächst einmal wird vorausgesetzt, daß die Kapitalzinsen eine optimale Ressourcenallokation vorgeben. Diesbezüglich wird jedoch von Altvater gezeigt, daß es sich im allgemeinen nicht so verhält, da die Zinsen auf den Geldmärkten aufgrund von Erfahrungen und Erwartungen aus der Vergangenheit gebildet werden, die wiederum von der Gegenwart in die Zukunft interpoliert werden. Vermögensdispositionen wiederum beeinflussen ihrerseits die Technikwahl, die relativen Preise also auch das Preisniveau und damit Angebot und Nachfrage. Das Geld verknüpft zwar Vergangenheit und Zukunft über die Gegenwart, allerdings nur unter der Bedingung der Ungewißheit, denn ökonomische Prozesse sind prinzipiell einmalig, da sie aufgrund der zeitlichen Gerichtetheit unter nicht wiederherstellbaren Rahmenbedingungen ablaufen und daher mit Unsicherheit behaftet sein müssen.8

Weiterhin wird ein wirtschaftliches Wachstum, welches ja die Kapitalverzinsung erzeugen muß, unterstellt. Dieses Wachstum setzt wiederum die Nutzung von weiteren Ressourcen voraus - es werden also Ressourcen vernutzt, um die Wertsteigerung einer weiteren festzulegen.

Drittens setzt Hotellings Regel Besitzansprüche an einzelnen Ressourcen voraus, also eine juristische Isolierung der betreffenden Ressource aus einem kompliziert vernetztem Ökosystem. Eine solche Isolierung muß damit vereinfachend wirken. Darüber hinaus folgt aus einem hohen Zinssatz ein Bedeutungsverlust der zukünftigen Nutzung der Ressource zugunsten einer gegenwärtigen Nutzung. Letztlich muß so getan werden, als ob sämtliche Präferenzen kommender Generationen bekannt wären - was zweifellos völlig unmöglich ist. Der Zeit muß also als Unsicherheitsfaktor im ökonomischen System explizite Bedeutung beigemessen werden.

Einer der Grundpfeiler der Gleichgewichtstheorie ist die Voraussetzung, daß - unter anderem - die Folgen der Handlungen der einzelnen Marktakteure hinreichend klein sind, so daß die anderen Marktteilnehmer keine Änderung ihrer Entscheidungsgrundlage erfahren.9 „Nur wenn diese „no-surplus“ Bedingung (durch Eintritt in das oder Austritt aus dem Marktgeschehen ändern sich die Daten nicht) erfüllt ist, werden rational kalkulierende Wirtschaftssubjekte die Preissignale als gegeben und nicht beeinflußbar hinnehmen, „wie es die Theorie des allgemeinen Gleichgewichts erfordert.““10 Obwohl diese Definition von gleichgewichtigen Marktprozessen sich auf einen Grenzbereich realer Ökonomie zurückzieht, so verlangt sie doch, daß insbesondere auch „externe Effekte“ (welche ja durch rationales Handeln auf Grundlage der Marktlogik der einzelnen Akteure des Marktgeschehen entstehen) hinreichend klein sind, so daß sie für keinen Marktteilnehmer „eine fühlbare Veränderung der natürlichen Voraussetzungen des Wirtschaftens provozieren“11 Falls dies aber dennoch der Fall sein sollte, sieht die Ressourcenökonomie im Rahmen der „Theorie der externen Effekte“ die monetäre Bewertung eben dieser Veränderung der Voraussetzungen vor, um sie dann ins ökonomische Kostenkalkül des Verursachers zu internalisieren.

Dieser Gedankengang impliziert allerdings, daß alle externen Effekte bekannt sind, selbst jene die räumlich weit entfernt und zeitlich jenseits des Planungshorizonts der einzelnen Wirtschaftssubjekte sind. Weiterhin wird stillschweigend davon ausgegangen, daß die Monetisierung dieser Effekte den zerstörten Naturzustand wiederherstellen könnte. Sind allerdings erst einmal externe Effekte aufgetreten, so muß die Marktrationalität, nach Altvater, in Frage gestellt werden, denn die Degradation der natürlichen Grundlage von Produktion und Reproduktion bleibt auch durch Monetarisierung und/oder Internalisierung zunächst als Sachverhalt existent. Daraus folgt, daß ökonomische Prognosen, die aufgrund der Gleichgewichtstheorie gemacht werden, zwangsläufig ungenau sind, denn Veränderung der Rahmenbedingungen Gleichgewichtsökonomie per Definition ausschließt, da die „no-surplus“ Bedingung verletzt ist.

Die Internalisierung der externen Effekte reicht also nicht aus, da Umweltschäden trotzdem erhalten bleiben und andere Marktteilnehmer beeinflussen. Daher muß marktwirtschaftliche Steuerung allein unzureichend bleiben, solange sie nicht durch wesentliche Veränderungen bei der Stoff- und Energietransformation begleitet wird. Doch auch dann noch wäre es unmöglich, daß Produktion und Konsumtion nicht die naturgegebenen Rahmenbedingungen verändern. Dies ist auch der Grund weshalb die Neoklassik bei dem Problem der Bepreisung der Umwelt prinzipiell scheitern muß.12

Es bleibt also die Frage, wie Zeit und Raum wieder explizit in die ökonomische Theorie integriert werden können, denn die Bedeutung einer ökonomischen Theorie, welche die Historizität der Zeit - und damit die ökonomischen Prozesse als gerichtete und prinzipiell einmalige auffaßt - und die Inhomogenität des Raumes - also die räumliche Gebundenheit ökonomischer Prozesse - respektiert, ergibt sich notwendigerweise aus der Ursachenanalyse der nicht zu leugnenden ökologischen Krise.

Die Marktlogik (und die aus ihr folgenden Mechanismen) sorgt für die Aufrechterhaltung eines expansiven Akkumulationskreislaufes, dessen Grenzen nur „durch die Begrenztheit der Tragfähigkeit natürlicher Ressourcen und damit auch durch die innere und äußere Natur des Menschen definiert wird.“13 Diese Grenze, die als Klimakatastrophe, Öko-Migration, atomarer Supergau und Vernichtung der Artenvielfalt deutlich wird, hat eine ganz besondere Dimension, denn sie liegt innerhalb eines - marktlogisch - rationalen Umgangs mit der Natur. Sie entsteht aus immer perfekteren Transformationstechniken von Stoffen und Energie, welche einen unglaublichen Throughput an Ressourcen ermöglichen.

1.3 Der Begriff von Natur und Stoffwechsel

Wenn also ökonomische Prozesse umfassend analysiert werden sollen, muß (neben der Wertveränderung) explizit auf die Naturveränderung, welche im Rahmen des Stoffwechsels während des Produktionsprozesses entsteht, eingegangen werden. Altvater führt an, daß Marx - im Gegensatz zur ökonomischen Klassik und auch Neoklassik - sehr wohl die Bedeutung von Raum und Zeit für ökonomische Prozesse kennt, denn er habe mit der Kategorie der Verdoppelung - insbesondere des Doppelcharakters der Arbeit - eine Möglichkeit aufgezeigt, ökonomische Prozesse einerseits als Verwertungsprozess (auf der gesellschaftlichen Ebene) und andererseits als Arbeitsprozess ( auf der Ebene des Stoffwechsels zwischen Mensch und Natur) aufzufassen.

Altvater sieht - wie auch Marx - die Natur als Lieferantin der Grundlagen des stofflichen Reichtums. Auf dieser Grundlage setzt die konkrete menschliche Arbeit ein, welche als „ewige Naturnotwendigkeit“ den Stoffwechsel zwischen Mensch und Natur vermittelt. Auf dieser Ebene schafft die menschliche Arbeit nur Gebrauchswerte, diese Tätigkeit ist allen menschlichen Gesellschaften in allen historischen Epochen gemein. Die Vergesellschaftung der Produktion von Gebrauchswerten, also die Produktion für andere (das Erzeugen von Waren) ermöglicht eine Abstraktion von der konkreten menschlichen Arbeit, während der die tatsächliche Transformation von Stoffen und Energie stattfindet, hin zu einer gesellschaftlich notwendigen Arbeit. Erst diese Abstraktion ist es, welche die unterschiedlichen konkreten Arbeiten auf einen gemeinsamen Nenner bringt und damit vergleichbar macht. Durch diese Produktion für den Austausch wird das Produkt der Arbeit letztlich zu einem Träger von (Tausch)Wert.14 Die unterschiedlichen Formen der Produktion sind sowohl im zeitlichen, als auch im räumlichen „Koordinatensystem der menschlichen ebenso wie der Naturgeschichte verortet.“15. Das bedeutet, daß die vergesellschaftende Wirkung des Marktes ohne entsprechenden natürlichen und kulturellen „Unterbau“ unvollständig sein muß, denn der eine versorgt den Markt mit den Grundlagen der Produktion und der andere mit den Grundlagen des Austausches. Es entsteht also eine kovariante Beziehung zwischen natürlicher und kultureller Grundlage einerseits und den aus ihnen entstehenden ökonomischen Prozessen andererseits. Umgekehrt beeinflußt die ökonomische Realität die natürlichen und kulturellen Grundlagen ihrer eigenen Existenz.

Mit der Kategorie der Verdoppelung ist es also möglich, ökonomische Prozesse gleichzeitig als Transformation von Werten sowie als Transformation von Stoffen und Energie zu begreifen. Das Bindeglied zwischen der Transformation von Werten und der von Stoffen und Energie ist die menschliche Arbeit. Sie schafft den Gebrauchswert der stofflicher Träger des Tauschwertes ist, der durch Herstellung von Ordnung, also Scheiden und Kombinieren von Naturstoffen, und dadurch, daß er ein menschliches Bedürfnis befriedigt, entsteht.16 Mathematisch formuliert gibt es also eine notwendige Bedingung, nämlich die Herstellung von Ordnung, und eine hinreichende Bedingung, nämlich die Möglichkeit zur Befriedigung eines menschlichen Bedürfnisses, die den Gebrauchswert definieren. Er ist damit doppelt bestimmt.

1.4 Wert und Stoff

Die Doppelung von Wert und Gebrauchswert ist - wie schon gezeigt - „der Form kapitalistischer Reproduktion geschuldet“17. Dem „ewigen Stoffwechsel“ zwischen Mensch und Natur wurde die historische Schablone des Wertgesetzes und der Marktlogik aufgeherrscht. Die Herstellung von Gebrauchswerten ist lebensnotwendig für alle menschlichen Gesellschaften. Die Tatsache, daß dabei systematisch Tauschwerte entstehen können, ist ausschließlich der gesellschaftlichen Form der Produktion zuzuschreiben. Da die Waren auf den nationalen und internationalen Märkten in Geld gehandelt werden, muß die theoretische, ökonomische Analyse die Ergebnisse der geleisteten Arbeit, welche notwendigerweise Naturumformung einschließt, als Werte (in Geld gemessen) identifizieren. Diese Tatsache ist laut Altvater nicht etwa Resultat einer unzulänglichen, ökonomischen Theorie, „sondern der historischen Formbestimmtheit kapitalistischer Gesellschaften, in denen allein die Arbeit als wertbildende Potenz wirkt.“ geschuldet. Es ist somit nicht die Arbeit allein18, welche die Dynamik einer kapitalistischen Gesellschaft definiert, sondern es sind darüber hinaus die ihr eigenen gesellschaftlichen Formen von Ware, Geld, Kapital, Mehrwert und Profit. Diese Formen der kapitalistischen Vergesellschaftung sind es auch, welche die Beziehungen der Menschen zueinander und zur Natur als Natureigenschaft der Dinge erscheinen läßt.

Eine Kritik an der Marxschen Theorie der Werte hingegen müßte, so Altvater, soziale Formen in der Natur aufzeigen, damit diese in einer kapitalistischen Gesellschaft als Wertbildnerin tätig sein kann. Zwar ist die Natur zweifellos produktiv, jedoch sind ihre Produkte per se keine Waren - sie ist daher nicht wertproduktiv. Menschliche Arbeit hingegen, welche durch ihre Anwendung die Natur verändert, ist wertproduktiv, sofern sie denn Waren herstellt und damit ihren Wert durch das Verhältnis zur Gesamtarbeit bestimmt, „innerhalb dessen sie in der Arbeitsteilung vergesellschaftet wird.“19

Der Träger eben dieses Wertes (des Tauschwertes) ist der individuelle Gebrauchswert der Ware, denn „die Naturalform (der Gebrauchswert) der einen Ware ist der Wertspiegel der anderen Ware“20. Das Austauschverhältnis der Waren wäre daher ohne Berücksichtigung des Gebrauchswertes, in dem der Tauschwert sich manifestiert, unvollkommen. Die Analyse des Gebrauchswertes ist darüber hinaus wegen der Stoff - und Energietransformation bei Herstellung, Transport, Konsumtion und Beseitigung (sobald er seine Gebrauchswert- eigenschaften verloren hat) im Rahmen einer ökologischen Kritik der politischen Ökonomie bedeutend. Es geht hierbei also weder um die Rolle des Gebrauchswertes im System der Werte, noch um seinen Nutzen bei der Befriedigung individueller Bedürfnisse.

Der Gebrauchswert muß analysiert werden als ein Element des Stoffwechsels, in dessen Entstehung, Existenz und Vernichtung die Entropie ansteigt.

1.5 Gebrauchswert und Entropie

Gebrauchswerte sind doppelt definiert. Erstens stellen sie Stoffe geringer Entropie bzw. hoher Ordnung dar und zweitens müssen sie spezifische menschliche Bedürfnisse befriedigen. Altvater schreibt daher:

„Ordnungsprinzip ist also nicht niedrige Entropie an sich, sondern nur in Verbindung mit der Eigenschaft der Befriedigungsmöglichkeit von menschlichen Bedürfnissen.“21

Im Rahmen der Erzeugung von Gebrauchswerten, die ja per Definition eine niedrige Entropie besitzen, steigt jedoch auf jeden Fall die Gesamtentropie von System (Gebrauchswert) und Umwelt, denn „Es gibt keinen Prozeß, durch den die Entropie des Universums abnimmt“22. Die Auswirkungen dieser permanenten, durch den Menschen herbeigeführten Entropiesteigerung auf die Biosphäre können geeignet sein, die Komplexität im Zusammenspiel der belebten und nicht belebten Sphären zu verringern und dadurch die Möglichkeiten zur Entropieabfuhr einzuschränken. Altvater führt an dieser Stelle das Beispiel des vernichteten Regenwaldes an, welcher nach seiner Vernichtung nicht mehr in der Lage ist atmosphärisches Kohlendioxid durch Photosynthese zu binden. Dieses nicht mehr aufgenommene Kohlendioxid führt nun seinerseits zu einer Steigerung des Treibhauseffektes, der wiederum Auswirkungen auf andere Sphären haben dürfte.

Ein Gebrauchswert kann daher nicht ohne Rücksicht auf seine soziale, belebte und unbelebte Umwelt als solcher definiert werden. Wenn jedoch der Gebrauchswert zur Ware wird, geschieht genau das, denn als Ware hat jeder Gebrauchswert seinen individuellen Preis und dem sind die Randbedingungen der Produktion nicht mehr anzusehen, da als Ware jedes Ding vereinzelt ist 23.

Dennoch sind Waren auf der stofflichen Ebene Bestandteile des Ökosystems. Bei ihrer Entstehung, Verwendung und Entsorgung steigt die Entropie des natürlichen Umfeldes: die Luft wird verschmutzt, Gewässer werden verseucht und der Boden erodiert. Elemente des vormals intakten Ökosystems werden daher immer weniger geeignet in einen neuen Gebrauchswert verwandelt zu werden, denn selbst in einer noch so intelligenten Abfallwirtschaft wird immer noch ein Rest von nicht recyclebaren Stoffen zurückbleiben.

Der Begriff der Entropie, der ja ursprünglich rein physikalischer Natur ist, kann nur sinnvoll in Bezug auf ein geschlossenes System und seine Umwelt sein, da die Entropie eine Größe ist, welche den Zustand eines geschlossenen Systems in Abhängigkeit von der in ihm enthaltenen Wärmemenge und Temperatur beschreibt. An dieser Stelle spielen sowohl der erste Hauptsatz der Thermodynamik: `die Summe der einzelnen Energien bleibt bei allen Prozessen erhalten` als auch der zweite Hauptsatz der Thermodynamik: `die Entropieänderung eines geschlossenen Systems ist bei allen Prozessen größer oder gleich Null` eine wichtige Rolle. Das bedeutet, daß die Energiemenge zwar immer gleich bleibt, jedoch der nicht mehr nutzbare Anteil der Energie (dessen Maß ja die Entropie ist) bei jedem realen Prozeß ansteigt. Dieser physikalische Entropiebegriff muß allerdings - laut Altvater - „an sozialwissenschaftliche Argumentationszusammenhänge“24 angepaßt werden; der Entropiebegriff wird daher nur in Analogie zu verwenden sein. Die Ursache hierfür ist nicht etwa in einer mangelnden Exaktheit der Sozialwissenschaft zu suchen, sondern sie hat ihren Ursprung in der Tatsache, daß die Erde ein offenes System ist (Sie kann Energie sowohl aus dem Weltall absorbieren als auch in das All abstrahlen). Insbesondere müssen daher bei sozialwissenschaftlichen Argumentationen die Eigenschaften offener Systeme berücksichtigt werden. Man kann das Entropiegesetz also nur mit Einschränkung, unter einer Reihe von Nebenbedingungen, berücksichtigen.

Elmar Altvater schreibt, der Begriff der Entropie könne auch zur Beschreibung von Ordnungsdifferenzen in Substanzen oder Systemen herangezogen werden.

Diese Ordnung kann von Natur aus vorhanden sein, etwa in einer natürlichen Konzentration einer bestimmten Ressource, oder durch Menschenhand in Form von Arbeit herbeigeführt werden. Altvater macht jedoch auch eine Grenze der Ordnung beziehungsweise Unordnung aus, „ Im Falle der Wärmedifferenzen laßt sich Ordnung herstellen, wenn die Temperaturunterschiede ausgeglichen worden sind, indem die Wärmesenke immer kälter wird und die Ordnung immer „unordentlicher““25. Er schreibt hier tatsächlich, daß Ordnung dadurch entsteht, daß sie immer unordentlicher wird. Weiterhin: „Die Ordnungsdifferenzen (und Wärmedifferenzen) werden immer kleiner. Die Grenze in der Thermodynamik hinsichtlich der Wärme existiert beim absoluten Nullpunkt /.../ der absolute Nullpunkt kann niemals erreicht werden: eine Wärmedifferenz ist bei dieser Temperatur ausgeschlossen (dritter Hauptsatz der Thermodynamik). Es gibt also an der Grenze eine „Unordentlichkeit“, die keinerlei Ordnungsprinzip erkennen läßt, wo also durch Scheiden und Kombinieren keine auch nur inkrementale Ordnungsveränderung mehr möglich ist. Alle Stoffe und Energien sind so total vermischt, daß Eigenstrukturen von Substanzen oder Subsystemen ausgeschlossen sind.“26 Max Planck allerdings sagt in seiner Formulierung des Nernstschen Wärmetheorems: „Am Absoluten Nullpunkt der Temperatur ist die Entropie völlig geordneter Kristalle gleich null. Wenn man die Entropie jedes Elements in reinem, kristallinem Zustand bei T=0 K gleich Null setzt, dann hat jede Verbindung von Elementen (also jede Substanz) eine positive Entropie.“27

An dieser Stelle ist Altvater zweifellos ein Fehler unterlaufen, denn wie er selbst schreibt, ist die Entropie ein Maß der Ordnung von Substanzen und Systemen und am absoluten Nullpunkt liegt für jeden Körper ein Minimum der Entropie vor, also ein Maximum der Ordnung. Am Absolute Nullpunkt liegt daher keine Unordentlichkeit vor, welche nicht zu übertreffen ist, sondern vielmehr ein Maximum der Ordnung, da jede Substanz sich hier in einem kristallinen Zustand befindet.28

1.6 Entropiebilanz und systemische Intelligenz

Die nach dem zweiten Hauptsatz der Thermodynamik unvermeidliche Steigerung der Entropie läßt sich jedoch dreifach in Grenzen halten und zwar durch (a) Entropieabfuhr in die Systemumwelt und (b) durch Energiezufuhr aus der Systemumwelt sowie durch Techniken der Stoff- und Energietransformation die geeignet sind, die Entropiesteigerung möglichst gering zu halten. Die Möglichkeiten (a) und (b) implizieren, daß die Annahme eines geschlossenen Systems aufzugeben ist, denn weder die Erde selbst (welche unablässig Energie von der Sonne erhält und ebenso unablässig Energie in den Weltraum abstrahlt) noch Subsysteme auf der Erde, wie etwa das ökonomische Subsystem oder einzelne nationale Gesellschaften, sind geschlossene Systeme. Das ändert zwar nichts an der Gültigkeit des Entropiegesetzes, jedoch setzt sich die Entropieänderung DS nun aus der Entropieproduktion DSp, der Entropieabfuhr DSa und der Energiezufuhr DE zusammen, so daß folgende Gleichung erfüllt ist:

DS =DSp -DSa -DE29

Im geschlossenen System konnte im Gegensatz hierzu die Entropie nur durch systemimmanente Entropieproduktion steigen, so daß DS = DSp galt.

Ökonomisches Handeln ist, wie Altvater schreibt, einerseits festgelegt durch die Ordnungsprinzipien der Gesellschaft und andererseits immer Stoff- und Energietransformation. Die Gültigkeit des Entropiegesetzes ist unaufhebbar, seine Auswirkungen bei der Naturumformung sind aber durch den gesellschaftlichen Menschen gestaltbar. Die Entropiesteigerung wird von technischen Lösungen ebenso beeinflußt wie von den gesellschaftlichen Gegebenheiten. So läßt sich zwar der relative Schwefeldioxidausstoß eines Autos reduzieren, jedoch wird dieser Effekt durch die zunehmende Automobilisierung der Gesellschaft mehr als kompensiert, so daß absolut mehr SO2 in die Atmosphäre gelangt. Zu diesem Beispiel lassen sich beliebig viele analoge finden. Daher ergibt sich die Folgerung, daß das Ausmaß der Entropieproduktionsrate „nicht von partiellen Lösungen für intelligente Prozesse der Stoff- und Energietransformation abhängig, sondern von der „systemischen Intelligenz“ einer Gesellschaft, die sowohl für technische Lösungen als auch für die soziale und politische Regulation von Produktion und Konsumtion verantwortlich ist.“30 Dem Entropiesteigerungsproblem ist also weniger durch technische Lösungen beizukommen, als vielmehr durch soziale Lösungsansätze: Die Soziosphäre muß so gestaltet werden, daß das thermische Gleichgewicht eingehalten wird, also die Entropieproduktion und die Entropieabfuhr einander gerade aufheben. Zur Zeit allerdings überlasten die Wirkungen der Ordnungsprinzipien der globalen Gesellschaft, insbesondere die Prinzipien der ökonomische Sphäre, alle anderen Sphäre so stark, „daß deren Evolution blockiert und ein Involutionsprozeß in Gang gesetzt wird.“31

Die systemische Intelligenz wird also unter anderem durch Energiezufuhr und Entropieabfuhr nach „außen“ gesteigert, man muß bei diesen Methoden allerdings auf die Umwelt des Systems zurückgreifen (Energie kommt aus dem Ausland, Müll geht ins Ausland). Unter globalen Gesichtspunkten kann daher nur die Möglichkeit der Senkung der Entropieproduktion als systemisch intelligent bezeichnet werden. Die Entropiesteigerung muß nicht nur entsprechende Technologien, sondern insbesondere durch eine „thermodynamisch effiziente Regulationsweise“32 verhindert werden. Diese thermodynamisch effiziente Regulationsweise kann laut Altvater nur durch eine Auflösung der verdinglichten Beziehungen zwischen Mensch und Natur erreicht werden, denn im verdinglichten Bewußtsein erscheinen die Machwerke des Menschen losgelöst von Stoff- und Energietransformationen - gerade so, als ob sie nicht durch Naturumformungen entstanden wären. entspricht DSp nun nicht mehr formal der Entropieproduktionsrate, doch ist auch strenggenommen Altvaters Entropieabfuhr eine Entropieabfuhrrate und die Energiezufuhr eine Energiezufuhrrate.

