Diese wissenschaftliche Arbeit befasst sich mit den deutschen Regelungen zur Kurzarbeit, aufgrund der aktuellen Änderungen beim Kurzarbeitergeld im Zuge der Coronakrise.
Nach einer kurzen Einführung in die Thematik beschreibt diese juristische Arbeit alle rechtlichen Voraussetzungen für die Einführung von Kurzarbeit. Im Anschluss werden die Voraussetzungen für die Gewährung von konjunkturellem Kurzarbeitergeld sowie das entsprechende Antragsverfahren detailliert dargestellt. Zusätzlich beinhaltet diese Arbeit viele nützliche Praxistipps, sowohl für Arbeitgeber, als auch Arbeitnehmer rundum das Thema Kurzarbeit und bietet gleichzeitig eine umfassende rechtliche, wissenschaftlich fundierte Grundlage.
Darüber hinaus stellt diese Arbeit nicht nur alle Rechtsfolgen von Kurzarbeitergeld dar, sondern beinhaltet auch alle umfassende Erklärungen zu allen Änderungen beim Kurzarbeitergeld, die aufgrund der Coronakrise erlassen wurden.
Nach dieser umfassenden juristischen Betrachtung, folgt eine Analyse aus volkswirtschaftlicher Sicht, die sich mit der Frage beschäftigt, ob Kurzarbeit das richtige arbeitsmarktpolitische Instrument zur Bewältigung einer Krisensituation darstellt. Diese Analyse basiert auf der dargestellten rechtlichen Grundlage.
Um deutlich zu machen, welche arbeitsmarktpolitischen Ziele die Bundesregierung grundsätzlich mit der Kurzarbeit verfolgt, werden diese kurz und übersichtlich dargelegt. Ob diese Zielsetzungen durch Kurzarbeit erreicht werden, lässt sich feststellen, indem die entsprechenden Vor- und Nachteile von Kurzarbeit in dieser Arbeit umfassend diskutiert und schlussendlich gegeneinander abgewogen werden. Dabei werden sowohl die bestehenden, als auch die neuen Regelungen zur Kurzarbeit ausführlich dargelegt.
Inhaltsverzeichnis
A. Abkürzungsverzeichnis
B. Abbildungsverzeichnis
C. Einleitung
D. Einführung in das Thema Kurzarbeit
a) Definition
b) Kurzarbeit und Kurzarbeitergeld
c) Kurzarbeit versus Kündigung
d) Zulässigkeit von Kündigungen während der Kurzarbeit
e) Kurzarbeit bei Kündigungen
f) Kurzarbeitergeld und Steuern
E. Voraussetzungen für die Einführung von Kurzarbeit
a) Rechtsgrundlage
1. Tarifvertragliche Regelungen
2. Betriebsvereinbarungen
3. Dienstvereinbarung
4. Kurzarbeiterklausel im Arbeitsvertrag
5. Individuelle vertragliche Regelungen
b) Nachträgliche Schaffung einer Ermächtigungsgrundlage
F. Voraussetzungen für die Gewährung von Kurzarbeitergeld
a) Formen des Kurzarbeitergeldes
b) Anspruch auf Kurzarbeitergeld
1. Erheblicher Arbeitsausfall
i. Wirtschaftliche Gründe
ii. Unabwendbares Ereignis
iii. Vorübergehender Arbeitsausfall
iv. Nicht vermeidbarer Arbeitsausfall
v. Mindesterfordernisse
vi. Prüfschema
2. Betriebliche Voraussetzungen
3. Persönliche Voraussetzungen
4. Anzeige des Arbeitsausfalls
G. Antragsverfahren für Kurzarbeitergeld
a) Anzeige des Arbeitsausfalls
b) Antrag auf Kurzarbeitergeld
c) Prüfung durch die Agentur für Arbeit
d) Berechnung des Kurzarbeitergeldes
e) Auszahlung des Kurzarbeitergeldes
H. Leistung und Rechtsfolgen
a) Arbeitsvertrag
b) Kurzarbeitergeld im Zusammenhang mit anderen finanziellen Leistungen
1. Entschädigungsleistungen
2. Außerordentliche Aufwendung
3. Zuschüsse
c) Urlaub
d) Aufstockung durch den Arbeitgeber
e) Entgeltfortzahlung
1. Im Krankheitsfall
2. An Feiertagen
I. Aktuelle Änderungen beim Kurzarbeitergeld
a) Entgeltausfall von mehr als zehn Prozent
b) Arbeitszeitkonten
c) pauschalierte Sozialversicherungsbeiträge
d) Kurzarbeitergeld für Leiharbeitnehmer
e) Urlaub
f) Schrittweise Erhöhung der Leistungssätze
g) Aufstockung durch den Arbeitgeber
h) Nebenverdienste
i) Bezugsdauer
J. Ausblick 2021
a) Gesetz zur Beschäftigungssicherung infolge der Covid-19-Pandemie
b) Erste Verordnung zur Änderung der Kurzarbeitergeldverordnung
c) Zweite Verordnung über die Bezugsdauer für das Kurzarbeitergeld
K. Arbeitsmarktpolitische Zielsetzung
L. Vorteile der Kurzarbeit
a) Für Arbeitnehmer
b) Für Arbeitgeber
c) Für den Staat
M. Nachteile der Kurzarbeit
a) Für Arbeitnehmer
b) Für Arbeitgeber
c) Für den Staat
N. Betrachtung der Vor- und Nachteile
O. Kurzarbeitergeld während der Coronakrise
P. Kritische Würdigung der neuen Regelungen
Q. Schlussbetrachtung
R. Anhang
S. Literaturverzeichnis
Genderhinweis
Aus Gründen der leichteren Lesbarkeit wird in der vorliegenden Bachelorarbeit bei personenbezogenen Substantiven und Pronomen die männliche Sprachform verwendet. Dies impliziert jedoch keine Benachteiligung des weiblichen oder diversen Geschlechts, sondern ist im Sinne der sprachlichen Vereinfachung als geschlechtsneutral zu verstehen.
