Die Entwicklung der Europäischen Währungsunion. Eine kritische Auseinandersetzung


Hausarbeit (Hauptseminar), 2020

27 Seiten, Note: 1,0


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

Einleitung

Kurzer historischer Abriss

Bisherige Handhabung von Krisen in der EU und die Bedeutung für den Euro
Eurokrise
„Flüchtlingskrise“
Derzeitiger Ausblick

Stand der wissenschaftlichen Forschung

Theoretischer Rahmen
Wirtschaftliche Integration und Supranationalismus
Theorie optimaler Währungsräume
Integrationskriterien
Kritik an der Theorie optimaler Währungsräume
Lokomotiv- und Krönungstheorie
Wechselkurssysteme

Praktischer Bezug zur Europäischen Union
Die EU im Kontext der Theorie optimaler Währungsräume
Europäische Arbeitskräftemobilität
Offenheitsgrad der Volkswirtschaften
Die EU im Kontext der Lokomotivtheorie und der Wechselkurssysteme

Fazit und Ausblick

Literaturverzeichnis

Einleitung

Im Frühjahr 2020 steht die deutsche Wirtschaft, wie auch die Weltwirtschaft vor einer der größten Wirtschaftskrisen aller Zeiten. Nach der sogenannten Euro/Griechenlandkrise steuert die Europäische Union (EU) wie auch der Euro auf eine große Zerreißprobe zu. Der Euro, welcher ab 1999 als Zahlungsmittel eingeführt wurde, 2002 dann auch als Bargeld, steht für ein vereintes Europa. Im allgemeinen gesellschaftlichen Diskurs wird daher der Fortbestand des Euro mit dem Fortbestand der Europäischen Union gleichgesetzt (Meyer 2020: 9f.).

Diese Hausarbeit wird sich mit verschiedenen Faktoren rund um die Zukunft des Euro beschäftigen. In einer kritischen Betrachtung soll insbesondere ein potenzieller Bruch der Währungsunion in Betracht gezogen werden. Der erste Faktor stellt die geschichtliche Entwicklung der Europäischen Wirtschafts- und Währungsunion (EWWU) und präziser der Euro-Zone dar. Es wird ein kurzer historischer Abriss formuliert, der die wichtigsten Stationen des Euro bis heute darlegt (Stand: Mai 2020). Im Vordergrund dieser Arbeit steht nicht die Historie des Euro, sondern der Ausblick auf seine Zukunft. Um jedoch in diese Zukunft blicken zu können, ist es notwendig, die Vergangenheit, sowie die Gegenwart der Europäischen Union, welche naturgegeben eng mit dem Euro zusammenhängt, zu betrachten. Weiterhin wird der Ist-Zustand der Europäischen Union, spezieller der EWWU und insbesondere des Euro aufgegriffen.

Weiterhin wird die bisherige Handhabung der EU mit Krisen thematisiert. Hier stehen die Eurokrise, sowie die sogenannte „Flüchtlingskrise“ im Vordergrund. Während politisch-gesellschaftliche Problematiken hierbei nebensächlich betrachtet werden, steht stattdessen die Bedeutung der jeweiligen Krise für die Gemeinschaftswährung im Vordergrund.

Anschließend wird der Stand der wissenschaftlichen, eurokritischen Forschung unabhängig von der derzeitigen Lage rund um den Coronavirus aufgezeigt. Der letzte Stand vor der Corona-Krise ist deshalb so wichtig, weil der Virus erst seit Anfang 2020 auch außerhalb Chinas aufgetreten ist und somit erst seitdem auch einen tatsächlichen Einfluss auf die internationale Wechselkurspolitik haben konnte. Die Entwicklung eines Forschungsstandes, welcher spezifisch die Einflüsse der Corona-Krise auf den Euro beschreibt, wird aufgrund des noch sehr kurzen Zeitraums, in dem der Coronavirus bisher vorherrschte, nicht möglich sein. Es wird dennoch versucht, die Auswirkungen des Coronavirus für die EWWU zumindest in Ansätzen, in denen ebendiese Auswirkungen offensichtlich erscheinen, sowie etwas ausgeprägter im Zukunftsausblick des Gesamtfazits einzubringen.

Der Hauptteil dieser Hausarbeit wird aus der Formulierung eines theoretischen Rahmens zur Bewertung von Währungsunionen sowie spezifischer des Euro im Rahmen der EWWU, und aus einer Verknüpfung dessen mit empirischen Untersuchungen bestehen. In diesen empirischen Untersuchungen soll hauptsächlich an zwei Argumentationssträngen gearbeitet werden.

