Aspekte von "Ökostädten" - Modellstadt Herne


Seminararbeit, 1997

16 Seiten


Leseprobe


Inhalt

1. Einleitung

2. Konzepte und Maßnahmen zur nachhaltigen Stadtentwicklung
2.1 Aspekte des Ökosystems Stadt und deren Probleme
2.2 Beispiel zur ökologischen und ökonomischen Umgestaltung

3. Flächennutzen
3.1 Wohnflächen
3.2 Verkehr
3.2.1 Verinselung, ein Aspekt der Verkehrserschließung

4. Modellstadt Herne
4.1 Umweltprobleme der Stadt
4.2 Konzepte zur Behebung der Probleme und deren Umsetzung
4.2.1 Flächenrecyclimg und Umgestaltung
4.2.2 Verkehr
4.2.3 Abwasser/ Renaturierung von Bachläufen

5. Fazit

6. Literatur

7. Begriffe

1. Einleitung

Ökologische Städte sind ein Thema, das schon lange die Planung beschäftigt. Nachdem die autogerechte Stadt lange die Stadtplanung beeinflußte, gab es ein Um-denken in der Planung, die den Fußgänger in der Stadt mehr berücksichtigte und auch Konzepte zur Verkehrsberuhigung in Wohnvierteln, und somit mehr Urbanität brachte.

Nun gibt es eine Sensibilisierung des Themas Umweltschutz und Ökologie, dies führte auch zu einem Umdenken in der Planung von Häusern, Straßen und Stadtvierteln.

Eine Ökostadt im wahrsten Sinne des Wortes gibt es noch nicht, aber Konzepte, welche entwickelt wurden und werden, sind ein erster Schritt in die ,,richtige Richtung".

Mit dieser Arbeit versuche ich einige Konzepte darzulegen und am Beispiel der Stadt Herne aufzuzeigen. Die unterschiedlichen Aspekte, die in Herne umgesetzt wurden, sind für andere Städte u.U. eine Möglichkeit, ebenfalls einen Beitrag für die Ökologie zu leisten.

Desweiteren soll verdeutlicht werden, daß eine Bürgerbeteiligung und - unterstützung für die Umsetzung solcher Maßnahmen unumgänglich ist, und jeder Einzelne seinen Beitrag zum Erhalt der Umwelt leisten kann, wie die Einführung des Grünen Punktes beweist.

Dieses Thema kann nur an einigen ausgewählten Beispielen behandelt werden, da sonst der Rahmen dieser Arbeit weit überschritten würde.

2. Konzepte und Maßnahmen zur nachhaltigen Stadtentwicklung

2.1 Aspekte des Ökosystems Stadt und deren Probleme

Die BRD gehört zu den am dichtbesiedeltsten Ländern in der Welt. Die Zunahme der Bevölkerung hat zwangsläufig zu einer immer größeren Inanspruchnahme von Flächen geführt (vgl. auch 3.1), die mit Wohnhäusern, Gewerbebetrieben und Fabriken überbaut wurden. Mehr Wohnungen benötigen zwangsläufig mehr Fläche, die mit Staßen, Höfen und Parklätzen erschlossen werden müssen. (vgl. Hutter, 1985 S. 20)

Die Stadt ist ein Lebensraum für viele Individuen, allerdings führt sie auch zu Problemen in ihrer Beziehung mit der Umwelt. Die hohe Bevölkerungsdichte und Versiegelung von Freiflächen führen zu einem besonderen Stadtklima, einem ,, städtisch-industriellen Ökosystem "( Adam / Grohé, 1984 S.29). Ökologisch Bauen bedeutet nun nicht, daß Häuser aus Holz oder Reetdach gedeckt errichtet werden müssen. Ökologisch Bauen schließt vielmehr die Gesamtheit des Wohnraumes und Wohnumfeldes mit ein. Dazu gehört neben Grünflächen um das Haus oder Parkanlagen in der Innenstadt auch der gesamte Wasserhaushalt (Ver- und Entsorgung), die Energieversorgung, die Abfallentsorgung und als ein wichtiger Faktor die Flächennutzung und Verkehrsplanung (vgl. Kennedy, M, 1984, Bd. 2 S. 83 ff.). Der Wertewandel unserer Gesellschaft hat auch zu einer Neubewertung des Themas Umwelt geführt. Dahinter stehen die Erkenntnisse, daß unsere Umwelt ein empfindliches System ist, in das der Mensch oft gedankenlos eingreift. Wo ökologische Zusammenhänge vernachlässigt werden, führt das oft zu Beeinträchtigungen der Lebensqualität (vgl. Basaltin , 1994, S. 2) ,,Städtische Ökosysteme sind keine selbständigen, in sich geschlossenen Systeme, sondern eng mit ihrer ländlichen Umgebung verbunden. Diese Ver-netzung bezieht sich nicht nur auf die ökologischen Faktoren (Klima, Wasserhaushalt), sondern auch auf die jeweiligen ökonomischen und sozialen Gegebenheiten ." ( Adam / Grohé, 1984 S.29 / vgl. auch Bundesminister des Innern (Hrsg.), 1981, S.63-65).