A. Abkürzungsverzeichnis
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
B. Abbildungsverzeichnis
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
C. Einleitung
Kurzarbeit in Deutschland hat bereits eine lange Geschichte, deren Anfänge bis in das 20. Jahrhundert zurückreichen. Das erste Gesetz, welches eine Kompensation des Verdienstausfalls vorsah, wurde 1910 verabschiedet und galt für Beschäftigte in der Kalibergbau- und Düngemittelindustrie.1 Beobachtet man die Entwicklung der Kurzarbeit, so stellt man fest, dass diese über die Jahre hinweg zunehmend an Bedeutung gewonnen hat. Nachdem sich die Wirtschaft in Deutschland in Folge des Wirtschaftswunders stets positiv entwickelt hatte, kam es in den Jahren 1970 bis 1975 zu einem Rückgang der wirtschaftlichen Entwicklung. Zum ersten Mal überstieg die Anzahl der Personen in Kurzarbeit eine halbe Million. Höhere Zahlen gab es erst 1991 nach der Wiedervereinigung, als fast 1,8 Millionen Deutsche in Kurzarbeit waren.2 Kurzarbeit, wie wir sie heute kennen, existiert seit 1997 und wird im dritten Buch des Sozialgesetzbuches geregelt. Auch in der Finanzkrise 2008/2009 blieb Kurzarbeit nicht aus. Zeitweise waren über eine Million Beschäftige in Kurzarbeit.3 Reagiert hat die deutsche Bundesregierung unter anderem mit den Konjunkturpaketen I und II, die den Zugang zum Kurzarbeitergeld erleichterten.4 Viele dieser Regelungen sehen wir auch heute während der aktuell vorherrschenden Corona-Pandemie wieder, sowie einige weitere Änderungen beim Kurzarbeitergeld, die im Zuge der Coronakrise eingeführt wurden.
Durch die Pandemie hat das Instrument der Kurzarbeit erneut eine hohe Aufmerksamkeit bekommen. Bereits im April 2020 waren fast 6 Millionen Beschäftigte in Kurzarbeit, ein neuer Höchstwert, der alle vergangenen Werte bei Weitem übertrifft.5
Diese Bachelorarbeit beschäftigt sich daher aus gegebenem Anlass mit den deutschen Regeln zur Kurzarbeit. Nach einer kurzen Einführung in die Thematik beschreibt diese Arbeit die rechtlichen Voraussetzungen für die Einführung von Kurzarbeit, welche die Grundlage bilden. Im Anschluss werden die Voraussetzungen für die Gewährung von Kurzarbeitergeld sowie das entsprechende Antragsverfahren detailliert dargestellt. Nachdem der Antrag auf Kurzarbeitergeld durch die Agentur für Arbeit genehmigt wurde, kommt es zu diversen Rechtsfolgen, die anschließend beleuchtet werden, womit alle grundlegenden Regelungen zur Kurzarbeit in Deutschland dargestellt sind.
Wie soeben in der Einleitung beschrieben, kam es im Zuge der Corona-Pandemie zu einigen Änderungen beim Kurzarbeitergeld, welche in dieser Arbeit im Einzelnen erklärt werden. Da diese Arbeit im Jahr 2020 verfasst und in den ersten Januarwochen 2021 finalisiert wurde, folgt daraufhin ein Ausblick auf das Jahr 2021 und die bereits beschlossenen gesetzlichen Veränderungen, womit alle juristisch relevanten Themen abgehandelt sind.
Zur Beantwortung der Frage, ob Kurzarbeit in der aktuellen Situation den richtigen Weg zur Problemlösung darstellt, folgt eine eher volkswirtschaftliche als juristische Betrachtung der Kurzarbeit, die auf den dargestellten rechtlichen Punkten basiert. Um deutlich zu machen, welche arbeitsmarktpolitischen Ziele die Bundesregierung grundsätzlich mit der Kurzarbeit verfolgt, werden diese kurz und übersichtlich dargelegt. Ob diese Zielsetzungen durch Kurzarbeit erreicht werden, lässt sich feststellen, indem die entsprechenden Vor- und Nachteile von Kurzarbeit diskutiert und schlussendlich gegeneinander abgewogen werden. Dabei werden die neuen Regelungen zunächst außer Betracht gelassen, um mehr Übersichtlichkeit zu gewinnen. Die letzten Gliederungspunkte zeigen dementsprechend die neue Situation im Zuge der Corona-Pandemie auf und diskutieren, wie sinnvoll die neuen Regelungen vor den dargestellten Hintergründen erscheinen, woraus sich im Zusammenhang mit den allgemeinen Vor- und Nachteilen die Antwort auf die Fragestellung “Der richtige Weg zur Problemlösung?“ ergibt.
D. Einführung in das Thema Kurzarbeit
a) Definition
„Unter Kurzarbeit versteht man das vorübergehende teilweise Ruhen von Arbeits- und Entgeltzahlungspflicht.“6 Es kommt also zu einer Verkürzung der betriebsüblichen, regelmäßigen Regelarbeitszeit und der Vergütung.7
Diese Verkürzung kann entweder nur einzelne Tage oder Stunden betreffen oder zu einer vollständigen Einstellung der Arbeit für einen bestimmten Zeitraum führen.8
b) Kurzarbeit und Kurzarbeitergeld
Darüber hinaus besteht eine enge Verbindung der Kurzarbeit zum sogenannten Kurzarbeitergeld. Das Kurzarbeitergeld ist eine Versicherungsleistung der Agentur für Arbeit, die an den Arbeitgeber gezahlt wird, zur Auszahlung an den betroffenen Arbeitnehmer. Demzufolge wird im Arbeitsrecht zwischen Kurzarbeit (Arbeitsrecht) und Kurzarbeitergeld (Sozialrecht) unterschieden: Während die Gewährung von Kurzarbeitergeld die wirksame Einführung von Kurzarbeit voraussetzt, kann Kurzarbeit selbst auch stattfinden, ohne dass Kurzarbeitergeld von der Agentur für Arbeit gezahlt wird. Das Kurzarbeitergeld zahlt grundsätzlich der Arbeitgeber an den Arbeitnehmer.9
Beim Kurzarbeitergeld handelt es sich also nicht um eine Leistung des Staates an den einzelnen Arbeitnehmer. Das Kurzarbeitergeld fließt dem Unternehmen zur Senkung der Personalkosten zu und kommt somit dem einzelnen Arbeitnehmer zugute. Sinn dahinter ist es, die Bindung des Personals an das Unternehmen aufrecht zu erhalten und nach einem kurzfristigen Auftragsengpass so schnell wie möglich zur ursprünglichen Beschäftigung der Arbeitnehmer zurückzukehren.10
