Sexueller Missbrauch. Täterstrategien und Auswirkungen

Eine Prozessbeobachtung


Essay, 2019

9 Seiten, Note: 1,0


Leseprobe

Sexueller Missbrauch, ein Thema, welches sehr emotionsgeladen ist und in der letzten Zeit zunehmend in den Blickpunkt der öffentlichen Aufmerksamkeit getreten ist. Scharfe moralische Verurteilungen des Verhaltens und besonders tiefe Erschütterung überschwere und in den meisten Fällen lang andauernden Schädigungen des Opfers sind mit dem Thema verknüpft. Der Begriff des sexuellen Missbrauchs von Kindern kann unterschiedlich definiert werden. Im Folgenden wird der Begriff im Sinne des §176 StGB verstanden. Im Jahr 2016 verzeichnet die Polizeiliche Kriminalstatistik in Deutschland über 12.000 Ermittlungs- und Strafverfahren allein nur für sexuellen Kindesmissbrauch, wobei zusätzlich von einem hohen Dunkelfeld ausgegangen wird (Vgl. PKS, S.13). In den überwiegenden Fällen handelt es sich bei den Tätern um Bekannte oder Verwandte des Opfers. Doch wie gehen die Täter vor? Sind bestimmte Strategien erkennbar, die immer wieder zum Tragen kommen? Und was löst das Vorgehen der Täter und die konkreten Handlungen bei den Opfern, in diesen Fällen noch minderjährigen Kindern, aus? Fragen, denen ich mich in dem Folgenden Essay annähern und zusätzlich auf die Beobachtung eines konkreten Prozesses beziehen möchte, bei welchem über den Tatvorwurf des sexuellen Missbrauches an zwei Mädchen verhandelt wurde. Dabei werde ich nicht auf genaue Details eingehen um eine Anonymität gewährleisten zu können. Wie oben bereits benannt handelt es sich in den überwiegenden Fällen bei den Tätern um Bekannte oder Verwandte des Opfers (Vgl. Egg 1999, S. 23). Dies könnte darauf zurückzuführen sein, dass es einfacher scheint an diese Kinder heranzukommen und meist eine Vertrauensbeziehung zwischen Täter und Opfer besteht, welche dem Täter mehr Sicherheit gibt, dass das Geschehene nicht an andere weitergetragen wird. Viele Täter geben an, dass „es“ einfach über sie gekommen sei oder dass der sexuelle Missbrauch „einfach passierte“. In der Realität sieht diesjedoch häufig anders aus. Es hat sich herausgestellt, dass die Täter mit solchen Aussagen mehr versuchen sich der Verantwortung für das Geschehen zu entziehen, da in den überwiegenden Fällen dem sexuellen Missbrauch eine langfristige und systemische Planung vorausgeht (Vgl. Ohlmes 2006, S.52). Man kann also mehr von einem voranschreitenden Prozess sprechen als von einer „Kurzschlussreaktion“. Ziel dieses Prozesses ist einerseits die Manipulation des Kindes oder des Jugendlichen und gleichermaßen aber auch die der Außenwelt und der Mutter bzw. anderer weiblicher Bezugspersonen (Vgl. ebd.). Dies wird vom Täter dazu genutzt, das Eingreifen anderer Personen auszuschließen und deren Wahrnehmung zu „vernebeln“, damit diese weder der eigenen Wahrnehmung noch den Hinweisen des Kindes traut. Allgemein kann man das strategische Vorgehen der Täter in fünf Phasen einteilen. Die erste Phase ist die Phase, in welcher der Täter ein „passendes“ Opfer auswählt. Oftmals haben Täter ein besonderes Gespür dafür entwickelt, Kinder zu identifizieren, die ein besonders ausgeprägtes Bedürfnis nach Wärme und Zuneigung besitzen (Vgl. ebd. S. 55). Die Suche nach Anerkennung, Wärme und Zuneigung wird dann von den Tätern genutzt um sie in ihrem Sinne zu funktionalisieren. Es ist ihnen also genauso möglich Kinder auszuschließen, die nicht für den sexuellen Missbrauch „geeignet“ sind oder die auf den Täter nicht reagieren. Untersuchungen weisen zusätzlich auf, dass es einen Zusammenhang zwischen der Sozialisation und der Bevorzugung bestimmter Kinder gibt. Die zweite Phase des strategischen Vorgehens von Tätern besteht aus der Kontaktaufnahme des Täters zum Opfer. Die häufigste Kontaktaufnahme der Täter geschieht über das Internet, über das Aufhalten an bestimmten Plätzen an denen Kinder häufig sind, wie beispielsweise auf einem Spielplatz und eine gezielte Kontaktaufnahme in der eigenen oder in anderen Familien (Vgl. Ohlmes 2006, S. 59). Bei einem innerfamiliären Missbrauch entfällt für den Täter die Notwendigkeit, ein Kind kennenzulernen und die Planung wird somit für diesen vereinfacht. Weiterhin gelingt es dem Tätersomit ein Abhängigkeitsverhältnis zu schaffen. Die Annäherung an eine Familie kann ebenfalls geschehen, indem sich der Täter als „Freund der Familie“ anbietet. Durch den engen Kontakt zu der Familie wird für den Täter eine gewisse Sicherheit geschaffen, da die Familie diesem das Begehen von sexuellem Missbrauch nicht zutraut.

