Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung
2. Der Übersetzungsprozeß
2.1. Die Übersetzungseinheiten
2.2. Die literarische Übersetzung
3. Die Textanalyse
4. Die Äquivalenzkategorien
4.1. Denotative Äquivalenz
4.2. Konnotative Äquivalenz
4.3. Textnormative Äquivalenz
4.4. Formal-ästhetische Äquivalenz
4.5. Pragmatische Äquivalenz
5. Zusammenfassung
6. Bibliographie
1. Einleitung
,,Dichtung ist unübersetzbar. Ihr Klang ist unübersetzbar, ihr Rhythmus, ihre Melodie" (M. Wandruszka 1967, bei Koller 51997:160).
Wandruszkas Apell gegen übersetzte Dichtung hält L. Bloomfield entgegen:
As to denotation, whatever can be said in one language can doubtless be said in any other: the difference will concern only the structure of the forms, and their connotation (1935, ebd.:161).
Wandruszka und Bloomfield vertreten zwei unterschiedliche Ansichten der Übersetzungstheorie: einerseits die generelle Frage nach der Übersetzbarkeit unter dem Aspekt von Dichtung als einem Ganzen von Form und Inhalt, das zum Zweck der Übersetzung notwendigerweise in seine Bestandteile aufgelöst seinen Status als Kunstwerk einbüßt und somit unübersetzbar ist; andererseits die wissenschaftliche Aufgliederung in ,,denotation", ,,structure" und ,,connotation" als Mittel zur Analyse des einzelnen Elements, für das eine Entsprechung in der Zielsprache zu setzen ist.
Bloomfield leugnet gewiß nicht, daß gerade ,,the structure of the forms, and their connotation" das ausmachen, was Wandruszka an Dichtung für unübersetzbar hält, spricht jedoch in diesem Zusammenhang nicht von Unmöglichkeit der Übersetzung, sondern lediglich von ,,difference" und verweist damit auf die Problematik der literarischen Übersetzung, mit der sich diese Arbeit beschäftigt. Denn ob übersetzbar oder nicht ist Dichtung von jeher unter verschiedenen Aspekten und mit unterschiedlichen Ergebnissen übersetzt worden, und die Übersetzer sahen sich dabei immer wieder mit den gleichen Problemen konfrontiert.
Diese der Übersetzung von Dichtung immanenten Probleme und Herausforderungen sollen hier anhand ausgewählter Beispiele aus den Übersetzungen von Benno Geiger (1960) und Ida und Walther von Wartburg (1963) des Gesangs Purgatorio VIII aus Dante Alighieris Divina Commedia dargelegt und ihre verschiedenen Lösungen nachvollzogen und diskutiert werden. Denn, wie Werner Koller betont, läßt sich ,, Übersetzen als Wahl- und Entscheidungsprozeß [...] besonders anschaulich beobachten [...,] wenn mehrere Übersetzer denselben Text übersetzen" (Koller 51997:103).
Die Zitate der Übersetzungen folgen dabei der Vorlage von Esther Ferriers Werk Deutscheübertragungen der ,Divina Commedia` Dante Alighieris 1960-1983. Die italienischen Textzitate sind nach der Vorlage Dante Alighieri: La Divina Commedia, erschienen 1985 bei Arnoldo Mondadori Editore in Mailand wiedergegeben1. Lexikalische Übersetzungen habe ich Pons Kompaktwörterbuch italienisch/deutsch - deutsch/italienisch entnommen. Die Zitate aus Villaroels Kommentar zur Divina Commedia habe ich selber übersetzt.
Die verwendeten Abkürzungen entsprechen der Fachterminologie:
AS: Ausgangssprache
ZS: Zielsprache
V: Vers
2. Der Übersetzungsprozeß
Jacob Grimm hat eine illustre Beschreibung für den Übersetzungsprozeß gegeben:
übersétzen ist `übersetzen, traducere navem. wer nun zur seefahrt aufgelegt, ein schiff bemannen und mit vollem segel an das gestade jenseits führen kann, musz dennoch landen, wo andrer boden ist und andre luft streicht (1847, ebd.:24).
Hans-Georg Gadamer vergleicht den Übersetzer dem Götterboten Hermes, der ebenfalls ,,ein in fremder oder unverständlicher Weise Geäußertes in die verständliche Sprache aller übersetzt" (Gadamer 1968:32).
2.1. Die Übersetzungseinheiten
Technisch läßt sich der Übersetzungsprozeß beschreiben als Analyse des AS-Textes, die zur Einteilung in Ü bersetzungseinheiten führt. Für die Übersetzungseinheiten des AS-Textes werden Einheiten im ZS-Text gesetzt, aus denen schließlich der ZS-Text synthetisiert wird (Koller 51997:98). In einer ersten Annäherung läßt sich als Übersetzungseinheit das beschreiben, ,,was in der AS als Sinneinheit erscheint" (ebd.:99). Präziser jedoch formuliert O. Kade:
Die Übersetzungseinheit ist das jeweils kleinste Segment des AS-Textes, für das dank der potentiellen Äquivalenzbeziehungen ein Segment im ZS-Text gesetzt werden kann, das die Bedingungen der Invarianz auf der Inhaltsebene erfüllt (Kade 1986, ebd.:100).