Kurzarbeit kann nicht einseitig durch den Arbeitgeber über sein Direktionsrecht angeordnet werden, da mit der Einführung von Kurzarbeit in beide Grundpflichten des Arbeitsvertrages eingegriffen wird. Zu berücksichtigen ist allerdings, dass bei der Einführung von Kurzarbeit durch widerspruchslose Hinnahme die Zustimmung zur Kurzarbeit auch konkludent erfolgen kann. Die Beweispflicht vor Gericht liegt hierbei allerdings beim Arbeitgeber, der nachweisen muss, dass der Arbeitnehmer positive Kenntnis von der Kurzarbeit hatte und trotz dieser Kenntnis mit reduzierter Arbeitszeit weitergearbeitet hat. Der Arbeitgeber muss somit beweisen, dass sich aus dem Verhalten des Arbeitnehmers schlüssig ergeben hat, dass dieser mit der Einführung der Kurzarbeit einverstanden war, weswegen dieser Weg Arbeitgebern grundsätzlich nicht zu empfehlen ist.11
c) Kurzarbeit versus Kündigung
Viele Arbeitgeber integrieren daher bereits eine Kurzarbeiterklausel im Arbeitsvertrag, die es dem Arbeitgeber ermöglicht, bei Bedarf Kurzarbeit einzuführen, da ihm sonst oft nur eine Änderungskündigung bzw. betriebsbedingte Kündigung bleibt, sofern er mit dem Arbeitnehmer keine einvernehmliche Lösung zur Kurzarbeit findet.12
Die Einführung von Kurzarbeit kann somit für Betriebe gerade in Krisenzeiten extrem wichtig sein, da ein Arbeitgeber gem. § 615 Satz 3 BGB auch dann die volle Vergütung zu zahlen hat, wenn er die Leistung der Arbeitnehmer nicht in Anspruch nehmen kann. Kann der Arbeitgeber den an ihn gestellten Beschäftigungsanspruch der Arbeitnehmer nicht erfüllen, gerät er automatisch in Annahmeverzug. Gleiches gilt ebenfalls, wenn Kurzarbeit nicht wirksam eingeführt wurde.13
Bei der Einführung von Kurzarbeit steht für das Unternehmen oft die Frage im Raum, ob betriebsbedingt gekündigt werden sollte oder die Mitarbeiter in Kurzarbeit geschickt werden sollten.
Erfolgt eine Kündigung, muss der Arbeitgeber sich an die gesetzlichen Kündigungsfristen sowie an das Kündigungsschutzgesetz halten, falls dieses Anwendung findet.14
Unter dem Begriff Kurzarbeit versteht man ebenfalls eine „kurzfristige, betriebliche Reaktion auf nicht anders abwendbare Umstände, die zu einem Arbeitsausfall führen.“15
Mittels Kurzarbeit ist es möglich, große betriebsbedingte Entlassungswellen und einen starken Anstieg der Arbeitslosigkeit zu verhindern.16 Somit hat Kurzarbeit ggü. einer Kündigung den entscheidenden Vorteil, dass der Arbeitnehmer vertraglich an das Unternehmen gebunden bleibt und kurzfristig auch wieder in vollem Umfang eingesetzt werden kann, wenn es zu einer Besserung der Auftragslage kommt.17
Andererseits sind die Kosten der Kurzarbeit eine starke Belastung für ein Unternehmen, weswegen bei einem längerfristigen Rückgang des Auftragsvolumens die betriebsbedingte Kündigung oft die kostengünstigere Alternative darstellt.18 Selbst bei der Einführung von Kurzarbeit „Null“ muss der Arbeitgeber normalerweise weiterhin die Sozialversicherungsbeiträge leisten, was dazu führt, dass Kurzarbeit dennoch eine Belastung für den Arbeitgeber darstellt.19
Unter Kurzarbeit „Null“ versteht man einen Arbeitsausfall von 100%. Dies ist der Fall, wenn der Arbeitnehmer gar nicht weiter beschäftigt werden kann.20
Zu erwähnen ist unter diesem Gesichtspunkt auch, dass eine Kündigung die Kosten zwar dauerhaft, aber aufgrund von Kündigungsfristen mit einer Verzögerung reduziert. Kurzarbeit hingegen senkt die Kosten sofort bei ihrer Einführung.21
Die entscheidende Frage ist hier also, ob es sich um einen vorübergehenden Engpass im Auftragsvolumen handelt, oder ob dieses dauerhaft gesunken ist. Da die Antwort zu dieser Frage auf einer Abschätzung der Zukunftsaussichten beruht, ist sie in der Praxis oft schwer zu beantworten.
Da Kurzarbeit ein milderes Mittel als eine betriebsbedingte Kündigung darstellen könnte, müsste gem. dem KSchG theoretisch zunächst Kurzarbeit in Betracht gezogen werden, sofern das Auftragsvolumen nur vorübergehend gesunken ist. Diese Frage ist, wie oben bereits angesprochen, oft nicht so einfach beantworten, weswegen sich über deren Antwort diskutieren lässt. Da in diesem Fall die Auffassung des Arbeitgebers relevant ist, stellt sich die Frage, inwieweit seine Entscheidung durch ein Gericht auf deren inhaltliche Richtigkeit überprüft werden muss.
Gleich wie bei der betriebsbedingten Kündigung, wird diese unternehmerische Entscheidung gem. Art. 12 und Art. 2 Absatz 1 GG nur auf ihre Willkürfreiheit geprüft, nicht aber auf ihre inhaltliche Richtigkeit.22
Die Entscheidung unterliegt somit nur einer „Missbrauchskontrolle“23.
Abschließend lässt sich festhalten, dass die Einführung von Kurzarbeit definitiv ein milderes Mittel als eine Beendigungskündigung darstellt, sofern die Voraussetzungen für die Einführung von Kurzarbeit erfüllt sind. Sind diese erfüllt, fehlt der für eine Beendigungskündigung notwenige Dauermangel der Arbeitsmenge. Ob dieser Dauermangel tatsächlich vorlag, lässt sich zu einem späteren Zeitpunkt uneingeschränkt überprüfen.24
Dies hat zur Folge, dass in der Theorie zwischen Kurzarbeit und einer betriebsbedingten Kündigung keine Schnittmenge besteht, da Kurzarbeit eine Maßnahme für den kurzfristigen Entfall der Beschäftigungsmöglichkeit darstellt. Eine betriebsbedingte Kündigung ist hingegen die Reaktion auf den dauerhaften Entfall eines Arbeitsplatzes, weswegen sich die beiden Instrumente in der Theorie weder gegenseitig bedingen noch ausschließen.25
d) Zulässigkeit von Kündigungen während der Kurzarbeit
Daraufhin stellt sich natürlich die Frage, ob einem Arbeitnehmer während der Kurzarbeit gekündigt werden kann.