Abschließend wird ein kritisches Fazit in Form eines Zukunftsausblickes für den Euro als Währung formuliert. Da diese Hausarbeit im Kontext des Seminars „Kontroversen zur Wirtschafts- und Währungspolitik in der EU“ (an der Goethe-Universität Frankfurt am Main) gezielt eine voreingenommene Position aufweisen soll, nämlich die „Contra“-Position, wird sowohl im Forschungsstand, als auch im eurospezifischen Part des Hauptteils einseitig argumentiert. Auf die Betrachtung der „Pro“-Position wird also verzichtet. Dementsprechend wird in dieser Hausarbeit erläutert, wieso der Euro scheitern wird.

Kurzer historischer Abriss

Im Jahre 1951 war es die Gründung der europäischen Gemeinschaft für Kohle und Stahl, welche den ersten Schritt zu einem gemeinsamen Markt über nationale Grenzen hinaus markierte (Böhm 2011: 3). Beteiligt waren hieran Belgien, die Bundesrepublik Deutschland, Frankreich, Luxemburg, Italien sowie die Niederlande. Im Jahre 1965 wurde daraufhin die Europäische Gemeinschaft gegründet, diese ist als Vorstufe zur EU zu betrachten. Dänemark, Großbritannien und Irland traten ihr 1973 bei. Weitere Beitritte waren Griechenland (1981), sowie Portugal und Spanien (1986) (ebd.).

Aus der Liste dieser Staaten folgte im Jahr 1992 der nächste große Schritt in Richtung des Euro sowie der Europäischen Union. Im diesem Jahr wurde der Vertrag von Maastricht geschlossen, welcher einen Stufenplan zur Bildung einer Wirtschafts- und Währungsunion darstellte. Somit war die EU gegründet (ebd.). Dieser traten im Jahre 1995 Finnland, Österreich und Schweden bei, gleichzeitig erhielt der Euro seinen Namen. Im Jahre 1999 wurde der Euro als Buchgeld eingeführt und Jahre 2002 schließlich als Bargeld in: Belgien, Deutschland, Finnland, Frankreich, Griechenland, Irland, Italien, Luxemburg, Niederlande Österreich, Portugal und Spanien (ebd.).

Weiterhin wurde er in den Kleinstaaten Monaco, San Marino und dem Vatikanstaat eingeführt, welche zwar keine EU-Mitgliedsstaaten waren aber auf Basis der Verträge den Euro ebenfalls eigenständig einführen durften. Am 01. Mai 2004 traten weitere 10 Staaten der EU bei. Diese sind: Estland, Lettland, Litauen, Malta, Polen, Slowakei, Slowenien, Tschechien, Ungarn und der griechische Teil von Zypern. 2007 folgen Bulgarien und Rumänien, Slowenien kann in diesem Jahr den Euro einführen. Zwischen 2008 und 2011 führen Malta, Zypern (griechischer Teil), die Slowakei und Estland den Euro als Zahlungsmittel ein (ebd.).

Mit Beginn des neuen Jahrzehnts folgte nun auch die erste Zerreißprobe für die EU und den Euro im Speziellen. Das Aufkommen der Eurokrise ab 2010 zeigte massive Probleme bei der Nutzung des Euro auf. Diese Krise soll unter anderem die bisherige Handhabung der EU mit Krisensituationen aufzeigen.

Bisherige Handhabung von Krisen in der EU und die Bedeutung für den Euro

Die EU hat in den letzten Jahren (Stand Mai 2020) vor verschiedensten größeren Herausforderungen und Krisen gestanden. Viele der Problematiken in der EU, welche eingangs genannt worden sind, sind durch das Auftreten des neuartigen Coronavirus vorübergehend in den Hintergrund gerückt. Trotz allem soll hierbei auf zwei bestehende Krisen eingegangen werden, um die Handhabung in Krisensituationen zu erläutern. Weiterhin sollen aus diesen Handlungsweisen mögliche Prognosen für Handhabung im Falle des Scheiterns der Eurowährung herausgearbeitet werden.