„Verdinglichtes Bewußtsein ist ein Hindernis für die Ausbildung der systemischen Intelligenz.“33

Arbeit ist sowohl eine gesellschaftliche wie auch eine physikalische Kategorie, durch sie erhalten die thermodynamischen Gesetze sozialwissenschaftliche Relevanz. Es entstehen auch Widersprüche zwischen den Prinzipien der Kapitalverwertung und den Bedingungen der Naturumformung und Vernutzung, welche zur Gebrauchswertproduktion notwendig sind. Ernstzunehmende, ökonomische Theoriebildung kommt daher ohne eine Theorie des Gebrauchswerts nicht mehr aus; darin muß dem Entropiebegriff eine herausragende Position zukommen.

1.7 Fünf Dimensionen der Widersprüche zwischen Ökologie und Ökonomie

Die Verdoppelungskategorien, vor allem der Doppelcharakter der menschlichen Arbeit, denn Arbeit ist einerseits „eine spezielle, zweckmäßig produktive Tätigkeit, die besondere Naturstoffe besonderen menschlichen Bedürfnissen assimiliert“34 und andererseits Wertbildnerin im gesellschaftlichen Verwertungsprozeß, weisen zumindest auf mögliche Inkompatibilitäten der Ordnungsprinzipien der einzelnen Sphären hin. Diese Inkompatibilitäten können einen wesentliche Beitrag leisten das Verhältnis von Ökonomie und Natur besser zu begreifen.

Da ist zunächst einmal die Tatsache, daß sich der Erfolg einer modernen kapitalistischen Ökonomie über den quantitativen Zuwachs von Werten definiert. Mit der Kategorie des Geldes werden die qualitativen Unterschiede der Waren selbst sowie der räumlichen und zeitlichen Verortung ihrer Produktion ausgeräumt. Die Produktion von Überschüssen ist daher eine notwendige Konsequenz der Ordnungsprinzipien des Marktes, es entsteht eine immer mehr um sich greifende Verwertungsspirale. Im ökologischen System allerdings entsteht Weiterentwicklung in erster Linie durch qualitative Veränderungen von Stoffen und Energie, DNS-Moleküle gruppieren sich neu, neue Energiekreisläufe etablieren sich etc.. Quantitative Veränderung muß, sofern man ein geschlossenes System annimmt, unmöglich bleiben. Nun kann man mit gutem Grund einwenden, daß die Erde kein thermodynamisch geschlossenes System darstellt, da sie ja in den Energiestrom der Sonne eingeschaltet ist. Im Expansionismus der kapitalistischen Ökonomie ist allerdings, laut Altvater, eine Tendenz zur Globalisierung enthalten, die selbst nicht ökonomische Lebenswelten der kapitalistischen Verwertungsdynamik aussetzt und damit ein ökonomisch geschlossenes System erzeugt. In diesem ökonomisch geschlossenen System des modernen, globalen Kapitalismus sind die Energiequellen und Entsorgungsorte systemimmanent und gehören nicht mehr zur systemischen „Umwelt“. Eine Konsequenz aus diesem Zusammenhang ist, daß die Wirtschaft nicht mehr grenzenlos expandieren kann und daß durch die quantitative Übernutzung auch die individuellen Lebenswelten verbraucht werden.

Ein weiterer Widerspruch findet sich in den Kategorien von Zeit und Raum, denn die ökonomische Sphäre „tendiert zur Beschleunigung, der zeitliche Unterschied von Ereignissen wird tendenziell auf Null reduziert“35. Das wird besonders in Hotellings Regel deutlich, denn hier werden zeitliche Differenzen mit Hilfe des allgemeinen Kapitalzinssatzes in nichts aufgelöst. Dieses Prinzip der Elimination zeitlicher Unterschiede kann jedoch physikalisch niemals Geltung erlangen, da die Irreversibilität von Stoff- und Energietransformationen und damit die Entropie selbst eine Gerichtetheit und eine Unumkehrbarkeit des Zeitpfeils vorschreibt. Auch räumliche Distanzen werden tendenziell durch das ökonomische System beseitigt. Indem Flughäfen, Brücken, Straßen usw. gebaut werden verringern sich subjektiv Distanzen und die spezifische Charakteristik des Raumes verschwindet. Die ökonomische Dynamik kapitalistischer Gesellschaften sorgt daher durch ihre tendenziellen Reduzierung von Zeit und Raum für die Ignorierbarkeit von Natur. Da jedoch der Mensch als Naturwesen auf Zeit und Raum angewiesen ist, wird seine Existenz selbst unterminiert. Folgerichtig spricht die von historischer Zeit konkretem Raum losgelöste, ökonomische Theorie von „homo ökonomicus“36, welcher nur noch in Rationalitätskategorien denkt.37

Der dritte Widerspruch besteht zwischen der Reversibilität ökonomischer Prozesse und der irreversiblen Degradation der Energie- und Stoffqualität auf der Naturseite. In der ökonomischen Sphäre muß das vorgeschossene Kapital mit Zinsen am Ende des Verwertungsprozesses zum Kapitalisten zurückkehren. Es handelt sich also - sofern die Investition Erfolg hat - um einen expansiven Kreislaufprozeß. Ob und in welchem Maße dies der Fall ist, zeigen ökonomische Erfolgsindikatoren, wie Rentabilität, Rendite und Profitrate. Sie alle bestimmen sich durch erzielten Überschuß im Bezug auf das vorgeschossene Kapital. Wird dieser Kreisprozeß unterbrochen, so ist die ökonomische Krise unvermeidlich.

In der Natur aber sind alle Prozesse aufgrund des Entropiegesetzes per se irreversibel. Die natürliche Zeitrichtung der einzelnen Stoff-und Energietransformationen ist eindeutig durch die Qualitätsabnahme der Energie und der Stoffe festgelegt. Diese naturgesetzliche Irreversibilität ist im offenen ökonomischen System solange bedeutungslos, wie Energie und Stoff von außen zugeführt und Entropie nach außen abgeführt werden kann. Solange es sich also um „Volkswirtschaften“ handelt und die Beziehungen zur Umwelt lediglich als „Wertflüsse“ erscheinen, kann der Widerspruch zwischen Zirkularität (auf der ökonomischen Seite) und Irreversibilität (auf der naturgesetzlichen Seite) nur schwer in Erscheinung treten. Es wird jedoch im Zuge des expansionistischen Charakters der kapitalistischen Ordnungsprinzipien immer unzulässiger, offene Systeme zugrunde zu legen und die existierenden Irreversibilitäten zu ignorieren.

Der vierte Widerspruch steckt in den Kategorien von Profitrate und Zinssatz im ökonomischen System, sowie in der Entropiezuwachsrate im ökologischen System. Profitrate und Zinssatz sind Indikatoren des Erfolges im wirtschaftlichen Verwertungsprozesses, zunächst auf der Mikroebene, aber auch vermittelt auf der Makroebene. Die Bedeutung der Profitrate und der Zinsen erschöpfen sich nicht als Wegweiser wirtschaftlichen Erfolges, sondern sie haben selbst außerordentlichen Einfluß auf die „Dynamik und Richtung der ökonomischen und gesellschaftlichen Entwicklung“38 Das Maß sowohl der Profitrate wie auch der Zinsen und der Wachstumsrate muß per Definition ein zirkuläres sein, da sich alle drei Größen auf einen Vorschuß an Kapital (unbedeutend ob Geld- oder Realkapital) beziehen. Darüber hinaus muß die Zirkulation expansiv sein, da ein Null-Wachstum von Kapital den Kapitalbegriff selbst negiert. Andererseits ist das Maß der ökologischen Prozesse, in deren Rahmen Stoff- und Energietransformationen stattfinden, die Entropieänderung. Sie ist nicht zirkulär, denn sie mißt im anthropomorphen Zusammenhang die abnehmende Ordnung von Stoffen und die schwindende Verfügbarkeit von Energie.39 Hohe Profit- und Akkumulationsraten sind im allgemeinen Anzeichen für einen großen Stoff- und Energie-Throughput - nicht nur im Produktionsprozeß, sondern auch auf gesamtgesellschaftlicher Ebene. Ein hoher Durchsatz von Stoffen und Energie hat nach dem zweiten Hauptsatz der Thermodynamik unweigerlich eine große Entropiesteigerungsrate zur Folge. Während von der Höhe der Profitrate vermittelt über die Akkumulationsrate das ökonomische Wachstum abhängt, zeigt die Entropiezuwachsrate an, daß in der Zukunft relativ zur Gegenwart weniger Stoffe und Energie zur Nutzung durch den Menschen bereitstehen. „ Die ökonomischen und ökologischen Zeitvergleiche in den Maßen von Profitrate und Zins einerseits und Entropieveränderung andererseits sind also nicht kongruent.“40

Der letzte von Altvater aufgegriffene Widerspruch ist der, daß Handlungen, die aus der Perspektive der Marktlogik rational erscheinen, unter ökologischen Gesichtspunkten irrational sind und umgekehrt. So verlangt die ökonomische Logik hohe Profit und Wachstumsraten, ökologische Prozesse hingegen sind auf Einhaltung des dynamischen Gleichgewichts zwischen Energiezufuhr und Entropieabfuhr eingerichtet. Das syteminterne Nullwachstum der Entropie ist also im ökologischen System völlig rational, unter marktlogischen Aspekten ist Nullwachstum jedoch absolut irrational, denn es würde im kapitalistischen System einen immanenten Widerspruch erzeugen, nämlich die profitlose Ökonomie. Wie schon erwähnt, erzeugen hohe Profit- und Akkumulationsraten infolge ihres großen Stoff- und Energiedurchsatzes einen ebenfalls hohen Entropieanstieg und können nach Altvater sogar beschleunigend auf den Entropieanstieg wirken.41

Aus diesen Widersprüchen der jeweiligen systeminternen Rationalitäten folgt, daß die gesamte „okzidentale instrumentelle Rationalität“ ein nicht zu verleugnendes irrationales Element enthält. Von der kapitalistischen Rationalität im allgemeinen und von kapitalistisch denkenden und handelnden Gesellschaften im besonderen ist also eine Lösung der ökologischen Probleme nicht zu erwarten.

1.8 Die gesellschaftliche Dimension der Widersprüche zwischen Ökonomie und Ökologie

Aus den oben genannten Widersprüchen ergeben sich im wesentlichen zwei Probleme. Zunächst einmal ist da die Produktivitätssteigerung, welche eine notwendige Bedingung der Erwirtschaftung von Zinsen und Profiten ist. Diese Produktivitätssteigerung kann jedoch nur durch eine intensivere und ausgedehntere Nutzung der Natur zustande kommen, da die Produktivitätssteigerung einen gestiegenen Throughput an Energie und Stoffen bedingt. Die Produktivitätssteigerung an sich ist nicht nur natürlichen „Gratisproduktivkräften“42 zu verdanken, sondern vor allem der Entwicklung neuer Technologien und der bei deren Anwendungen stattfindenden, gesteigerten Naturumformung. Die kapitalistische Produktionsweise hat diese Steigerungen der Produktivkräfte potenziert, denn das Kapital neigt zwangsläufig zur Expansion und ist daher versucht, vom subjektiven Produktionsfaktor Arbeit und den natürlichen Gegebenheiten so unabhängig wie möglich zu werden. Die Erhöhung der Produktivität und der damit verbundene, gestiegene Verbrauch an Stoffen und Energie bedeutet eine Beschleunigung der Entropiesteigerung43, sofern nicht die schon aufgezeigten Mechanismen zur Entropieabfuhr greifen.

Anthropomorph betrachtet bedeutet eine Produktivitätssteigerung also auch eine Qualitätsverschlechterung von Stoffen und Energie im Hinblick auf deren Verwendbarkeit zur zukünftigen Befriedigung menschlicher Bedürfnisse. Produktivitätssteigerung kann daher in geschlossenen Systemen nur mit einer Steigerung der Entropie einhergehen. Geht man jedoch zu offenen Systemen44 über, so ergibt sich die Möglichkeit Entropie ins Ausland oder auch in die Zukunft abzuführen und Stoffe und Energie aus dem Ausland zuzuführen. Wenn jedoch die Systeme, im Zuge der Globalisierung, vereinigt werden, so gilt wieder die Aussage von der Entropiebeschleunigung durch Produktivitätssteigerung, da man sich dann in einem geschlossenen System befindet.

Das zweite Problem, welches die genannten Widersprüche mehr und mehr zu einem Politikum macht, ist die Tatsache, daß die Entropiesteigerung „einen Entzug von gegenwärtigen, aktuellen und zukünftigen, potentiellen Gebrauchswerten bedeutet.“45 Dieser Verlust an Gebrauchswerten, sowohl momentan, als auch in Zukunft und die damit verbundene Minderung der Möglichkeiten zur Bedürfnisbefriedigung zeigt, daß dem Begriff von Qualität (vor allem deren Verschlechterung) im Hinblick auf Stoffe und Energie anthropozentrisch eine große Bedeutung zukommt. Das Ausmaß der Steigerung der Entropie ist nicht allein physikalischen Vorgängen geschuldet, sondern vielmehr ihrer Vermischung mit sozialen Prozessen.

So ist es ein sozialer Prozeß, der dazu führt, daß immer mehr Menschen Auto fahren, daß Atombombentests durchgeführt werden und Industrieabgase die Luft verschmutzen. Das Entropiegesetz erhält damit eine soziale Dimension und kann daher gesellschaftlich regulierend auf das Ausmaß der Entropiesteigerung und -beschleunigung Einfluß genommen werden. Die Verminderung der Qualität von Stoffen und Energie welche - infolge des zweiten Hauptsatzes der Thermodynamik- unabänderlich stattfindet, führt zwangsläufig zu ökonomischer Knappheit. Aus dieser Knappheit resultiert ebenso zwangsläufig eine soziale Regulationsnotwendigkeit. Dennoch ist das Ausmaß der Entropiesteigerung nicht allein durch die Marktlogik sozial gestaltbar, denn diese selbst (besonders der expansive Charakter des Kapitals) ist, wie gezeigt, eher Teil des Problems als dessen Lösung. Die Natur sollte denzufolge nicht nur als in Geld bewertbare Ressource angesehen werden, sondern als „wertvoll“ jenseits des Tauschwertes und als unabdingbar zum Überleben des Menschen als „natürlichem“ Wesen.

Da aber trotz gesellschaftlich durchaus vorhandener, ökologischer Ethik die Natur dennoch fortschreitend degradiert wird (ökonomischer Rationalität folgend), „kann auf die Analyse der sozialen Formen des Austausches von Menschen mit der Natur und der Formen der Gesellung nicht verzichtet werden.“46 Die Entropiesteigerung ist Naturgesetz, d.h. Gebrauchswerte können prinzipiell nicht ohne Steigerung der Entropie erzeugt werden, aber die Entropieproduktionsrate ist sozial und politisch gestaltbar und damit Gegenstand gesellschaftlicher Auseinandersetzungen. Die Gestaltung der Entropieproduktionsrate setzt allerdings die Befreiung von verdinglichtem Naturbewußtsein voraus. Ist dies geschehen, so sind die erwähnten Widersprüche zwischen Ökonomie und Ökologie nicht mehr unausweichlich, sondern bearbeitbar.

1.9 Globale Ökonomie und nationale Umweltpolitik

Durch die Auflösung der verdinglichten Wahrnehmungsstrukturen werden die Widersprüche zwischen Ökonomie und Ökologie bearbeitbar, jedoch sind die „neuen sozialen Bewegungen“ die Altvater identifiziert und deren politische Potentaten im allgemeinen an nationale Gesellschaften gebunden. Für die Ökonomie hingegen existieren nationale Grenzen nicht, denn „im Verlauf des Akkumulationsprozesses wurde der Weltmarkt real hergestellt. /.../ die Waren im Welthandel, das produktive Kapital im „Markt für Produktionsstandorte“ und das Geld und der Kredit auf dem monetären Weltmarkt.“47

Das Ordnungsprinzip kapitalistischer Produktionsweisen hat sich weltweit gegen andere konkurrierende gesellschaftliche Ordnungsprinzipien durchgesetzt. Eine offensichtliche Folge des weltweiten Exports der kapitalistischen Marktlogik, welche die Modernisierung versprach und Rationalisierung mit sich brachte, sind in der Gegenwart wie in der Vergangenheit ökonomische Krisen, soziale Not und Degradation der Natur. Eine Antwort auf diese Problematik war, laut Altvater, die in sozialen Konflikten erzwungene „Errichtung des Sozialstaates zum Schutz der sozial Schwachen, die Ausbildung von Institutionen der politischen Modernisierung finanzieller Instabilitäten und in jüngster Zeit Formen der ( nicht nur staatlichen) Regulation des Umgangs mit der Natur.“48 Die reine Marktwirtschaft per se existiert nirgendwo in der Geschichte oder in der Gegenwart. Der Markt wurde immer gesellschaftspolitisch auf die eine oder andere Weise reguliert. Elmar Altvater sieht die Ursache hierfür in Vergesellschaftungsdefiziten, die eine alleinige Regulation durch den Markt zur Folge hätte; damit würden soziale und ökologische Katastrophen unausweichlich und infolge der nicht vorhandenen politischen Regulationsmöglichkeiten unbearbeitbar. Moderne Gesellschaften bestehen daher immer sowohl durch marktförmige als auch durch nicht-marktförmige Regulationen.

Während sich die Ökonomie und ihre Agenten von Anfang an auf dem Weltmarkt bewegten, war und ist das politische System der kapitalistischen Gesellschaften an den einzelnen Nationalstaat gebunden. Mit dem politischen System, daß sich durch Abgrenzung gegenüber anderen politischen Systemen definiert, sind auch die Möglichkeiten einer „sozialverträglichen“ Regulation der Marktkräfte prinzipiell auf das Gebiet des politischen Einflusses begrenzt. „Der Widerspruch zwischen Globalität der Ökonomie und Nationalität von Politik, zwischen überschreiten jeder Grenze im Verlauf von ökonomischer Akkumulation und Expansion und der politischen Reorganisation des offenen Raums durch Definition des nationalen Territoriums in Form der Eingrenzung (und „Einfriedung“) durchzieht die Geschichte des kapitalistischen Weltsystems.“49 Dieser Widerspruch wurde in der Vergangenheit entweder durch kriegerische Akte gegen andere Nationalstaaten oder durch Kolonisierung von Territorien (auf denen so die Etablierung eines eigenständigen Nationalstaates verhindert wurde) gelöst. Zeitgemäßere Lösungsformen sind einerseits die Bildung eines hegemonialen Systems und andererseits die Internationalisierung verschiedenster politischer Funktionen mit dem Zweck den ökonomischen Regulationsanforderungen im globalen Raum gerecht zu werden. Laut Altvater kann jedoch die Reichweite einer möglichen politischen Intervention prinzipiell nicht so groß sein wie der ökonomische Funktionsraum50 und mit ihm die durch das ökonomische Ordnungsprinzip verursachten, ökologischen Degradationen.

Es muß aber dennoch beständig der Versuch gemacht werden, die Reichweite der politischen Regulierung den weltweiten ökonomischen Prozessen anzupassen. Dies gilt besonders für die der Ökonomie geschuldeten ökologischen Probleme, denn um globale Umweltprobleme bearbeiten zu können, ist eine globale Umweltpolitik unabdingbar.

1.10 Ökologischer Kapitalismus, räumliche Polarisierung und Zeitpiraterie

Es entsteht der Eindruck, als könnten die Inkompatibilitäten zwischen ökonomischer und ökologischer Sphäre auf der ethischen Ebene gelöst werden: Maßhalten bei der Verwendung von Stoffen und Energie! Beraube deine Nachfahren nicht um ihre Möglichkeiten der Lebensgestaltung! Handele verantwortlich!...etc. Aber Handlungsimperative allein sind nicht ausreichend, wie Altvater schreibt, „... wenn nicht Regeln ökologischen Handelns institutionalisiert werden.“51 Es taucht an dieser Stelle allerdings ein weiteres Problem auf, denn Institutionalisierung ist zumeist nur auf nationalstaatlicher Ebene möglich, ökologische Probleme sind jedoch im allgemeinen globaler und intergenerationeller Natur. Wie schon gezeigt, bringt der kapitalistische Expansionismus die Widersprüche zwischen Ökologie und Ökonomie ans Licht, indem er immer mehr „weiße Flecken“ auf der Landkarte seinem Verwertungssystem einverleibt und somit die Möglichkeit der Entropieabfuhr nach Außen und der Energieeinfuhr von Außen zunichte macht. Mit dem Übergang vom offenen System zum geschlossenen System wird das System selbst gezwungen, seine Rationalität zu steigern, um dadurch die Entropiesteigerung zu minimieren. Eine scheinbare Steigerung der Rationalität ist es auch, wenn der Müll nicht mehr in andere Länder, sondern zukünftigen Generationen hinterlassen wird. Die kapitalistische Marktlogik führt (formbestimmt) dazu, daß Probleme zunächst dadurch gelöst werden, daß die ökologischen Grenzen des dem Kapital innewohnenden Expansionismus (nämlich Zeit und Raum) ausgeschaltet werden. Die Ökonomie zwingt der Natur die Logik von Profit und Zins auf und kolonisiert immer neue noch unerschlossene Räume. Der Zeit bemächtigt sich das Kapital durch eine Ausdehnung der Maschinenlaufzeiten und Unterwerfung der „kollektiv reservierten“52 Zeiten wie etwa Sonn- und Feiertagen unter das Regime des Verwertungsprozesses.

Diese schwindende Bedeutung von Raum und Zeit hat auf die Evolution natürlicher Systeme schwerwiegende Auswirkungen, denn eben diese Systeme haben in der kurzen verbleibenden Zeit keine Chance, Zyklen und Interdependenzen aufzubauen, welche das Potential haben, die ökonomischen Eingriffe in die Natur zu verkraften und die Ökosystementwicklung zu stabilisieren. Dies Phänomen nennt Altvater räumliche Polarisation und Zeitpiraterie, denn mit der Umformung des Raumes zugunsten von Zirkulations- und Produktionsbeschleunigung wird er der Nutzung zur Befriedigung von menschlichen Bedürfnissen mehr und mehr entzogen. Erholung etwa ist in Betonwüsten kaum noch möglich, dafür werden spezielle Räume der Erholung hergerichtet, die selbst wieder Gegenstand einer speziellen Industrie sind - der Touristikindustrie. „Die in der kapitalistischen Entwicklung angelegte räumliche Polarisierung und Entwindung der Verfügbarkeit über Zeit sind Elemente der „Entfremdung“ des Menschen von der Natur.“53 Die Polarisierung des Raumes und die Zeitpiraterie können so zu Ursachen sozialer und politischer Konflikte werden.