Grundsätzlich ist eine Kündigung nach wie vor möglich. Gemäß KschG kann diese aus personenbedingten, verhaltensbedingten und betriebsbedingten Gründen erfolgen, sofern das KSchG Anwendung findet. Wird allerdings betriebsbedingt gekündigt, so kann dies nicht mit den gleichen Gründen gerechtfertigt werden, wie die Kurzarbeit selbst. Da betriebsbedingte Kündigungen mit der Einführung von Kurzarbeit abgewendet werden sollen, müssen weitere Kündigungsgründe wie der Wegfall von wichtigen Kunden oder weitere Auftragsrückgänge vorliegen, welche den Wegfall des Arbeitsplatzes des betroffenen Arbeitnehmers erklären.26
e) Kurzarbeit bei Kündigungen
Beabsichtigt ein Arbeitgeber innerhalb von 30 Kalendertagen mehr als eine nach § 17 Absatz 1 KSchG bestimmte Anzahl an Arbeitnehmern zu entlassen, so hat er dies gem. § 17 KSchG ggü. der Agentur für Arbeit anzuzeigen.
Diese Entlassungen werden erst mit der Zustimmung der Agentur für Arbeit gem. § 18 KSchG wirksam. Ist der Arbeitgeber nicht in der Lage, seine Arbeitnehmer bis zu diesem Zeitpunkt voll zu beschäftigen, so kann für die Zwischenzeit gem.
§ 19 KSchG Kurzarbeit eingeführt werden. § 19 Absatz 2 KSchG berechtigt den Arbeitgeber in diesem Fall, den Lohn des Arbeitnehmers für die nicht geleisteten Arbeitsstunden zu kürzen.
In der Praxis ist diese Regelung allerdings nur selten relevant, da bis zum Ende der Kündigungsfrist der volle Lohn zu zahlen ist. Darüber hinaus bleiben sowohl tarifvertragliche Regelungen sowie die Mitbestimmung des Betriebsrates davon unberührt. Daher sind nur nicht tarifgebundene Arbeitnehmer in Betrieben ohne Betriebsrat von dieser Regelung betroffen, weswegen diese hier nicht weiter ausgeführt wird.27
f) Kurzarbeitergeld und Steuern
Grundsätzlich ist Kurzarbeitergeld für den Arbeitnehmer steuerfrei. Allerdings handelt es sich beim Kurzarbeitergeld um eine sog. Lohnersatzleistung, welche dem Progressionsvorbehalt gem. § 32b Absatz 1 Nummer 1 Buchstabe a EStG unterliegt. Somit ist zwar das Kurzarbeitergeld steuerfrei, führt aber zu einer Erhöhung des individuellen Steuersatzes. Dies führt dazu, dass auf den tatsächlich erhaltenen Bruttolohn prozentual gesehen mehr Steuern als üblich gezahlt werden müssen, was häufig zu einer Steuernachzahlung führen kann, da der Steuersatz nachträglich angepasst wird. Zuschüsse, die vom Arbeitgeber geleistet werden, sind grundsätzlich steuerpflichtiger Arbeitslohn.28
Angesichts der aktuellen Situation wurde darüber diskutiert, den Progressionsvorbehalt für Beschäftigte in Kurzarbeit vorübergehend auszusetzen, was aber nach aktuell herrschender Meinung gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz verstoßen würde und somit unzulässig ist.29
Daher wird dieser Aspekt hier nicht weiter ausgeführt.
E. Voraussetzungen für die Einführung von Kurzarbeit
a) Rechtsgrundlage
Da Kurzarbeit, wie bereits angesprochen, nicht einseitig angeordnet werden kann, bedarf es stets einer Rechtsgrundlage um die Regelungen des geschlossenen Arbeitsvertrages außer Kraft zu setzen. Als Rechtsgrundlage zur Abweichung vom Arbeitsvertrag kommen grundsätzlich Tarifverträge, Betriebsvereinbarungen, Kurzarbeiterklauseln oder vertragliche Vereinbarungen zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer in Frage.30
1. Tarifvertragliche Regelungen
Häufig wurden bereits im Tarifvertrag Regelungen zur Kurzarbeit getroffen. Meistens existieren hier Regelungen zur Ermächtigung, zu Ankündigungsfristen und zum Verfahren der Einführung von Kurzarbeit. Die Ausgestaltung bleibt oft den Betriebsparteien überlassen.31 Üblich ist unter anderem, dass eine Ankündigungsfrist vor der Einführung von Kurzarbeit vereinbart wird. Diese beträgt in vielen Fällen vier Wochen und fünf Tage. Der Tarifvertrag kann zusätzlich Regelungen über die Vergütung enthalten. Dazu gehören auch Vereinbarungen über die Aufstockung des Kurzarbeitergeldes durch den Arbeitgeber. Zudem können betriebsbedingte Kündigungen während der Kurzarbeit ausgeschlossen werden. Die Vereinbarung muss mindestens die Voraussetzungen sowie den Umfang, das Ausmaß und die Höchstdauer der Kurzarbeit regeln. Eine Vereinbarung ohne diese Daten, die es dem Arbeitgeber einseitig ermöglicht, Kurzarbeit einzuführen, ist unwirksam.32
Zur wirksamen Einführung von Kurzarbeit durch einen Tarifvertrag, muss gem.
§ 3 Absatz 1 TVG eine Tarifbindung des Betriebes bestehen. Der Tarifvertrag muss gem. § 4 Absatz 1 TVG Anwendung auf den Betrieb finden und wie oben beschrieben eine wirksame Klausel zur Kurzarbeit enthalten.
Wurde die Kurzarbeit wirksam eingeführt, gelten tarifvertragliche Kurzarbeiterklauseln uneingeschränkt und dürfen nachträglich nicht modifiziert werden. (Auch die Nachwirkung des Tarifvertrages gilt uneingeschränkt gem.