Eurokrise

Begonnen wird hier mit der Eurokrise ab 2010, welche erstmals eine breitere Öffentlichkeit für die Probleme der Eurozone sensibilisierte und aufzeigte, dass die Einführung des Euro keine reine Erfolgsgeschichte ist. Die Eurokrise hatte ihre Ursprünge außerhalb der EU, sie entsprang der US-Hypothekenkrise, speziell durch den Zusammenbruch der „Lehman Brothers“ (Meyer 2020: 22). In dieser Krise konnte keine Bereichsintegration stattfinden, da es auf der einen Seite keinerlei Regeln für einen Austritt aus der Währungsunion mit Wiedereinführung einer anderen Währung gab (ebd.: 22f.). Stattdessen musste die EU reaktiv handeln und sich ein neues EU-Recht schaffen, sich auf das Völkerrecht der EU-Staaten berufen oder aber schlichtweg auf Vereinbarungen der einzelnen Regierungen (ebd.: 23). Es fehlt hier also an einem gemeinsamen Vorgehen in der politischen Integration, welche, um im Sinne der Krönungstheorie eine Funktionalität zu schaffen, absolut notwendig ist, um eine Währungsunion erfolgreich gestalten zu können.

Die Eurokrise lässt sich darüber hinaus in drei Teilkrisen aufteilen, nämlich die Staatsschuldenkrise, die Bankenkrise, sowie die Wirtschaftskrise (Shambaugh 2012: 159):

Die Staatsschuldenkrise geht mit der Verpflichtung zu und der Nichteinhaltung der vier EU-Konvergenzkriterien einher. Diese Kriterien gelten zwar zunächst als Aufnahmevoraussetzungen für Bewerberländer, durch den Stabilitäts- und Wachstumspakt von 1997 gilt das Kriterium der haushaltspolitischen Stabilität auch nach der Aufnahme in die EU weiterhin für alle Mitgliedländer. Die vier EU-Konvergenzkriterien wurden im Vertrag von Maastricht 1992 festgehalten und lauten wie folgt:

Durch das Kriterium der Preisniveaustabilität darf die Inflationsrate der inländischen Währung des Bewerberlandes nicht mehr als 1,5 Prozentpunkte über derjenigen der drei preisstabilsten Mitgliedstaaten liegen (Europäischer Rat 2019). Weiterhin muss die öffentliche Finanzlage des Staates muss gesund und auf Dauer tragbar sein. Das bedeutet, dass das jährliche Haushaltsdefizit die Marke von 3% des Bruttoinlandsproduktes (BIP) nicht überschreiten darf. Der öffentliche Gesamtschuldenstand darf weiterhin nicht über 60 % des BIP liegen (Europäischer Rat 2019). Darüber hinaus muss der Wechselkurs des Bewerberlandes stabil sein. Um dies nachzuweisen, muss der Staat mindestens zwei Jahre lang am Wechselkursmechanismus (WKM II) teilnehmen. Starke Abweichungen vom Leitkurs des WKM II (ab 15%), sowie die Abwertung des bilateralen Leitkurses der eigenen Währung gegenüber der Eurowährung dürfen nicht vorkommen. Andernfalls muss die Zentralbank des Staates intervenieren (ebd.). Das letzte und vierte Kriterium betrifft die langfristigen Zinssätze für Staatsanleihen. So dürfen diese den Durchschnitt der drei preisstabilsten Mitgliedstaaten um nicht mehr als 2 Prozentpunkte überschreiten (ebd.).

Der Aspekt der Bankenkrise knüpft gewissermaßen an die Staatsschuldenkrise an, denn er beschreibt die fehlende Stabilität und schließlich die Zahlungsunfähigkeit einer oder mehrerer Banken. So kann der Ausfall von Staatsanleihen zu einer verschlechterten Bilanzposition der Banken führen. Andersherum belasten Bankenrettungen jedoch den Staatshaushalt (Shambaugh 2012: 159).

Eine Wechselwirkung zwischen den beiden genannten Teilkrisen und der Wirtschaftskrise besteht ebenfalls. Wenn nämlich Banken in finanziellen Schwierigkeiten stecken, werden Investitionen innerhalb einer geschlossenen Volkswirtschaft reduziert, sodass der Konjunkturzyklus eine Phase des Abschwungs erlebt. Andersherum führt eine Rezession zur verminderten Aufnahme von Krediten bei ebenjenen Banken. Außerdem sorgen Phasen der Rezession für wegbrechende Steuereinnahmen und einen steigenden Sozialbedarf, welche sich wiederum negativ auf den Staatshaushalt auswirken. Schließlich sinkt die Nachfrage nach Konsum- und Investitionsgütern, wenn sich die Staatshaushaltskasse immer weiter verschuldet (ebd.).

Um die Wechselwirkung der drei Teilkrisen abschließend zu beschreiben, sei zu erwähnen, dass der Beginn der sehr vielschichtigen Eurokrise unterschiedlich einzuordnen ist. Nach der Eurokrise stellte sich also die Frage nach der Substanz, der wirtschaftlichen Tragfähigkeit und auch der politischen Unterstützung des Euro und der EWWU (Rapp 2018: 2). Hieraus ergibt sich das Kernproblem von Stabilität und Dauerhaftigkeit des Euro (ebd.).