Dieses ,,besondere" Ökosystem ist gekennzeichnet durch eine erhöhte Umgebungstemperatur (z.B. Straßen und Flachdächer erhitzen sich auf bis zu 80°C), sowie durch eine besondere Bepflanzung (Hemerobiegrade) und dem Mosaikcharakter ( Kulturwüste, terrestische Habiate, limnische Lebensräume (vgl. 7)) ( vgl. dtv-Atlas, 1991 S. 153). Dies führt ebenfalls zu Stadtklima beeinflussenden Windverhältnissen (vgl. Adam/Grohé, 1984, S. 38)

Der Faktor Flächennutzung und Verkehrsplanung hat gerade in der heutigen Zeit und im Ruhrgebiet an Bedeutung gewonnen. In einem der dichtbe- siedeltsten Gebiet der BRD wurde durch die Montanindustrie ein Raubbau an der Natur und Umwelt vorgenommen. Große ehemalige Industrieflächen liegen brach, eine hohe Bodenbelastung mit Schadstoffen liegt vor und die Siedlungen der Arbeiter liegen zentral zu diesen Gebieten. Dies führt zu hohem Verkehrsaufkommen und somit zu Lärm- und Luftbelastungen der Umwelt und Bevölkerung (vgl. ILS, 1984, S. 83; vgl. MURL (Hrsg.): 1992, S.36).

Im Bundesgebiet ist eine Fläche von über fünf Prozent mit Gebäuden überbaut.(vgl. Hutter, 1985, S.20) Das heißt aber nicht zwangsläufig, daß diese Fläche für die Natur verloren sein muß. Gebäude können einer großen Zahl von Pflanzen und Tieren Lebensraum bieten, an und in Wänden, auf Dächern und Dachvorsprüngen. Jeder Haus- und Fabrikbesitzer wäre in der Lage der Natur und der Wohnumfeldqualität durch Haus- oder Flächenbegrünung zu helfen (vgl. LBB, 1995, S. 35-38)

Neben der Planung von oben, also durch Stadt oder Land ist es wichtig, den Bürger mit einzubeziehen, um neben einer Identifikation des Bürgers mit dem Projekt auch nützliche Anregungen aus der Bevölkerung zu erhalten (vgl. Bundesminister des Innern (Hrsg.) 1981, S.23-25).

2.2 Beispiel zur ökologischen und ökonomischen Umgestaltung

Ökologische und wirtschaftliche Ansprüche müssen sich nicht widersprechen. Technische und wirtschaftliche Anforderungen müssen der ökologischen Ver- träglichkeit nicht widersprechen. Es ist erwiesen, daß unter ökologischen Gesichtspunkten realisierte Lösungen sogar kostensparend sein können. (vgl. Basaltin, 1994).

Als Beispiel für eine ökologisch/ ökonomische Umstellung dienen an dieser Stelle die ,,totgepflegten Grünflächen" ( Hutter, 1985, S. 32)

Jahrelang wurden die wildbewachsenen Brachflächen (Straßenränder, Bahndämme, Bushaltestellen usw.) als unschöne, unkrautüberwucherte Ecken angesehen. Frühere Grüninseln, bewachsene Straßenränder, kleinere Vorplätze wurden mit Beton und Asphalt überzogen. Oder die Restflächen wurden so intensiv ,,gepflegt", daß dort nichts mehr leben kann. Selbst heute noch investieren Kommunen viel Zeit und Geld in die Pflege solcher Brach-flächen, um die Wildpflanzungen zu entfernen und zu kultivieren. Kleine naturnahe Flächen werden in sterile, kurz geschorene Rasenflächen umgewandelt oder mit sterilen, exotischen Bodendeckern ausgepflanzt. Der Artenreichtum in Städten und Dörfer verarmt immer mehr (vgl. dtv-Atlas, 1991 S. 150 / 151; vgl. Hutter, 1985, S. 33)