§ 4 Absatz 5 TVG.)33
2. Betriebsvereinbarungen
Sofern kein Tarifvertrag Anwendung findet oder dieser die oben genannten Punkte nicht enthält, könnte eine Betriebsvereinbarung als Rechtsgrundlage dienen.34
Eine Voraussetzung für das Einführen von Kurzarbeit ist die Zustimmung des Betriebsrates. Diese Voraussetzung muss zusätzlich zu allen anderen Voraussetzungen erfüllt werden, sofern ein Betriebsrat besteht, da dieser grundsätzlich gem. § 87 Absatz 1 Nr. 3 BetrVG Mitbestimmungsrechte hat, wenn es um eine Verkürzung der betriebsüblichen Arbeitszeit geht. Da der Betriebsrat ein zwingendes Mitbestimmungsrecht hat, müssen sich Arbeitgeber und Betriebsrat über den Zeitpunkt der Einführung von Kurzarbeit sowie deren Umfang einigen. Darüber hinaus muss geklärt werden, wie die veränderte Arbeitszeit auf die Wochentage zu verteilen ist. Zu erwähnen ist an dieser Stelle, dass eine Regelungsabrede zwar die Mitbestimmungsrechte des Betriebsrates wahrt, aber sich eine Änderung der Arbeitsverträge, bezogen auf die Arbeitszeit und die Lohnansprüche, nur durch eine förmliche Betriebsvereinbarung herbeiführen lässt.35
Geht der Wunsch der Einführung von Kurzarbeit nicht vom Arbeitgeber aus, kann der Betriebsrat auch gegen den Willen des Arbeitgebers die Einführung von Kurzarbeit verlangen. Sollten sich Arbeitgeber und Betriebsrat nicht einig werden, erfolgt die Einigung gem. §§ 76, 87 Absatz 2 Satz 1 BetrVG.36
Die Betriebsvereinbarung kann, sofern noch keine besteht, aufgesetzt werden und sollte folgende Punkte für den Arbeitnehmer verständlich darstellen: Den Beginn sowie die Dauer der Kurzarbeit, die Lage und die Verteilung der Arbeitszeit als auch die betroffenen Arbeitnehmer.37
Die Vereinbarung bedarf der Schriftform.38
Die folgende Abbildung zeigt ein Muster einer solchen Betriebsvereinbarung:
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abb. 1: Muster einer Betriebsvereinbarung39
3. Dienstvereinbarung
Gerade im öffentlichen Dienst oder in kirchlichen Einrichtungen wird immer wieder diskutiert, ob eine Dienstvereinbarung als Grundlage für Kurzarbeit in Frage kommt.40
Da sich das Mitbestimmungsrecht von Personalräten in Verwaltungen und Betrieben des Bundes nicht auf die Einführung von Kurzarbeit erstreckt, kommt eine Dienstvereinbarung in diesem Fall als Rechtsgrundlage nicht in Frage. Die Einführung von Kurzarbeit ist in diesem Fall nur auf Basis eines Tarifvertrages möglich.41
In kirchlichen Einrichtungen ist die Einführung von Kurzarbeit über eine Dienstvereinbarung nur dann möglich, wenn sich in der entsprechenden Mitarbeiterverordnung eine Formulierung findet, welche die Einführung von Kurzarbeit gem. § 87 Absatz 1 Nummer 3 BetrVG ermöglicht. Eine solche Formulierung ist allerdings in der aktuellen Rahmen-Mitarbeiterverordnung nicht vorgesehen, wurde aber mittlerweile von einigen Erzdiözesen ergänzt.42
4. Kurzarbeiterklausel im Arbeitsvertrag
Oftmals wird bereits vorab im Arbeitsvertrag eine entsprechende Kurzarbeiterklausel integriert, sodass die Zustimmung zur Kurzarbeit bereits beim Vertragsabschluss erfolgt. Dadurch hat der Arbeitgeber bereits die Grundlage geschaffen, um zum entsprechenden Zeitpunkt die Kurzarbeit einseitig, ohne weitere Zustimmung des Arbeitnehmers, einführen zu können.43
Fraglich ist, wann eine Kurzarbeiterklausel im Arbeitsvertrag wirksam ist.
Steht die Klausel in einem Individualarbeitsvertrag, ist sie grundsätzlich zulässig. Steht die Klausel hingegen in einem standardisierten Arbeitsvertrag in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen, so finden die §§ 305 ff. BGB Anwendung. Die Klausel darf dementsprechend nicht ungewöhnlich bzw. überraschend sein gem. § 305c Absatz 1 BGB und muss den Transparenz- und Angemessenheitserfordernissen genügen.44 Diese sind in § 307 BGB definiert, welcher besagt, dass der Vertragspartner des Verwenders nicht unangemessen benachteiligt werden darf. Laut § 307 Absatz 2 BGB liegt eine Benachteiligung dann vor, wenn eine Bestimmung mit dem wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Regelung, von der abgewichen wird, nicht zu vereinbaren ist oder wesentliche Rechte oder Pflichten so eingeschränkt werden, dass die Erreichung des Vertragszwecks gefährdet ist.
Allerdings könnte es sich hierbei auch um eine „Besonderheit des Arbeitsrechts“45 handeln, so dass Kurzarbeiterklauseln ungeachtet der Klauselkontrolle gem.
§§ 305 ff. BGB auch in standardisierten Arbeitsverträgen vereinbart werden können.46
Grundsätzlich stellt eine solche Klausel eine Abweichung von § 611 BGB und § 2 KSchG dar. Laut Urteil des LAG Berlin-Brandenburg ist eine Kurzarbeiterklausel im Arbeitsvertrag möglich, wenn diese zum einen ausdrücklich eine Ankündigungsfrist vorsieht und zum anderen Regelungen über Umfang und Ausmaß der Kurzarbeit beinhaltet. Sie muss darüber hinaus den betroffenen Personenkreis festlegen, da sie sonst gem. § 307 Absatz 1, 2 BGB unwirksam ist. Nimmt die Klausel nur auf die Insolvenzgeld-Vorschriften gem. §§ 169 ff. SGB III Bezug und geht nicht auf die oben angeführten relevanten Punkte ein, gilt sie als unwirksam. (Auch wenn die §§ 169 ff. SGB III i. V. m. §310 Absatz 4 BGB angeführt werden.)47
5. Individuelle vertragliche Regelungen
Selbstverständlich kann der Arbeitgeber auch durch eine individuelle Regelung im Arbeitsvertrag zur Einführung von Kurzarbeit ermächtigt werden.48 Dies ist sinnvoll, wenn weder Tarifvertrag, Betriebsvereinbarung noch Kurzarbeiterklauseln vorhanden sind bzw. als Rechtsgrundlage dienen. Sollte der Arbeitgeber mit mehreren Arbeitnehmern einzelvertragliche Änderungen vornehmen und diese bereits vorformuliert haben, so gelten die gleichen Grundsätze wie bei der Klauselkontrolle gem. § 307 BGB, wie oben beschrieben.49
Die Vereinbarung zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer muss klare und verständliche Aussagen darüber treffen, warum Kurzarbeit eingeführt wird, für welchen Zeitraum, in welchem Umfang und wer betroffen ist. Darüber hinaus muss es auch hier eine Ankündigungsfrist geben. Wie auf Seite 4 beschrieben, kann eine solche Vereinbarung konkludent geschlossen werden, es ist allerdings ratsam, diese schriftlich festzuhalten.50
b) Nachträgliche Schaffung einer Ermächtigungsgrundlage
Existiert keine Grundlage, die den Arbeitgeber zur Einführung von Kurzarbeit ermächtigt, so kann der Arbeitgeber auf eine rechtswirksame Änderungsvereinbarung bzw. Änderungskündigung zurückgreifen, um diese nachträglich zu schaffen.51
F. Voraussetzungen für die Gewährung von Kurzarbeitergeld
a) Formen des Kurzarbeitergeldes
Grundsätzlich existieren verschiedene Formen des Kurzarbeitergeldes. Neben dem Saison-Kurzarbeitergeld, dem Heimarbeiter-Kurzarbeitergeld und dem Transfer-Kurzarbeitergeld gibt es das konjunkturelle Kurzarbeitergeld, mit dem sich diese Arbeit befasst.52
Das konjunkturelle Kurzarbeitergeld wird stets in wirtschaftlichen Krisensituationen, wie z. B. in der aktuell vorherrschenden Corona-Pandemie, relevant. Es handelt sich dabei gem. § 3 Absatz 4 Nummer 4 SGB III um eine sozialversicherungsrechtliche Lohnersatzleistung, welche die fortlaufenden Lohnkosten des Arbeitgebers absichert und somit auch die Beschäftigungsverhältnisse der Arbeitnehmer.53
b) Anspruch auf Kurzarbeitergeld
Gem. § 95 SGB III müssen die folgenden vier Voraussetzungen jeweils im Einzelnen erfüllt sein, damit ein Anspruch auf Kurzarbeitergeld entsteht.
