Das Genus im niederdeutschen Dialekt

Was sind die Gründe für Genusunterschiede zwischen einer Hochsprache und einem Dialekt?


Hausarbeit, 2014

16 Seiten, Note: 1,5


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Sprachgebiet des Niederlandischen
2.1 Heutiges Sprachgebiet des Niederdeutschen
2.2 Historisches Sprachgebiet des Niederdeutschen

3. Wer spricht Niederdeutsch?

4. Das Genus im Niederdeutschen
4.1 Femininum
4.2 Maskulinum
4.3 Neutrum

5. Bestimmungsregel der Nomen am Beispiel von der Ostlümeburgischen Mundart
5.1 Morphologische Bestimmungsregel der Nomen
5.2 Semantische Bestimmungsregel der Nomen

6. Genus zusammengesetzter Nomen

7. Genus von Kurz- und Abkürzungswörtern

8. Zu den Gründen für die Abweichung des Genus in den deutschen Dialekten

9. Schluss

Literaturverzeichnis

Einleitung

Es kommt oft vor, dass Nomen mit Artikeln verwendet werden. Die Form des vor dem Substantiv stehenden Artikels ist abhängig von Genus (maskulin, feminin und neutral), Kasus (Nominativ, Akkusativ, Dativ und Genitiv) und Numerus (Singular und Plural). Nomen besitzen in der Regel ein bestimmtes Geschlecht. In der französischen Sprache kann das Nomen beispielsweise entweder Maskulinum (le) oder Femininum (la). Bei anderen Sprachen, wie zum Beispiel Russisch, lassen sich drei Genera (feminin, maskulin und neutral) finden. Es gibt auch Sprachen, die kein Genussystem aufweisen, darunter Englisch und Türkisch. In der deutschen Sprache ist es äußerst wichtig, das Geschlecht des verwendeten Substantivs zu kennen, um es richtig zu benutzen und etwas (einen Text, einen Satz…) fehlerfrei zu schreiben. In der deutschen Sprache gibt es drei grammatische Genera, nämlich maskulin (männlich), feminin (weiblich) und neutral (sächlich). Im Nominativ haben maskuline Substantive den bestimmten Artikel „der“, feminine Substantive den bestimmten Artikel „die“ und neutrale Substantive den bestimmten Artikel „das“. Nomen müssen eines der drei möglichen Geschlechter der deutschen Sprache haben. Es gibt aber Substantive, die zwei oder drei Genera haben, die Substantive „Primat“, „E-Mail“ und „Joghurt“ haben beispielsweise zwei Genera (der/das Primat, die/das E-Mail, der/das Joghurt…). Das Nomen Nutella hingegen hat drei Genera (die Nutella, das Nutella und der Nutella)1. Das Genus eines Substantivs könnte von einem Ort zu einem bestimmten anderen Ort, von einer Hochsprache zu einer Umgangssprache und von einem Dialekt zu einem anderen sehr unterschiedlich sein.2 Der Genusunterschiede zwischen einer Hochsprache und einem Dialekt zeigen sich besonders deutlich im niederdeutschen Dialekt.

Doch was für ein Genussystem weist der niederdeutsche Dialekt auf? was sind die Gründe für diese Genusunterschiede zwischen einer Hochsprache und eines Dialektes?

1. Sprachgebiet des Niederdeutschen

Als Niederdeutsch bezeichnet man die sich im nördlichen und nordwestlichen Teil Deutschlands ausbreitende und sich aus dem Niedersächsischen entwickelnde westgermanische Dialekt. Niederdeutsch setzt sich aus vielen Dialektformen wie z. B. Ostniederdeutsch und Niedersächsisch zusammen.3 In der niederdeutschen Sprache sind folgende Mundartengruppen zu finden, nämlich Nordniedersächsisch oder Nordniederdeutsch, welches in Schleswig-Holstein, Hamburg, Bremen, Nordniedersachsen gesprochen wird, Mecklenburgisch-Vorpommerisch (in Mecklenburg-Vorpommern), Märkisch oder Brandenburgisch (in Brandenburg, nördliches Sachsen-Anhalt), Niederrheinisch oderniederfränkisch (niederes Reihnland), Westfälisch (Westfalen) und Ostfälisch (südlich von Niedersächsen, Sachsen-Anhalt). Bevor man sich mit dem Genussystem im niederdeutschen Dialekt auseinandersetzt, sollte man sich darüber Klarheit verschaffen, wo genau Niederdeutsch gesprochen wird.