Diese Definition bezieht zwar die ZS in die Bestimmung der Übersetzungseinheiten mit ein, kann jedoch nicht das Problem lösen, daß eine Übersetzungseinheit eine ,,variable Größe" (Koller 51997:100) ist.
Auf dieser Grundlage unterscheidet Koller vier Formen sprachlich klar abgegrenzter Übersetzungseinheiten (ebd.:100f.):
a) die Übersetzungseinheit des Wortes,
b) die Übersetzungseinheit des Syntagmas,
c) die Übersetzungseinheit des Satzes,
d) die Übersetzungseinheit des Textes bzw. des Textabschnittes.
2.2. Die literarische Übersetzung
In der literarischen Übersetzung jedoch reicht es nicht aus, kategorisch für jede aus dem AS- Text herausgelöste Übersetzungseinheit eine Entsprechung in der ZS zu finden, oder wie Gadamer ,,das ganze Elend des Übersetzens" (Gadamer 1970:84) formuliert, ist es nicht möglich, ,,die Einheit der Meinung, die ein Satz hat" durch ,,bloße Zuordnung von Satzgliedern zu den entsprechenden Satzgliedern der anderen Sprache" (ebd.) zu treffen. Vielmehr besteht an die Übersetzer die Herausforderung, ,,,den originalen künstlerischen Willen mit den Mitteln einer anderen Muttersprache` nachzuvollziehen" (Kloepfer 1967, bei Lorenz 1996:558) und zu versuchen, ,,,ein dem Original zumindest analoges Ganzes`" (ebd.) zu schaffen.
Dieser Aufgabe in allen Aspekten gerecht zu werden, ist ein unmögliches Unterfangen. Hermann Gmelin hat 1954 in seiner Übersetzung zu dem Hilfsmittel des Kommentars gegriffen, um Textstellen, für die in der ZS kein selbsterklärendes Äquivalent zu finden war, kulturelle und außersprachliche Zusammenhänge zu erläutern. Koller betont die Notwendigkeit, ,,stark AS-sprach- und -kulturgebundenen Texten" (Koller 51997:200) einen solchen Kommentar im Interesse des Textverständnisses anzufügen, denn ,,der AS-Autor kann vieles ,ungesagt` lassen, implizit voraussetzen. Implizite Voraussetzungen muß der Übersetzer explizit machen, wenn er weiß, daß die ZS-Empfänger nicht über die gleichen Wissensvoraussetzungen verfügen" (Koller 1987, bei Ferrier 1994:640). Ein solcher Kommentar geht aber immer auf Kosten anderer Ä quivalenzkategorien (s. 4.), vor allem der Lesbarkeit und der formal-ästhetischen Äquivalenz (Koller 51997:228).
Weder Benno Geiger noch Ida und Walther von Wartburg haben ihre Übersetzungen derart detailliert kommentiert wie Gmelin und mußten somit noch mehr als jener darauf bedacht sein, den Anforderungen der Äquivalenzkategorien zu genügen.
3. Die Textanalyse
Bevor ein Übersetzer seine Arbeit angeht, hat er eine Wahl zu treffen, welche Werte des zu übersetzenden Textes von vorrangiger Bedeutung sind. Daraus läßt sich dann die für seine Übersetzung konstitutive Hierarchie deräquivalenzkategorien ableiten (Koller 51997:266). Der Aufstellung dieser Hierarchie ,,muß eine ü bersetzungsrelevante Textanalyse vorausgehen" (ebd.). Zum besseren Verständnis sei der Diskussion der Äquivalenzkategorien und ihrer Wertung in den jeweiligen Übersetzungen eine knappe Inhaltsangabe der zitierten Terzinen aus Purgatorio VIII vorangestellt2:
Der Gesang leitet ein mit einer melancholischen Beschreibung der Abendstunde, in der die Seefahrer und Pilger das Heimweh anheim fällt und ihnen sehnsuchtsvoll den Tag des Abschieds von ihren Freunden in Erinnerung ruft (V 1-3). Dante lauscht den Gesängen Sordellos, bis seine Aufmerksamkeit von einer Seele, die mit der Hand winkt abgelenkt wird (V 7-9). Die Seele stimmt den Abendhymnus Te lucis ante an, und die süßen Klänge versetzen Dante regelrecht in Ekstase (V 13-15). Er betrachtet das Heer der büßenden Seelen, die, die Augen gen Himmel gerichtet, blaß und demütig das Erscheinen der Wächterengel erwarten (V 22-24). Sordello erklärt, daß die Engel aus dem Empireo der Jungfrau Maria herabgestiegen sind, um das Tal vor der Schlange zu bewahren, die allabendlich erscheint, um die Seelen durch das Angstmoment Buße tun zu lassen (V 37-39). Dante, der als Sterblicher nicht gegen die Versuchung gefeit ist, sucht vor Furcht schaudernd Zuflucht an Vergils Schulter, da er nicht weiß, aus welcher Richtung die Schlange zu erwarten ist (V 40-42). Darauf schlägt Sordello vor, in das Tal der harrenden Fürsten hinabzusteigen, die sich freuen würden, die Wanderer zu sehen (V 43-45). Dante erkennt seinen Jugendfreund Nino Visconti, sie bewegen sich aufeinander zu, und Dante ist erfreut, Visconti nicht unter den Sündern in der Hölle angetroffen zu haben (V 53-54). Auf Dantes Mitteilung, er wandere als Lebender durch das Reich der Toten hin wendet sich Sordello überrascht an Vergil und Visconti an einen dort Sitzenden, dem er zuruft zu kommen und zu sehen, was Gottes Gnade möglich gemacht hat (V 64-66).