1. Erheblicher Arbeitsausfall
Gem. § 95 Satz 1 SGB III muss der Arbeitsausfall auf Seiten des Arbeitgebers erheblich sein und zu einem Lohnausfall des betroffenen Arbeitnehmers führen.
Ein Arbeitsausfall ist gem. § 96 SGB III erheblich, wenn er auf wirtschaftlichen Gründen oder einem unabwendbaren Ereignis beruht. Darüber hinaus ist der Arbeitsausfall nur dann erheblich, wenn er vorübergehend und nicht vermeidbar ist und im jeweiligen Kalendermonat mindestens ein Drittel der Arbeitnehmer von einem Entgeltausfall von mehr als zehn Prozent des Bruttogehalts betroffen sind.
i. Wirtschaftliche Gründe
Unter wirtschaftlichen Gründen versteht man einen Mangel an Aufträgen oder eine nachlassende Nachfrage, für welche die Geschäftsführung des entsprechenden Unternehmens nicht verantwortlich ist. Wirtschaftliche Gründe beruhen auf strukturellen oder konjunkturellen Störungen der allgemeinen Wirtschaftslage und wirken somit von außen auf ein Unternehmen ein. Diese ergeben sich somit aus der Teilnahme eines Betriebs am Wirtschaftsleben. Aktuelle Beispiele für wirtschaftliche Gründe sind unter anderem Auftragsmangel, Auftragsstornierungen und fehlendes Material aufgrund der Coronakrise. Dazu gehören keine betriebsspezifischen Verläufe, die konkret durch das jeweilige Unternehmen zu verantworten sind.54
Dabei ist zu berücksichtigen, dass die wirtschaftliche Ursache nicht ausschließlich für den Arbeitsausfall verantwortlich sein muss. Sie muss allerdings die wesentliche bzw. die überwiegende Ursache darstellen und während der gesamten Bezugsdauer des Kurzarbeitergeldes vorliegen.55
Wird der Arbeitsausfall gem. § 96 Absatz 2 SGB III durch veränderte wirtschaftliche Strukturen verursacht, welche auf die allgemeine wirtschaftliche Entwicklung zurückzuführen sind, gilt dieser ebenfalls als erheblich.
Unter der Veränderung von wirtschaftlichen Strukturen versteht man z. B. die Umstellung auf ein neues Produkt oder die Einschränkung der Produktion.56
ii. Unabwendbares Ereignis
Damit ein Ereignis als unabwendbar gilt, müssen die folgenden drei Kriterien erfüllt sein: Das Ereignis muss zeitlich begrenzt sein. Darüber hinaus muss das Ereignis außergewöhnlich sein und von außen auf den Betrieb wirken.
Gem. § 96 Absatz 1 SGB III versteht man unter unabwendbaren Ereignissen unbeeinflussbare Witterungsbedingungen wie z. B. Hochwasser und vergleichbare Ereignisse. Dieses Ereignis darf sich durch Anwendung der erforderlichen Sorgfalt nicht abwenden lassen.
Kommt es z. B. zu einem Fabrikbrand, der durch einen Blitzeinschlag verursacht wurde, handelt es sich um ein unabwendbares Ereignis, sofern der Arbeitgeber alle Sicherheitsvorschriften eingehalten hat.57
Im Zusammenhang mit der Corona-Pandemie kommt es zu Betriebsschließungen aufgrund von behördlichen Maßnahmen sowie zu vorübergehenden Unterbrechungen in den Lieferketten, gefolgt von Produktionsausfällen und infektionsschützenden Maßnahmen. Sofern diese Maßnahmen zu einem Entgeltausfall führen, handelt es sich auch hierbei um unabwendbare Ereignisse. Diese hat der Arbeitgeber nicht zu vertreten.58 Kurzarbeitergeld kann in diesem Fall gezahlt werden, soweit der entsprechende Betrieb nicht zur Lohnfortzahlung verpflichtet ist.59
iii. Vorübergehender Arbeitsausfall
Gem. § 96 Absatz 1 Satz 1 Nummer 2 SGB III gilt ein Arbeitsausfall als vorübergehend, „wenn mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit voraussehbar ist, dass in absehbarer Zeit wieder mit dem Übergang zur Vollarbeit zu rechnen ist.“60 Dies muss sich aus den Gesamtumständen des entsprechenden Einzelfalls ergeben und für den gesamten Bezugszeitraum von Kurzarbeitergeld gegeben sein. Ein Bsp. dafür ist die vorübergehende Schließung von Betrieben im Zuge der Coronakrise, aufgrund von staatlich festgelegten Schutzmaßnahmen.61
Zu den oben angesprochenen Gesamtumständen zählen unter anderem Liquidität, Rentabilität, Rohstofflage und Produktion.62
Wird ein Arbeitsausfall durch wirtschaftlichen Strukturwandel verursacht, so kann dieser dennoch als vorübergehend eingestuft werden. Obwohl das Resultat eines Strukturwandels eine dauerhafte Veränderung ist, kann vom Arbeitgeber glaubhaft dargelegt werden, dass innerhalb der Bezugsdauer mit einem Übergang zur Vollzeitarbeit zu rechnen ist, was in diesem Fall eine legitime Rechtfertigung für den Bezug von konjunkturellem Kurzarbeitergeld darstellt.63
iv. Nicht vermeidbarer Arbeitsausfall
Gem. § 96 Absatz 1 Satz 1 Nummer 3 SGB III muss es sich um einen unvermeidbaren Arbeitsausfall handeln. Dies ist gem. § 96 Absatz 4 SGB III dann der Fall, wenn der entsprechende Betrieb alle zumutbaren Vorkehrungen getroffen hat, um den Arbeitsausfall zu verhindern.