Die Nahrungskette wird durch diese sterilen oder Monokulturell angepflanzten Flächen geschwächt. Somit finden Kleinstlebewesen keine Nahrung mehr und sterben aus, was wiederum Einfluß auf größere Lebewesen hat.(vgl. dtv-Atlas, 1991 S. 61) Um diesen Individuen eine Chance zu geben, würde eine Um-stellung zur naturbelassenen Pflege bestimmter Brachflächen in Städten und Dörfern ökologisch sinnvoll sein und sich auch ökonomisch auf die Finanzsituation einer Stadt auswirken. Meist würde es genügen diese Flächen einmal im Jahr zu mähen und sie ansonsten der natürlichen Entwicklung zu überlassen (vgl.Kennedy, 1984, Bd.2 S.20/21). Zudem sind derartige Freiflächen für das Stadt- und Mikroklima von besonderer Bedeutung. (vgl.Adam/ Grohé, 1984, S. 38 ff.).

3. Flächennutzen

3.1 Wohnflächen

Im Ruhrgebiet werden 44% der Gesamtfläche als Siedlungsfläche genutzt. Der Anteil der Siedlungsfläche in den Städten Bochum, Oberhausen, Gelsenkirchen und Herne beträgt sogar mehr als 2/3 der Gesamtfläche. Zur Zeit werden pro Minute 146 m2 Freiraum verbraucht. Dies bedeutet Verlust von landwirtschaftlich genutzten Flächen, Wäldern, Biotopen, und Erholungs- bereichen. Der Schutz von Freiraum ist eine ,,umweltpolitische Aufgabe höchsten Ranges" (KVR, 1989, S.3)

In dem Bemühen um humanere Städte sollte auch die kommunale Planung sich stärker mit den stadtklimatologischen Erkenntnissen auseinandersetzen und sie bei anstehenden Vorhaben intensiver als bisher berücksichtigen. Der Ausbau und der Erhalt von Grünflächen sind von zentraler Bedeutung für das Stadtklima Die Grünflächen haben auch die Funktion der Wohnumfeld-verbesserung, innerstädtischer Erholung und stellen eine für Kinder wichtige Beziehung zu Jahreszeit, Witterung und Tierwelt dar. (vgl. Adam/ Grohé, 1984, S. 48; vgl. Steinebach 1993, S. 57)

Eine wesentliche Einflußgröße für den Flächenbedarf sind die Wohnflächen- ansprüche der Bevölkerung. Mit wachsendem Lebensstandard, steigt der Raumbedarf für Freizeitaktivitäten und die Wohnugsbelegung (Single- Haushalte) sinkt, somit steigt der Flächenbedarf für Wohnräume an. (vgl. Bundesministerium f. Raumordnung, 1996, S. 21-24) Desweiteren steigt die Anzahl der Ein- und Zweifamilienwohnhäuser, die ebenfalls eine geringere Wohndichte aufweisen und zum Flächenverbrauch beitragen. Abhilfe würde der ,,verdichtete Flachbau" (Kennedy, 1984, Bd.1 S.37) schaffen, welcher Grundstücken eine Größe von 150-250 qm einräumt. Das entspräche etwa 40-60 Häusern mit 200-250 Einwohnern je ha Wohnbauland, etwa die Hälfte des Anspruchs heutiger Mehrfamilienhäuser.

3.2 Verkehr

Für die zielorientierte Bevölkerung gilt ,,Distanzen werden in Minuten und nicht in km wahrgenommen" (Bundesministerium f.Raumordnung, 1996, S. 74). Der Wohnort wird anhand der Anbindung an das regionale und überregionale Straßennetz ausgewählt.

Verkehr wirft viele Probleme auf, wie z.B. als Verbindungsweg durch Ortschaften trennt eine Straße Menschen, gewachsenen Strukturen aber auch die Lebensräume der Tiere (vgl. 3.2.1).