4. Die Äquivalenzkategorien
Koller unterscheidet fünf Bezugsrahmen, innerhalb derer eine Gleichwertigkeit zwischen ASund ZS-Text anzustreben ist. Er nennt sie Ä quivalenzkategorien (Koller 51997:216):
a) den auß ersprachlichen oder inhaltlichen Sachverhalt, den ein Text vermittelt nennt er denotativeäquivalenz;
b) die vom Text durch eine Auswahl unter synonymischen Ausdrücken vermittelten Konnotationen bezüglich Frequenz, Stilschicht oder soziolektalen Dimensionen nennt er konnotativeäquivalenz;
c) die für bestimmte Texte und Textgattungen geltenden Text- und Sprachnormen nennt er textnormativeäquivalenz;
d) die auf den Empfänger (Leser) und die Rezeptionsvoraussetzungen gerichteten kommunikativen Funktionen einer Übersetzung nennt er pragmatischeäquivalenz;
e) die Gestaltung bestimmter ä sthetischer und formaler Eigenschaften nennt er formalästhetischeäquivalenz.
4.1. Denotative Äquivalenz
Es sei nochmals auf Bloomfield verwiesen, der davon ausgeht, daß, was immer in einer Sprache gesagt werden kann, in jeder anderen zumindest auf inhaltlicher Ebene wiedergegeben werden kann (s. 1.). Kade spricht von der ,,rationalen Komponente des Informationsgehalts sprachlicher Texte" (Kade 1971, ebd.:161), die prinzipiell immer übersetzbar ist.
Der außersprachliche Sachverhalte, den die Verse 7 und 8, ,,quand`io incominciai a render vano/ l`udire [...]", vermitteln, ist im Deutschen schwer nachzubilden. Für das Syntagma render vano gibt es keine standardisierte Übersetzung, und jede Umschreibung muß die ,,scholastische Lehre von der Einheit der Seele, deren verschiedene Kräfte nicht gleichzeitig wirken" (Ferrier 1994:262) vermitteln. Wartburgs haben interlinear übersetzt: ,,Als ich begann, mich langsam zu verschließen/ dem Sinn des Hörens [...]". Langsam verschließ en gibt zwar wieder, daß Dantes Seelenkraft des Hörens abgelöst wird, als sein Auge auf etwas aufmerksam wird (ebd.), doch haben Wartburgs auch das Verb incominciare übernommen, das im Deutschen anders als im Italienischen Aktivität auf seiten Dantes impliziert. Villaroel unterstützt diesen Aspekt: ,,Dante smette deliberatamente di ascoltare Sordello3 " (Villaroel 1985:370). Dies steht im Widerspruch zu der vermittelten Einheit der Seele.
Geiger hat den Sachverhalt subtiler getroffen. Seine Übersetzung ,,als mir so ward, wie wenn mein Hören schwände" betont, daß die Wahrnehmung ,,unabhängig vom Willen, auf Impulse von außen" (Ferrier 1994:263) erfolgt4.
Passagen wie V 45, ,,grazïoso fia lor vedervi assai", zeigen, daß Übersetzen gemäß Kloepfer notwendigerweise ,,eine Form des [...] Deutungsversuchs von Dichtung" (Kloepfer 1967, bei Lorenz 1996:558) ist: Das Adjektiv grazioso lehnt durch seine lexikalische Bedeutung lieblich, angenehm, freundlich sowie durch seine Verwandtschaft zu grazia (Gnade, Gunst, Wohlwollen) an ,,sowohl die angenehme Komponente der Begegnung als auch das zweckdienliche Erscheinen des Jenseitswanderers" (Ferrier 1994:311) an. Dieser Doppelsinn läßt sich im Deutschen nicht nachempfinden.
Wartburgs übersetzen ,,Sehr wird es sie erfreuen, euch zu sehen" und verweisen damit auf den erfreulichen Aspekt, den auch Villaroel herausstreicht: ,,Sordello propone di discendere nella valletta a parlare con i principi ed i signori che molto lietamente li accoglieranno5 " (Villaroel 1985:372).