1.1 Heutiges Sprachgebiet des Niederdeutschen

Niederdeutsch, auch Altniederdeutsch oder Sachsensprachegenannt, war die Sprache der Stamm der Sachsen im nordwestlichen Teil Deutschlands. Niederdeutsch wurde von 8. bis 11. Jahrhundert gesprochen.4 „In dieser Sprache entstand religiöse Literatur. Aus der Zeit von 820 bis 840 n. Chr. sind insbesondere die Stabreim-Bibeldichtungen Heliand (Heiland) und Genesis (letztere in Bruchstücken) überliefert.“5 In seiner mittleren Sprachperiode – besonders in der Zeit von 1350 bis 1500 – erlebte diese Sprache ihre Blütezeit. Zu dieser Zeit wurde Niederdeutsch von der Hanse6 gesprochen. Damals war Niederdeutsch Handels- Rechts- und Literatursprache.7 Auf Niederdeutsch verfasste Literatur war sehr reich. In diesem Zeitraum entstand das auf Niederdeutsch geschriebene Rechtsbuch "der sassen speyghel" (Sachsenspiegel), das Tierepos "Reynke de Vos" (Reineke Fuchs), und der Schwankroman "der sassen speyghel" (Eulenspiegel) usw.8 „In seiner jungen Sprachperiode seit dem 17. Jahrhundert ist Niederdeutsch von der hochdeutschen Sprache überdacht. Für diese Zeit gelten die Bezeichnungen (Neu)niederdeutsch und Plattdeutsch.“9 Als eines der bekanntesten niederdeutschen Werke gilt der im Jahre 1859 von dem niederdeutschen Schriftsteller Fritz Reuter (1810–1874) angefertigte Roman "Ut de Franzosentid".10 „Die Grenzen zwischen Hochdeutsch (mitteldeutschem Dialektraum) und Niederdeutsch (niederdeutschem Sprachraum) wird nach dem Ort, bei dem maken-machen-Linie den Rhein überschreitet, die Benrather Linie genannt.“11 Die Benrather Linie nimmt ihren Anfang nördlich von Achen, „überschreitet bei Benrath (Vorort von Düsseldorf) den Rhein, verläuft über Solingen, Remscheid, Waldeck, Naumburg, nördlich von Kassel, am Südrand des Harzes, südlich von Magdeburg, elbaufwärts bis nördlich von Wittenberg, durch das südliche Brandenburg und nördlich von Berlin bis oberhalb von Frankfurt/Oder.“12 Mehr oder weniger nahe der Benrather Linie befindet sich andere Linien, welche Mitteldeutsch, Oberdeutsch, Niederdeutsch, Niederländisch, Englisch, Skandinavisch voneinander.13

1.2 Historisches Sprachgebiet des Niederdeutschen

Das historische Sprachgebiet des Niederdeutschen dehnt sich räumlich bis Estland aus. Dadurch, dass die deutsche Bevölkerung nach dem Ersten und Zweiten Weltkrieg vertrieben wurde, ist die niederdeutsche Sprache in den heute Russland und Polen angehörenden manchen Gebieten ausgestorben.14 „Das auf westpreußische Varietäten zurückgehende Plautdietsch der Russlandmennoniten hat sich hingegen von der Ukraine her in verschiedene Gegenden der WELT verbreitet und wird heute beispielsweise in den USA, in Mexiko, in Brasilien oder in Kasachstan gesprochen.“15 Das Plautdietsch der Russlandmennoniten, welches auf westpreußische Varietäten zurückgeht, breitet sich hingegen von der Ukraine in mannigfaltige Gebieten in der Welt, wie z. B. USA, Mexiko Kasachstan usw.16