Die hohe Flächeninannspruchnahme im Verhältnis der Nutzung ist ein weiterer Nachteil. Rund 5% der Fläche der BRD ist von Verkehrswegen bedeckt. Eine ebene 6-spurige Autobahn benötigt 7.7 ha/km Straßenlänge, dies verdeutlicht, inwieweit Verkehrswege Freiflächen ,,verschlingen". (vgl. dtv-Atlas, 1991, S. 157).

Lärm und Abgase belasten die Umwelt und den Menschen. Auf einer innerstädtischen Hauptstraße liegt der Lärmpegel häufig schon bei 90 db(A). Rund 50% der Bürger fühlen sich durch den Verkehrslärm belästigt. Das hohe Verkehrsaufkommen liegt an der hohen Mobilität des Einzelnen, der seine Bedürfnisse (Wohnen, Arbeiten, Erholung, Versorgung) flexibel gestaltet und deckt (vgl. Steinebach, 1993, S. 192-195)

Eine geänderte Planung für ÖPNV und ein gutes Fuß- Radwegenetz sind die Grundvoraussetzungen, den motorisierten Individualverkehr zu verringern. Dazu gehört aber auch wiederum die Bereitschaft des Bürgers diese Angebote stärker zu nutzen, wie z.B. in Aachen. Neben dem Ausbau des ÖPNV durch die Planung (Busspuren, Ampelvorrang), findet das Projekt ,,Fuß-gängerfreundliche Innenstadt" besonderen Anklang in der Bevölkerung. Die jährlichen Fahrgastzahlen stiegen in den Jahren 1987-1991 von 36 auf 52 Millionen. Die Sperrung der Innenstadt für Autoverkehr am Samstag führte entgegen der allgemeinen Meinung nicht zu einem Rückgang der Umsätze und die Fußgängerzahlen stiegen von 30% auf 36%. (vgl. MURL (Hrsg.) 1993, S. 19 / 20)

3.2.1 Verinselung, ein Aspekt der Verkehrserschließung

Durch die Umwandlung von Äckern, Wiesen, Wald und Streuobstflächen in Siedlungen, Industriegebieten und Verkehrsflächen ist der Landschafts- verbrauch deutlich angestiegen. Von der Siedlungsfläche ist ein Großteil durch Beton und Asphalt wasserundurchlässig versiegelt. (Hutter,1985, S. 20)

Siedlungsflächen mit den versiegelten Flächen bedeuten Lebensraumverlust für viele Tierarten. Dabei sind nicht nur Kleinstlebewesen betroffen, sondern auch größere Tierarten, wie Störche, Kraniche, Wiedehopf u.a. Sodann werden in vielen Gegenden die charakteristischen Landschaftsbestandteile großflächig vernichtet.

Die Zerschneidung der Landschaft durch Straßen (Verinselung) wirkt sich weiter auf die Tier und Pflanzenwelt aus. Viele Tiere sind außerstande die Straßen zu überqueren. Stirbt eine Tierart auf einer von Straßen umgebenen Insel aus, bleibt diese Fläche meistens verwaist. Diese Verwaisung betrifft zum Teil auch Inseln von der Größe mehrer Quadratkilometer (vgl. dtv-Atlas, 1991, S. 156 / 157).

Eine Maßnahme zur Vermeidung des Verinselungseffektes sind sogenannt Durchlässe, die vor allem für Kleintiere ( Spinnen, Kröten, Igel usw.) unter Straßen problemlos angelegt werden könnten. Durch eine geeignete Randbebauung könnte das Wanderverhalten der Tiere in Richtung des Durchlasses gelenkt werden (vgl. Basaltin GmbH, 1994, S. 17)

4. Modellstadt Herne

Durch das Modellprojekt ,,Ökologische Stadt der Zukunft" soll der ökologische Stadtumbau in NRW gefördert werden. Aus einer Reihe von Bewerbungen wurden drei Städte ausgewählt, dazu gehören Aachen, Hamm und Herne. Diese Städte sollen sich während eines zehnjährigen Zeitraums zu ökologischen Modellstädten entwickeln, die richtungsweisend für eine umwelt-gerechte, zukunftsorientierte Stadtentwicklung sind. Desweiteren sollen konkrete Maßnahmen und Projekte zur Lösung kommunaler Umweltprobleme durchgeführt und die Erfahrungen anderen Stadtplanern zugänglich gemacht werden (vgl. Richter, K.; Bongartz, M, 1994, S.45 / 46).