Diese Vorgabe gilt nicht nur bis zum Zeitpunkt der Anzeige des Arbeitsausfalls, sondern auch danach. Auch wenn der Ausfall auf einem unabwendbaren Ereignis beruht, wie z. B. der Corona-Pandemie, ist der Arbeitgeber verpflichtet, fortlaufend Vorkehrungen zu treffen, die den Arbeitsausfall reduzieren oder beseitigen. Allerdings betrifft diese „Schadensminimierungspflicht nicht nur den Arbeitgeber, sondern auch die Betriebsvertretung und den einzelnen Arbeitnehmer.“64 Dabei muss es sich letztendlich immer um eine wirtschaftlich vertretbare Maßnahme handeln. Beispiele für solche Maßnahmen sind die Durchführung von Wartungs- oder Aufräumarbeiten zur Beschäftigung der Arbeitnehmer.65
Als vermeidbar gilt ein Arbeitsausfall gem. § 96 Absatz 4 Satz 2 Nummer 1 SGB III, der überwiegend branchenüblich, betriebsüblich oder saisonbedingt ist oder ausschließlich auf betriebsorganisatorischen Gründen beruht.
Als branchenüblich gilt ein solcher Arbeitsausfall, der aufgrund der Eigenart des entsprechenden Geschäftszweiges regelmäßig vorkommt. Oftmals ist dieser Arbeitsausfall gleichzeitig auch betriebsüblich. Dieser gilt als regelmäßig wiederkehrend, wenn er in den letzten drei Jahren jedes Jahr zur gleichen Zeit aus den gleichen Gründen angezeigt wurde. Spätestens im dritten Jahr wird dann kein Kurzarbeitergeld mehr gewährt.66
Als saisonbedingt gilt ein Arbeitsausfall, der regelmäßig zur selben Jahreszeit auftritt. Basiert ein Arbeitsausfall sowohl auf wirtschaftlichen als auch auf saisonal bedingten Gründen, so ist festzustellen, welcher der beiden Gründe überwiegt und ob dementsprechend Kurzarbeitergeld gezahlt wird oder nicht.67
Ebenfalls als vermeidbar gilt ein Arbeitsausfall gem. § 96 Absatz 4 Satz 2 Nummer 2 SGB III, der durch die Gewährung von bezahltem Erholungsurlaub ganz oder teilweise verhindert werden kann.
Hat ein von Kurzarbeit betroffener Arbeitnehmer noch Anspruch auf Urlaub, sollte er diesen zur Vermeidung von Kurzarbeit nehmen. Hat der Arbeitnehmer seinen Urlaub allerdings bereits geplant, z. B. durch Eintragung in der Urlaubsliste, so ist er nicht verpflichtet, diesen vorrangig zu nehmen, wenn der geplante Urlaub nicht auf den Zeitraum der Kurzarbeit fällt.68
Zuletzt gilt ein Arbeitsausfall auch dann als vermeidbar, wenn dieser gem.
§ 96 Absatz 4 Satz 2 Nummer 3 SGB III durch die Nutzung der im Betrieb zulässigen Arbeitszeitschwankungen vermieden werden kann.
Das bedeutet, dass Arbeitnehmer z. B. den Auf- oder Abbau von Überstunden vorrangig nutzen müssen, sofern solche Regelungen aufgrund von Betriebsvereinbarungen oder vertraglichen Regelungen im Betrieb gelten und angewendet werden. Allerdings ist es nicht zulässig, diese Regelungen extra aufgrund der Einführung von Kurzarbeit zu schaffen oder zu verändern. Selbst wenn dies z. B. durch einen Tarifvertrag möglich wäre, muss diese Option nicht genutzt werden. Die Beweislast für die vorrangige Nutzung von Arbeitszeitkonten liegt beim Arbeitgeber.69
Um sich zu vergewissern, ob die Auflösung des Arbeitszeitguthabens erforderlich ist, bietet sich die folgende Checkliste an:
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abb. 2: Checkliste zur Auflösung von Arbeitszeitguthaben70
[...]
1 Will, Kurzarbeit als Flexibilisierungsinstrument, S. 4
2 Bundeszentrale für politische Bildung, Obermeier/Kühl, Arbeitsmarktpolitische Reaktionen auf die Krise: Deutschland und Europa, Entwicklung der Leistungsempfänger von Kurzarbeitergeld 1950/2009 (Abbildung), veröffentlicht am 11.11.2016