Der Kapitalismus provoziert durch seine Verwertungsdynamik jedoch nicht nur Konflikte, er stellt auch im Rahmen der Marktlogik eine Bearbeitungsform zur Verfügung: Die Monetisierung der Degradation der inneren und äußeren Natur des Menschen. An dieser Stelle zeigt sich der Doppelcharakter gesellschaftlicher Prozesse, denn die auf der stofflichen Seite angerichtete Degradation wird auf der Wertseite durch Geld zunächst kompensiert. Geld - der Vermittler im Austauschprozeß der Waren - ist also auch zur Vermittlung sozialer Beziehungen geeignet, indem es als „Kompensator“ sozialer Schäden dient. So werden Gesundheitsbelastungen im Arbeitsprozeß durch höheren Lohn abgegolten, Luftverschmutzungen durch CO2-Abgaben usw. Auch die Aneignung der „Frei“-Zeit durch das Kapital wird durch Geld vermittelt, nämlich durch Sonn- und Feiertagszuschläge, durch Nachtarbeitszulagen, extra Zahlungen für Überstunden etc.

Mit der Kategorie des Geldes werden also qualitativ wesentlich unterschiedliche, ökologische Degradationen quantitativ greifbar gemacht und können nun mit der ökonomischen Rationalität bearbeitet werden. Geld, welches ursprünglich Medium des Austausches gleicher Quanten gesellschaftlich notwendiger Arbeit war, vermittelt nun sozioökonomische Konflikte und ist damit zum Medium der Rationalisierung des Umgangs mit ökologischer Degradation geworden. Dieser Rationalität sind allerdings Schranken gesetzt. So muß primär Geld zur Kompensation der ökologischen Degradation vorhanden sein und darüber hinaus ein Kompensationsangebot vorliegen, denn Geld als Medium des Marktes setzt Angebot und Nachfrage voraus. Geld kann auch dazu benutzt werden Reparaturen an der schon geschädigten Umwelt durchzuführen; in diesem Fall richten sich die Expansionstendenzen des Kapitals auf die „Produktion“ intakter Umwelt. Dadurch würde das Ökosystem als Produkt des gesellschaftlichen Produktionsprozesses in Erscheinung treten und nicht mehr Gelegenheit zur Entropieabfuhr und Ressourcenquelle sein. „Die Wiederherstellung der Umwelt kann so zu einem Feld der Kapitalakkumulation werden.“54 - vorausgesetzt das gesellschaftliche Kollektiv ist bereit, für die rekonstruierte Umwelt zu zahlen.

An dieser Stelle gibt Altvater jedoch zu bedenken, daß das Entropiegesetz universelle Gültigkeit hat, insbesondere auch in einem „ökologischen Kapitalismus“55. Das heißt, daß bei der Wiederherstellung der degradierten Natur die Entropie insgesamt steigen muß, auch wenn durch die Reparaturmaßnahmen in einem lokal begrenztem Teil der Umwelt die Entropie partiell sinkt. Damit tragen die Ansätze zur Lösung des Problems zur Verschärfung desselben bei, es bleibt also unvermeidlich die systemische Intelligenz zu optimieren und somit den Entropieanstieg so gering wie möglich zu halten. Der „ökologische Kapitalismus“ darf demnach nicht nur an seinen Produkten gemessen werden, sondern an der Entropieänderung während des Produktionsprozesses. Zentrales Problem ist die Orientierung der ökonomische Akteure an Zinsen und Profiten - der Formseite ökonomischer Prozesse und nicht an der Entropieänderung in der Umwelt - also der stofflichen Seite. Daher hängt die tatsächliche Entropiesteigerungsrate von Preisen, Löhnen und Zinsen ab, da sie die Technikwahl der Produktion und damit den Stoff- und Energiedurchsatz bestimmen. „Die Funktionsweise des „ökologischen Kapitalismus“ wird also monetär gesteuert, und darin bestehen die bedeutendsten Hindernisse seiner Realisierung.“56

1.11 Zahlungsbereitschaft und Zahlungsfähigkeit

Die monetäre Kompensation von Umweltschäden setzt notwendigerweise Zahlungsbereitschaft für die Wiederherstellung ökologischer Lebenswelten voraus. Doch für diese Zahlungsbereitschaft existieren kulturelle Schranken; so muß die Natur als etwas vom Menschen getrenntes, als etwas außerhalb des Menschen Existentes wahrgenommen werden, denn die Kompensation ökologischer Schäden durch Geldzahlungen erfordert, daß der Wert der Natur (insbesondere der Ressourcen in der Natur) in Geld bemessen werden muß.57 Die Natur muß also in das System der Werte und Verwertungsprozesse integriert werden. Das Geld kann seinem Charakter als Zirkulationsmittel jedoch nur im Austausch von Waren (die ja Produkte vergesellschafteter Arbeit sind) auf den Märkten gerecht werden. Damit erhält die Möglichkeit, intakte Natur in Geld zu bemessen und durch Geldzahlungen zu kaufen, unbestreitbare, gesellschaftliche Relevanz.

Eine weitere Grenze stellt die Zahlungsfähigkeit selbst in kapitalistischen okzidentalen Gesellschaften dar, denn damit Geld als Zirkulations- und Wertaufbewahrungsmittel fungieren kann, muß dessen Menge prinzipiell begrenzt sein. Daher stößt auch die Zahlungsfähigkeit und damit die Kompensation ökologischer Schäden an prinzipielle Grenzen. Darüber hinaus ist zu berücksichtigen, daß zu Hochkonjunkturzeiten die Bereitschaft, Geld zum Schutz der Umwelt auszugeben, verständlicherweise größer ist als zu Zeiten der ökonomischen Stagnation oder gar Depression. Noch schwieriger ist natürlich die Situation hochverschuldeter Länder der dritten Welt, denn wo primär die Schulden bedient und die Armut bekämpft werden muß, ist kaum noch Raum für monetäre Ausgaben zum Schutze der Umwelt, denn „dem Druck der ökonomischen Zwänge und der Notwendigkeit Armut zu bekämpfen, ist keine ökologische Ethik gewachsen.“58

1.12 Drei Typen sozialer Konflikte

Der Expansionismus des Kapitals, seine Tendenz auch in die entlegensten Lebenswelten einzudringen, ist eine Tatsache, die niemand bestreiten kann. Die Kapitalisierung der Natur, so schreibt Altvater, ist auch Verwissenschaftlichung und Entwicklung der Produktivkräfte über den Rahmen kapitalistische Verwertungsprozesse hinaus. Diese Kapitalisierung bedeutet ein Eindringen ökonomischer Kategorien (insbesondere ökonomischer Rationalität) in nicht ökonomische Lebenswelten, und damit zwangsläufig eine Überwindung von tradierten nicht ökonomischen Werten, nicht erkannten Abhängigkeiten und personaler Herrschaft. Das schließt eine stetig wachsende Versachlichung gesellschaftlicher Beziehungen und damit die Entstehung eines Raumes zur Emanzipation ein.

Es wird jedoch allzu leicht vergessen, daß der Mensch selbst ein Teil der Natur unseres Planeten ist. Daher muß eine fortschreitende Beherrschung der Natur unweigerlich zu einer neuen Herrschaft über den Menschen führen. Jener Fortschritt der Produktivkräfte, der ja auch in marxistischen Analysen die Herrschaft der Menschen über Menschen beenden sollte, verkehrt die Befreiung des Menschen ins Gegenteil, wenn etwa die Herrschaft über die Natur auch Herrschaft über „Menschennatur“ ist. Dies wird verständlicher berücksichtigt man, daß die Entwicklung der Produktivkräfte nicht Fortschritt an sich bedeutet, da im Zuge einer weiteren Entropiesteigerung im Gesamtsystem die Bedingungen menschlicher Existenz gestört oder - im schlimmsten Falle - gar zerstört werden können. Die Expansion des Kapitals (und mit ihr der wachsende Geltungsbereich des ökonomischen Rationalismus sowie die Weiterentwicklung der Produktivkräfte) ist also ein zweischneidiges Schwert, denn einerseits erhöht sie das Potential menschlichen Handelns und andererseits richtet sie sich gegen die Grundlage menschlichen Lebens.

Elmar Altvater identifiziert nun drei Kategorien sozialer Konflikte, welche aus den inkompatiblen Ordnungsprinzipien der einzelnen Sphären und der ihnen geschuldeten Widersprüche entspringen. Da ist zunächst einmal der Konflikt, der zwangsläufig entsteht, wenn durch den Expansionismus des Kapitals ökonomische Rationalität in „prä-moderne“ gesellschaftliche Sphären eindringt welche bisher dem Rationalitätsdiktat noch nicht unterworfen waren. Mit den durch Geld vermittelten Formen kapitalistischer Vergesellschaftung existiert auch gleichzeitig ein Medium zur Überwindung dieser Widersprüche und den aus ihnen geborenen Konflikten, nämlich das Geld selbst.

Durch die Quantifizierung qualitativer Unterschiede und ihrer Bemessung in Geld entsteht, nach dem „prä-modernen“ Konflikt, der klassische moderne Verteilungskonflikt, bei dem es um die Aneignung möglichst großer Geldquanten geht. Die entstehenden Konflikte können solange auf der Ebene der prä-moderenen und der modernen Konflikte gehalten werden, solange quantitative Zuwächse an Waren und Geld gleichbedeutend mit Fortschritt sind. Wenn jedoch die Annahme von Fortschritt durch Entwicklung der Produktivkräfte aufgrund ökologischer Erwägungen aufgegeben werden muß, so entsteht der theoretische Hintergrund für neue - post-moderne - soziale Konflikte.

Die Ursache dieser neuen sozialen Konflikte liegt - laut Altvater - darin, daß ökologische Degradation ab einer bestimmten Quantität eine neue Qualität bekommt, welche nicht mehr durch monetäre Kompensation ausgeglichen werden kann. „Hier, wie in der Naturwissenschaft, bewährt sich die Richtigkeit des von Hegel in seiner „Logik“ entdeckten Gesetzes, daß bloße quantitative Veränderungen auf einem gewissen Punkt in qualitative Unterschiede Umschlagen.“59 Daraus kann der Schluß gezogen werden, daß nur innerhalb begrenzter Bereiche ökologischer Degradation monetäre Kompensation einen Ausgleich leisten kann. Oder die notwendige Kompensation solche Größenordnungen erreicht, daß die entsprechenden Geldzahlungen die Leistungsfähigkeit des ökonomischen Systems überfordern. Infolge der post- modernen Konflikte wird die Forderung nach möglichst geringer Entropiesteigerung und damit nach einem möglichst hohen Grad der systemischen Intelligenz zum neuen Leitbild gesellschaftlichen Fortschritts.60

1.13 Ein ökologischer Marxismus

Altvater, der sich (mit Einschränkungen) auf James O`Connor beruft, schreibt, daß neben der Krisenhaftigkeit, welche in der traditionell marxistischen Analyse aus den Widersprüchen zwischen Produktivkräften und Produktionsverhältnis entspringt, eine weitere Krisentendenz existiere. Diese neue Krisentendenz ist von der traditionellen qualitativ verschieden, da sie aus den Widersprüchen zwischen Produktivkräften, Produktionsverhältnissen und Produktionsbedingungen entsteht. Bei den Produktionsbedingungen handelt es sich zunächst um die „externen physischen Bedingungen“61, die sowohl in das konstante wie auch in das variable Kapital eingehen. Darüber hinaus läßt sich die Arbeitskraft der Arbeiter als „persönliche Produktionsbedingungen“ definieren und drittens die „allgemeinen Bedingungen gesellschaftlicher Produktion“62.

Das Problem der hier erwähnten Produktionsbedingungen ist, daß sie nicht Produkt kapitalistischer Produktionsprozesse sind und daher vom Kapital behandelt werden, als ob sie nicht produziert werden müßten. „Den Elementen der Produktionsbedingungen fehlt die ökonomische Knappheit und daher gibt es kein wirksames Signal, das ihre Inanspruchnahme rational steuern würde.“63

Die neuere politische Ökonomie teilt diese Ansichten und vertritt den Standpunkt, daß die Problematik der „öffentlichen Güter“64 nur durch weitgehende Privatisierung derselben effizient zu bearbeiten ist. O`Connor geht hier, nach Altvater, einen anderen Weg. Da allgemeine Produktionsbedingungen von privater Seite nicht ausreichend zur Verfügung gestellt werden, muß der Staat die Vermittlerrolle zwischen dem Kapital und seinen Produktionsbedingungen übernehmen. Dies hat allerdings zur Konsequenz, daß die Ausgestaltung der Produktionsbedingungen von Anfang an politisiert ist und daher von sozialen Bewegungen beeinflußt werden kann. Hier versagt also das Prinzip der ökonomisch-rationalen Allokation, aufgrund dessen das Kapital die Tendenz seine eigenen Produktionsbedingungen zu untergraben entwickelt. Es entsteht also eine Knappheit an allgemeinen Produktionsbedingungen, welche nichts anderes als ökologische Degradation und die daraus resultierenden sozialen Probleme bedeutet. Die reale Degradation der Umwelt kann, soweit sie im System der Werte als Reparaturkosten auftaucht, Anlaß für erneute Wertsteigerung bieten ( da die Reparaturmaßnahmen ja als Wertschöpfung in das Sozialprodukt eingehen). Dasselbe gilt auch für potentielle Degradation der Umwelt, also für Kosten der Vermeidung einer weiterer Umweltschädigungen. Es ist nun möglich, so Altvater, daß sich die Kosten der realen und potentiellen ökologischen Degradation als Vermeidungsstrategie einer ökonomischen Überproduktion und Überakkumulation manifestieren.

Die Abwälzung dieser „Umweltkosten“ von den ökonomischen Verursachern auf die gesamte Gesellschaft ermöglicht auf der anderen Seite den (eigentlich notwendigen) Vorschuß an konstantem und variablen Kapital zu verringern.

Diese Vergesellschaftung von „Umweltkosten“ ist damit eine entgegenwirkende Ursache gegen das Gesetz des tendenziellen Falls der Profitrate. „Entscheidend ist unter ökologischem Blickwinkel heute die Frage, inwieweit Überakkumulation, d.h. der Fall der Profitrate vermieden werden kann, wenn auf die Minimierung der Entropieproduktionsrate beim „Stoffwechsel“ zwischen Mensch und Natur keine Rücksicht genommen wird.“65 Ein weiterer nicht zu vernachlässigender Gesichtspunkt dieses Stoffwechsels ist, daß bei einem hohen Grad der Durchmischung von Stoffen (aufgrund der vorangegangenen Degradation der Umwelt) die Kosten zur Gewinnung von Gebrauchswerten unter Umständen enorm steigen. Daher ist es leichter und billiger heute ohne Rücksicht auf Entropiesteigerung, vorhandene Ressourcen auszubeuten, als in Zukunft hochgradig durchmischte Stoffe zu trennen, um aus ihnen Gebrauchswerte herzustellen.

Eine „Knappheit“ an allgemeinen Produktionsbedingungen, wie etwa eine intakte Umwelt, kann also dazu beitragen eine ökonomische Überproduktion heute zu vermeiden, da diese „Knappheit“ den Vorschuß an Kapital erhöht und damit dazu beiträgt die zukünftige, ökonomische Produktion unrentabler zu gestalten. Aufgrund dieses gestiegenen Vorschusses an Kapital wird die Profitrate, welche der von Marx entwickelten Formel66:

p = m / (c + v)

(worin p der Profitrate, m dem Mehrwert, c dem konstanten Kapital und v dem variablen Kapital entspricht) gehorcht, fallen sofern keine kompensierende Erhöhung der Mehrwertrate stattfindet. Die Bedeutung von Zeit ist in diesem Kontext entscheidend: „ökonomische Zeithorizonte und ökologische Zeiten sind verschieden, aber sie sind nicht unabhängig voneinander. Die Analyse ökologischer Unterproduktion und ökonomischer Überproduktion sind mithin nicht verschiedenen Diskursen zuzuordnen.“67

Auch Karl Homann weißt auf die Bedeutung von Dilemmastrukturen für die moderne Ökonomik hin, er geht sogar soweit die „Dilemmastrukturen als das Kernproblem der modernen Ökonomik“ (Homann a.a.O. Seite 392) zu identifizieren.

1.14 Massenproduktion, Massenkonsum und massenhafter

Energieverbrauch

Unter den bisher erläuterten Umständen erscheint die Nutzung von Natur, problemlos, soweit sie selbst und ihre negativen externen Effekte räumlich und zeitlich so begrenzt sind, daß nur die Verursacher68 die Folgen ihrer Umweltzerstörung zu tragen haben. Dies ist jedoch bei den erschöpflichen Ressourcen prinzipiell unmöglich, denn „Jeder heute produzierte Cadillac beeinträchtigt die Gestaltungsmöglichkeiten des Lebens zukünftiger Generationen...“69. Doch bei den regenerierbaren Ressourcen gibt es Überlegungen die daran zweifeln lassen, ob auch der Bestand dieser Ressourcen erhalten bleibt.

Erstens ist es durchaus möglich, daß die Nutzung einer regenerierbaren Ressource über ihre Reproduktionsrate hinausgeht, wie dies zum Beispiel bei der Überfischung der Meere und dem Raubbau an den tropischen Regenwäldern der Fall ist. Zweitens kann der Aufwand an Material und Energie zur Mobilisierung der regenerierbaren Ressource so groß sein, daß die Gewinnung dieser Ressource als zu großer negativer Summand in die Entropiebilanz eingehen würde70. In diesem Fall wäre die Degradation der ökologischen Sphäre so umfassend, daß sie den Nutzen des gewonnen Gebrauchswerts übersteigt. Dasselbe gilt für die Nutzung regenerierbarer Energien. So muß etwa bei der Nutzung von Solar-, Wind- und Wasserenergie der Aufwand an erschöpflichen Energien und Materialien berücksichtigt werden. Altvater erklärt sogar die generelle Unterscheidung zwischen regenerierbaren und nicht-regenerierbaren Ressourcen für fragwürdig, denn „aus der Umwelt kann keine Ressource herausgelöst und vereinzelt werden, ohne die Gesamtheit zu verändern./.../da immer der nicht-regenerierbare

Energie- und Stoffaufwand für die Umwandlung von verfügbaren regenerierbaren Stoffen und Energien in Rechnung zu stellen ist.“71

Das kapitalistische Verwertungssystem hat - wie schon gezeigt - einen expansiven Charakter. Diese Expansivität wird von einer Technik unterstützt, welche eine Umformung der Natur auf großer Stufenleiter ermöglicht. Das Problem der Degradation der Natur hat also seine Ursache im gesellschaftlichen Ordnungsprinzip der Expansion der räumlichen und zeitlichen Reichweite des gesellschaftlichen Stoffwechsels mit der Natur. Die allgemeinen Produktionsbedingungen (im erwähnten Sinne) werden durch die Expansionstendenzen des Zugriffs des Kapitals auf die Natur untergraben. In diesem Zusammenhang ist das eigentliche Problem der Throughput der Produktion, welcher den Umfang der nach dem Entropiegesetz unabänderlich steigenden Entwertung von Stoffen und Energie absolut beeinflußt.

Vom ökonomischen Standpunkt hingegen ist die Profitrate der Punkt, auf den es ankommt, also die Relation von vorgeschossenem und innerhalb einer bestimmten Zeitperiode zurückgeflossenem Kapital. Ökonomisch betrachtet ist es also egal, ob große oder kleine Stoff- und Energiemengen in Bewegung gesetzt werden, solange nur die Profitrate hinreichend groß ist. Auf der ökologischen Seite ist jedoch ein enormer Unterschied zwischen einem großen und einem kleinem Throughput an Materie und Energie, welcher eine große oder entsprechend geringere Entropiesteigerung bedeuten würde.

In den heutigen Industriegesellschaften westlichen Charakters ist die Massenproduktion und die Massenkonsumtion zur Meßlatte geworden, mit der sich der Erfolg und die Leistungsfähigkeit einer Gesellschaft messen lassen müssen. In einer fordistischen Gesellschaft, welche per se Massenproduktion und Massenkaufkraft mit sich bringt, ist eine massenhafte Versorgung mit und entsprechender Verbrauch von Rohstoffen und Energien notwendig. Auf der Suche nach immer neuen Ressourcen werden dem kapitalistischem Verwertungsprozeß auch noch die entlegensten weißen Flecken des Globus einverleibt.

Doch zusätzlich sorgt das Kapital für eine Beschleunigung der Transformation von nicht-kapitalistischen Gesellschaften hin zu kapitalistischen mit denen sich die auch Transformation des Verhältnisses zur Natur beschleunigt. „Wozu die Industrialisierung in Europa Jahrhunderte benötigte, das wird heute in Ländern der Dritten Welt in wenigen Jahren zu erreichen versucht, nämlich die radikale Umwälzung von Gesellschaften im Zuge der Modernisierung und Zivilisierung und die Umwandlung und nicht selten die Zerstörung der Landschaft und der sozialen Systeme.“72 Das kapitalistische System ist also nicht schlicht expansionistisch, ihm wohnt darüber hinaus die Tendenz der Beschleunigung eben dieser Expansion inne, die Ursache dieser Beschleunigung ist die fortschreitende Entwicklung der Produktivkräfte also die „immer effizienteren technischen Mittel der Zeitreduktion und Raumüberwindung.“73

Im Zuge der Steigerung des für fordistische Gesellschaften notwendigen Stoffund Energiedurchsatzes wird die Komplexität der unterschiedlichen Ökosysteme reduziert und mit ihr werden die sozialen Verhältnisse der betroffenen Menschen simplifiziert. Die sozialen Kompetenzen der Nutzung von lokalen ökologischen Gegebenheiten verschwinden und die systemische Intelligenz der betroffenen Soziosphäre verringert sich damit. Ökologische Reproduktion und gleichzeitige Ressourcennutzung durch den Menschen werden durch die westliche Marktrationalität ausgehebelt.74

1.15 Positionelle Güter und die Grenzen der Marktsteuerung

Daß die zunehmende ökologische Degradation der Natur ökonomische Auswirkungen hat, ist unbestreitbar, da die Ordnungsprinzipien der Ökonomiesphäre für eine beständige Ausweitung des menschlichen Zugriffs auf die Natur sorgen. Die zunehmende Beeinträchtigung des Lebensstandards und der Lebensqualität findet letztendlich (vermittelt über soziale Prozesse) doch Eingang in das ökonomische Kostenkalkül. Daraus resultiert eine große Bandbreite von Versuchen, die der sozialen Gemeinschaft entstandenen Kosten mikroökonomisch zu internalisieren.