Geiger übernimmt mit ,,manch einer jener macht sichs noch zunutze" den Aspekt des Nutzen, zu dem Dante den Fürsten durch seine Fürbitte gereichen könnte. Hierzu jedoch bemerkt Gmelin: ,,Da Sordello noch nicht weiß, daß Dante lebend ist, kann die Stelle sich nicht auf die Hoffnung einer Botschaft zur Welt beziehen" (Gmelin 1955:150).
4.2. Konnotative Äquivalenz
Denotative und konnotativeäquivalenz sind nicht ohne weiteres voneinander zu trennen: ,,Für den Ausdruck eines denotativ Gemeinten stehen unterschiedliche beziehungsgleiche [...] Ausdrucksmöglichkeiten zur Verfügung" (Koller 51997:240), die dem Denotat zusätzlich konnotative Werte bezüglich Stilschicht oder Frequenz (s. 4. b)) verleihen. Aus allen Synonymen das richtige auszuwählen kennt Gadamer als ,,dieses seltsame, unruhige und quälende Gefühl, solange man nicht das richtige Wort hat" (Gadamer 1966:68).
Geiger hat sich die Freiheit genommen, eigene Schöpfungen zu kreieren, wo ihm das Deutsche nicht ,,das richtige Wort" zu haben schien: in V 28 hat er fogliette pur mo nate mit Blättchen, frühlingsfrühen übersetzt und mit dieser Neuschöpfung ,,das Gemeinte der AS metonymisch erfaßt" (Ferrier 1994:291). Geiger rechtfertigt sich mit Dante selbst, der auch ,,gelegentlich die Worte krümmt oder dehnt, ja sogar vergewaltigt oder Neubildungen schafft" (Geiger 1960b:18).
Wartburgs, die von verfremdenden Lösungen absehen und keine eigenen Ausdrucksmittel realisieren, haben mit ,,den Möglichkeiten der deutschen Gegenwartssprache" (Ferrier 1994:644) gearbeitet: ihre Übersetzung sprossend Laub trifft fogliette pur mo nate auf konnotativer Ebene ebensogut wie Geigers bildhafte Kreation (ebd.:290).
Geigers außergewöhnliche und erfindungsreiche Wortwahl macht deutlich, daß er den konnotativen Aspekt hoch einstuft. Er gebraucht eine gehobene dichterische Sprache, Archaismen und Ausdrücke von niedriger Frequenz (ebd.:645). Seine Übersetzung von V 39 steht paradigmatisch dafür: ,,per lo serpente che verrà vie via`" hat er mit ,,der Schlange wegen, die da klebt am Kloße`" übersetzt. Kloß e ist ein Archaismus, der im Original nicht vorgegeben ist. Das Wort Kloß kommt von ahd. kloz mit der Bedeutung Klumpen, Knolle, Knäuel, Kugel (Duden 7 1963:335), und Geiger meint wohl, ,,daß die Schlange zusammengerollt auf einem Baumstrunk liegt" (Ferrier 1994:303).
Wartburgs haben in diesem Vers ein anderes konnotatives Problem gelöst, denn sie haben den Futur verr à nicht übernommen, sondern erscheint als Verbform gewählt. Durch die Verdoppelung jetzt gleich aber verleihen sie der Präsensform die Assoziation der nahen Zukunft (ebd.:302).
An diesem Beispiel wird auch wieder deutlich, daß Konnotation und Denotation eng miteinander verbunden sind: das Erscheinen der Schlange, die jetzt gleich erscheint steht unmittelbarer bevor als das der Schlange, die da klebt am Kloß e.
Für grembo di Maria in V 37 hat das Deutsche ,,das richtige Wort" bieten können: beide Übersetzer haben Mariens Schoß (Schoß e bei Geiger) gewählt und mit der Wahl der ungewöhnlichen Genitivform den Anklang an die Bibelsprache erhalten (Ferrier 1994:302), die unter grembo di Maria,,[l`] Empireo, dove reside la Vergine6 " (Villaroel 1985:372) versteht.
Zu Wartburgs Übersetzung ,,Es war die Stunde, wo von Sehnsucht schwillt/ das Herz des Schiffers [...]" der Verse 1 und 2, ,,era già l`ora che volge il disio/ ai navicanti e `ntenerisce il core", merkt Ferrier an, daß die Wendung das Herz schwillt im Zusammenhang mit Freude verwendet wird, Gefühle wie Sehnsucht und Melancholie aber das Herz sich eher zusammenziehen lassen und Wartburgs Übersetzung hier andere Vorstellungen als Dantes wohlgewählte Beschreibung des Heimwehs evoziert (Ferrier 1994:254)7.
Geiger hat mit seiner Übersetzung ,,Schon kam die Stunde, die das Herz zum Weinen/ des Schiffers stimmt [...]" hervorragend die poetische Sprachschicht von intenerire nachgestaltet (ebd.:255).