3 Schulten/Müller, Kurzarbeitergeld, S. 4 f.
4 Will, Kurzarbeit als Flexibilisierungsinstrument, S. 6 f.
5 Bundesagentur für Arbeit, Statistik, realisierte Kurzarbeit (hochgerechnet), November 2020 Deutschland (aktuelle Ausgabe), Grafik 1 (Tabellenblatt), Kurzarbeiter, abrufbar unter: https://statistik.arbeitsagentur.de/SiteGlobals/Forms/Suche/Einzelheftsuche_Formular.html;jsessionid=31A2DA57CF8261AA042394B1D10BF970?nn=20726&topic_f=kurzarbeit-hr, zuletzt abgerufen am: 29.12.2020
6 Erfk/Preis, 21. Aufl. 2021, BGB § 611, Rn. 657
7 Powietzka, Praxishandbuch, Rn. 69; Schmidt, Erste Hilfe Kurzarbeit, S. 9
8 Osnabrügge, Kurzarbeit, § 1, Rn. 1
9 Osnabrügge, Kurzarbeit, § 1, Rn. 2, § 2, Rn. 9
10 Schmidt, Erste Hilfe Kurzarbeit, S. 9; Schulten/Müller, Kurzarbeitergeld, S. 4
11 Erfk/Preis, 21. Aufl. 2021, BGB § 611, Rn. 657, 658; Powietzka, Praxishandbuch, Rn. 71; Osnabrügge, Kurzarbeit, § 2, Rn. 10, 11, 19; Schmidt, Erste Hilfe Kurzarbeit, S. 9; Schulten/Müller, Kurzarbeitergeld, S. 4
12 Powietzka, Praxishandbuch, Rn. 70
13 Erfk/Preis, 21. Aufl. 2021, BGB § 615, Rn. 14; F.Meyer/M. Meyer in: Momsen/Grützner, § 35, Rn. 123
14 Powietzka, Praxishandbuch, Rn. 70
15 Osnabrügge, Kurzarbeit, § 1, Rn. 3
16 Jeschke/Wahlig, NZA, 2010, S. 607 (607)
17 Peters, Kurzarbeit, S. 71, Rn. 223; Osnabrügge, Kurzarbeit, § 1, Rn. 3
18 Jeschke/Wahlig, NZA, 2010, S. 607 (607)
19 Osnabrügge, Kurzarbeit, § 1, Rn. 3
20 Peters, Kurzarbeit, S. 37, Rn. 6
21 Peters, Kurzarbeit, S. 71, Rn. 224;
22 Jeschke/Wahlig, NZA, 2010, S. 607 (609)
23 Erfk/Preis, 21. Aufl. 2021, KSchG § 1, Rn. 287
24 Erfk/Preis, 21. Aufl. 2021, KSchG § 1, Rn. 288
25 Osnabrügge, Kurzarbeit, § 2, Rn. 33, 34
26 Peters, Kurzarbeit, S. 70, Rn. 215-217; Peters, Kurzarbeit, S. 82, § 11
27 Erfk/Preis, 21. Aufl. 2021, KSchG § 19, Rn. 1
28 Mick/Dyckmans/Klein, Maßnahmen, COVuR, S. 235 (240)
29 Heurung/Schmidt/Kollmann: Aussetzung Progressionsvorbehalt, DStR, S. 2753 (2754, 2759)
30 Peters, Kurzarbeit, S. 5, Rn. 16; Osnabrügge, Kurzarbeit, § 2, Rn. 11
31 Peters, Kurzarbeit, S. 5, Rn. 17; Schmeisser/Fauth, Kurzarbeit, COVuR, S. 363 (365)
32 Erfk/Preis, 21. Aufl. 2021, TVG § 1, Rn. 69; Schmidt, Erste Hilfe Kurzarbeit, S. 10
33 BfA, Fachliche Weisungen, S. 8
34 Peters, Kurzarbeit, S. 6, Rn. 18; Schmidt, Erste Hilfe Kurzarbeit, S. 11
35 BfA, Fachliche Weisungen S. 7; Erfk/Preis, 21. Aufl. 2021, BGB § 611, Rn. 661 & BetrVG § 87, Rn. 35; Schmeisser/Fauth, Kurzarbeit, COVuR, S. 363 (365)
36 Powietzka, Praxishandbuch, Rn. 73 – Praxishinweis; Peters, Kurzarbeit, S. 6, Rn. 19; Schmidt, Erste Hilfe Kurzarbeit, S. 9 f.
37 Peters, Kurzarbeit, S. 6, Rn. 21, 22; Schmidt, Erste Hilfe Kurzarbeit, S. 12
38 BfA, Fachliche Weisungen, S. 8
39 Peters, Kurzarbeit, S. 77, 78, Rn. 1
40 Schmeisser/Fauth, Kurzarbeit, COVuR, S. 363 (366)
41 Schmeisser/Fauth, Kurzarbeit, COVuR, S. 363 (366)
42 Schmeisser/Fauth, Kurzarbeit, COVuR, S. 363 (366)
43 Powietzka, Praxishandbuch, Rn. 70; Osnabrügge, Kurzarbeit, § 2, Rn. 20
44 Powietzka, Praxishandbuch, Rn. 74, 75
45 Osnabrügge, Kurzarbeit, § 2, Rn. 20
46 Osnabrügge, Kurzarbeit, § 2, Rn. 20
47 LAG Berlin-Brandenburg – 2 Sa 1230/10, Urteil vom 07.10.2010
48 Peters, Kurzarbeit, S. 6, Rn. 24
49 Schmidt, Erste Hilfe Kurzarbeit, S. 13
50 Schmeisser/Fauth, Kurzarbeit, COVuR, S. 363 (366 f.)
51 Peters, Kurzarbeit, S. 6, Rn. 25, 26; Schmidt, Erste Hilfe Kurzarbeit, S. 9
52 Peters, Kurzarbeit, S. 8, Rn. 34
53 BfA, Fachliche Weisungen S. 15 f.; Peters, Kurzarbeit, S. 8, Rn. 35
54 Peters, Kurzarbeit, S. 9, Rn. 41; Schmeisser/Fauth, Kurzarbeit, COVuR, S. 363 (363) Stier, Kurzarbeit, S. 10 f.
55 BfA, Fachliche Weisungen, S. 15
56 Peters, Kurzarbeit, S. 9, Rn. 44; Stier, Kurzarbeit, S. 11
57 BfA, Fachliche Weisungen, S. 17
58 Peters, Kurzarbeit, S. 10, Rn. 45-47; Schmeisser/Fauth, Kurzarbeit, COVuR, S. 363 (363)
59 BfA, Fachliche Weisungen, S. 17
60 BSG, Urteil vom 17.5.1983, 7 Rar 13/82
61 Stier, Kurzarbeit, S. 14 f.; BfA, Fachliche Weisungen, S. 18
62 Peters, Kurzarbeit, S. 11, Rn. 49
63 BfA, Fachliche Weisungen, S. 18
64 BfA, Fachliche Weisungen, S. 19
65 Peters, Kurzarbeit, S. 11, Rn. 52; Stier, Kurzarbeit, S. 14 f.
66 BfA, Fachliche Weisungen, S. 22
67 BfA, Fachliche Weisungen, S. 23
68 Stier, Kurzarbeit, S. 16 f.; Peters, Kurzarbeit, S. 12, Rn. 55, 56; Schmeisser/Fauth, Kurzarbeit, COVuR, S. 363 (363)
69 Peters, Kurzarbeit, S. 13, Rn. 61-64; BfA, Fachliche Weisungen, S. 25 f.
70 Peters, Kurzarbeit, S. 14, Rn. 68, 69
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