Dabei tritt, laut Altvater, ein grundsätzliches Problem auf, das er nach Hirsch75 „die sozialen Grenzen des Wachstums“ nennt. Diese „sozialen Grenzen des Wachstums“ beschreiben, daß der Gebrauchswert einer Ware sich nicht allein aus seiner physischen Existenz und der in ihm manifestierten menschlichen Arbeit ergibt, sondern auch aus seiner „sphärischen Gebundenheit“ als ein Element der belebten und unbelebten Natur. Aufgrund dieser „sphärischen Gebundenheit“ weißt die ökonomische Nutzung der Natur zur Gebrauchswertproduktion eine Grenze auf, auch wenn der kapitalistische Expansionismus prinzipiell grenzenlos ist. „ Diese ergibt sich nicht nur infolge der Begrenztheit menschlicher Bedürfnisse (ein Mensch kann nur eine bestimmte Menge Nahrung zu sich nehmen), sondern auch aus den Grenzen der Belastbarkeit des globalen Ökosystems“76. Die Ökonomie entwickelt also durch ihre Verwertungsdynamik einen Widerspruch, welcher als Grenze der Verwertung auftritt noch bevor jener Punkt erreicht ist der die Grenze menschlicher Bedürfnisse markiert.

Herstellung und Verbrauch von Gebrauchswerten unterminieren daher tendenziell die Lebensverhältnisse des Menschen. Der Gebrauchswert eines Produktes existiert nicht für sich allein, er ist nicht nur an die einzelne Ware gebunden, sondern auch an seine Umwelt, von der die Bedingungen seiner Produktion abhängen. Altvater bemüht hier das Beispiel des Automobils (die Ware fordistischer Produktion schlechthin), der Gebrauchswert des Autos ist trivialerweise davon abhängig inwieweit man es nutzen kann. Wenn nur noch Stau auf den Autobahnen herrscht, wenn keine Parkplätze mehr zu bekommen sind und wenn die Luft zunehmend giftiger wird, dann geht der individuelle Nutzen eines Autos tendenziell gegen Null. Es gibt also nicht „den“ Gebrauchswert eines Autos, sondern er existiert nur in Abhängigkeit der Nutzung der Gebrauchswerte aller anderen Automobile. Da der Gebrauchswert aber Träger von Tauschwert und damit bedingendes Moment von Ware ist, gerät (mit dem Verlust des Gebrauchswertes) die Verwertung von Kapital in Gefahr. Güter, deren Gebrauchswert nicht an die einzelne Ware gebunden ist, Güter, die ihren Wert verlieren, wenn viele oder alle Marktteilnehmer sie für sich in Anspruch nehmen wollen, nennt Altvater „positionelle Güter“. Wenn Waren daher als „positionelle Güter“ produziert werden, müssen prinzipiell die Grenzen einer marktförmigen Regulation erreicht sein.

Einerseits tendieren fordistische Systeme zu einer Vergesellschaftung auf Grundlage der Marktrationalität, andererseits jedoch hat die begrenzte Tragfähigkeit der Ökosphäre unseres Planeten zur Folge, daß mehr und mehr der zentralen Waren den Charakter eines „positionellen Gutes“ erhalten und sich dadurch der rationalen Regulation des Marktes entziehen. „Die Kompetenz des Marktes ist also notwendig geringer als die Anforderungen an seine Steuerleistungen verlangen.“77

2.1 Der physikalische Entropiebegriff

Der zweite Hauptsatz der Thermodynamik stellt eine Besonderheit im Hinblick auf die Mehrheit der physikalischen Gesetze dar, denn es gibt ihn in einer Vielzahl unterschiedlicher Variationen. Es gibt ihn in der Formulierung für Wärmekraftmaschinen: „Es ist unmöglich eine zyklisch arbeitende Wärmekraftmaschine zu konstruieren, die keinen anderen Effekt bewirkt, als Wärme aus einem Reservoir zu entnehmen und eine äquivalente Menge an Arbeit zu verrichten“78 Es gibt ihn in der Formulierung für Kältemaschinen: „Es ist unmöglich eine zyklisch arbeitende Kältemaschine zu konstruieren, die keinen anderen Effekt bewirkt als Wärme von einem kälteren Reservoir in ein wärmeres zu übertragen.“79 und in der Formulierung von Gerthsen, welche auf kapitalistische Belange zugeschnitten ist: „ Er (der zweite Hauptsatz) handelt/../ von einer hypothetischen Maschine, einem perpetuum mobile zweiter Art. Sie soll Arbeit leisten indem sie nichts weiter tut als einen Körper abzukühlen (ein perpetuum mobile erster Art soll sogar ständig Arbeit leisten, ohne sonst irgend etwas in der Welt zu ändern)./.../ Praktisch wäre ein perpetuum mobile zweiter Art gleichwertig einem erster Art, denn als abzukühlenden Körper könnte man ja die Erde oder das Meer nehmen, zumal ihnen diese Wärme sehr bald zurückerstattet wird, nämlich nachdem die mechanische Energie durch Reibung aufgezehrt ist. Dieser typische kapitalistische Wunschtraum - jemand leiht sich eine an sich wertlose Sache, verschafft sich damit alles was er will, und gibt sie trotzdem vollständig zurück - kann nicht funktionieren: Es gibt kein perpetuum mobile zweiter Art.“80

Darüber hinaus gibt es den zweiten Hauptsatz noch in vielen anderen Formulierungen, die Quintessenz ist bei allen dieselbe: Energie wird entwertet und ist in Zukunft weniger gut zur Verrichtung mechanischer Arbeit geeignet. Dies hängt damit zusammen, daß bestimmte Prozesse irreversibel sind, also nur gerichtet ablaufen. Jedoch lassen sich viele irreversible Vorgänge nicht durch die schon erwähnten Formulierungen des zweiten Hauptsatzes adäquat beschreiben; etwa das Zerspringen eines Glases auf dem Fußboden oder das Auslaufen einer Flüssigkeit oder die freie Expansion eines Gases. Es wird also eine neue Größe gebraucht, um diesem Problem gerecht zu werden: Die Entropie. Alle diese irreversiblen Prozesse haben eines gemeinsam: Die Gesamtheit von System und Umwelt geht in einen Zustand höherer Unordnung über. Die Entropie bewertet diese jeweiligen Systemzustände und ordnet ihnen einen Zahlenwert zu. Zur Verdeutlichung ein kleines Gedankenexperiment:

Schaubild I: Gedankenexperiment I

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Ein (masseloser) Behälter mit Gasmolekülen bewegt sich mit einer gewissen Geschwindigkeit vorwärts, er hat eine nach dem Gesetz E = (m*v2)/2 eine Bewegungsenergie, die dazu genutzt werden könnte, einen Gegenstand anzuheben, also Arbeit zu verrichten. Diese Energie ist vollständig geordnet, denn sie bezieht sich auf den ganzen Behälter und damit auf den Schwerpunkt der Molekülwolke. Es gibt noch eine weitere Energiekomponente, diese steckt in der ungeordneten Bewegung der einzelnen Moleküle, diese sogenannte „Brown`sche“ Bewegung läßt sich nicht als Arbeit nutzbar machen.

Schaubild II: Gedankenexperiment II

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Angenommen, dieser Behälter mit Gasmolekülen stößt nun (ohne zurückzuprallen oder sich zu deformieren) auf einen festen Widerstand. In diesem irreversiblen Prozeß geht die gesamte geordnete Bewegungsenergie der Gasmoleküle in Wärme über, das heißt in die ungeordnete Bewegung der einzelnen Moleküle. Die innere Energie des Gases und damit seine Temperatur steigt, weil die durchschnittliche Geschwindigkeit der einzelnen Gasmoleküle sich in Bezug auf den Schwerpunkt erhöht hat. Die Gesamtenergie des Gases ist dieselbe geblieben, jedoch ist sie vollständig in ungeordnete Energie übergegangen. Durch diesen irreversiblen Prozeß hat das Gas einen Zustand höherer Unordnung angenommen und damit seine Fähigkeit zur Verrichtung von Arbeit verloren.

Ähnliches geschieht bei der freien Expansion eines Gases von einem begrenzten Volumen in ein anderes, also der Übergang von Schaubild III zu Schaubild IV.

Schaubild III: Entropie I

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Schaubild IV: Entropie II

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Es stellt sich nun die Frage, warum dieser Prozeß irreversibel ist, oder warum kann sich das Gas nicht wieder von selbst auf sein ursprüngliches Volumen zurückziehen? Das würde dem Satz von der Erhaltung der Energie nicht widersprechen, da keine Energiezufuhr für diese Bewegung nötig ist. Der Grund der Irreversibilität ist, daß ein Rückzug auf das zuvor belegte Volumen extrem unwahrscheinlich ist. Gehen wir davon aus, daß die Gasmenge nur 5 Teilchen enthält, die aufgrund der „Brown`schen“ Bewegung vollkommen ungeordnet auf beide Volumina verteilt sind, die Wahrscheinlichkeit ein Molekül in der linken Seite anzutreffen ist 0,5. Die Wahrscheinlichkeit alle 5 Moleküle auf der linken Seite anzutreffen beträgt (0,5)5also etwa 3%. Bei 10 Teilchen beträgt die Wahrscheinlichkeit alle Teilchen auf derselben Seite anzutreffen nur noch 1: 1024, also weniger als ein zehntel Prozent. Würde man sich alle 10 Sekunden die Veränderung des Systems ansehen, so würde man nur alle 170 Minuten alle Teilchen auf einer Seite antreffen. Schon bei 50 Teilchen müßte man 360 Millionen Jahre lang warten um alle Teilchen auf einer Volumenseite anzutreffen. Aber auch ein Ensemble von 50 Teilchen bildet bei weitem noch kein makroskopisches System (ein Gramm atomaren Wasserstoffgases hat ca. 6*1023Teilchen). Wenn nun alle Teilchen auf einer Seite des Volumens sind und die andere Seite daher leer ist, so ist in diesem Zustand die Ordnung höher als im Zustand der Gleichverteilung aller Moleküle. Ein Zustand hoher Ordnung hat daher - wie gezeigt - eine geringe Wahrscheinlichkeit, ein Zustand niedriger Ordnung hat dagegen eine hohe Wahrscheinlichkeit. „Bei einem irreversiblen Prozeß geht das Universum in einen Zustand höherer Wahrscheinlichkeit über.“81

Ein Maß der Ordnung eines System ist die Entropie. Ist Energie in einem ungeordneten Zustand, so ist sie nicht mehr zur Erzeugung mechanischer Arbeit nutzbar. Die physikalische Entropie ist also ein Maß für die Wahrscheinlichkeit eines Zustandes und damit für die nicht mehr in mechanische Arbeit verwandelbare Energie. Dies drückt der zweite Hauptsatz der Thermodynamik aus. Wie Druck, Temperatur, Volumen und innere Energie ist die Entropie eine thermodynamische Zustandsfunktion.

2.2 Der anthropomorphe Entropiebegriff

Altvater benutzt, wenn er von Entropie spricht, meist nicht den physikalischen Entropiebegriff, da sich dieser im allgemeinen nur auf Energien und nicht auf Stoffe bezieht. Er benutzt den „anthropomorphen“ Entropiebegriff, der von Georgescu-Roegen82 geprägt wurde. Unter dem anthropomorphen Blickwinkel werden der Grad der physikalischen Entropie eines Gebrauchswertes und seiner Umwelt und seine Eignung zur Befriedigung menschlicher Bedürfnisse bewertet. So gibt es also Dinge mit relativ niedriger physikalischer Entropie, also hoher Ordnung, die nicht zur Befriedigung menschlicher Bedürfnisse geeignet sind. Müll etwa ist im allgemeinen eine recht geordnete Struktur, so bestehen alte Joghurtbecher und Benzinkanister zu mehr als 99% aus reinem Kohlenwasserstoff. Die Wahrscheinlichkeit, daß sich Kohlenstoffatome und Wasserstoffatome zunächst einmal als solche Moleküle zusammenfinden, ist schon sehr gering. Die Wahrscheinlichkeit allerdings, daß diese Moleküle sich zufällig zur Struktur eines Joghurtbecher zusammenfinden ist gleich Null - und damit die Entropie einer solchen Struktur sehr gering . Menschliche Arbeit, also die Verausgabung von Muskeln, Nerven, und Intelligenz, war notwendig um die einzelnen Stoffe unter Aufwendung von Energie zu kombinieren und sie so in eine ehemals nützliche Struktur zu zwängen. Diese Anordnungen von Materie haben aber durch Verbrauch oder Beschädigung ihr Potential zur Befriedigung menschlicher Bedürfnisse verloren - sie sind zu Müll geworden. Das heißt, ein Zustand niedriger anthropomorpher Entropie stellt einen Gebrauchswert dar. Die anthropomorphe Entropie steigt, wenn das System und seine Umwelt im Laufe der Zeit weniger zu Erzeugung von Gebrauchswerten geeignet sind.

Zur Erzeugung eines Gebrauchswerts oder einer Ware werden zuerst Ressourcen benötigt, sie sind die Grundlage seines „physischen Leibes“. Diese Ressourcen müssen erstens durch Prospektion identifiziert werden. Im zweiten Schritt erfolgt die Isolierung und die Herauslösung aus dem sie umgebenden Ökosystem. „Dies kann auf zweierlei Weise geschehen. Entweder wird die begehrte Ressource isoliert, aus dem Zusammenhang gerissen und als Ware zum Ort des Verbrauchs abtransportiert oder die als verwertbar identifizierte Ressource bleibt am Ort und die „nicht-nützlichen“ Teile des Systems werden beseitigt, um die Ressource freizulegen: sie sind ja nur Hindernisse, die der Isolierung und Kommodifizierung im Wege stehen“83 Im dritten Schritt, der Kommodifizierung, erfolgt die Verwandlung der isolierten und extrahierten Ressource in Gebrauchswerte für andere, die Verwandlung in Waren also. Dies erfordert eine weitere Verausgabung von Energie, etwa die Verbringung an Handelsplätze und Verbrauchsorte. Hierzu muß ein Kommunikations- und Straßennetz angelegt werden, um den Transport zu ermöglichen und zu koordinieren. Während des Produktionsprozesses des Gebrauchswertes selbst steigt daher die Degradation der Natur an. Das gesamte System ist in einen Zustand übergegangen, den man weniger gut zur Produktion von Gebrauchswerten nutzen kann, da er über weniger Potential zur Befriedigung menschlicher Bedürfnisse verfügt. Die anthropomorphe Entropie ist daher ein Maß des Potentials, die belebte und unbelebte Natur zur Befriedigung menschlicher Bedürfnisse zu nutzen.

Die Möglichkeit der Nutzung der Natur durch den Menschen kann auch durch Naturkatastrophen, wie Vulkanausbrüche, Waldbrände, Erdbeben oder Überschwemmungen verringert werden. Auch in diesem Fall würde die anthropomorphe Entropie ansteigen. Solche Vorgänge sind jedoch nicht vom Menschen beeinflußbar und müssen daher als natürliche Gegebenheiten hingenommen werden. Die folgende Abbildung soll den Zusammenhang zwischen der Produktion von Gebrauchswerten und Waren auf der einen Seite und dem daraus folgenden Anstieg der anthropomorphen Entropie schematisch darstellen.

Schaubild V: Wechselwirkungen zwischen sozioökonomischer Sphäre und Natur

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Der Natur werden unter Aufwendung von Energie und menschlicher Arbeit (welche von der sozioökonomischen Sphäre gestellt wird) Ressourcen entrissen. Diese Ressourcen werden, sofern sie nicht schon von vornherein Gebrauchswerte sind, unter weiterer Verausgabung menschlicher Arbeit in Gebrauchswerte verwandelt. Falls diese Gebrauchswerte nicht für den eigenen Konsum der Produzenten bestimmt sind, stellen sie Waren dar. Während dieses Prozesses der Gebrauchswertgewinnung ist die Natur von Zustand 1 in Zustand 2 übergegangen, die globale anthropomorphe Entropie ist dabei angestiegen, da die Natur im Zustand 2 weniger gut zur Verwandlung in Gebrauchswerte geeignet ist als im Zustand 1. Die Natur wurde degradiert.

2.3 Das ökonomische und das ökologische Ordnungsprinzip

Altvater sieht die Ursache für die Degradation der Natur durch den Menschen nicht nur im physikalischen Entropiegesetz, sondern vor allem in der Inkompatibilität der sog. ökologischen und ökonomischen Ordnungsprinzipien. Das ökonomische Ordnungsprinzip bezeichnet die Notwendigkeit zur Erzielung von Überschüssen über das vorgeschossene Kapital, um so Zinsen, Profite und Renditen zu erwirtschaften. Auf dieser Grundlage entwickelt sich die (markt)rationale Entscheidungslogik. Diese Logik kann jedoch nur in Geld bewertete Prozesse erfassen, da sie über den Markt nicht an Gebrauchswerte, sondern an allgemeine Tauschwerte gebunden ist. Dazu schreibt Luhmann: „Unter Wirtschaft soll /.../ die Gesamtheit derjenigen Operationen verstanden werden, die über Geldzahlungen abgewickelt werden. Immer wenn direkt oder indirekt Geld involviert ist, ist Wirtschaft involviert...“84. Der Kreislauf des Kapitals, der in Geld bemessen wird, muß expansiven Charakter haben, da sonst die Erzeugung von Überschüssen in Form von Profiten, Zinsen und Renditen nicht möglich wäre. Wachstum und Überschüsse jedoch kommen „in erster Linie durch Produktivitätssteigerungen zustande.“85 Die Verwertungsdynamik des Kapitals hat daher erstens zur Folge, daß immer größere Mengen an natürlichen Ressourcen in den Produktionsprozeß eingehen, um die dort verausgabte, lebendige Arbeit aufzusaugen, und zweitens eine stetige Ausdehnung des Geltungsbereiches der Marktrationalität bis dieser den gesamten Globus umfaßt.

Das ökologische Ordnungsprinzip beruht auf einem nicht expansiven Stoffwechsel. Das wesentliche Moment ist hier Qualitätsveränderung von Stoffen und Energie. Prozesse im Ökologischen System sind durch Irreversibilität gekennzeichnet, sie sind prinzipiell nicht umkehrbar aufgrund des zweiten Hauptsatzes der Thermodynamik. Das Maß für den Erfolg eines ökologischen Prozesses ist die Veränderung der Entropie. Eine Steigerung der Entropie ist gleichbedeutend mit einer Abnahme der Qualität von Stoffen und Energie in Bezug auf eine zukünftige Nutzung. Das ökologische Ordnungsprinzip besteht also in der Minimierung der Entropiesteigerung.

Das Problem, daß hier auftaucht, ist offensichtlich: die einzelnen Ordnungsprinzipien sind inkompatibel. Luhmann würde sagen, sie benutzen unterschiedliche Codes, denn die Sprache des ökonomischen Systems ist die des Geldes, die Sprache der Ökosphäre ist, nach Altvater, die der Entropie. Die Entwicklung von Widersprüchen und Konflikten zwischen diesen Systemen ist daher verständlich. Diese Widersprüche und Konflikte bestehen im wesentlichen in vier Dimensionen86.

Der erste Widerspruch betrifft Qualität und Quantität, denn die Prozesse moderner kapitalistischer Ökonomie sind einerseits hauptsächlich Prozesse quantitativer Zuwächse von Werten. Qualitative Unterschiede werden hier durch das Medium Geld ausgeschaltet. Auf der anderen Seite bestehen ökologische Prozesse im wesentlichen in qualitativer Veränderung von Stoffen und Energie. Bei der Annahme von geschlossenen Systemen sind quantitative Veränderungen der Stoff- und Energiemenge auch absolut ausgeschlossen. Das Ordnungsprinzip des ökonomischen Systems bedeutet also quantitative Veränderung von Werten. Das Ordnungsprinzip des ökologischen System schließt quantitative Veränderungen jedoch völlig aus.

Zweitens entstehen Inkompatibilitäten, im Widerspruch zwischen Raum- und Zeitlosigkeit auf der ökonomischen Seite und der Bedeutung von Raum und Zeit auf der ökologischen Seite. Die ökonomische Seite tendiert dazu zeitliche Prozesse zu beschleunigen und räumliche Differenzen und Distanzen zu minimieren, um dadurch den Verwertungsprozess zu optimieren. Die ökologische Seite benötigt jedoch Raum und Zeit, um überhaupt existieren zu können.

Der dritte Widerspruch ist der zwischen Zirkularität und Irreversibilität. Das Kapital muß, sofern es als solches funktionieren soll, einen expansiven Kreisprozeß durchlaufen, um dem Ordnungsprinzip der Ökonomiesphäre zu genügen. Ökologische Prozesse hingegen sind aufgrund ihrer Irreversibilität weder expansiv, noch sind sie Kreisprozesse; auch dieses ist dem ökologischen Ordnungsprinzip der minimalen Entropiesteigerung geschuldet.

Der letzte Widerspruch besteht zwischen Rationalität und Irrationalität. Was unter ökonomischen Gesichtspunkten rational ist, nämlich der expansive Kreisprozeß des Kapitals und der damit verbundene Throughput an Stoffen und Energie, ist aus ökologischer Perspektive desaströs, denn er bedeutet einen beschleunigten Anstieg der Entropie. Was unter ökologischen Gesichtspunkten rational erscheint, nämlich das quantitative „steady -state -Prinzip“ ist unter dem Diktat ökonomischer Rationalität völlig sinnlos, denn es würde eine profitlose Ökonomie bedeuten und daher ein Widerspruch in sich sein.

Die Schnittstelle zwischen Ökonomie und Ökologie (und damit wenigstens eine teilweise Vereinbarung ihrer Ordnungsprinzipien) sieht Altvater in der Integration des Throughputs von Stoffen und Energie und damit der Naturgebundenheit menschlichen Handelns in die ökonomische Theorie. Einer solchen Theorie mißt Altvater einen hohen Stellenwert bei; so schreibt er: „Die praktische Bedeutung ökonomietheoretischer Konzepte, die der natürlichen Gebundenheit von ökonomischem Handeln und rückwirkend dessen Folgen für die Natur Rechnung tragen, ergibt sich schlüssig aus der Notwendigkeit der Ursachenanalyse der ökologischen, bzw. Zivilisationskrise, in die die Menschheit im Verlauf des kapitalistischen Industriezeitalters geraten ist.“87

Eine Integration des Throughputs in die ökonomische Theorie ist jedoch mit dem ökonomischen Ordnungsprinzip unvereinbar, da die Bewertung des Throughputs in Geld ihn seines speziellen Charakters als Naturveränderung berauben würde. Die Frage nach der Art und Weise, in der die Stoff -und Energieveränderungen in eine noch zu schaffende ökonomische Theorie zu integrieren sind, läßt Altvater unbeantwortet.

2.4 Die „historische Schablone des Kapitalismus“

Wie Altvater schreibt, sind die Formen der Vergesellschaftung und mit ihnen die abstrakten Marktprozeduren im räumlichen und zeitlichen Koordinatensystem der Menschheitsgeschichte verortet. Der Markt fällt nicht vom Himmel, er braucht eine gesellschaftliche und kulturelle Basis, auf der er sich und seine ihm eigene vergesellschaftende Tendenz entwickeln kann. Diese Beziehungen zwischen Markt und Soziosystem sind eng und stark verflochten, sofern sie überhaupt zu trennen sind.