4.3. Textnormative Äquivalenz
Koller bezieht den Begriff der textnormativenäquivalenz auf stilistisch streng genormte Texte wie Verträge, Geschäftsbriefe, wissenschaftliche Texte etc. (Koller 51997:247). Im Falle der Divina Commedia handelt es sich klar um keinen derartigen Text. Wilhelm Theodor Elwert weist auf die Schwierigkeit hin, die Divina Commedia eindeutig einer Textgattung wie Epos, ,,geste" oder ,,romanz" zuzuordnen (Elwert 1980:119). Dante selbst bezeichnete sein Werk als ,,opus doctrinale" und ordnete es damit der eigenen Gattung der Lehrgedichte zu (ebd.).
Dieser Zuordnung zufolge hätte Dante sein Gedicht in lateinischer Sprache in Hexametern abfassen müssen, in dem von Dante verwendeten Volgare war für Lehrgedichte der Serventese üblich, ,,eine Folge von Elfsilbern mit Reimverkettung verschiedenen Typs" (ebd.). Elwert sieht die Zuordnung der Divina Commedia zu der literarischen Gattung der Serventesen als ,,die einzig zutreffende" (ebd.), da in Italien unter diesem Begriff ein ,,moralisches, religiöses oder politisches Gedicht erzählenden, lehrhaften oder satirischen Inhalts" (Elwert 1968:124) verstanden wird.
Da diese Form der Dichtung im deutschen Sprachraum keine Entsprechung findet, mußten die Übersetzer bei der Wahl des Versrhythmus und der Reimfolge nach anderen Äquivalenzkriterien vorgehen.
4.4. Formal-ästhetische Äquivalenz
K. Lipínski formuliert die Gestaltung der literarischen Übersetzung als ,,Erprobung des sprachlichen Neulands" (Lipínski 1989, bei Koller 51997:252) und stellt die Forderung, daß der Übersetzer die ZS, die nicht unbedingt über ,,,direkte` Äquivalente" zu den sprachlichen Kunstmitteln des Originals verfügt, ,,um neue, bisher nicht wahrgenommene Ausdrucksmöglichkeiten" (ebd.) erweitere. Wenn für literarische Texte formal-ästhetische Qualitäten konstitutiv sind (Koller 51997:253), gilt das gleiche für die formal-ästhetischeäquivalenz der literarischen Übersetzung, die K. Reiß ,,Analogie der Gestaltung" nennt (Reiss 1976, ebd.:252).
Ferrier sieht die formal-ästhetisch größten Herausforderungen an die Übersetzer darin, eine Entsprechung für den italienischen Elfsilber Endecasillabo zu finden und der Fülle weiblicher Reime im Italienischen Rechnung zu tragen (Ferrier 1994:5). Geiger selbst bemerkt im Vorwort zu seiner Übersetzung, daß, ,,wer von den Übersetzern form- und normgemäß vorging, dem Dreireim und der Terzine nicht auswich, womöglich mit Beibehaltung der weiblichen Versendungen" (Geiger 1960b:14) für die Übersetzung ,,wie Dante selbst [...] an die zwanzig Jahre" gebraucht hat (ebd.).
Geiger betont in seiner Übersetzung die formal-ästhetische Äquivalenz. ,,Das Zusammenspiel von Inhalt und Form" (Ferrier 1994:645) stellt für ihn die Ganzheit des Werkes dar. Er hat die Reimfolge aba bcb cdc etc. der Terzinen beibehalten und dafür inkauf genommen, wo nötig Füllwörter und Ergänzungen zur Einhaltung des Reimes einzufügen. So hat er in V 24 alldorte als Reimwort auf Kohorte in V 22 eingefügt, welches im Original, ,,quasi aspettando, palido et umìle" (V 24), nicht vorgegeben ist. In V 52 reimt sich bescheiden mit leiden in V 54, wobei bescheiden nur mit Vorbehalt als Übersetzung von gentil in V 53 gesehen werden kann, ,,da dessen Semantik viel umfassender ist" (ebd.:323). In V 15 hat er gemäß seiner unter 4.2. erläuterten Rechtfertigung um des Reimes willen ein eigenes Lexem geschöpft:
traumbeschwichtet. Auch die Verse 1 und 2, auf die unter 4.5. noch näher eingegangen wird, sind eine Konzession an den Reim und verdeutlichen, inwieweit Geiger in Akkordanz mit Lipínski an der formal-ästhetischen Äquivalenz gelegen ist.
Bemerkenswert ist, daß Geiger es geschafft hat, die weiblichen Versendungen konsequent beizubehalten. Zustatten kamen ihm dabei die unbetonten Endungen der Infinitive im Deutschen, so daß er häufig Verben im Infinitiv ans Versende gesetzt hat, wie zum Beispiel in den Versen 53 und 54, die auf zu sehen und zu leiden enden, obwohl er selber erkannt hat, daß Wörter ,,gleichlautender Bildung [...] keinen Vollreim abgeben" (Geiger 1960b:17) . Wartburgs geben der pragmatischenäquivalenz (s. 4.5.) Vorrang vor der formal-ästhetischen und haben eine Übersetzung geschaffen, die zugunsten der Klarheit auf eine Übertragung des Reimschemas und auf die weiblichen Versendungen verzichtet. Diese Merkmale verbinden sie mit Gmelins Übersetzung, ebenso die philologische Genauigkeit und die profunde Kenntnis der Sprach- und Kulturgeschichte (Ferrier 1994:13).