2. Wer spricht heute Niederdeutsch?

Bei einer Umfrage unter aus Norddeutschland stammenden Leuten wird klar, dass etwa 35 Prozent der Befragten gute bis sehr gute niederdeutsche Sprachkenntnisse besitzen ungefähr 5,6 Millionen. 43 Prozent (6,9 Millionen) äußern, dass sie des Niederdeutschen nicht mächtig sind. Knapp 3,3 Millionen der Befragten verfügen über wenige niederdeutsche Sprachkenntnisse.17 Laut Statistik nimmt die Zahl der Leute, welche Niederdeutsch sprechen können, ständig zu. Im Jahre 1963 können 51 Prozent der Hamburger Plattdeutsch sprechen, im Jahre1984 etwa 55 Prozent der. Im Gegenteil dazu können im Jahre 1963 67 Prozent der Schleswig-Holsteiner Niederdeutsch sprechen, im Jahre 1984 71 Prozent. Bei der Umfrage im Jahre 1984 geht es nicht um die Sprechfähigkeit, sondern auch darum, wie häufig sie Plattdeutsch sprechen. 37 Prozent bekennen, dass sie sehr oft Plattdeutsch sprechen, 54 Prozent manchmal. Nur 8 Prozent der Befragten sprechen fast nie Platt.18 Wie bei anderen Sprachen gibt es viele Leute, die passive Sprachkompetenz besetzen, d. h. sie verstehen Platt, können aber nicht Platt sprechen. Die Umfrage hat ergeben, dass etwa 66 Prozent der Befragten sehr gut plattdeutsch verstehen. Die im Jahre 1984 durchgeführte Umfrage zeigt, dass 40 Prozent der Hamburger Platt nicht sprechen können, aber doch können sie Platt verstehen. Im Schleswig-Holstein hingegen können nur 22 Prozent Plattdeutsch nicht sprechen, doch verstehen.19 Hinsichtlich des Lesens und Schreibens von Plattdeutsch zeigt die Umfrage, dass die Fähigkeit, Niederdeutsch lesen und schreiben zu können, niedriger ist als Niederdeutsch sprechen und verstehen zu können. 23 Prozent der Befragten können nicht Niederdeutsch lesen. Etwa 74 Prozent können nicht Niederdeutsch schreiben. Auffallend ist, dass die Zahl der Männer (38 Prozent), die sehr gut Platt sprechen können, höher ist als die Zahl der Frauen (35 Prozent), welche sehr gut Platt sprechen können. Auch Hinsichtlich des Hörverstehens vom Platt sehen sich Männer vorn, denn ungefähr 69 Prozent der befragten Männer können sehr gut Platt verstehen und nur 63 Prozent der befragten Frauen können Platt verstehen. Die Umfrage hat auch es bestätigt, dass ältere Leute besser Platt sprechen und schreiben können als jüngere Leute. Denn 13 Prozent der Befragten zwischen 18 und 34 Jahre alt können von gut bis sehr gut Platt sprechen, 45 Prozent können Plattdeutsch verstehen. 50 Prozent der Befragten, die entweder 50 Jahre alt oder älter sind, können sehr gut Platt sprechen. 76 Prozent verstehen Platt, können aber nicht niederdeutsch sprechen. Bei dieser Umfrage ist zu beachten, dass die Einwohner von Dörfern und Kleinstädten, welche Niederdeutsch sprechen und verstehen können, höher ist als die Einwohner von Großstädten. 66 Prozent der in Dörfern wohnenden Befragten können sehr gut Niederdeutsch sprechen und 84 Prozent verstehen sehr gut Niederdeutsch.20

3. Das Genus im Niederdeutschen

Im Niederdeutschen haben Artikel – anders als im Hochdeutschen – nur zwei Geschlechter, und zwar geschlechtlich (de) und sächlich (dat). Während maskuline und feminine Substantive den bestimmten Artikel (de) haben, werden neutrale Nomen der bestimmte Artikel (dat) zugewiesen. Als Beispiel dafür könnten die folgenden Wörter sehr gut dienen: de Macker (der Freund) de Vagel (der Vogel) de Deern (das Mädchen) dat Huus (das Haus) dat Oog (das Haus) dat Wief (das Weib)

Im Niederdeutschen ist nur einen unbestimmten Artikel für maskuline, feminine sowie neutrale Substantive zu finden, und zwar (en): en Mann (ein Mann) en Deern (ein Mädchen) en Fro/Fru (eine Frau)

3.1 Femininum

Femininum ist eines der drei Genera im niederdeutschen Dialekt, welches sich im Nominativ, Akkusativ und Dativ am bestimmten Artikel (de) erkennen lässt: De Fro/Fru hett en Handy. (Die Frau hat ein Handy)21 Ik fraag de Fro/Fru. (Ich frage die Frau.)22 Ik geev de Fro/Fru den Sticken. (Ich gebe der Frau den Stift.)23

3.2 Maskulinum

Maskulinum ist eines der drei Geschlechter im Niederdeutschen, welches man im Nominativ am bestimmten Artikel (de), im Akkusativ und Dativ am bestimmten Artikel (den) erkennt:

De Mann is groot. (der Mann ist groß.)

Ik geev den Mann dat Book. (Ich gebe dem Mann das Buch.)