Argumentativ, wenn auch nicht unbedingt historisch, steht der „Hobbes`sche Urdschungel“ am Anfang aller zwischenmenschlichen Beziehungen. Im „Hobbes`schen Urdschungel“ etwa findet der Kampf aller gegen alle um knappe Ressourcen statt. Dieser Kampf entsteht, weil keinerlei garantierte Rechte oder Verpflichtungen bestehen. Hier „findet sich kein Fleiß, weil kein Vorteil davon zu erwarten ist; es gibt keinen Ackerbau, keine Schiffahrt, keine bequemen Wohnungen, /.../ , keine gesellschaftlichen Verbindungen; statt dessen ein tausendfaches Elend; Furcht, gemordet zu werden, stündliche Gefahr, ein einsames, kümmerliches, rohes und kurz dauerndes Leben.“88 In der Lebenswelt des Urdschungels ist jeder Mensch auf sich gestellt und muß alle Gebrauchswerte, die er benötigt, mit Hilfe der Natur selbst herstellen. In diesem vor-gesellschaftlichen Zustand ist Markt (also Produktion für den Austausch) undenkbar. Diesen Zustand, der mehr von argumentativem Charakters ist, als daß er tatsächlich so bestanden hätte, definiert sich dadurch, daß der einzelne Mensch seine lebensnotwendigen Gebrauchswerte selbst produziert und selbst konsumiert.

Die Entropieproduktion in dieser „Nicht - Gesellschaft“ ist naturgemäß äußerst gering. Falls gesonderte Entropieabfuhr nötig ist, so sind die Möglichkeiten dazu vielfältig. Eine Verdinglichung der Wahrnehmung von Natur kann auf dieser Ebene der Vergesellschaftung noch nicht vorkommen.

Schaubild VI: Hobbes`scher Urdschungel

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Infolge der weiteren gesellschaftlichen Evolution kommt es zu einer mehr oder weniger systematischen Teilung der Arbeit innerhalb eines begrenzten Soziosystem.89 In dieser Kommune tauschen die einzelnen Personen, die von ihnen selbst produzierten Güter gegen andere aus, die Produktion von Ware (also des Gebrauchswerts für andere) hat begonnen. Diese gesellschaftliche Situation ist bestimmt durch den Naturaltausch, welchen ihre Mitglieder betreiben.

Dem steigenden Grad der Teilung der Arbeit und dem daraus resultierenden Zuwachs an Produktivkraft ist auch eine Gebrauchswertproduktion auf höherer Stufenleiter geschuldet. Diese gestiegene Gebrauchswertproduktion bedingt naturgemäß einen gestiegenen Durchsatz an Stoffen und Energie, und damit nach dem zweiten Hauptsatz der Thermodynamik einen Anstieg der Entropie. In diesem Zustand des Naturaltausches sind die Möglichkeiten der Entropieabfuhr in die systemische Umwelt und die der Energiezufuhr aus der Umwelt vielfältig. Eine Verdinglichung des Bewußtseins und damit der Naturwahrnehmung ist auf dieser Stufe der Sozialisation nicht zu erwarten, allerdings entfaltet der Markt schon hier erste vergesellschaftende Tendenzen. Die Grundlagen zu späteren Berufen durch persönliche Neigungen und Talente werden an diesem Punkt schon gelegt.90

Schaubild VII: Situation des Naturaltausches

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Auf dieser Stufe der gesellschaftlichen Entwicklung findet erster Naturaltausch zwischen Mitgliedern desselben Soziosystems statt.

Im nächsten Schritt der gesellschaftlichen Evolution beginnen nun einzelne, räumlich getrennte Soziosysteme untereinander Güter auszutauschen, welche nicht aus beabsichtigten Überschüssen stammen. An dieser Stelle der gesellschaftlichen Evolution wird eine allgemeine Ware (nämlich Geld) als consequence of a certain propensity in human nature which has in view no such extensive utility; the propensity to truck, barter, and exchange one thing for another.“ Smith a.a.O. Seite 11.

Träger von Tauschwert notwendig, da Naturaltausch ein Hemmnis der optimalen Gebrauchswertallokation ist. Die Ursache hierfür ist, daß einzelne Produkte im allgemeinen wechselseitig tauschinkompatibel sind91 und daß daher kein Tausch zustande kommen kann.

An diesem Punkt im gesellschaftlichen Evolutionsprozeß tauchen die ersten Händler auf, die den Warenaustausch zwischen den einzelnen Soziosystemen systematisieren. Die Notwendigkeit einen neuen Berufsstand zu schaffen, dessen gesellschaftliche Aufgabe darin besteht, den Austausch von Waren zu organisieren, entspringt aus der Gegebenheit der räumlichen Trennung der einzelnen Soziosysteme. Dieser Warenaustausch kann zwischen einzelnen urbanen Zentren, aber auch zwischen Stadt und Land sowie zwischen einzelnen ländlichen Gemeinschaften stattfinden. Da auf dieser Ebene nicht prinzipiell an einer Ausdehnung des Umfangs der Produktion und damit des Zugriffs auf die Natur gearbeitet wird, hält sich auch die Steigerung der Entropie in Grenzen. Obwohl auf dieser gesellschaftlichen Evolutionsstufe bereits Geld und Waren existieren, möchte ich noch nicht von Kapitalismus sprechen, da das zentrale Element fehlt. Dies Element ist der systematische Kauf von menschlicher Arbeitskraft, welche allein den für die Verwertung des Kapitals notwendigen Mehrwert produzieren kann. Diese oben erwähnte Situation nenne ich den „zwischengesellschaftlichen Warenaustausch“.

Schaubild VIII: Zwischengesellschaftlicher Warenaustausch

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Die nächste Stufe der gesellschaftlichen Evolution ist des Austausches zwischen nationalen Ökonomien. Auf dieser Ebene der Entwicklung regiert bereits der Kapitalismus; Geld wird zu Kapital, indem es Arbeitskraft und Ressourcen im großen Stil kauft und innerhalb des Verwertungsprozesses einsetzt. „Der Umstand, daß die tägliche Erhaltung der Arbeitskraft nur einen halben Arbeitstag kostet, obgleich die Arbeitskraft einen ganzen Tag wirken, arbeiten kann,..“92 ist der Grund weshalb der Kauf der Arbeitskraft Bedingung der Existenz von Kapital ist, denn nur durch den Kauf von Arbeitskraft kann sich das Kapital auf der Basis einer Arbeitswerttheorie verwerten. Die Produktion von Waren und mit ihr die Teilung der Arbeit innerhalb des Produktionsprozesses hat systematischen Charakter erhalten. Im Zuge der kapitalistischen Produktionsweise werden nun Gebrauchswerte in großem Umfang geschaffen, dazu ist die Transformation einer großen Menge an Stoffen und Energie notwendig. Eine Folge gemäß dem zweiten Hauptsatz der Thermodynamik ist das Vordringen der Steigerung der Entropie in neue Größenordnungen. Es sind jedoch noch ausreichend viele Möglichkeiten zur Entropieabfuhr in die systemische Umwelt vorhanden, so daß der Expansionismus des Kapitals weder auf soziale, noch auf naturgegebene „Grenzen des Wachstums“ stößt. Auf dieser gesellschaftlichen Ebene sind die Beziehungen zur Natur durch Verdinglichung charakterisiert, als ob die Gesellschaftlichkeit des Menschen durch seine Machwerke entsteht, gerade so als würden diese nicht durch Naturumformung, also der Transformation von Stoffen und Energie, entstehen. Eben diese Verdinglichung des Verhältnisses des Menschen zur Natur ist es, welche die Ausbildung der systemischen Intelligenz (zur Reduzierung der Entropieproduktionsrate) prinzipiell erschweren muß.93 Ist diese Verdinglichung erst einmal etabliert, so erscheinen gesellschaftliche Prozesse in Beziehungen von Dingen zueinander. Die Form der menschlichen Vergesellschaftung kann also nicht mehr ohne weiteres als Ursache der übermäßigen Degradation der Natur identifiziert werden. Diesen gesellschaftlichen Zustand bezeichne ich als „klassischen Kapitalismus“.

Schaubild IX: Klassischer Kapitalismus:

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Die bisher letzte Stufe im gesellschaftlichen Evolutionsprozeß stellt der Kapitalismus mit fordistischer Struktur dar. Er ist aus zwei Hauptgründen vom klassischen Kapitalismus zu trennen: Erstens existieren zwar die einzelnen Nationalökonomien noch, das westliche ökonomische System hat sich allerdings im Zuge seiner kapitalistischen Expansionsdynamik bis auf wenige Ausnahmen auf dem gesamten Globus ausgedehnt. Das heißt, die Möglichkeiten der Entropieabfuhr in die systemische Umwelt (aus der Perspektive des ökonomischen Systems) sind gering geworden sind. Angesichts der begrenzten Ressourcenbestände und der beschränkten Tragfähigkeit der Ökosphäre erscheinen die natürlichen Grenzen des Wachstums als soziale Grenzen und dadurch als Beschränkungen des ökonomischen Rationalitätsprinzips.

Die von Altvater „neue soziale Bewegungen“ genannten Zusammenschlüsse „an der ökologischen Grenze, auf der Suche nach einem Übergang zu einer anderen Akkumulations- und Regulationsweise“94 entstehen. Die ökologische Frage verdrängt nach und nach die bisher dominante soziale Frage aus dem Zentrum gesellschaftlicher Wahrnehmung. Dies wird noch durch die Verknüpfung der Ökosysteme, des Einflusses des ökonomischen Systems in allen Lebenswelten und der Kommunikation in globaler Dimension verstärkt. Durch die tendenzielle Eingliederung des gesamten Globus in die Strukturen fordistischer Produktions- und Konsumtionsweisen werden die Vergesellschaftungstendenzen des Marktes (so Altvater) beschleunigt. „Wozu die Industrialisierung in Europa Jahrhunderte benötigte, das wird heute in Ländern der dritten Welt in wenigen Jahren zu erreichen versucht, nämlich die radikale Umwälzung von Gesellschaften im Zuge von Modernisierung und Zivilisierung und die Umwandlung und nicht selten die Zerstörung der Landschaft und der sozialen Systeme.“95.

Das an der Marktlogik orientierte kapitalistisch - fordistische System ist daher nicht bloß expansiv, sondern es beschleunigt seine eigene Expansion und erreicht dadurch eine neue Dimension der Degradation der Natur. Diese Degradation der Umwelt bewegt sich stetig auf die Grenze der Tragfähigkeit natürlicher Ressourcen zu und damit auch auf jene Begrenztheit des Expansionsprozesses, welche - nach Altvater - durch die innere und äußere Natur des Menschen96 gegeben ist. Das eigentliche Problem ist somit, die Bedrohung der Lebensgrundlage der Menschen selbst durch ökonomisches Handeln. Die Ursache hierfür ist darin zu suchen, daß jene Grenzen der Tragfähigkeit der inneren und äußeren Natur des Menschen, innerhalb eines ökonomisch „rationalen“ Umgangs des Menschen mit der Natur liegen.

Zweitens kommt es auf der Grundlage fordistischer Verwertungsdynamik unausweichlich zu Massenproduktion und Massenkonsumtion. Dieses führt mit der Tatsache des, infolge des gesellschaftlichen Konsumtions- und Produktionsverhaltens, ebenso massenhaft gestiegenem Energieverbrauches zu einer gigantischen Steigerung der Entropieproduktion. Diese quantitative Entropieanstieg führt, ganz in Hegel`scher Tradition, zu einer qualitativen Verschlechterung der Bedingungen menschlichen Lebens in der Ökosphäre. Eine entgegenwirkende Tendenz wäre eine weitere Entwicklung der systemischen Intelligenz, welche „für technische Lösungen als auch für die soziale und politische Regulation von Produktion und Konsumtion verantwortlich ist.“97 Es ist jedoch in jedem Fall zu berücksichtigen, daß der Anstieg der Entropie in einem geschlossenen System (wie es der kapitalistische Expansionismus herbeiführt) nicht zu verhindern ist, da dieser Anstieg aus dem zweiten Hauptsatz der Thermodynamik resultiert. Dieser zweite Hauptsatz ist ein Naturgesetz und daher durch menschliche Handlungen nicht beeinflußbar. Ökonomisches Handeln aber ist in seiner Form durch die Ordnungsprinzipien der Soziosphäre bestimmt, wodurch die Rate der Entropieproduktion gesellschaftlich gestaltbar und damit minimierbar wird. In genau diesem zentralen Punkt im Prozeß des Stoffwechsels zwischen Mensch und Natur muß eine Entwicklung der globalen systemischen Intelligenz ansetzen.

Schaubild X: Globaler Kapitalismus mit fordistischer Struktur:

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Die hier aufgezeigten Entwicklungsstadien des Stoffwechsels zwischen Mensch/Soziosphäre und Natur sind keineswegs als absolute Stationen sozialer Evolution gemeint. Sie sind, wenigstens zum Teil, argumentative Ausgangspunkte die zeigen sollen, daß der Kapitalismus und die ihm eigenen Formen der Ausbeutung von Natur und Menschen keineswegs universellen Charakter haben, sondern im Laufe der sozialen Entwicklung zustande gekommen ist (und von ihr auch überholt werden können?). Die vier erwähnten sozio-ökonomischen Formen der Vergesellschaftung, sind weder räumlich noch zeitlich gebunden, noch erhebe ich den Anspruch auf Vollständigkeit. Die räumliche Ungebundenheit bedeutet, daß an verschiedenen Orten des Globus unterschiedliche Formen der Vergesellschaftung nebeneinander herrschen können. Zeitlich ungebunden zu sein bedeutet in diesem Kontext, daß es keine klare Trennungslinie zwischen den einzelnen Stadien der Entwicklung gibt. Sie werden also in der Regel fließend ineinander übergehen. Vollständig kann diese Auflistung nicht sein, da sie wesentliche Stationen des Zusammenlebens von Menschen außer acht läßt.98

Was diese Auflistung aber dennoch zeigt, ist der zeitlose Charakter des „ewigen Stoffwechsels“ zwischen Mensch und Natur und daß sich über diesen zeitlosen Charakter die „historische Schablone“ des Kapitalismus gelegt hat. Dieser Kapitalismus ist es, der den Auswirkungen menschlichen Handelns auf die Natur eine neue Dimension gibt.

2.5 Die Bedeutung des Doppelcharakters der Arbeit für Ökologie, Ökonomie und Vergesellschaftung

Menschliche Arbeit in ihrer Naturalform ist es, die mit Hilfe ausgefeilter Maschinerie und Technik Gebrauchswerte schafft. Zur Erinnerung: Gebrauchswerte sind doppelt bestimmt, auf der einen Seite zeigen sie sich als Dinge hoher Ordnung und andererseits müssen sie zur Befriedigung menschlicher Bedürfnisse geeignet sein. Der Einfluß der menschlichen Arbeit auf die ökologische Sphäre ergibt sich durch die Transformation von Stoffen und Energie, welche notwendig ist, um diese hohe Ordnung zu erzielen. Im Rahmen der Naturumformung durch die konkrete Arbeit steigt die anthropomorphe Entropie unweigerlich an, es wird daher in künftigen Arbeitsprozessen schwieriger sein, neue Gebrauchswerte zu schaffen. Aus diesem Grund ist es die Verausgabung menschlicher Arbeit, welche einen erheblichen Anteil an der Degradation der Natur hat.

Die Verschmutzung der Luft wird zum Großteil durch Industrieabgase hervorgerufen, die während und durch die Arbeitsprozesse entstehen. Die Vergiftung der Flüsse ist hauptsächlich schädlichen Abwässern geschuldet, welche in Produktionsprozessen (die ja auf menschlicher Arbeit basieren) anfallen. Auch die Verseuchung von Böden mit Schwermetallen und/oder giftigen Chemikalien entsteht im Zuge ökonomisch rationalen Handelns, etwa beim Goldsuchen in Amazonien oder durch Entsorgung auf den Müllkippen Westeuropas und Nordamerikas.

Der Mensch jedoch braucht gewisse Umweltbedingungen, um zu überleben. Ein mehr und mehr degradiertes Ökosystem verliert auch sukzessive seine Qualität als Lebensraum im allgemeinen und damit insbesondere als menschlicher Lebensraum. Menschliche Arbeit vernichtet also in ihrer Gestalt als Naturumformerin ihre eigene Existenzgrundlage, in ihrem Bestreben Gebrauchswerte zu schaffen. Daß menschliche Arbeit Gebrauchswerte produziert und im Zuge dieser Produktion Stoffe und Energien transformiert, ist natürlich, es ist der „ewige Stoffwechsel“ des Menschen mit der Natur. Es stellt sich daher die Frage, warum der „ewige Stoffwechsel“ an seine Grenzen stößt, weshalb also die naturgegebenen Bedingungen von Produktion und Reproduktion ignoriert werden. Die Gründe hierfür sind offenbar nicht allein auf der Seite der individuellen, konkreten Arbeit zu suchen, da diese seit Entstehung der Menschheit den Stoffwechsel menschlicher Gesellschaften mit der Natur vermittelt und dadurch deren Überleben sichert.

Die Degradation der Natur hängt (bis auf wenige Ausnahmen) mit der durch den Menschen verursachten Entropiesteigerung zusammen. Der Grad dieser Entropiesteigerung wiederum ist an den Umfang der Transformationen von Stoffen und Energie gebunden. Die kritische Situation der Natur heute ist damit der Entwicklung der Produktivkräfte und dem mit ihr einher gehenden erweiterten Zugriff des Menschen auf das Ökosystem geschuldet. „In den vergangenen Jahrzehnten der „fordistischen“ Modernisierung hat die Vernutzung von Energien und Stoffen nochmals eine ungeahnte Beschleunigung und Erweiterung erfahren. In diesem kurzen Zeitalter hat die Menschheit mehr Energie verbraucht als in ihrer gesamten Geschichte zuvor.“99 Es ist offensichtlich das Ordnungsprinzip des Marktes, welches die Entwicklung der Produktivkräfte vorantreibt, um die Profite zu maximieren.

Das Bindeglied zwischen der kapitalistischen Verwertungsdynamik und der Verschlechterung der natürlichen ökologischen Bedingungen ist die Kategorie des Doppelcharakters der menschlichen, warenproduzierenden Arbeit. Dieser zweifache Charakter der in Waren enthaltenen Arbeit ist nach seinen eigenen Angaben zuerst von Karl Marx nachgewiesen worden. Er bezeichnet ihn als „Springpunkt / .../ um den sich das Verständnis der politischen Ökonomie dreht“100 Im Gebrauchswert einer jeden Ware steckt zweckgerichtete, nützliche, menschliche Arbeit. Da in verschieden Gebrauchswerten qualitativ verschiedene menschliche Arbeiten stecken, können diese Gebrauchswerte sich als Gebrauchswerte für andere, also als Waren gegenübertreten.101 Die Tatsache, daß Waren überhaupt ausgetauscht werden ist den in ihnen manifestierten, verschiedenen konkreten Arbeiten geschuldet. Der Wert der Waren - das Verhältnis indem sie einander austauschen - stellt allerdings nicht konkrete menschliche Arbeit dar, sondern Verausgabung menschlicher Arbeit schlechthin. Es ist das Quantum der einfachen Durchschnittsarbeit, das den Wert einer Ware bestimmt. „Eine Ware mag das Produkt der kompliziertesten Arbeit sein, ihr Wert setzt sie dem Produkt einfacher Arbeit gleich und stellt daher selbst nur ein bestimmtes Quantum einfacher Arbeit dar.“102 Es ist hier leicht zu erkennen, daß menschliche Arbeit auch zur Vergesellschaftung beiträgt, denn in einer Gesellschaft von Warenproduzenten entwickelt sich der qualitative Unterschied der einzelnen spezifischen Arbeiten durch die Möglichkeit des Austausches von Waren „zu einem vielgliedrigen System, zu einer gesellschaftlichen Teilung der Arbeit.“103

Die menschliche Arbeit hat daher einerseits einen qualitativen, individuellen Charakter als Gebrauchswertproduzentin und andererseits einen quantitativen, gesellschaftlichen Charakter als Tauschwertbildnerin. Dies ist der Doppelcharakter der menschlichen Arbeit. Auf dem Aspekt der menschlichen Arbeit als Tauschwertbildnerin basiert die kapitalistische Ökonomie. Die Natur der Ökonomie ist es, Kapital zu verwerten und so einen expansiven Kreisprozeß in Gang zu halten. Die kapitalistische Ökonomie muß zu diesem Zweck menschliche Arbeit einsetzen um Werte zu produzieren. Dem Kapital ist nur an der gesellschaftlichen Seite der menschlichen Arbeit gelegen, da nur sie (Tausch)Werte erzeugt. Jeder Wert benötigt wiederum (als materiellen Träger seiner selbst) einen Gebrauchswert, dieser Gebrauchswert wird durch die spezifische, konkrete, menschliche Arbeit erzeugt. Und diese spezifische, menschliche Arbeit ist es, die - wie schon gesehen - dazu geeignet ist, die anthropomorphe Entropie zu steigern, denn diese formt in letzter Konsequenz die Natur um. Das Problem besteht darin, daß der Expansionismus des gesellschaftlichen Verwertungsprozesses notwendig eine Expansion der Gebrauchswertproduktion bedingt und damit einen immer höheren Throughput von Stoffen und Energie erzwingt. Es ist also nicht nur der bloße Durchsatz von Energie und Stoffen, der das Ökosystem derart zerstört, daß es als Lebensgrundlage des Menschen gefährdet ist. Es ist die stetige Steigerung dieses Durchsatzes infolge fordistischer Produktionsweisen, welche die Steigerung der anthropomorphen Entropie derart beschleunigt, daß sie auf die Grenzen der Tragfähigkeit der inneren und äußeren Natur des Menschen trifft.

Damit ist es die Form der Vergesellschaftung, die Art und Weise wie (Tausch)Wert produziert wird, der die zunehmende Degradation der Natur geschuldet ist. Darüber hinaus sind gewisse Formen der Vergesellschaftung der Arbeit Voraussetzungen für die Anwendung entwickelter Arbeitsmittel und damit entwickelter Ausbeutung der Natur. So schreibt Marx: „Die Maschinerie, mit einigen später zu erwähnenden Ausnahmen, funktioniert nur in der Hand unmittelbar vergesellschafteter oder gemeinsamer Arbeit.“104 Die Entwicklung des Arbeitsmittels ist seit der industriellen Revolution die dominierende Form der Produktivkraftentwicklung. Die Entwicklung der Produktivkräfte erweitert den Zugriff des Menschen auf die Natur und erhöht mit dem Durchsatz an Stoffen und Energie auch die Steigerung der anthropomorphen Entropie.

Ein Aspekt der Produktivkraftentwicklung ist daher dem gesellschaftlichen Charakter der Arbeit geschuldet, also der Teilung der Arbeit gesamtgesellschaftlich wie auch innerhalb desselben Produktionsprozesses, da sie notwendige Bedingung für den Einsatz einiger entwickelter Arbeitsmittel ist. Die Arbeit als Prozeß der Vergesellschaftung schafft also die Grundlage für eine neue Qualität von Arbeitsmitteln, welche einen umfangreicheren Zugriff auf die Ökosphäre ermöglichen und daher dazu geeignet sind, den Anstieg der anthropomorphe Entropie zu beschleunigen.

2.6 Die besondere Bedeutung des Geldes im ökonomisch-ökologischen Vermittlungsprozess

Der Austausch von Waren (welche vollkommen unterschiedliche Gebrauchswerte sein können) basiert auf der in ihnen enthaltenen vergegenständlichten, menschlichen Arbeit. Daher sind sie überhaupt austauschbar und können ihre Werte gegenseitig in einer allgemeinen Ware messen und sich in diese verwandeln. Diese allgemeine Ware, die als Wertmaß aller anderen Waren funktioniert, ist Geld. „Geld als Wertmaß ist notwendige Erscheinungsform des immanenten Wertmaßes der Waren, der Arbeitszeit.“105 Geld wirkt als Zirkulationsmittel des Warentausches, eine Ware wird gegen Geldzahlung verkauft und mit diesem Geld wird eine andere Ware gekauft. Da sich die Ware (welche in der Hand des Verkäufers ein nicht-Gebrauchswert ist) in der Hand des Warenkäufers im allgemeinen in einen Gebrauchswert verwandelt, vermittelt Geld den gesellschaftlichen Stoffwechsel.