Am Beispiel Herne soll im folgenden die Umweltprobleme und Maßnahmen zur Umgestaltung aufgezeigt werden.

4.1 Umweltprobleme der Stadt

Herne ist eine aus der Bergbaugeschichte geprägte Stadt. Die Stadtent-wicklung war in den letzten 150 Jahren auf den Bergbau und seine Belange ausgerichtet. Der Arbeitskräftebedarf, den die 48 Schachtanlagen mit den angegliederten Produktions und Weiterverarbeitungsanlagen benötigten, ist ein Grund dafür, daß Herne mit 70% Siedlungsflächenanteil die dichtbe-siedelste Stadt im Ruhrgebiet ist. An vielen Stellen findet sich Gemengelagen.

Neben der hohen Dichte und der damit verbundenen Versiegelung, sowie dem fehlenden Freiräumen ist das dichte Verkehrsnetz ein weiteres Umweltproblem, das durch die hohe Belastung des innerörtlichen Verkehrs und der damit verbundenen Lärm- und Luftbelastung gekennzeichnet ist.

Durch die hohen Schadstoffeinträge der Industrie kann, selbst 13 Jahre nach Schließung der letzten Zeche, eine hohe Grundwasser und Bodenbelastung festgestellt werden. Dazu kommt die frühere Umwandlung der Gewässer in offene Abwasserkanäle, was heute die angrenzenden Wohngebiete ebenfalls belastet.( vgl. MURL (Hrsg.), 1993, S.59 -61; vgl. Richter, K.; Bongartz, M, 1994)

Neben den vielen Umweltproblemen kämpft die Stadt Herne mit einer durch den Abbau der Kohle- und Montanstandorte bedingten Arbeitslosenquote, die zu den höchsten im Ruhrgebiet gehört. (vgl. MURL(Hrsg.), 1992, S.36)

4.2 Konzepte zur Behebung der Probleme und deren Umsetzung

4.2.1 Flächenrecycling und Umgestaltung

Die fehlenden Frei- und Grünflächen in Herne haben zu einem Umdenken in der Planung geführt. Neben der Aufbereitung alter Industriebrachen zu Grün- flächen und ist Flächenrecycling zu einem Schlagwort der Stadtentwicklung geworden. Unter Flächenrecycling verstehen die Stadtplaner, Wohn- und Gewerbeneuansiedlung und Betriebsverlagerung auf alte verlassene Gewerbegebiete. (vgl. MURL, 1992, S.36)

Durch Analysen des Bodens kann die Belastung sehr differenziert festgestellt werden. Die Erfahrung aus Analyse und Sanierung ermöglicht die Erstellung eines Bodenkatasters, um Bewertungsstandards zur Einteilung von Standortund Bodenqualität auch für andere Standorte zu erhalten.

Die Sanierung einer ,,bewohnten" Altlast soll am Beispiel Leipnizstraße in Herne dargestellt werden.

Das ehemalige Zechengelände an der Leipnizstraße wurde 1982 mit 40 Ein- familienhäusern bebaut. Während der Baumaßnahmen wurde eine Kontaminierung des Bodens mit PAK- Rückständen (vgl.7) bis in Ober- flächennähe festgestellt. Bei Untersuchungen in den Jahren 1984-1987 konnten für Kokerei-standorte typische Bodenverunreinigungen festgestellt werden, die bei direkten Einwirkungen auf den Menschen krebserregend wirken. Nach Sicherung der unbebauten Grundstücke sollte entschieden werden, welche Sanierungsmaßnahmen erfolgen sollten. Dabei wurde die Wohnbe-völkerung, die bereits in ihren Häusern eingezogen waren, in die Überlegungen, durch die Wahl eines Siedlungssprechers, der die Interessen der Betroffenen gegenüber den Behörden vertreten und bei den Renaturierungsarbeiten an den wöchentlichen Baubesprechungen teilnehmen sollte, aktiv mit einbezogen. Daher war die technische Ausführung der Sanierung nicht so außergewöhnlich, wie die Zusammenarbeit der Beteiligten.