Ik seh den Mann. (Ich sehe den Mann)24

3.3 Neutral

Neutral ist eines der Genera im plattdeutschen Dialekt, die im Nominativ, im Dativ sowie im Akkusativ am bestimmten Artikel (dat) zu erkennen ist, was die folgenden Beispielsätze sehr gut zeigen:

Dat Mäcken iss muck. (Das Mädchen ist hübsch.)

Giff dat Mäken de Hand! (Gib dem Mädchen die Hand!)

Ich seh dat smucke Mäken. (Ich sehe das hübsche Mädchen.)

4. Bestimmungsregel der Nomen am Beispiel von der Ostlüneburgischen Mundart

Betrachtet man die Nomen im niederdeutschen Dialekt, schließt man, dass es sehr schwierig ist, das Geschlecht des nicht vorher gelernten Substantivs zu erkennen, da es keine Regeln gibt, durch die man das Genus eines Substantivs erkennen kann. Das Genus eines Substantivs soll zusammen mit dem Nomen gelernt werden. Es gibt aber – wie im Hochdeutschen – einige Hinweisen, welche uns dabei helfen, das Genus des verwendeten Substantivs zu erkennen.

[...]


1 Eine schon von der Zeitschrift „Der Spiegel“ durchgeführte Onlineumfrage hat ergeben, dass über 3000 der Beteiligten „die Nutella“ sagen und über 5000 „das Nutella“. Es sind aber wenige, die „der Nutella“ sagen. (www.wissen.de)

2 Das zeigen die folgenden Beispielwörter: Standardsprache: die Butter / bairischer Dialekt: der Butter - Standardsprache: das Radio /bairischer Dialekt: der Radio - Standardsprache: die Email /süddeutsch: das Email...

3 http://fakten-uber.de/niederdeutsche_sprache#Name_und_Status. Zugriff am 6. 6. 2014.

4 Thies, Heinrich: Plattdeutsche Grammatik. 1. Aufl. Neumünster 2010. S. 149. Künftig zitiert: Thies.

5 Thies: S. 27.

6 Die Hanse ist ein Bund von norddeutschen Handelsstädten im 12. Jahrhudert bis 17. Jahrhundert. In den ersten Jahren ihrer Gründung besteht sie nur aus Hamburg, Köln und Lübeck. Im 14. Jahrhundert waren die Mitglieder der Hanse etwa 80 Städte.

7 Thies: S. 27.

8 Thies: S. 27.

9 Thies: S. 27.

10 Thies: S. 27.

11 Thies: S. 28.

12 Thies: S. 28.

13 Thies: S. 28.

14 http://www.rxforex.ru/neopen51vtymn23/KrJ+xhcESUVUbYWW8aNYLJRdMU28VAAycUt2/Hu8D5K+cEZzjkKkhinzlNRHfMXUVsGEWw==#Historisches_Sprachgebiet, Zugriff am 09. 07. 2014.

15 http://www.rxforex.ru/neopen51vtymn23/KrJ+xhcESUVUbYWW8aNYLJRdMU28VAAycUt2/Hu8D5K+cEZzjkKkhinzlNRHfMXUVsGEWw==#Historisches_Sprachgebiet, Zugriff am 09. 07. 2014.

16 http://www.rxforex.ru/neopen51vtymn23/KrJ+xhcESUVUbYWW8aNYLJRdMU28VAAycUt2/Hu8D5K+cEZzjkKkhinzlNRHfMXUVsGEWw==#Historisches_Sprachgebiet, Zugriff am 09. 07. 2014.

17 Stellmacher, Dieter: Wer spricht Platt?. Zur Lage des Niederdeutschen heute. eine kurzgefaßte Bestandsaufnahme. Schuster 1987. S. 20. Künftig zitiert: Stellmacher.

18 Stellmacher: 21.

19 Stellmacher: 21.

20 Stellmacher: 25.

21 Thies: S. 149.

22 Thies: S. 149.

23 ebenda: S. 149

24 ebenda: S. 149

Ende der Leseprobe aus 16 Seiten

Details

Titel
Das Genus im niederdeutschen Dialekt
Untertitel
Was sind die Gründe für Genusunterschiede zwischen einer Hochsprache und einem Dialekt?
Hochschule
Philipps-Universität Marburg  (Germanistik)
Veranstaltung
Kommunikation und Kognition
Note
1,5
Autor
Jahr
2014
Seiten
16
Katalognummer
V993943
ISBN (eBook)
9783346359964
ISBN (Buch)
9783346359971
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Das Genus im niederdeutschen Dialekt, Plattdeutsch
Arbeit zitieren
Salem Fares Massaoudi (Autor:in), 2014, Das Genus im niederdeutschen Dialekt, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/993943

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