Der gesellschaftliche Stoffwechsel ist dem „ewigen Stoffwechsel“, so wie er uns bei Altvater begegnet, keinesfalls unähnlich. Der gesellschaftliche Stoffwechsel besorgt den Transfer der Ware aus der Sphäre des Marktes in die Sphäre der individuellen Konsumtion, wobei Zahlungen in Geld geleistet werden. Der „ewige Stoffwechsel“ zwischen Mensch und Natur ist, vermittelt durch Aufwendung menschlicher Arbeit, die Transformation von Stoffen und Energie aus der Ökosphäre in Gebrauchswerte. Dieser doppelte Stoffwechsel ist dem Doppelcharakter der Arbeit geschuldet, denn Gebrauchswerte werden durch die konkrete, zweckgerichtete menschliche Arbeit erzeugt und (Tausch)Werte, deren Spiegel und Maß das Geld ist, werden durch die allgemeine gesellschaftliche Arbeit geschaffen. Während desselben Arbeitsprozesses werden also einerseits reale Stoffe und Energien transformiert und andererseits nicht materielle Dinge, nämlich Werte, übertragen.106

Mit einem Unterschied: Während der Anwendung der konkreten menschlichen Arbeit muß die anthropomorphe Entropie wie gezeigt ansteigen. Dieser Anstieg äußert sich in zunehmender Degradation der Natur, dies ist das Gesetz des Stoffwechsels zwischen Mensch und Natur. Die Ursache hierfür ist die Transformation von realen Stoffen und Energie. Das Resultat ist eine Abnahme der Ordnung von System und Umwelt.

Der gesellschaftliche Stoffwechsel entsteht auf Basis der allgemeinen, vergesellschafteten Arbeit und ihrem Maß - dem Geld. Die Gesellschaftlichkeit der Menschen erscheint nun in ihren Produkten, so als ob sie ein Eigenleben führten und nicht durch Naturumformung zustande gekommen wären. Altvater nennt dies die „Verdinglichung“ des Bewußtseins.107 Eben diese Verdinglichung ist der Grund dafür, daß der Aspekt der Naturumformung und mit ihm der Anstieg der anthropomorphen Entropie aus dem Bewußtsein der Menschen verschwindet.

Die Kategorie des Geldes ermöglicht es innerhalb der Marktlogik Zeit und Raum tendenziell aufzulösen. Zeitliche Differenzen werden auf den Barwert abgezinst und räumliche Entfernungen in Arbitragespekulationen aufgelöst.108 Die Bedeutung der Zeit und des Raumes wird auf bestimmte Geldquanten reduziert und so „bereits im Ansatz ihrer spezifischen Qualität als Naturveränderung“109 beraubt.

Das Ordnungsprinzip des Marktes besteht in der Zirkulation und der Verwertung des Geldes als Kapital. Der Unterschied zwischen Geld an sich und Geld als Kapital ist zunächst nur die Form der Zirkulation. Geld funktioniert als Geld in der unmittelbaren Form der Warenzirkulation. Hier wird Ware verkauft, um Geld mit dem Ziel eine andere Ware zu kaufen einzunehmen. Am Anfang und am Ende dieses Prozesses steht die Ware, das Geld wurde also benutzt um einen nicht-Gebrauchswert gegen eine Gebrauchswert zu tauschen.110 Wenn Geld als Kapital funktioniert, handelt es sich um einen qualitativ anderen Prozeß. Wird Geld als Kapital angewandt, so steht Geld am Anfang und am Ende des Prozesses, Ware wird gekauft um sie wieder in Geld zu verwandeln. Mit dem Unterschied, daß - sofern der Prozeß erfolgreich war- am Ende eine größere Geldsumme vorhanden ist als am Anfang. In diesem expansiven Zirkulationsprozeß taucht die unter dem Diktat der Verwertung gestiegene, anthropomorphe Entropie nicht mehr auf. Sie wurde durch das Geld, das letztlich Wertspiegel gesellschaftlicher Arbeit ist, unsichtbar.

2.7 Die Auswirkung der Entropiesteigerung auf die Profitrate

Das Gesetz des tendenziellen Falls der Profitrate macht nur Sinn auf Basis der Marx`schen Arbeitswerttheorie. Die Annahme, daß nur die menschliche Arbeit Tauschwerte schafft und nicht das Kapital oder die Natur , führt zur Definition der Profitrate als das gesamtwirtschaftliche Verhältnis von Mehrwert zu eingesetztem Kapital.

p = m/C Formel (1)

Das gesamtwirtschaftliche Kapital C läßt sich in Kapitalvorschuß zum Erwerb von variablem Kapital v , also Arbeitskraft, und Vorschuß zum Erwerb von konstantem Kapital c aufteilen. Danach ergibt sich die Rate des Profits folgendermaßen:

p = m/(c + v) Formel (2)

Erweitert man nun die rechte Seite der Gleichung mit 1/v, so ergibt sich eine neue Darstellung der Profitrate. Diese enthält den erzeugten Mehrwert in Bezug auf das vorgeschossene variable Kapital, also die Rate des Mehrwerts im Zähler. Im Nenner befindet sich das angewandte konstante Kapital in Bezug auf das angewandte variable Kapital, die sogenannte organische Zusammensetzung des Kapitals vermehrt um 1.

p = (m:v)/(c:v+1) Formel (3)

Die ersten beiden Formeln geben bisher nur einen Zahlenwert an und machen keine Aussagen über die gesellschaftlichen Verhältnisse der Produktion oder den Stand der Entwicklung der Produktivkräfte. In Formel (3) hingegen taucht die organische Zusammensetzung des Kapitals auf, sie gibt Aufschluß über den Entwicklungsstand der Produktivkräfte der gesellschaftlichen Arbeit und damit inwieweit menschliche Arbeitskraft durch konstantes Kapital substituiert wurde. Alle drei Formeln machen jedoch nur Aussagen zur quantitativen Größe der Profitrate unter gegebenen gesellschaftlichen Produktionsbedingungen. Eine Aussage über die zeitliche Entwicklung der Profitrate wird an dieser Stelle noch nicht gemacht.

Hier tritt das Marx`sche Gesetz des tendenziellen Falls der Profitrate auf. Es besagt, daß es infolge der Entwicklung der Produktivkräfte in der Zeit zu einer relativen Abnahme des variablen Kapitals kommen muß. „Diese fortschreitende relative Abnahme des variablen Kapitals im Verhältnis zum konstanten und daher zum Gesamtkapital ist identisch mit der fortschreitenden höheren organischen Zusammensetzung des gesellschaftlichen Kapitals in seinem Durchschnitt. Es ist ebenso nur ein anderer Ausdruck für die fortschreitende Entwicklung der gesellschaftlichen Produktivkraft der Arbeit, die sich gerade darin zeigt, daß vermittelst der wachsenden Anwendung von Maschinerie und fixem Kapital überhaupt mehr Roh- und Hilfsstoffe von derselben Anzahl Arbeiter in derselben Zeit, d.h. mit weniger Arbeit in Produkte verwandelt werden.“111

Im Rahmen der Entwicklung der Produktivkräfte kommt es also stetig zu einer höheren organischen Zusammensetzung des Kapitals. Diese führt bei gleichbleibendem, unter Umständen sogar steigendem Exploitationsgrad der menschlichen Arbeit zu einem Sinken der allgemeinen Profitrate in der Zeit. In der kapitalistischen Produktionsweise muß sich daher die Entwicklung der gesellschaftlichen Produktivkraft der Arbeit in einer Tendenz zum Fall der allgemeinen Profitrate niederschlagen. Dies ist einleuchtend, wenn man sich vor Augen führt, daß mit dem Steigen der organischen Zusammensetzung des Kapitals ein Sinken des relativen Anteils des variablen Kapitals am Gesamtkapital verbunden ist. Fällt der relative Anteil des variablen Kapitals, so muß (ceteris paribus) auch der relative Anteil des Mehrwerts in der Gesamtproduktion fallen.

Die Bedeutung der anthropomorphen Entropie und der von ihr verursachten Kosten ist im Hinblick auf das Gesetz des tendenziellen Falls der Profitrate erheblich. Wie schon gezeigt, erweitert die gestiegene Produktivität der Arbeit, deren Ursachen hauptsächlich in der Revolutionierung der Arbeitsmittel liegen, den Zugriff des Menschen auf die Natur. Dieser gestiegene Zugriff erzeugt eine Beschleunigung in der Degradation der Natur und damit in der Zukunft steigende Kosten in der ökonomischen Sphäre. Denn „der Aufwand von Energie (der ja Kosten im ökonomischen System verursacht) zur Gewinnung von Gebrauchswerten durch Isolierung von Stoffen und deren intelligenter Kombination bei hoher Durchmischung von Stoffen infolge der vorangegangenen ökologischen Degradation“112 wird steigen „und daher auch den Vorschuß an variablem und konstantem Kapital -unter Umständen enorm -erhöhen.“113 Das bedeutet, daß die Steigerung der Produktivkraft der Arbeit zwei wesentlich unterschiedliche Effekte haben kann, die beide zum Fallen der Profitrate führen.

Nämlich zum ersten die Substitution von lebendiger Arbeit durch vergegenständlichte Arbeit, wodurch es (wenn sich die anderen Parameter nicht ändern) zu einem relativem Rückgang des Mehrwerts im Gesamtprodukt kommt und somit die Rate des Profits sinkt. Zu diesem Effekt gib es zahlreiche (schon von Marx aufgezeigte) entgegenwirkende Ursachen114, welche dafür sorgen, daß der Fall der Profitrate abgeschwächt oder zeitweilig aufgehalten wird. Dies ist die klassische Begründung des Gesetzes vom tendenziellen Fall der Profitrate.

Zum Zweiten führt die zunehmende Degradation der Umwelt dazu, daß die uns umgebende Natur mit der Zeit immer weniger dazu geeignet ist, in Gebrauchswerte verwandelt zu werden. Die anthropomorphe Entropie des Systems Mensch-Umwelt ist, nach Altvaters Definition: „ Ordnungsprinzip ist also nicht niedrige Entropie an sich, sondern nur in Verbindung mit der Eigenschaft der Befriedigungsmöglichkeit von menschlichen Bedürfnissen.“115, gestiegen. Die Frage, die sich hier stellt, ist wie sich eine Steigerung der anthropomorphen Entropie auf das System der Werte auswirkt. Wie schon erwähnt, ist ein Anstieg der anthropomorphen Entropie dazu geeignet die ökonomischen Kosten zur Gewinnung von Gebrauchswerten, also den zur Produktion notwendigen Vorschuß an Kapital, gewaltig zu erhöhen. Dies ist der Tatsache geschuldet, daß es durch die allgemeine Degradation der Umwelt dazu kommt, daß sich die zur Gewinnung eines Gebrauchswerts nötigen Produkte, also die Arbeitsmittel selbst, verteuern. Das diese Aussage auch für Substitute gilt verdeutlicht ein Beispiel: Ölschiefer kann zur Gewinnung von Erdöl dienen, so lag in den 70er Jahren „der Ölpreis pro Barrel, bei dem die Verwendung von Ölschiefer wirtschaftlich rentabel geworden wäre, bei 5 Dollar, 7Dollar, 10 Dollar usw. Bei einem Ölpreis von 14 Dollar pro Barrel ist Ölschiefer jedoch (immer noch) wirtschaftlich uninteressant, und zwar hauptsächlich deswegen, weil die gestiegenen Ölkosten ihrerseits die Kosten für die Gewinnung von Öl aus Ölschiefer in die Höhe getrieben haben.“116 In der Sprache der „neuen politischen Ökonomie“, formuliert von Lutz Wicke, klingt das folgendermaßen: „ Ein mit zunehmender Knappheit drastisch gestiegener Preis einer (mineralischen) Ressource wird nur dann zu einer Erweiterung der Ressourcenbasis führen, /.../ wenn die eintretende Preissteigerung deutlich über der Kostensteigerung des Ressourcenabbaus durch zunehmenden Energie-, Arbeits- und Kapitaleinsatz liegt.“117 Von der Tatsache allerdings, daß der zunehmende Energie-, Arbeits- und Kapitaleinsatz die Umwelt nachhaltig schädigt, wird mit keinem Wort gesprochen. Daß aber, aufgrund der Vernutzung der Natur (Ressourcenabbau), die Höhe des vorgeschossenen Kapitals steigen muß. bleibt auch von Wicke unbestritten.

Die Steigerung der anthropomorphen Entropie wirkt also „auf das System der Werte zurück, indem der Aufwand für das konstante und variable Kapital steigt, infolgedessen die Profitrate (sofern keine kompensierende Erhöhung der Mehrwertrate stattfindet) fällt.“118 Altvater bezieht sich hier auf Formel (3) und weißt auf die Möglichkeit hin, daß ja die Rate des Mehrwertes steigen und so ein Fallen der Profitrate verhindern kann. Die Rate des Mehrwerts (bei Formel (3) im Zähler) gibt das Verhältnis des Mehrwertes zum variablen Kapital an, also das Verhältnis von Mehrarbeit zu der zur sozialen und physischen Reproduktion notwendigen Arbeit und damit den Grad der Ausbeutung der Arbeitskräfte durch das Kapital.

Altvater tappt an dieser Stelle allerdings in „die Profitratenfalle“119. Denn eine Steigerung der Mehrwertrate kann nur scheinbar ein Fallen der Profitrate kompensieren, denn wenn man Formel (1) oder Formel (2) betrachtet, wird deutlich, daß die Profitrate direkt von der absoluten Mehrwertmasse abhängt. Infolge der Produktivkraftentwicklung wird jedoch immer mehr lebendige Arbeit durch vergegenständlichte Arbeit substituiert. Man mag einwenden, daß die Profitrate bei steigender organischer Zusammensetzung des Kapitals nicht ebenfalls sinken muß. So kann eine Steigerung der Rate des Mehrwerts auch die absolute Mehrwertmasse, die ein gegebenes Kapital den Arbeitern abpreßt, steigen lassen und damit ein Fallen der Profitrate verhindern.

Allerdings kann die Erzeugung der absoluten Mehrwertmasse nicht über gewisse gegebene Grenzen hinaus erweitert werden. Eine prinzipielle Grenze ist die Nutzung des kompletten Arbeitstages zur Mehrwertproduktion, in diesem Fall wäre der Preis der Arbeitskraft gleich null und der Arbeiter würde keinen Lohn erhalten. Selbst in diesem hypothetischen Fall wäre die Produktion des gesamten Mehrwerts durch die Länge des Arbeitstages und die Anzahl der Arbeiter begrenzt und würde mit der Zeit durch die Substitution der lebendigen Arbeit sogar abnehmen. Der Trugschluß, dem auch Altvater unterliegt, man könne dem Fall der Profitrate durch eine Steigerung der Mehrwertrate begegnen, beruht auf der Erweiterung von Formel (2) mit 1/v.

Dadurch wird der Gesamtmehrwert durch das Verhältnis von Mehrwert zum variablem Kapital und das Gesamtkapital durch die organische Zusammensetzung vermehrt um 1 ersetzt. Es scheint nun so, als könne jede Steigerung der organischen Zusammensetzung des Kapitals durch eine Steigerung der Mehrwertrate kompensiert werden. Die infolge der Produktivkraftentwicklung steigende, organische Zusammensetzung des Kapitals kann hier nicht mehr als Mehrwertminderung durch die Substitution von lebendiger Arbeit identifiziert werden.

Infolge der Entwicklung der Produktivkräfte wird nun - wie gezeigt - nicht nur die lebendige Arbeit substituiert, sondern auch der Zugriff des Menschen auf die Natur erweitert. Aufgrund des gestiegenen Umfangs der Nutzung der Natur durch den Menschen ist auch die anthropomorphe Entropie gestiegen, das heißt, es ist schwieriger und damit kostenaufwendiger geworden, die Ressourcen in der Natur zu isolieren, um sie im gesellschaftlichen Verwertungsprozeß in Waren zu verwandeln. Wenn nun der Aufwand an konstantem Kapital, menschlicher Arbeit und Energie pro isolierter Ressourceneinheit gestiegen ist, so muß der Preis einer Ware, selbst wenn sie nur zum Teil diese Ressource enthält, steigen. Daß an dieser Tatsache auch die Nutzung eines Surrogats nichts ändert, da sich die Verteuerung einer Ressource auch auf andere Produktionszweige auswirken kann, zeigt das Beispiel von der Nutzung des Ölschiefers. Da der Wert einer Ressource im weiteren Verwertungsprozeß als Element des konstanten Kapitals erscheint, bewirkt eine Steigerung der anthropomorphen Entropie zunächst eine Erhöhung des konstanten Kapitals und damit auch eine Steigerung der organischen Zusammensetzung des Kapitals120. Diese der Degradation der Natur geschuldete Erhöhung der organischen Zusammensetzung resultiert nicht prinzipiell aus der Substitution lebendiger Arbeit durch vergegenständlichte Arbeit, sondern aus der entropiebedingten Verteuerung der Ressourcen selbst. Die Steigerung der anthropomorphen Entropie sorgt dafür, daß in Formel (1) der Nenner wächst. Daraus folgt, daß eine gleichgebliebene Mehrwertmasse durch ein gestiegenes Gesamtkapital geteilt wird. Daher muß der Wert des gesamten Bruches in Formel (1) fallen. Eine Steigerung der anthropomorphen Entropie bewirkt also ein Fallen der Profitrate, unabhängig von der Substitution lebendiger Arbeit im Produktionsprozeß.

Sollte die Profitrate schon durch die steigende organische Zusammensetzung des Kapitals also der Substitution der lebendigen Arbeit durch vergegenständlichte fallen, wie Marx schreibt, dann muß eine Entropiesteigerung auf Dauer den tendenziellen Fall der Profitrate beschleunigen. Hier erhält das Gesetz des tendenziellen Falls der Profitrate seine zweite Dimension und basiert damit auf zwei wesentlichen Ursachen.

Erstens ist es auf der rein gesellschaftlichen Seite die Substitution der Arbeitskraft durch konstantes Kapital infolge der Entwicklung der Produktivkräfte. Diese erste Ursache verringert in Formel (1) bei gegebenem Kapital den Zähler und bewirkt so in der Zeit ein Fallen der Profitrate.

Zweitens, auf der stofflichen Seite ist es der steigende Zugriff des Menschen auf die Natur, der für das Anwachsen der anthropomorphen Entropie verantwortlich ist und damit die Kosten für Arbeitsmittel und Rohstoffe steigen läßt. Diese gestiegenen Kosten bewirken eine Verteuerung des konstanten Kapitals. In Formel (1) ergibt sich daher ein Anwachsen des Nenners und so kommt es (im wesentlichen unabhängig von der Substitution lebendiger Arbeit durch vergegenständlichte Arbeit) zu einem Fallen der Profitrate in der Zeit.

2.8 Entgegenwirkende Ursachen eines entropiebedingten Falls der Profitrate

Die Entwicklung der Produktivkräfte, sei es durch vermehrte Kooperation oder durch Revolutionierung des Arbeitsmittels, führt - wie gezeigt -zu einer gesteigerten Vernutzung der Natur und erschwert mit der Zeit die Produktion von Gebrauchswerten. Der Wert des konstanten Kapitals im Produktionsprozeß steigt also, da im Verhältnis mehr Kapital, Energie und lebendige Arbeit pro gewonnener Ressourceneinheit verausgabt werden müssen als zu einem früheren Zeitpunkt.

Die Entwicklung der Produktivkräfte führt allerdings zunächst auch zu einer Verbilligung der Rohstoffe der Produktion121, da durch die Produktivkraftentwicklung ein gegebenes Kapital der Natur mehr Ressourcen entreißen kann. Das heißt, mit derselben Menge an vergegenständlichter und lebendiger Arbeit ist es möglich eine größere Menge an Ressourcen zu gewinnen. Der Wertübertrag des konstanten Kapitals und der durch lebendige Arbeit neu geschaffene Wert fallen, dadurch wird der entsprechende Gebrauchswert oder Rohstoff verbilligt. So verringert sich (gesamtgesellschaftlich) der Kapitalvorschuß, welcher für den Erwerb des konstanten Kapitals notwendig ist.

Es scheint also möglich zu sein, daß durch die Produktivitätssteigerung die Verteuerung des konstanten Kapitals (infolge der Steigerung der anthropomorphen Entropie) aufgehoben oder sogar übertroffen wird. Das Problem ist, daß erstens die meisten Ressourcen absolut begrenzt sind, und daher die Grenze der Ausbeutung der Natur trotz aller Produktivitätssteigerungen eine prinzipielle Grenze ist. Selbst die Entdeckung weiterer Lagerstätten und die Nutzung von Surrogaten hilft auf die lange Sicht aus diesem Dilemma nicht heraus. Zweitens steigt die anthropomorphe Entropie nicht linear, sondern beschleunigt an. Dies ist im wesentlichen dem ökonomischen Prinzip der expansiven Zirkulation geschuldet. Das bedeutet, daß sich die Nutzung der Natur durch den Menschen pro Zeiteinheit über den Status Quo hinaus ausdehnt. Mit dieser Ausdehnung des menschlichen Zugriffs auf die Natur ist zwangsläufig ein beschleunigter Anstieg der anthropomorphen Entropie verbunden.

Wenn man bei Verbilligung des konstanten Kapitals durch die Entwicklung der Produktivkraft von einem linearen Zusammenhang ausgeht122, so muß (abhängig von der Rate des Entropieanstiegs und der Produktivitätssteigerung) der Zeitpunkt kommen, da die Kosten, welche durch den Entropieanstieg entstehen, größer sind als die Verbilligung des konstanten Kapitals durch die Entwicklung der Produktivkraft. „Die Dimension der Zeit ist also entscheidend; ökonomische Zeithorizonte und ökologische Zeiten sind verschieden, aber sie sind nicht unabhängig voneinander.“123 Ein Beispiel: Selbst wenn von einem Anstieg der monetären Aufwendungen durch Steigerung der anthropomorphen Entropie von nur 5% pro Zeiteinheit (rot) ausgegangen wird und im selben Zeitraum die Einsparungen durch die Produktivkraftentwicklung mit dem Faktor 2 steigen (schwarz), so überwiegen die Kosten durch die Degradierung der Natur nach nur 94 Zeiteinheiten.