Viele der Projekte konnten nur mit Zustimmung aller Wohnbeteiligten durchgeführt werden, dazu zählt das Sanierungsprogramm, das im Zeitraum 1986 -1988 entwickelt und 1992 weitgehendst verwirklicht wurde.

Das Besondere an diesem Konzept war, daß ein Teil der zum Bau bestimmten Fläche zur Abraumfläche umfunktioniert wurde und dort der belastete Bodenaushub gesichert eingebaut wurde. Mit einer Schutzschicht sauberem Lette- Boden wurde das Gelände abgedeckt, gestaltet und rekultiviert. Diese Fläche steht nun den Bewohnern als Spielplatz zur Verfügung. (vgl. MURL, 1993, S. 70)

4.2.2 Verkehr

Herne hat sich zur Neustrukturierung seines Verkehrskonzeptes drei Schwerpunkte ausgewählt. Für den ÖPNV wird ein Beschleunigungsprogramm entwickelt, um die Attraktivität zusteigern.

Ein flächendeckendes Verkehrsberuhigungskonzept soll 50% der Herner Straßen auf Tempo 30 Zonen reduzieren.

Zur Wohnumfeldverbesserung werden die Straßen schrittweise zurück- und umgebaut. Desweiteren findet ein Ausbau des Radwegenetzes statt. Die Stadt selbst stellt für ihre Angestellten Dienstfahrräder bereit und bietet kostengünstige Bus und Bahn Tickets an. (vgl. MURL, 1992, S. 37)

Die Förderung des Radverkehrs zeigt sich auch in der Einrichtung von Bike- und Ride- Anlagen an U-Bahn Haltestellen, wo z.T. schon sichere Abstellplätze für Fahrräder geschaffen wurden. Nebenbei wird die Attraktivität des ÖPNV durch den Ausbau dieser sicheren Abstellmöglichkeiten der Räder weiter gefördert.

Zur Schaffung von Spielmöglichkeiten für Kinder ,,vor der Haustür" will die Stadt Herne bisherige Tempo-30-Zonen in einigen Abschnitten vom ruhenden und fließendem Individualverkehr befreien und zu sicheren Spielbereichen umgestalten. (vgl. Stadt Herne, 1996, S. 11). Eines dieser Umgestaltungs-projekte lief unter dem Titel ,,Komm, wir planen unsere Straße!". Bei diesem Projekt sind Kinder die Hauptakteure im Planungsprozess. Die ausgewählte Gelsenkirchener Straße diente zu diesem Zeitpunkt nicht mehr der Hauptverbindung sonder endete in einer Sackgasse. Bei einer Spielraum-analyse allerdings wurde festgestellt, daß die Kinder große, nicht beanspruchte Flächen kaum zum spielen nutzten. Auch die Erwachsenen nutzten die Straße nicht als kurzen Treffpunkt zur Kommunikation sondern nur als Durchgangsbereich. Neben diesen Erkenntnissen war ein weiteres Augenmerk auf die Geh- Situation der Kinder gerichtet. Kinder gehen nicht auf kürzestem Weg, sondern beziehen Raumelemente (Gehwegkanten, Beetbegrenzungen) zum balancieren oder hüpfen mit ein. Neben diesen Beobachtungen wurden die Trampelpfade und Verstecke der Kinder in die Planung mit einbezogen, um die Spielraumqualität zu sichern. Die Kinder konnten nun mit Hilfe von Ton, Papier und Stiften Zeichnungen und Modelle ihre Vorstellungen darlegen, die dann von Planung und Tiefbauamt der Stadt umgesetzt wurden. (vgl. MURL, 1993, S. 78/79; vgl. MURL, 1994, S.25)

4.2.3 Abwasser / Renaturierung von Bachläufen

Abwasserregulierung und Renaturierung von Bächen gehen in Herne Hand in Hand, da viele der ehemals natürlichen Bäche und Flüsse des Emschersystems in Abwasserkanäle umfunktioniert wurden. Mit dem Rückzug der Bergbauindustrie lassen nun auch die Bergsenkungen nach und die befestigten Flüsse und Bäche können renaturiert werden.

Ein Vorteil der wegen der Bergsenkungen nur oberirdisch befestigten Flüsse ist, daß zur Renaturierung keine großen Erdarbeiten nötig sind, sondern die Betonsohlen und Uferbefestigungen ,,lediglich" entfernt werden müssen und eine natürliche Uferbefestigung bis hin zur Auenlandschaft geschaffen werden muß.