Als Versmaß haben sowohl Wartburgs als auch Geiger den fünfhebigen Jambus gewählt, den Ferrier als die geeigneteste Entsprechung für den Endecasillabo sieht (ebd.:5). Bei beiden Übersetzern erfährt das Versmaß Brüche, so bei Wartburgs in V 9, ,,hinsah, die sich erhob, den andern winkend", dessen Rhythmus -vv-v-v-v-v statt v-v-v-v-v-(v) lautet. Derartigen Brüchen scheint bei Wartburgs kein klares Motiv zu unterliegen; Geiger jedoch bricht den Jambus bewußt, wenn er in V 24, ,,blaß und ergeben, unbewegt alldorte", den unregelmäßigen Rhythmus -vv-v-v-v-v gebraucht, um die ,,angstvolle innere Spannung" (ebd.:650) auszudrücken.
4.5. Pragmatische Äquivalenz
Wie unter 4.4. erwähnt, haben Wartburgs ihre Übersetzung auf pragmatischeäquivalenz ausgerichtet: ,,Sie streben eine Übertragung von optimaler kommunikativer Äquivalenz an, die für den Leser verständlich ist und den italienischen Text möglicht genau wiedergibt" (ebd.:639).
Als Beispiel sei hier das Verb volgere gewählt, das Dante in Purgatorio VIII mehrmals verwendet. Für Wartburgs stand im Vordergrund, diese Wiederholung für den ZS-Empfänger nachzuvollziehen. Sie haben volgere wo möglich mit stets dem gleichen deutschen Lexem wenden übersetzt. Dafür haben sie andere Einschränkungen inkauf genommen: In V 1 haben sie l`ora volge umgestellt zu das Herz wendet sich unter Einbuße der ,,feinen Ausdrucksweise Dantes" (ebd.:254)8.
Geiger hat in seiner Übersetzung die Syntax übernommen und den Vers sehr poetisch gestaltet, doch wird hier klar, daß er höhere Anforderungen als Wartburgs an die Empfänger stellt: ,,Schon kam die Stunde, die das Herz zum Weinen/ des Schiffers stimmt [...]" erfordert mehrmaliges Lesen, ehe deutlich wird, daß das Verb stimmen zu das Herz zum Weinen stimmen gehört und sich der Genitiv des Schiffers auf das Herz bezieht9.
In V 41 haben Wartburgs ,,mi volsi intorno [...]" konsequent mit ,,wandt` ich mich um [...]" übersetzt, und Geiger, der die Wiederholung von volgere nicht nachvollzieht, hat das Verb sich umsehen gewählt.
Die Verse 64-66 verdeutlichen die unterschiedliche Wertung der pragmatischen Äquivalenz bei Wartburgs und Geiger und zeigen auf, zu welchen Verfahren die Übersetzer gegriffen haben, um ihre Werte beizubehalten. In Wartburgs Übersetzung ist klar, welche der Figuren sich an wen wendet: ,,Der eine wandt` sich zu Vergil, der andre/ zu einem, der da saß [...]". Dies entspricht interlinear dem Original ,,L`uno a Virgilio e l`altro a un si volse/ che sedea lì [...]". Geiger stiftet Verwirrung mit seiner Anhäufung von Pronomen: ,,der zu Vergil, und der zu wem gewendet,/ der unten hockte [...]". Die wiederholte Verwendung des Pronomen der ist eine Freiheit Geigers, die Ferrier als Mittel sieht, die Aufruhr zu gestalten, die Dantes Mitteilung, er sei noch am Leben unter den Seelen verursacht10. Das Original verwendet die Pronomen elli, l`uno, l`altro und che.
In V 66 weichen Wartburgs zugunsten der Verständlichkeit von ihrer Konsequenz bei der Übersetzung von volger e ab: ,,[...] che Dio per grazia volse" übersetzen und erklären sie gleichzeitig mit ,,[...] was möglich ward durch Gottes Gnade!". Geigers Übersetzung ,,[...] was Gottes Gnade spendet" betont den Aspekt der ,,Abhängigkeit des Menschen Dante von der Gnade Gottes" (Ferrier:338) durch das Verb spenden, welches von mhd. spenden in der Bedeutung von als Geschenk austeilen (Duden 7 1963:657) abstammt, eine Kenntnis, die hilft, Geigers subtile Ausdrucksweise dessen, was Wartburgs explizit auslegen zu begreifen.
Wie schon in V 39 (s. 4.2.) stellt Geiger den Anspruch an seine Leser, sich intensiv mit seiner Wahl der Lexik auseinanderzusetzen. Seine Übersetzung richtet sich an einen ,,idealen, ästhetisch kultivierten Leser" (Ferrier 1994:645).