Schaubild XI: Entropie und Produktivität

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Die Tatsache allerdings, daß die durch die Steigerung der Entropie entstandenen Kosten (sofern diese monetarisierbar sind) nicht sämtlich vom mikroökonomischen Verursacher getragen, sondern der Gesellschaft aufgebürdet werden, macht es möglich, daß der Zeitpunkt, zu dem die Kosten des Wachstums die Erfolge der Produktivitätssteigerung übertreffen, schon eingetreten ist. Nur wird ein mehr oder weniger großer Teil der Kosten, welche ansonsten zum Fall der Profitrate beitragen würden, auf andere abgewälzt. In diesem Fall würde sich die Strategie der „Externalisierung“ von Kosten als gegenwirkende Ursache zum tendenziellen Fall der Profitrate erweisen. Dies sieht auch Altvater so: „Die Abwälzung von Kosten der Umweltbelastung auf die Gesellschaft die sonst den Vorschuß an konstantem und variablem Kapital erhöht hätten, ist eine entgegenwirkende Ursache gegen das „Gesetz des tendenziellen Falls der Profitrate.““124

Es gibt also im Zusammenhang mit dem tendenziellen Fall der Profitrate durch die Steigerung der anthropomorphen Entropie zwei wesentlich unterschiedliche, entgegenwirkende Ursachen: Erstens die Verbilligung des Kapitals (in erster Linie des konstanten Kapitals) durch die Entwicklung der Produktivkräfte, dieser Effekt ist aber - wie schon gezeigt - nur ein temporärer, und zweitens die Abwälzung der Kosten der Degradierung der Natur auf die Gesellschaft. Die Strategie der Externalisierung von Kosten, um den Fall der Profitrate zu bremsen oder ihn sogar in ein Steigen zu verkehren, kann auch nur zeitweilig Erfolg haben, denn nach Altvater verwandeln sich die ökologischen Grenzen, aufgrund der beschränkten Tragfähigkeit des Ökosystems Erde, zunächst in soziale und danach in ökonomische Rationalitätsschranken. Es besteht also durchaus eine Rückwirkung des Zustandes der Natur auf das ökonomische System. Elmar Altvater propagiert hier „neue soziale Bewegungen“ als Vermittler, welche den Übergang zu anderen Akkumulations- und Regulationsweisen einleiten sollen.125

Über die, in Anlehnung an Altvater aufgezeigten, entgegenwirkenden Ursachen zum Gesetz des tendenziellen Falls der Profitrate hinaus, identifiziert Altvater eine weitere Ursache, die geeignet ist, den Fall der Profitrate aufzuhalten. Er ist der Ansicht, daß eine entsprechende Erhöhung der Mehrwertrate den steigenden Aufwand für konstantes und variables Kaital auszugleichen vermag.126 Er tappt hier in die schon genannte „Profitratenfalle“, da der gesamte Mehrwert den ein gegebenes Kapital erzeugen kann durch eine steigende organische Zusammensetzung des Kapitals - wie schon im Abschnitt über die „Auswirkungen der Entropiesteigerung auf die Profitrate“ gezeigt - fallen muß.

Alle hier erwähnten entgegenwirkenden Ursachen, den entropiebedingten Fall der Profitrate betreffend, können die eigentliche Tendenz zum Fall der Profitrate nur zeitweilig stoppen oder umkehren. Auf die lange Sicht muß die steigende anthropomorphe Entropie beschleunigend auf die allgemeine Tendenz zum Fall der Profitrate wirken. Bei Altvater sucht man allerdings vergebens nach einer eindeutigen Position zum tendenziellen Fall der Profitrate. Er bezieht sich auf allgemeine entgegenwirkende Ursachen, die jeglichen Ausgang offen lassen, obwohl man meiner Ansicht nach, in diesen oben dargelegten Zusammenhängen zu dem Schluß kommen muß, daß die Profitrate aufgrund der Degradation der Natur sogar beschleunigt fällt.

3 Kritik an Altvaters Positionen

Elmar Altvater hat durch die Analyse der Bedeutung der Degradation der Natur für ökonomische und gesellschaftliche Prozesse einen alternativen Weg der Kritik an der geltenden ökonomischen „Lehrmeinung“ gefunden. Er identifiziert neue, soziale und absolute Grenzen des ökonomischen Expansionismus, die ihre Ursache erstens in dem positionellen Charakter der Gebrauchswerte (aufgrund ihres positionellen Charakters sind die Gebrauchswerte nur noch bedingt zur Befriedigung menschlicher Bedürfnisse geeignet) und zweitens in der Begrenztheit der Ressourcenbestände des „Raumschiffs Erde“ haben. Diese neuen sozialen Grenzen werden durch soziale Subjekte in das Bewußtsein der Menschen und dadurch in den Bereich der Aufmerksamkeit der Gesellschaft getragen. Es handelt sich hierbei um „neue soziale Bewegungen“, die auf der Suche nach alternativen Akkumulations- und Regulationsweisen sind. Nach Altvater tritt also die Grenze der kapitalistischen Akkumulation von außen (in Form sozialer Grenzen des Wachstums) auf. Der Teil der Gesellschaft, welcher sich in der ökonomischen Sphäre zu Wort melden kann, um aufgrund der Verschlechterung von Möglichkeiten zur Bedürfnisbefriedigung Entschädigung zu verlangen, ist es, der den ökonomischen Expansionismus in seine Grenzen weißt.

Altvater geht jedoch meiner Meinung nach nicht tief genug auf die Auswirkungen der widersprüchlichen Ordnungsprinzipien der ökonomischen und ökologischen Sphäre auf das ökonomische System selbst ein. Er beschränkt sich in seinen Analysen im wesentlichen auf die Auswirkungen des ökonomischen Ordnungsprinzips auf die globale ökologische Sphäre und die Rückwirkungen der Degradation der Natur auf die Soziosphäre (neue soziale Konflikte). Ein bedeutender Punkt, den Altvater offensichtlich vernachlässigt, ist die Analyse der Auswirkungen einer Steigerung der anthropomorphen Entropie auf den Verwertungsprozeß selbst und damit auf die Rate des Profits.

Er führt zwar an, daß der Expansionismus des Kapitals an „seine eigene, ihm immanente Grenze“ stößt, und bezieht sich hier auf das Beispiel des Automobils, welches durch allgemeine Nutzung seine Gebrauchswerteigenschaft verliert. Wenn aber der Gebrauchswert einer Ware sich auflöst, so ist die Verwertung von Kapital, das zur Produktion der Ware investiert wurde, in Gefahr. Diese „Gefahr“ hat ihren Ursprung in der Tatsache, daß der Gebrauchswert einer Ware der Träger des Tauschwerts ist. Löst sich der Gebrauchswert auf, dann verschwindet auch der Tauschwert. Er beschließt jedoch seine gesamte Analyse der Auswirkungen der Degradation der Natur auf die Profitrate mit einem einzigen Satz: Die ökologische „Unterproduktion wirkt auf das System der Werte zurück, indem der Aufwand für das konstante und variable Kapital steigt, infolgedessen die Profitrate (sofern keine kompensierende Erhöhung der Mehrwertrate stattfindet) fällt“127. Erstens tappt er hier, wie schon erwähnt, in die „Profitratenfalle“, denn die Rate des Mehrwerts läßt sich nur innerhalb bestimmter Grenzen verschieben (mehr als 24 Std. Mehrarbeit kann kein Arbeiter der Welt liefern), also ist eine Kompensation der Verteuerung des konstanten und variablen Kapitals nur begrenzt durch eine Erhöhung der Mehrwertrate möglich. Zweitens kann Altvater damit nicht der überragenden Bedeutung des Marx`schen „Gesetzes des tendenziellen Falls der Profitrate“ im Hinblick auf eine Kritik der politischen Ökonomie gerecht werden. Dies verwundert besonders, da er sich direkt auf die Widersprüche zwischen sozioökologischer und ökonomischer Sphäre (der entropiebedingte Fall der Profitrate zeigt, meiner Meinung nach, hier der bedeutende Auswirkungen) bezieht und deren Integration in eine neue Kritik der Politischen Ökonomie fordert: „Diese Widersprüche sind heute bedeutsamer als zur Zeit, in der Marx seine „Kritik der politischen Ökonomie“ verfaßte, und deshalb müssen sie von einer Kritik der Politischen Ökonomie heute explizit aufgegriffen und in das ökonomische System integriert werden.“128

Man muß sich also fragen, ob er absichtlich nicht näher auf die Profitrate und die beschleunigenden Wirkung einer Steigerung der anthropomorphen Entropie auf ihren Fall eingeht. Und falls ja, warum nicht?

Was weiterhin zu Irritationen mit Altvaters Text führen muß, ist die Tatsache, daß zwar die Notwendigkeit einer anthropomorphen Auslegung des Entropiegesetzes für die sozialwissenschaftliche Analyse anerkennt:

„Ordnungsprinzip ist also nicht niedrige Entropie an sich, sondern nur in Verbindung mit der Eigenschaft der Befriedigungsmöglichkeit von menschlichen Bedürfnissen.“129 und weiterhin ausführt: Die physikalische Definition der Entropie „muß an sozialwissenschaftliche Argumentationszusammenhänge adaptiert werden; sie wird nur in Analogie zu verwenden sein. Dies liegt nicht an der geringeren Exaktheit sozialwissenschaftlicher Theorie im Vergleich zu den „exakten Naturwissenschaften“ /.../ sondern weil der Entropiebegriff exakt nur auf geschlossene Systeme anwendbar ist, nicht aber auf offene.“ Es muß also ein Analogon zur physikalischen Entropie her. Aus diesem Zusammenhang ist der anthropomorphe Entropiebegriff geboren. Für diesen anthropomorphen Entropiebegriff bleibt zu klären, ob für ihn dieselben Gesetze gelten wie für die physikalische Entropie, da er ja nur ein Analogon zur physikalischen Entropie darstellt.

Altvater geht in seiner Argumentation zweifellos von der anthropomorphen Entropie aus, welche (wie oben gezeigt) auch ohne geschlossene Systeme auskommt, denn er schreibt: „Es ist also die Annahme vom geschlossenen System aufzugeben; weder die Erde als ganzes, noch die Subsysteme auf der Erde (Gesellschaften einzelner Länder, der Produktionsprozeß, Haushalte etc.) sind geschlossene Systeme.“130 Er gibt also zu, daß die Gesetze der physikalischen Entropie nur bedingt auf soziale Systeme anwendbar sind, da sie exakt nur für geschlossene Systeme gelten.

Andererseits schreibt er, daß das Gesetz der Entropiesteigerung (der zweite Hauptsatz der Thermodynamik) prinzipiell unaufhebbar ist.131 Das ist natürlich richtig, es gilt aber meiner Meinung nach nur für den strengen, physikalischen Entropiebegriff. Dafür gibt es zwei wesentliche Gründe: Erstens haben lebendige Systeme wie die Biosphäre unseres Planeten die Fähigkeit zur Wiederherstellung, so gab es in der Vergangenheit des Menschen immer wieder ökologische Katastrophen, welche (ob von Menschen gemacht oder nicht) die anthropomorphe Entropie stark erhöht haben. Als Beispiel sei hier die Eiszeit genannt, welche die Verwandlung der menschlichen Umwelt in Gebrauchswerte stark erschwerte und damit die anthropomorphe Entropie enorm erhöht hat. Jedoch hat sich die Natur nach dem Zurückweichen der Gletscher wieder vollständig erholt und eignete sich von Jahr zu Jahr wieder mehr zur Erzeugung von Gebrauchswerten. Da auch die anthropomorphe Entropie eine Zustandsfunktion ist, also nur eine gegebene Situation und nicht deren Ursache beschreibt, ist es unerheblich, ob die Entropiesteigerung durch Menschenhand oder auf natürlichem Wege zustande gekommen ist. Nach Altvater müßte daher in diesem Fall die anthropomorphe Entropie im System Erde gesunken sein

Der zweite Hauptsatz der Thermodynamik hat demnach für die anthropomorphe Entropie nur begrenzte Gültigkeit. Altvater gesteht zwar ein, daß es in der Erdgeschichte oft genug ökologische Katastrophen gab, die das thermische Gleichgewicht empfindlich gestört (und damit die anthropomorphe Entropie erhöht) haben, jedoch seien es heute die Ordnungsprinzipien der globalen Soziosphäre, welche einen Involutionsprozeß in Gang setzen.132 Dennoch ist es kein wesentlicher Unterschied, ob die Entropie nun durch menschliches Handeln oder durch eine Naturkatastrophe steigt. Wichtig ist, daß die Ökosphäre sich unter Umständen selbst wieder in den Ausgangszustand zurückversetzen kann. Diese Selbstinstandsetzung der Natur benötigt im allgemeinen sehr viel Zeit, doch prinzipiell (im wesentlichen durch die Einstrahlung der Sonnenenergie) ist sie möglich. Mit dieser Möglichkeit der Selbstreparatur ist die Analogie zur physikalischen Entropie gestört, denn die physikalische Entropie läßt sich aufgrund des zweiten Hauptsatzes prinzipiell nicht zurückdrehen.

Zweitens hat Altvater nicht berücksichtigt, daß es Energiequellen gibt, welche innerhalb des menschlichen Zeithorizontes unerschöpflich sind. Da ist zunächst einmal die Solarenergie zu nennen, die für die nächsten fünf bis sechs Milliarden Jahre die Erde mit einem stetigen Energiestrom versorgen wird.

Altvater wendet ein, daß bei der Nutzung regenerierbarer Energiequellen auf die Entropiebilanz geachtet werden muß, denn „aus der Umwelt kann keine Ressource herausgelöst und vereinzelt werden, ohne die Gesamtheit zu verändern. Infolgedessen ist die geläufige Unterscheidung zwischen regenerierbaren und nicht-regenerierbaren Ressourcen fragwürdig, da immer der nicht-regenerierbare Energie- und Stoffaufwand für die Umwandlung von verfügbaren regenerierbaren Stoffen und Energien in Rechnung zu stellen ist.“133 Es ist meiner Meinung nach primär immer die Energie, welche durch Nutzung unbrauchbar wird, denn sie geht in einen Zustand über, indem sie weniger gut zur Verrichtung von physikalischer Arbeit geeignet ist (daher bezieht sich der zweite Hauptsatz der Thermodynamik auch nur auf Energien und nicht auf Stoffe). Es ist also eine Veränderung im Wesen der Energie selbst, die sie unbrauchbar macht.

In meinem Beispiel zur physikalischen Entropie134 ist die Bewegungsenergie des Schwerpunktes der Gaswolke übergegangen in Bewegungsenergie relativ zum Schwerpunkt. Die Stoffe selbst hingegen wurden nicht verändert, sie wurden nur vermischt und dadurch weniger nützlich. Jede Vermischung läßt sich jedoch prinzipiell durch einen entsprechend hohen Energieaufwand wieder rückgängig machen. So läßt sich z,B. jede Art von Müll durch einen entsprechend hohen Energieaufwand wieder nutzbar machen.

Wenn es also Energiequellen gäbe, die auch in der anthropomorphen Entropiebilanz positiv sind, d.h. die Vorteile ihrer Nutzung überwiegen auf lange Sicht ihre Nachteile weit, so würden diese Energiequellen geeignet sein, die anthropomorphe Entropie zu verringern. Diese Energiequellen müßten allerdings - innerhalb des menschlichen Zeithorizontes - den Charakter eines perpetuum mobile haben, denn sie müßten Energie liefern, dürften aber andererseits nicht die Möglichkeiten der Befriedigung menschlicher Bedürfnisse beeinträchtigen.

Ein perpetuum mobile der dritten Art ist der sog. „schnelle Brüter“, denn er erzeugt in gewisser Hinsicht seinen eigenen Brennstoff. Das Funktionsprinzip ist folgendes: Fängt ein relativ häufig vorkommender, jedoch nicht spaltbarer U238 Kern ein Neutron ein, so zerfällt er mit einer Halbwertszeit von circa 20 Minuten in einen Np239Kern, der durch weiteren Zerfall nach etwa zwei Tagen in das spaltbare Pu239 übergeht, dieses kann für weitere Spaltprozesse genutzt werden. Schnelle Brüter könnten meiner Ansicht nach das Energieproblem für die nächsten 500 bis 1000 Jahre lösen.

Eine weitere, wenn auch zur Zeit noch nicht ökonomisch anwendbare, annähernd unbegrenzte Energiequelle ist die Kernfusion. Die Bedeutung der Fusionsenergie liegt in der praktischen Unerschöpflichkeit ihres Brennstoffes und der relativen Pollutionsfreiheit eines Fusionsreaktors. Bisher zieht man überwiegend die Reaktion:

Deuteron + Triton Æ Helium + Neutron in Betracht. Das freiwerdende Neutron kann gleich weiter zur TritiumProduktion genutzt werden:

Li6+ Neutron Æ Triton + He

Die Ausgangsprodukte sind also Deuterium und Lithium. Natürlich vorkommender Wasserstoff hat ein Isotopenverhältnis D:H von 1:6000. Die Ozeane der Erde enthalten damit über 1016 kg Deuterium, natürlich vorkommendes Lithium enthält etwa 10% Li6. Die Erdkruste enthält etwa 0,004 Gewichtsprozent Lithium, die obersten 2 km der Erdkruste enthalten also etwa ebensoviel Lithium wie das Meer Deuterium. Brennstoff und damit Energie wäre (innerhalb des menschlichen Zeithorizontes) unbegrenzt verfügbar.

Die hier erzeugte Energie könnte zur Rückgewinnung von Rohstoffen aus Müll oder zur Wiederherstellung vernichteter Landschaften dienen. Ich will damit nicht etwa einer intensiveren Nutzung der Kernenergie das Wort reden oder zum Warten auf (zur Zeit noch) illusorische Energiequellen aufrufen. Was ich sagen will, ist folgendes: Die anthropomorphe Entropie folgt keinesfalls unabänderlich dem zweiten Hauptsatz der Thermodynamik (der ja auch nur für die physikalische Entropie gilt). Es gibt Möglichkeiten die anthropomorphe Entropie innerhalb des Systems Erde zu senken - was mit der physikalischen Entropie nicht möglich ist. Altvater schreibt: „Ökonomische Theorie kommt um eine Theorie des Gebrauchswerts nicht mehr herum; in ihr kommt dem Entropiebegriff ein zentraler Stellenwert zu.“135 „Die Qualitätsverschlechterung von Energie (und Stoffen) als Folge ihrer Nutzung bemißt sich an den Möglichkeiten der Befriedigung menschlicher Bedürfnisse. Infolgedessen ist der Begriff der „Qualität“ von Energie und Stoffen anthropozentrisch aufgeladen.“136 Es bleibt hier also zu ergänzen: Dieser (auf den Menschen bezogene) Entropiebegriff unterliegt zwar tendenziell, aber nicht prinzipiell dem zweiten Hauptsatz der Thermodynamik!

4 Resümee

Wie von Altvater gezeigt wurde, resultieren aus unterschiedlichen Ordnungsprinzipien von ökonomischer und ökologischer Sphäre mehrere Widersprüche. Insbesondere wird durch die Entwicklung der Produktivkräfte (primär durch die Revolutionierung des Arbeitsmittels) ein ökonomischer Expansionismus ermöglicht, welcher den Throughput an Stoffen und Energie erheblich erhöht. Altvater hat eben diesen Throughput als bedeutende Dimension ökonomischer Prozesse erkannt. Um ihn zu bewerten, greift er (in Analogie zur thermodynamischen Physik) auf die Entropie zurück. Diese neue Entropie hat einen anthropomorphen Charakter, denn sie soll physikalische Entropie nur in Verbindung mit der Eigenschaft der Befriedigungsmöglichkeiten von menschlichen Bedürfnissen messen. Diese anthropomorphe Entropie ist also das Maß der Eignung der Umwelt in Gebrauchswerte verwandelt zu werden. In Anlehnung an die physikalische Entropie, insbesondere dem zweiten Hauptsatz der Thermodynamik, postuliert Altvater einen unabänderlichen Anstieg der anthropomorphen Entropie. Dieser Anstieg äußert sich in einer zunehmenden Degradierung der Natur.

In kapitalistischen Gesellschaften ist das Bindeglied zwischen ökonomischem Handeln und Degradation der Natur der Doppelcharakter der menschlichen Arbeit. Arbeit ist gesellschaftliche Betätigung und schafft als solche Tauschwerte, welche die Grundlage des ökonomischen Systems bilden. Das Ordnungsprinzip der Ökonomie ist die Verwertung vorgeschossenen Kapitals. Unter dem Diktat dieses Ordnungsprinzips muß die Ökonomie daher blind gegenüber allen Nicht-Tauschwerten sein. Die Ökonomie ist damit aufgrund der Form der Vergesellschaftung unfähig, die ökologischen Schäden die sie anrichtet zu erkennen.

Die ökonomische Sphäre wiederum ist eng an die Soziosphäre gebunden und beeinflußt diese und umgekehrt. Aufgrund dieser Beeinflussungen wohnen der Ökonomie daher Tendenzen zur Vergesellschaftung inne. Doch die vergesellschaftende Wirkung des Marktes und seiner Prozeduren allein ist unvollkommen, sie bedarf wie Altvater schreibt: „eines kulturellen Unterbaus, ohne den die „autonomen Individuen“ sich nicht als gesellschaftliche Individuen aufeinander /.../ beziehen können.“137 Andererseits beeinflussen und stimulieren ökonomische Akte beständig die natürlichen und kulturellen Bedingungen einer Gesellschaft. Durch diese ökonomische Beeinflussung der kulturellen Bedingungen wird das ökonomische Tauschwertprinzip auch in andere, primär nicht ökonomische, Bereiche gesellschaftlichen Handelns getragen, und erzeugt hier die von Altvater erwähnte Verdinglichung der gesellschaftlichen Beziehungen zur Natur.138

Menschliche Arbeit schafft aufgrund ihres Doppelcharakters nicht nur Tauschwerte (was dem Verwertungsprinzip des Kapitals schon genügen würde), sondern auch reale, materielle Dinge - Gebrauchswerte. Diese gebrauchswertschaffende Arbeit benötigt Ressourcen, Rohstoffe und Energie. Die Nutzung, Isolierung und der Transport dieser Ressourcen führen zu einer Degradation der Natur und damit zu einem Anstieg der anthropomorphen Entropie. Ein höherer Zustand der anthropomorphen Entropie bedeutet, daß die Verwandlung der Natur in Gebrauchswerte schwieriger geworden ist.

Die Dynamik moderner kapitalistischer Ökonomien ist ein Prozeß der quantitativen Zuwächse von Tauschwerten in Geldform. Jeder Tauschwert ist an einen materiellen Träger gebunden: den Gebrauchswert. So führt die kapitalistische Expansionsspirale zu einem immer größeren Throughput an Stoffen und Energie. Diese Erhöhung des Throughputs führt (da einerseits der Ökosphäre nicht genug Zeit bleibt ihre Pufferwirkung zu entfalten, und andererseits keine Nutzung im menschlichen Zeithorizont nicht-erschöpflicher Energiequellen erfolgt oder möglich ist) zu einem beschleunigten Anstieg der anthropomorphen Entropie. Selbst eine Steigerung der systemischen Intelligenz kann dem nur graduell und nicht wesentlich entgegenwirken, da sie eine Entropiesteigerung nur minimieren, jedoch prinzipiell nicht aufhalten kann.

Diese zwangsläufige Degradation der Natur wirkt auf den gesellschaftlichen Teilbereich der Ökonomie im wesentlichen zweifach zurück. Erstens führt die zunehmende Verschlechterung der Lebensbedingungen der Menschen zur Initiierung neuer sozialer Bewegungen, welche Einfluß auf die bisherige Akkumulations- und Regulationsweise des ökonomischen Systems nehmen. Altvater sieht einen wesentlichen Entstehungsgrund dieser neuen sozialen Bewegungen darin, daß infolge der begrenzten ökologische Tragfähigkeit moderner Produktions- und Konsumtionsmodelle zentrale Güter positionellen Charakter erhalten und daher immer weniger zur Bedürfnisbefriedigung geeignet sind. Die Kompetenz des Marktes muß also grundsätzlich geringer sein als die Anforderungen moderner Gesellschaften an seine Steuerleistung.