Die bisherigen Abwässer werden durch parallel angelegte Kanäle geführt und zu mehreren neuerrichteten Kläranlagen geleitet.

Mit der Herausnahme des Abwassers ist die Renaturierung noch nicht abgeschlossen, die Bäche und Flüsse werden durch Baumaßnahmen auf die natürlichen Gegebenheiten Niedrigwasser und Hochwasser vorbereitet. Zu diesen Baumaßnahmen gehören Regenrückhaltebecken, die als Teich ausgestaltet eine eigene ökologische Qualität besitzen. Eine verzögerte Zuleitung des Regenwassers über kiesgefüllte Gräben (Rigolen) ist in Erprobung und durch eine Änderung im Bebauungsplan versucht die Stadt bei Neubauten und Anlegung von befestigten Flächen die Verwendung wasserdurchlässiger Materialien zu fördern und prüft die Möglichkeit von Versickerungsmaßnahmen. (vgl. MURL, 1993, S.73-75; vgl. Stadt Herne, 1996, S. 13)

5. Fazit

Durch den Rückzug der Montanindustrie in Herne ergibt sich ein tiefgreifender Strukturwandel, der neben der Änderung der Arbeitsplatzsituation auch für Verbesserungen im Umweltsektor zu nutzen ist.

Um dieses Projekt durchzuführen waren nicht nur politische Willensbildung sondern auch rechtliche Rahmenbedingungen zur Umsetzung nötig. Auch Landesfinazierungshilfen haben die finanziellen Möglichkeit geschaffen, die ehrgeizigen, zukunftsorientierten Pläne umzusetzen. Daher ist dieses gelungene Modellprojekt ein wichtiger Schritt in die richtige Richtung. Auf die gesamte Situation der Region Ruhrgebiet gesehen aber nur der berühmte Tropfen auf dem heißen Stein.

Die Verbesserungen durch das Projekt, die sich aus ökologischer Sicht für die Umwelt ergeben, schließen den Menschen, als Bewohner der Stadt mit ein. Langfristig gesehen fördern sie den Erhalt einer natürlichen Umwelt und somit die Urbanität der Industrielandschaft.

Durch geeignete Maßnahmen im eigenen Wohnumfeld hat jeder Einzelne die Möglichkeiten zur Umgestaltung, kann jeder zur Verbesserung der Natur und seines Wohnumfeldes beitragen.

Die Anlage von Grünflächen, Verkehrsberuhigungskonzepte in z.B. Zone 30 Quartiere und Renaturierung in der Stadt verbessern nicht nur das Stadtklima, auch die Erholungsmöglichkeiten werden vielfältiger und Kinder können in einer natürlicheren Umgebung aufwachsen. Dies bedeutet, daß ,,eine ökologische Stadt zugleich auch eine soziale Stadt ist."(MURL, 1993, S.79)

6. Literatur

Adam,K ; Grohé, T (Hrsg.) : Ökologie und Stadtplanung - Erkenntnisse und praktische Beispiele integrierter Planung, Bonn 1984

Agrarsoziale Gesellschaft e.V. (ASG): Ökologie und Bürgerbeteiligung in der Dorferneuerung, ASG- Kleine Reihe Nr. 48, Göttingen 1991

AID- Auswertungs- und Informationsdienst für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten e.V.(Hrsg.): Bäume im ländlichen Siedlungsbereich, Göttingen 1992

Basaltin GmbH : Ökologische Flächenbefestigungssysteme, Niederdreisbach 1994

Bundesminister des Innern (Hrsg.): Was Sie schon immer über Umweltschutz wissen wollten, Berlin 1991

Bundesministerium für Raumordnung, Bauwesen und Städtebau (Hrsg.):

Dezentrale Konzentration- Neue Perspektiven der Siedlungsentwicklung in den Stadtregionen?, Schriftenreihe "Forschung" Heft 497, Bonn 1996

Deutsche Gartenbau Gesellschaft (Hrsg.): Natur im Städtebau, Münster 1988 dtv-Atlas zur Ökologie, Tafeln und Texte, (Herget, M. / Heinrich, D.) München 1991 (2.Aufl.)