Eine Regel unter Tätern lautet: „Lerne möglichst die Eltern der Kinder kennen und mache einen guten Eindruck! Wer vermutet schon eine böse Absicht hinter der vermeintlichen Nachbarschaftshilfe als Babysitter!“ (Ohlmes 2006, S.60)

Die dritte Phase des strategischen Vorgehens der Täter beinhaltet die Vorbereitung bzw. Verführung des Opfers. Die Vorbereitung wird vom Täter dazu genutzt, um sich mit den Vorlieben, Abneigungen, Wünschen und Ängsten des Kindes vertraut zu machen. Das Wissen darüber wird dann von dem Täter als Mittel dafür genutzt, den Missbrauch geheim zu halten und ihn fortzusetzen. Sobald der Täter das Vertrauen zum Opfer gewonnen hat, wird die Beziehung zu diesem nach und nach vom Täter sexualisiert. Sollte das Kind sich zurückziehen oder einen Widerstand leisten, so wird dies vom Täter systematisch durch eine Verstrickung in Schuldgefühle oder durch eine Schaffung von Abhängigkeiten abgewendet (Vgl. ebd.). Das meist genutzte Mittel von Tätern um den Missbrauch durchzuführen und aufrecht zu erhalten, ist die emotionale Abhängigkeit, die durch ein besonders großes Vertrauen gekennzeichnet ist, welches dem Täter entgegengebracht wird. Ein weiteres häufig genutztes Mittel von Tätern ist das Erfüllen verschiedener materieller Wünsche der Kinder. Dies wird von dem Täter durch das Bereiten verschiedener Geschenke durchgeführt, was letztendlich dann auch als Methode genutzt wird, um das Kind zu bestechen und zu manipulieren (Vgl. ebd., S. 63). In der vierten Phase wird nun die Beziehung zwischen dem Kind und dem Erwachsenen sexualisiert, jedoch testet der Täter schon in den vorherigen Phasen das Opfer, wodurch das Opfer in Bezug auf Körperkontakte systematisch desensibilisiert wird. Die Sexualisierung der Beziehung beginnt meistens in Form von sexistischen Bemerkungen hinsichtlich der körperlichen Entwicklung und Attraktivität der Kinder seitens des Täters. Als Testmethode wird häufig eine vom Täter als zufällig dargestellte sexuelle Grenzüberschreitung wie zum Beispiel zufällige Berührungen genutzt um die Reaktionen bzw.

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Ende der Leseprobe aus 9 Seiten

Details

Titel
Sexueller Missbrauch. Täterstrategien und Auswirkungen
Untertitel
Eine Prozessbeobachtung
Hochschule
Technische Hochschule Köln, ehem. Fachhochschule Köln
Note
1,0
Autor
Jahr
2019
Seiten
9
Katalognummer
V992378
ISBN (eBook)
9783346354969
Sprache
Deutsch
Schlagworte
sexueller Missbrauch
Arbeit zitieren
Celina Poetz (Autor:in), 2019, Sexueller Missbrauch. Täterstrategien und Auswirkungen, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/992378

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