„Flüchtlingskrise“

Um nun auf die sogenannte „Flüchtlingskrise“ ab 2015 zu kommen, deren Folgen bis heute spürbar sind, seien folgende Auswirkungen für den Euro festzuhalten. Auch diese Krise hatte ihre Ursprünge außerhalb der EU. Sie wurde durch Hungersnöte, Verfolgung und Krieg in Nordafrika, sowie dem Nahen Osten, ausgelöst . Wie im Falle der Eurokrise, konnte auch hier keine Bereichsintegration stattfinden, da keine gemeinsamen Regelungen für die Verteilung von Geflüchteten oder für das Verfahren an den EU-Außengrenzen vorlagen (ebd.: 22f.).

In der europäischen Politik der sogenannten „Flüchtlingskrise“, fehlt es dementsprechend an einem gemeinsamen Vorgehen. Hier konnten seit 2015 keine verbindlich umgesetzten Verteilungsquoten erreicht werden. Lediglich kurzfriste ad hoc Maßnahmen konnten durchgesetzt werden, während es für langfriste Lösungen an einem einheitlichen Vorgehen und Willen der Mitgliedsstaaten der EU mangelt (Rapp 2018: 23f.).

Auch im Mai 2020 sterben tausende Menschen im Mittelmeer bzw. an den europäischen Außengrenzen, denn die südeuropäischen Staaten haben ihre Außengrenzen über den Seeweg massiv abgesichert und Staaten wie Italien oder Malta weigern sich darüber hinaus, Schiffe mit Geflüchteten aufzunehmen. Der Zusammenhang zur EWWU besteht hier erneut aus den unterschiedlichen Handlungsweisen der einzelnen europäischen Staaten. Wie es zum einen in den unterschiedlichen haushaltspolitischen Vorgehensweisen der Staaten zu beobachten ist, welche stets Auswirkungen auf den Euro und damit die gesamte EU haben, ist dies auch im politischen Vorgehen mit Geflüchteten zu beobachten. Auch hier hat das Handeln eines einzelnen Staates Konsequenzen für eine Reihe weiterer Staaten. Dementsprechend kann hier nicht von einer gelungenen europäischen Integration gesprochen werden, da sich die politischen Entscheidungen zu sehr unterscheiden und teils konträr zueinander stehen. Die politische Integration ist längst nicht so weit fortgeschritten, wie die monetäre Integration (Nölke 2012: 121). Eben solche Missstände sind es, welche nach der Krönungstheorie gegen einen Erfolg des Euro sprechen. Was die Krönungstheorie besagt und in welchen Kontext sie einzuordnen ist, wird im Laufe der Hausarbeit noch näher erläutert.

Derzeitiger Ausblick

Aus diesen Krisen wird deutlich, wie schwierig es für die EU ist, sich auf ein gemeinsames Handlungskonzept zu verständigen. Selbiges findet auch zu Zeiten der Corona-Krise statt. So haben hier die Staaten mit Beginn der Corona-Krise nicht an einem gemeinsamen Konzept gearbeitet, sondern jeder Staat hat für sich Maßnahmen zur Eindämmung der Pandemie beschlossen. Mit Verlauf der Corona-Krise zeigt sich jedoch ganz klar, dass diese nicht vor Staatsgrenzen Halt macht. So lassen sich viele Fälle in Deutschland auf Rückreisende aus Österreich zurückführen. Auch, wenn eine solche Pandemie sicherlich nicht vorhersehbar war und es auch deshalb an geeigneten Maßnahmen fehlte, ist dies bezeichnend für die Handhabung von Krisen innerhalb der EU. Auch hier handelt es sich um einen Faktor, welcher nicht in der EU entstand, doch letztendlich die gesamte EU betrifft. Wenn die EU mit derartigen Problemlagen von außen schon nicht fertig werden kann, stellt sich demnach die Frage, wie es denn z. B. im Falle einer Verschärfung der Eurokrise aussehen würde, welche innerhalb der EU entstehen könnte.

Hier bleibt also festzuhalten, dass eine gemeinsame Problemlösung innerhalb der EU bisher nicht funktioniert. Um eine sichere Zukunft des Euro zu gewährleisten, müssen also massive Veränderungen hinsichtlich der europäischen Integration geschaffen werden. Ob dies möglich ist, ist in Anbetracht des Erstarken von nationalistischen und eurokritischen Parteien in ganz Europa stark zu bezweifeln.