Falck, P.: Vergleichende Vorstellung statistischer Informationssysteme. Das Geographische Umweltinformationssystem der Stadt Herne - ein statistisches Informationssystem?

aus: Stadtforschung und Statistik, Bd. 3, Heft 1/2, S. 19-31, Duisburg 1990

Grebe, R.: Leben in der Stadt Mensch Umwelt Natur Gärten - Information zu Grün in Erlangen `82, Nürnberg 1982

Höfener, H.: Zwischen Apokalypse und Paradies- Bausteine zu einer Geschichte des Umweltschutzes, Band 2, Witten 1983

Hutter, C.-P.: Naturschutz in der Gemeinde- Praktischer Ratgeber für

Jedermann, Stuttgart 1985

Institut für Landes- und Stadtentwicklungsforschung NRW (ILS) (Hrsg.):

Landes-, Regional- und Stadtplanung der 80er Jahre - Rahmendaten, Tendenzen, Erwartungen, Konzepte Dortmund 1983, Reihe 2, Band 2.044

Kennedy, M: Öko-Stadt - Prinzipien einer Stadtökologie, Bd. 1 u.Bd. 2 , Frankfurt a.M. 1984

Kommunalverband Ruhrgebiet (Hrsg.) : Freiraumsicherung durch Grunderwerb, Essen 1989

Stadt Herne (Hrsg.): Herne: Ökologische Stadt der Zukunft- Kursbuch 2000, Herne 1996

Stadt Herne (Hrsg.): Auszug aus Zwischenbericht 8 / 96, Herne 1996

Landesinstitut für Bauwesen und angewandte Bauschadensforschung (LBB)

(Hrsg.): Ökologische Wohnumfeldgestaltung Tagungsband des 3. Europa-

Symposiums zum ökologischen Bauen vom 30. November bis 2. Dezember 1994 in Maastricht, Niederlande, Aachen 1995

Ministerium für Umwelt, Raumordnung und Landwirtschaft (MURL) (Hrsg.): Ökologische Stadt der Zukunft- Zwischenbericht 1994 zum Modellprojekt der Landesregierung NRW, Düsseldorf 1994

Ministerium für Umwelt, Raumordnung und Landwirtschaft (MURL)(Hrsg.): Ökologische Stadt der Zukunft- Konzepte und Maßnahmen der Modellstädte, Düsseldorf 1993

Ministerium für Umwelt, Raumordnung und Landwirtschaft (MURL)(Hrsg.): Modellprojekt ökologische Stadt der Zukunft, Düsseldorf 1992

Neddens, M.-C.: Ökologisch orientierte Stadt-und Raumentwicklung: Genius Loci, Wiebaden 1986

Reinirkens, P.: Siedlungsböden im Ruhrgebiet, Schöning 1991

Richter, K.; Bongartz, M.: Modellprojekt "Ökologische Stadt der Zukunft" Der

Startschuß ist gefallen aus: Landesanstalt für Ökologie, Landschaftsentwicklung und Forstplanung NRW Bd. 19, Heft 1, Recklinghausen 1994, S.45-48

Steinebach, G., Ökologie in der Stadt- und Dorfplanung, Bonn 1993

7. Begriffe

Hemerobiegrade

Kulturwüste PAK

limnische Lebensräume terrestische Habiate

Kennzeichnung der Intensität des menschl. Einflusses, der sich im Anteil Neophyten und

Therophyten am Artenbestand der Gefäß-pflanzen unterscheidet

Bauwerke

Polycyclische aromatische Kohlenwasserstoffe. Aromatische Verbindungen, deren Molekülgerüst aus mehreren Benzolringen besteht. Krebs-

erzeugende PAK können bei unvollständigen Verbrennungsprozessen gebildet werden

Flüsse, Teiche, Bäder, Brunnen

Garten, Grünanlagen, Friedhöfe, Sportplätze und Müllhalden

Ende der Leseprobe aus 16 Seiten

Details

Titel
Aspekte von "Ökostädten" - Modellstadt Herne
Hochschule
Ruhr-Universität Bochum
Autor
Jahr
1997
Seiten
16
Katalognummer
V98414
ISBN (eBook)
9783638968652
Dateigröße
415 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Aspekte, Modellstadt, Herne
Arbeit zitieren
Mathias (Autor:in), 1997, Aspekte von "Ökostädten" - Modellstadt Herne, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/98414

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