Zweitens führt der Expansionismus des Kapitals (und der mit ihm verbundene Anstieg der anthropomorphen Entropie) zu einem immanenten Widerspruch im ökonomischen System. Die Degradierung der Natur führt unabhängig von der Entwicklung der Produktivkräfte zu einem Fall der Profitrate, denn aufgrund der steigenden anthropomorphen Entropie wird es immer schwieriger die Natur in Gebrauchswerte zu verwandeln139. Der Kapitalvorschuß pro isolierter Ressourceneinheit muß also steigen. Da sich der Kapitalvorschuß auf konstantes wie variables Kapital aufteilt, aber nur die lebendige menschliche Arbeit neue Werte schafft, muß die Profitrate mit der Zeit fallen. Diesem Sachverhalt kann auch, wie gezeigt, eine Erhöhung der Mehrwertrate nur innerhalb enger Grenzen entgegenwirken.

Die Degradierung der Natur sorgt also langfristig für einen Fall der Profitrate. Wenn man einen tendenziellen Fall der Profitrate aufgrund einer Steigerung der Produktivkräfte voraussetzt, so muß (bei keiner Änderung der anderen Parameter) durch zunehmende anthropomorphe Entropie die Profitrate beschleunigt fallen. Die zunehmende Degradierung der Natur bleibt jedoch im ökonomischen System solange unerkannt bis sie sich in Gestalt von Kosten meldet. Dies hat seine Ursache darin, daß das ökonomische System nur Signale in Geldform wahrnimmt und nur in Geldform kommuniziert.

Menschliche Arbeit ist gesellschaftliche Betätigung einerseits und die Grundlage kapitalistischer Verwertung andererseits. Die menschliche Arbeit ist also der Vermittler zwischen Sozio- und Ökonomiesystem. Da im ökonomischen System jedoch nur Tauschwerte von Interesse sind, dienen hier sowohl die stofflichen Elemente der Natur sowie die (außermenschlichen) Naturkräfte nur als Medium des Verwertungsprozesses. Die Gesellschaft, sofern ihre Wahrnehmung der Natur noch nicht vollständig „verdinglicht“ ist, kann auf die Art und den Umfang des Eingriffs der Ökonomie auf die Natur und damit auf die Rate der Entropieproduktion Einfluß nehmen140. So ist der Stoffwechsel zwischen Mensch und Natur auch ein sozialer Prozeß, in dessen Rahmen die Rate der Entropiesteigerung gestaltet werden kann. Dieser Prozeß ist allerdings, nach Altvater, prinzipiell durch die Naturgesetze (insbesondere den zweiten Hauptsatz der Thermodynamik) begrenzt. .141 Aus dem Entropiegesetz folgt für alle Umformungsprozesse - insbesondere für ökonomische - Prozesse daher die beständige Verwandlung nutzbarer Energiequellen in entwertete Energiequellen und die Verwandlung nützlicher stofflicher Naturelemente in Müll.

Der Natur kommt im sozioökonomischen System also insgesamt eine bedeutende Rolle zu. Der spezifischer Charakter der Naturumformung und die dadurch vermittelten Konsequenzen sowohl für das Soziosystem (Degradierung der individuellen Lebenswelten) wie auch für das ökonomische System (langfristiger Fall der Profitrate) lassen sich nicht in Geld allein bemessen. Es kann also nicht auf eine von allen „Kommandostrukturen befreite“142 Marktordnung gebaut werden. Die Marktlogik als einzige Instanz der ökologischen Bewertung und Regulierung ist ohne öffentliche, soziale Partizipation bei der Entscheidungsfindung ungeeignet und zum Scheitern verurteilt.

Ob überhaupt und falls ja, inwieweit marktgängige Ansätze, wie etwa die geldförmige Internalisierung ökologischer Degradationen in das ökonomische Kostenkalkül zur Lösung von Umweltproblemen herangezogen werden können, ist und bleibt fraglich. Denn eine wesentliche Ursache der Degradation der Natur ist der Institution des Geldes geschuldet, das zur Blindheit des ökonomischen System gegenüber allen anderen Nicht-Tauschwerten führt.

Alles in allem lassen die in dieser Arbeit aufgezeigten Aspekte der Wechselwirkungen im sozioökonomischem System auf der Grundlage der besonderen Bedeutung der Natur Zweifel an der Tauglichkeit des Kapitalismus als System gesellschaftlicher Regulation aufkommen. Wenn es nun nach dem Niedergang des „real existierenden Sozialismus“ am Anfang eines neuen Jahrtausends noch begründete Zweifel an der Tauglichkeit des „siegreichen“, kapitalistischen Systems gibt, so ist meiner Meinung nach „das Ende der Geschichte“ noch lange nicht erreicht.

5 Quellenverzeichnis

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Wicke, L. (1989): Umweltökonomie: Eine praxisorientierte Einführung. München.

6 Schaubilderverzeichnis

Seite:

Schaubild I = Gedankenexperiment I 45

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Erklärung:

Ich versichere, dass ich die schriftliche Hausarbeit selbständig verfasst und keine anderen als die angegebenen Quellen und Hilfsmittel benutzt habe. Alle Stellen der Arbeit, die anderen Werken dem Wortlaut oder Sinn nach entnommen wurden, habe ich in jedem Fall unter Angabe der Quelle als Entlehnung kenntlich gemacht. Das gleiche gilt auch für die beigegebenen Zeichnungen, Kartenskizzen und Darstellungen.

[...]


1 Vergleiche hierzu Altvater a.a.O. Seite 240

2 Vgl. Altvater a.a.O.

3 Altvater a.a.O. Seite 242

4 MEW Band 23 Seite 86.

5 Vgl. Altvater a.a.O. Seite 103 ff.

6 Und nichts anderes kann eine Stoff - und Energietransformation sein.

7 Gabler-Wirtschafts-Lexikon F-K Seite 1540

8 Altvater a.a.O. Seite 113 ff.

9 Vergleiche hierzu auch Hahn a.a.O. Seite 154 ff.

10 Altvater a.a.O. Seite 244

11 Ebenda „Externalitäten“ bedeuten eine und genau das die

12 Das heißt jedoch nicht, daß die Neoklassik - in einzelnen Fällen- keine Entscheidungshilfe leisten oder auch Entlastung herbeiführen kann.

13 Altvater a.a.O. Seite 246

14 Der Kapitalismus erscheint also vor diesem Hintergrund als eine historische Gegebenheit unter vielen.

15 Vgl. Altvater a.a.O. Seite 247

16 So ist zwar ein zwar ein Scherbenhaufen immer noch ein Ding mit hoher Ordnung - welche auch aufwendiges scheiden und kombinieren von Naturstoffen ( etwa die Trennung des Quarzsandes von anderen Bodenbestandteilen und darauffolgendes vermischen mit farbgebenden Substanzen), da Scherben jedoch im allgemeinen nicht über einen nennenswerten Gebrauchswert verfügen wird sich wohl kaum jemand finden der bereit ist etwas nützliches dafür einzutauschen.

17 Vgl. Altvater a.a.O. Seite 250

18 Welche in allen menschlichen Gesellschaften verausgabt werden muß.

19 Altvater a.a.O. Seite 251

20 Altvater a.a.O. Seite 252

21 Altvater a.a.O. Seite 254

22 Vgl. Tipler a.a.O. Seite 603. Es fällt auf, daß die Formulierung Prozesse zuläßt, in deren Verlauf die Entropie des Universums gleichbleibt. Diese sog. reversiblen Prozesse spielen jedoch nur in der thermodynamischen Theorie eine Rolle, in der Realität sind sie unbedeutend.

23 Altvater a.a.O. Seite 242

24 Altvater a.a.O. Seite 256

25 Altvater a.a.O. Seite 257

26 Ebenda

27 Vergleiche Tipler a.a.O. Seite 608

28 Man muß jedoch bemerken, daß - wie Altvater selbst sagt - dieser Absolute Nullpunkt nur in der physikalischen Theorie eine Rolle spielt, nicht zuletzt da er prinzipiell nicht erreichbar ist.

29 Altvater benutzt folgende Formel: dS/dt = dSp/dt - dSa/dt - dE/dt. Wenn man nun diese Gleichung mit dt multipliziert und die inkrementalen d`s durch makroskopische D ersetzt, entsteht die wesentlich handlichere und meines Erachtens nach verständlichere obige Form. Zwar

30 Vgl. Altvater a.a.O. Seite 259

31 Ebenda

32 Altvater a.a.O. Seite 260

33 Ebenda

34 MEW Band 23 Seite 57

35 Vgl. Altvater a.a.O. Seite 262

36 Vergleiche hierzu Bieskorn/Wallacher a.a.O. Hier wird der „Homo oeconomikus“ zwar nicht als tendenziell raum- und zeitlos dargestellt, jedoch als „Moral Based Rational Man“, der im Rahmen der individuellen Rationalität durchaus in der Lage ist von Raum und Zeit zu abstrahieren, in diesem Zusammenhang Seite 20: „ Ich plädiere dafür die Indifferenz als ein Faktum individuellen Handels anzuerkennen./.../“. Hier ist zwar die Indifferenz von allgemeinen Handlungsalternativen gemeint, jedoch können diese durchaus räumlich oder zeitlich unterschiedlich verortet sein.

37 Was für sich betrachtet trivial ist, denn jede Handlung muß individuell rational sein .

38 Altvater a.a.O. Seite 264/265

39 Physikalisch gesehen ist die Entropie nichts anderes als eine systemische Zustandsfunktion, deren Änderung die Summe der infinitesemalen Wärmemenge bezogen auf die jeweilige Temperatur ist: DS = Ú 1/T dQ

40 Altvater a.a.O. Seite 265.

41 Ob Altvater auf Seite 266 „... und können so den Entropieanstieg des natürlichen Systems beschleunigen“ bewußt oder unbewußt im Konjunktiv bleibt, wird nicht deutlich. Bedenkt man allerdings, daß die akkumulierte Menge (damit auch das Realkapital) bei fester Profitrate exponentiell steigt (wie Altvater selbst auf Seite 265 aufzeigt), dann wird deutlich, daß der Entropieanstieg beschleunigt verlaufen muß.

42 Darunter fallen günstige Möglichkeiten zur Nutzung von Wind- und Wasserkraft oder auch Sonnenenergie. Die durch Nutzung solcher „Naturvorteile“ entstehenden, zusätzlichen Profite haben den Charakter einer Monopolrente.

43 Das es sich durch die erhöhte Produktivität nicht um eine bloße Steigerung der Entropie handelt, ist leicht einzusehen, da es ja bei einer Beibehaltung des alten Stoff- und Energie Durchsatzes ja schon zu einer beständigen Entropiesteigerung kommt.

44 Unter offenen Systemen versteht Altvater sowohl räumlich offene ( Entropieabfuhr in andere Länder), als auch zeitlich offene Systeme ( etwa die Möglichkeit Müll zukünftigen Generationen zu hinterlassen).

45 Elmar Altvater a.a.O. Seite 268

46 Altvater a.a.O. Seite 270.

47 Altvater a.a.O. Seite 339.

48 Ebenda

49 Altvater a.a.O. Seite 340

50 Elmar Altvater verweist hier ohne nähere Erläuterung auf das zweite Kapitel seines Buches: Altvater, Elmar (1987): Sachzwang Weltmarkt -Verschuldungskrise, blockierte Industrialisierung, ökologische Gefährdung -der Fall Brasilien, Hamburg

51 Ebenda Seite 272. Dieser Ansatz ist der ökonomischen Verhaltenstheorie nicht fremd, so schreiben Karpe und Krol zum institutionenethisch ausgerichteten Paradigma: “Dieses institutionen- bzw. ordnungsethisch ausgerichtete Paradigma zielt auf eine dahingehende Änderung der Anreizbedingungen, daß die Trittbrettfahrerposition aus individueller Perspektive unattraktiv wird. Diese Strategie steht unter dem Motto: Stützung individueller Moral durch /.../ geänderte Anreizstrukturen.“ - Karpe/ Krol ökonomische Verhaltenstheorie Seite 88.

52 Altvater a.a.O. Seite 273

53 Elmar Altvater a.a.O. Seite 275

54 Altvater a.a.O. Seite 277

55 Altvater bezeichnet den „ökologischen Kapitalismus“ durchaus auch als praktisch durchführbar, da er seine natürlichen Grundlagen selbst als Konsumgüter produziert.

56 Elmar Altvater a.a.O. Seite 277

57 Dies ist nicht selbstverständlich. Bei Nomadenvölkern etwa, wie den Berbern in Nordafrika oder einigen nordamerikanischen Indianerstämmen des vorigen Jahrhunderts und vielen anderen, ist der Gedanke an individuelle Besitztitel an Grund und Boden oft etwas völlig Absurdes, eine Bepreisung der Natur ist damit per se unmöglich.

58 Altvater a.a.O, Seite 279

59 MEW Band 23 Seite 327. Marx bezieht sich an dieser Stelle noch auf die von Laurent und Gerhardt entwickelte Molekulartheorie um auch die Naturwissenschaftliche Bedeutung des Hegelschen Gesetzes zu unterstreichen.

60 Altvater fügt hier noch hinzu, daß die modernen Verteilungskonflikte durch post-moderne Konflikte nicht bedeutungslos werden, sondern daß sie eine neue soziale Dynamik erhalten.

61 In diesem Kontext etwa die vorhandene Rohstoffaustattung oder - um ins Extreme zu gehen - eine atembare Atmosphäre.

62 Unter diesen versteht O`Connor laut Altvater die „Mittel der Kommunikation“, Altvater a.a.O. Seite 284.

63 Ebenda

64 Diese entsteht durch die Widersprüchlichkeit zwischen individueller- und gesellschaftlicher Rationalität. Die „neue Institutionenökonomik“ sieht das Dilemma zwischen Verfolgung des Eigeninteresses und des Gesamtinteresses als Folge fehlgeleiteter institutioneller Rahmenbedingungen und vertritt die Ansicht, daß institutionelle Reformierung die angesprochenen Widersprüchlichkeit aufzulösen vermag. Vgl. Karpe/Krol (1997) Seite75-102.

65 Altvater a.a.O. Seite 287

66 Vergleiche Karl Marx : Das Kapital Dritter Band, dritter Abschnitt, dreizehntes Kapitel Seite 221 ff.

67 Altvater a.a.O. Seite 288.

68 Altvater bezieht genaugenommen neben den Verursachern von Umweltschäden auch noch jene ein, die die Verursacher in Regreß nehmen können ( Wortlaut: „die sich bei den Verursachern zu Wort melden könnten“ a.a.O. Seite 289).

69 Georgescu-Roegen (1971) Seite 304. Zitiert nach Altvater a.a.O. Seite 289.

70 Nach dem zweiten Hauptsatz der Thermodynamik führt jede reale Umformung von Stoffen und Energie zu einem Entropieanstieg. Anthropomorph betrachtet, muß man daher den Absolutbetrag der Entropiesteigerung in Rechnung stellen.

71 Elmar Altvater a.a.O. Seite 290.

72 Altvater a.a.O. Seite 292

73 Ebenda

74 Als Beispiel wird von Altvater das Beispiel des tropischen Regenwaldes angegeben, da hier das Wissen über alternative Nutzungsmöglichkeiten mit den regionalen Ethnien ausstirbt. Altvater a.a.O. Seite 294.

75 Vergleiche hierzu Fred Hirsch, a.a.O.

76 Altvater a.a.O. Seite 295

77 Elmar Altvater, a.a.O. Seite 298

78 Tipler a.a.O. Seite 589

79 Ebenda Seite 590.

80 Gerthsen/Kneser/Vogel a.a.O. Seite 229.

81 Tipler a.a.O. Seite 606

82 Vgl. Georgescu- Roegen a.a.O.

83 Altvater a.a.O. Seite 321.

84 Niklas Luhmann a.a.O Seite 101. So wie Luhmann Ökonomie über Geld definiert, so schreibt er auch am selben Ort Seite 109: „Man findet in der „Umweltökonomie“/.../die Auffassung, daß in der Geldschöpfung der eigentliche Grund für die Expansion der Wirtschaft und damit für die zunehmende Umweltbelastung liege. Wie jede Zurechnung ist aber auch diese problematisch, weil sie den Eindruck begünstigt, man könne an diesem Punkte das Übel kurieren.“. Luhmann ist offensichtlich nicht der Ansicht moderner Ökonomen, die Umweltproblematik ließe sich durch Internalis ierungsstrategien (also allein auf dem Geldwege) in den Griff bekommen. In diesem Punkt teilt er also Altvaters Ansicht.

85 Altvater a.a.O. Seite 74.

86 Altvater gibt fünf Dimensionen der Widersprüche zwischen Ökonomie und Ökologie an. Meiner Meinung nach ist jedoch der Widerspruch zwischen Profit, Zins und Entropieänderung in wesentlichen Teilen schon im Widerspruch zwischen Reversibilität und Irreversibilität enthalten.

87 Elmar Altvater a.a.O. Seite 246

88 Hobbes, a.a. O. Seite 115.

89 Jenes Prinzip, daß überhaupt den Anlaß zur Teilung der Arbeit gibt nennt Adam Smith den Hang zum Tauschen. So schreibt er: „It is the nessesary, though very slow and gradual ,

90 Dies ist einleuchtend, wenn man das Smith`sche Beispiel des Bogenmachers und des Jägers bemüht, indem der eine mehr Talent zum Schaffen des Werkzeuges und der andere mehr Talent in dessen Handhabung hat, so daß beiden ,wenn sie ihre Produkte tauschen, jeweils eine bessere Ausstattung an Gebrauchswert zuteil wird.

91 So ist es möglich, daß jemand zwar eine Kuh veräußern, auf der anderen Seite jedoch nur zwei Hühner erwerben möchte. Im Fall des reinen Naturaltausches hätte er die Möglichkeit die Kuh zu schlachten, was selbige allerdings entwerten würde (tote Kühe geben keine Milch) , oder ein sehr schlechtes Geschäft zu machen ( nämlich die Kuh gegen zwei Hühner zu tauschen), oder das Geschäft ganz zu lassen.

92 MEW Band 23 Seite 208.

93 Vgl. Altvater a.a.O. Seite 260

94 Elmar Altvater a.a.O. Seite 297

95 Altvater, a.a.O. Seite 292

96 Elmar Altvater versteht unter der inneren Natur des Menschen die individuelle Gesundheit und unter der äußeren Natur die uns umgebende ökologisch Sphäre.

97 Ebenda. Seite 259

98 Feudalismus, „real existierender“ Sozialismus, die griechische Sklavenhaltergesellschaft und natürlich auch das altindische Gemeinwesen - um nur einige zu nennen.

99 Elmar Altvater a.a.O. Seite 246

100 MEW Band 23 a.a.O. Seite 56

101 Wenn in allen Waren dieselbe Art von konkreter Arbeit steckt, also derselbe Gebrauchswert erzeugt wurde, macht Austausch keinen Sinn, da niemand etwas zu gewinnen hätte.

102 MEW Band 23 a.a.O. Seite 59

103 MEW Band 23 a.a.O. Seite 57

104 MEW Band 23 a.a.O. Seite 407

105 MEW Band 23 a.a.O. Seite 109

106 Werte selbst erscheinen in höchst materiellen Dingen (sie sind ja an den Gebrauchswerte gebunden), jedoch wird man nicht ein einziges Atom „Wert“ auf der materiellen Ebene finden, denn der Wert repräsentiert nur die im Gebrauchswert geronnene menschliche Arbeit.

107 Vgl. Altvater a.a.O. Seite 257 ff.

108 Ebenda Seite 243 ff.

109 Altvater Seite 243

110 Sofern niemand betrogen wurde, hat sich auf der Wertseite keine Veränderung der Wertquanten ereignet.

111 MEW a.a.O. Band 25 Seite 222

112 Altvater a.a.O. Seite 287.

113 Ebenda

114 Vgl. MEW a.a.O. Band 25 Seite 242 ff..

115 Altvater a.a.O. Seite 254.

116 Vgl. „Global 2000“ a.a.O. Seite 479

117 Wicke a.a.O. Seite 531

118 Altvater a.a.O. Seite 288

119 Hierzu Wasmus a.a.O.

120 Dies gilt nur, sofern sich der Anteil an variablem Kapital nicht gleichzeitig erhöht. Doch warum sollte er auch? Die Arbeit vermehrt sich nicht, nur weil die Preise für Rohstoffe gestiegen sind! Selbst im Bereich der Ressourcenförderung muß der Anteil des variablen Kapitals nicht steigen, da davon auszugehen ist, daß der Anteil an konstantem Kapital im gleichen Umfang (oder stärker aufgrund der Produktivkraftentwicklung) wächst.

121 Die Entwicklung der Produktivkräfte senkt unter Umständen auch den Wert der Arbeitskraft, da der Anteil der gesellschaftlich notwendigen Arbeit der zu ihrer Reproduktion notwendig ist zwangsläufig auch fällt.

122 Es gibt keinen mir bekannten Grund nicht hiervon auszugehen. Auch wenn man von einer beschleunigten Entwicklung der Produktivkräfte ausgeht, so ist doch die aus ihr resultierende Verbilligung der Rohstoffe der gesamtgesellschaftlichen Produktion prinzipiell durch die Ressourcenvorkommen selbst begrenzt, während die Steigerung der anthropomorphen Entropie erst mit dem „Wärmetod“ ( in diesem Fall der Vernichtung des Menschen) eine Grenze findet. D.h. selbst bei einer exponentiellen Entwicklung der Produktivkräfte, würde diese dennoch, wenn auch unter Umständen zu einem weit späteren Zeitpunkt, durch die Steigerung der Entropie mehr als ausgeglichen werden.

123 Altvater a.a.O. Seite 288

124 Altvater a.a.O. Seite 287.

125 Vgl. Altvater a.a.O. Seite 297 ff.

126 Vgl. Altvater Seite 288.

127 Altvater a.a.O. Seite 288

128 Ebenda Seite 260.

129 Ebenda Seite 254

130 Altvater a.a.O. Seite 257

131 Vgl. Altvater a.a.O. Seite 258 ff.

132 Vgl. Altvater a.a.O. Seite 259

133 Ebenda Seite 290

134 Siehe Seite 47

135 Altvater a.a.O. Seite 260

136 Ebenda Seite 269

137 Altvater a.a.O. Seite 247

138 Vgl. Altvater a.a.O. Seite 251 und Seite 260

139 Wenn auch der zweite Hauptsatz der Thermodynamik im Hinblick auf die anthropomorphe Entropie nicht prinzipiell gilt, so hat er doch tendenziell seine Gültigkeit nicht verloren.

140 Und zwar durch die Steigerung der systemische Intelligenz.

141 Zumindest solange noch keine (im menschlichen Zeithorizont) unerschöpflichen Energiequellen genutzt werden.

142 Vgl. Altvater a.a.O. Seite 367

Ende der Leseprobe aus 95 Seiten

Details

Titel
Zur Rolle von Natur im sozio-ökonomischen Vermittlungsprozess
Autor
Jahr
2000
Seiten
95
Katalognummer
V97799
ISBN (eBook)
9783638962506
Dateigröße
588 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Rolle, Natur, Vermittlungsprozess
Arbeit zitieren
Karsten Huneke (Autor:in), 2000, Zur Rolle von Natur im sozio-ökonomischen Vermittlungsprozess, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/97799

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