5. Zusammenfassung
In der voranstehenden Arbeit sind die verschiedenen Ausrichtungen der besprochenen Übersetzungen in bezug auf die eingangs zitierten Thesen verdeutlicht worden: einerseits Benno Geiger, der Wandruszkas These von Dichtung als einem Ganzen von Inhalt und Form vertritt, dem in der Übersetzung Rechnung zu tragen ist; andererseits Ida und Walther von Wartburg, die unter Bloomfields Aspekt der Wissenschaftlichkeit vorgegangen sind. Geiger, der eine ,,sehr persönliche Übersetzung der Divina Commedia" (Ferrier 1994:645) realisiert hat, beschreibt das Unterfangen in seinen eigenen Worten: ,,Der nachdichtende Übersetzer kopiert nicht, sondern schafft aus einem Meisterwerk ein neues Meisterwerk nach" (Geiger 1958, ebd.:651). Er vertritt seine Wertung der formal-ästhetischen und konnotativen Äquivalenz-kategorien mit den Worten:
Wer, wie die allzuvielen, den Reim abtut, den Gesang eines jeden Verses nicht wahrnimmt, versündigt sich an Dantes musikalischem Geist, fälscht bis zur Unkenntlichkeit seine Sprache. [...] Das, was gesagt wird, ist wichtig; wie etwas gesagt wird, wichtiger. Und dieses ,Wie` zu erfühlen und wiederzugeben, ist nicht Angelegenheit wie immer gelehrter, ordentlicher Professoren (Geiger 1960b:21).
Geiger bezieht einige seiner Vorgänger in seine Ansichten zur Übersetzung der Divina Commedia mit ein: Kannegießer (1808), Streckfuß (1824), Borchardt (1923), Hertz (1955) und andere (ebd.:15). Nur Borchardt sieht er dabei als wahren Dichter, der zu ,,solchem Geschäft" (ebd.) berufen ist, den anderen attestiert er lediglich, ,,Erläuterungstexte" (ebd.:17) geschaffen zu haben.
Als einen solchen ,,Erläuterungstext" wird er auch Wartburgs Übersetzung, die drei Jahre nach der seinen erschienen ist, gesehen haben: ihre philologische Genauigkeit, die Beachtung der ,,sprachlichen Normen des Deutschen" (Ferrier 1994:642) und der Verzicht auf ,,poetische Lizenzen" (ebd.) macht die Divina Commedia in ihrer Übersetzung ,,jedem deutschen Leser zugänglich" (ebd.:639). In den meisten Fällen ist es ihnen gelungen, den Äquivalenzkategorien zu entsprechen und ihre vorangestellten denotativen und pragmatischen Äquivalenzwerte durchgehend zu realisieren. Dabei war jedoch häufiger als einer Überhöhung eine Verflachung das Ergebnis (ebd.).
Im Vergleich dieser beiden, aus unterschiedlichen Aspekten der literarischen Übersetzung hervorgegangenen Ergebnissen stellen sich folgende Fragen der Übersetzungsforschung: ,,,Wie soll/muß man Literatur überset-zen?` und ,Wie ist Literatur nun wirklich übersetzt worden?`" (A. P. Frank 1988, bei: Lorenz 1996:556). Letztere Frage zu beantworten war die Aufgabe der vorliegenden Arbeit; auf erstere ist keine in allen Fällen gültige und befrie- digende Antwort zu finden sein. Ungeachtet, ob man eine wissenschaftlich exakte Lösung wie die Wartburgs mit ihren Konzessionen an die Verständlichkeit oder eine emotionale und von subjektiver Kreativität geprägte wie die Geigers vorzieht, ist der literarischen Übersetzung inhärent, daß keiner der Aspekte als richtig oder falsch gewertet werden kann. Ein jeder Übersetzer wird sich stets wieder vor die gleichen Fragen, Herausforderungen und Probleme gestellt sehen, die ich hier anhand weniger Verse aus Purgatorio VIII dargelegt habe. Daß ich einige Textstellen dabei häufiger unter verschiedenen Aspekten zitiert habe, ist eine bewußte Wahl, die deutlich machen will, daß sich die Fülle der übersetzungstechnischen und -theoretischen Aspekte bereits im Detail präsentiert. Die Divina Commedia ist ein anschauliches Beispiel,
daß das Problem der Übersetzung nicht in einer einzigen, grundsätzlich lösbaren oder unlösbaren Schwierigkeit besteht, sondern in einer Vielzahl, die ihrerseits nicht eine Summe, sondern eine eigenartige Totalität bilden (Kloepfer 1967, bei Ferrier 1994:1).
Innerhalb dieser Vielzahl hat jeder Übersetzer die Freiheit, seine eigenen Prioritäten zu realisieren, was immer wieder Herausforderung genug an Philolo-gen und Dichter sein wird, das Wagnis, Dantes Göttliche Komödie [...] ins Deut-sche [...] zu übertragen" (Geiger 1960b:13) einzugehen.
6. Bibliographie
Primärtexte
Alighieri, Dante 1985: La Divina Commedia. Milano.
Ü bertragungen der ,Divina Commedia`
Geiger, Benno 1960a: Die Göttliche Komödie. Bd. II. Darmstadt, S.53-58.
Wartburg, Ida und Walther von ²1963a: Die Göttliche Komödie. Zürich, S. 501-508.
Literatur- undübersetzungstheoretische Werke
Elwert, Wilhelm Theodor 1968: Italienische Metrik. München.
Elwert, Wilhelm Theodor 1980: Die italienische Literatur de Mittelalters. München.
Gadamer, Hans-Georg 1966: Die Universalität des hermeneutischen Problems. In: Jean Grondin (Hrsg.): Gadamer Lesebuch. Tübingen 1997, S. 58-70.
Gadamer, Hans-Georg 1968: Klassische und philosophische Hermeneutik. In: Jean Grondin (Hrsg.): Gadamer Lesebuch. Tübingen 1997, S. 32-57.
Gadamer, Hans-Georg 1970: Sprache und Verstehen. In: Jean Grondin (Hrsg.): Gadamer Lesebuch. Tübingen 1997, S. 71-85.
Koller, Werner 51997: Einführung in dieübersetzungswissenschaft. Wiesbaden.
Lorenz, Sabine 1996: Ü bersetzungstheorie,übersetzungswissenschaft,
Ü bersetzungsforschung. In: Heinz Ludwig Arnold / Heinrich Detering: Grundzüge der Literaturwissenschaft. München 1996, S. 555-569.
Kommentare / Nachschlagewerke
Duden 7 1963: Herkunftswörterbuch. Mannheim.
Ferrier, Esther 1994: Deutscheübertragungen der ,Divina Commedia` Dante Alighieris 1960-1983. Berlin.
Geiger, Benno 1960b: Vorwort. In: Benno Geiger: Die Göttliche Komödie. Bd. I. Darmstadt 1960, S. 13-22.
Gmelin, Hermann 1955: Dante Alighieri: Die Göttliche Komödie. Kommentar. Bd II. Stuttgart.
Pons 1990: Kompaktwörterbuch italienisch/deutsch - deutsch/italienisch. Stuttgart.
Villaroel, Giuseppe 1995: Commento. In: Dante Alighieri: La Divina Commedia. Milano.
Wartburg, Walther von ²1963b: Kommentar. In: Ida und Walther von Wartburg: Die Göttliche Komödie. Zürich ²1963, S. 498-500.
[...]
1 Ich gebe die italienischen Zitate nicht nach Ferriers Vorlage wieder, da ihr Werk geringfügige Abweichungen von der italienischen Vorlage, vor allem in der Akzentsetzung, aufweist, für die ich keine Erklärung finden konnte.
2 Für eine detaillierte Inhaltsangabe von Purgatorio VIII verweise ich auf Gmelins (Gmelin 1955:142-157) und Walther von Wartburgs (Wartburg ²1963b:498-500) Kommentare.
3 Zu deutsch: ,,Dante hört mit Absicht auf, Sordello zuzuhören."
4 Vergleiche zur Einheit der Seele auch Gmelins Kommentare zu Purgatorio IV, V 3 (Gmelin 1955:85f.) und Purgatorio VIII, V 7 (Gmelin 1955:145).
5 Zu deutsch: ,,Sordello schlägt vor, ins Tal hinabzusteigen, um mit den Fürsten und Herren zu sprechen, die sie freudig empfangen würden."
6 Zu deutsch: ,,Das Reich, wo die Heilige Jungfrau ansässig ist."
7 Rechtfertigen könnte Wartburgs Wahl jedoch Ferriers Anmerkung über die Ambivalenz der Gefühle eines Seefahrers, ,,der einerseits aufs Meer hinausfahren will, und dann doch den Schmerz den Heimwehs erleidet" (Ferrier 1994:254).
8 Vergleiche hierzu auch die unter 4.2. erläuterten Konnotationen dieses Verses bei Wartburgs.
9 Vergleiche zu diesen Versen auch die Anmerkungen unter 4.2. und 4.4.
10 Offenbar hat Geiger auch Ferrier selber verwirrt, denn sie erklärt das häufige Vorkommen des Pronomen der folgendermaßen: ,,Gleich viermal verwendet er das Demonstrativprono- men der. In V 62 bezieht es sich auf Visconti, in V 64 einmal auf Sordell, das zweite Mal auf Vergil und schließlich in V 65 auf Malaspina" (Ferrier 1994:339). Da jedoch Sordell, der in V 64 mit dem ersten der gemeint ist, sich bereits an Vergil wendet, muß sich das zweite der auf Nino Visconti beziehen, der sich an Malaspina wendet, denn Vergil weiß ja, daß Dante noch am Leben ist und würde diese für die Fürsten erstaunliche Nachricht nicht mit den Worten ,,,Su, Currado!/ vieni a veder che Dio per grazia volse`" weiterleiten. Vergleiche hierzu Gmelins Kommentar zu Purgatorio II, V 69 (Gmelin 1955:56f.).
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