Stand der wissenschaftlichen Forschung

Den aktuellen Forschungsstand zu beschreiben gestaltet sich aufgrund der aktuellen Situation als zweischneidiges Schwert. So ist die Zukunft des Euro als solcher in den Jahren seines Bestehens immer Teil des Forschungsdiskurses gewesen, jedoch ist nicht von der Annahme ausgegangen worden, dass die Welt von einer Pandemie betroffen sein wird, welche massive gesellschaftliche, politische und wirtschaftliche Veränderungen mit sich bringt. Da hiermit nicht gerechnet werden konnte, findet dieser extreme Faktor in der bisherigen Forschung wenig Berücksichtigung, was jedoch, in Verbindung mit den Forschungsergebnissen der letzten Jahre, Raum für Hypothesen schafft. Es soll daher der Forschungsstand unabhängig von den Einflüssen der Corona-Krise dargelegt werden. Weiterhin sollen Hypothesen bzw. mediale Äußerungen, die den Coronavirus mit der Zukunft des Euro in Verbindung setzen, erst im letzten Teil dieser Hausarbeit aufgegriffen werden und so zum Zukunftsausblick beitragen.

Silke Tober und Thomas Theobald beschreiben die größten Herausforderungen der Europäischen Zentralbank und damit des Euro im Jahr 2018. Die erste Herausforderung sei es, dass die EZB den Ausstieg aus den Negativzinsen so gestalten müsse, dass es nicht zu konjunkturschädlichen Reaktionen auf den Finanz- und Währungsmärkten komme (Theobald/Tober 2018: 1). Zu stark ansteigende Zinsen oder eine zu hohe Aufwertung des Euro könnten das unsichere Fundament des Euro wieder in das Wanken bringen und damit die Erholung1 des Euro gefährden (ebd.). Weiterhin müsse die EZB das Problem lösen, dass es kaum sichere Anleihen in der Euro-Zone geben würde (ebd.). Als letzter größerer Punkt wird der Strukturwandel hin zu einer digitalisierten Gesellschaft angesprochen. Hierbei müsse der fortschreitenden Digitalisierung Folge getragen werden, sodass es in absehbarer Zeit zu einer digitalen Alternative des Bargeldes kommt. Diese soll als „Digitaler Euro“ das Spektrum des gesetzlichen Zahlungsmittels ergänzen und damit die Bedürfnisse der Bevölkerung nach Privatsphäre und Sicherheit berücksichtigen, sowie bessere Wettbewerbsbedingungen schaffen (ebd.). Vorstellungen hierzu sind eine wertbasierte Banknote und Münzen auf der einen Seite, sowie ein e-Euro in zwei Formen auf der anderen Seite. Hierbei soll einerseits ein anonymer, wertbasierter e-Euro zustande kommen, welcher als e-Cash-Mittel genutzt werden soll (ebd.). Auf der anderen Seite soll es einen identitätsbasierten e-Euro geben, welcher analog zu Giralgeld (Buchgeld) funktioniert (Theobald/Tober 2018: 1).

Dr. Martin Hüfner beschrieb die Zukunft des Euro bereits 2011 als unsicher. In diesem Fall wird beschrieben, dass der Euro keine Zukunft haben kann, wenn aus der EU, neben der Währungsunion, nicht auch eine politische Union werden würde (Hüfner 2011: 157f.). Hierbei wurde nach Hüfner eine europäische Währung geschaffen, an der viele Nationalstaaten teilhaben, welche jedoch politisch völlig unterschiedlich ausgerichtet sind (ebd.). Beispiele, welche hierzu angeführt werden, sind der Atomausstieg in Deutschland, welcher ohne die Absprachen mit den anderen europäischen Staaten getroffen wurden oder auch der Wille nach Eigenständigkeit der nationalen Parlamente in Haushaltsfragen (ebd.). Als Zukunftsszenarios werden zwei Möglichkeiten in Aussicht gestellt. Es müsse entweder ein Weg von einer nationalen hin zu einer gemeinsamen, europäischen Politik gefunden werden oder der Euro als europäische Währung muss aufgegeben werden und wieder durch einzelne, nationale Währungen ersetzt werden (ebd.). Begründet wird diese Annahme dadurch, dass im historischen Vergleich keine Währungsunion überlebt hätte, welche nicht zeitgleich eine politische Union gewesen wäre (ebd.). Hierbei wird die sogenannte Krönungstheorie angeführt, welche besagt, dass eine gemeinsame Währung nur funktionieren kann, wenn es bereits zu einer vollständigen wirtschaftlichen und politischen Integration kam, die monetäre Integration stellt damit also die Krönung des Integrationsprozesses dar (ebd.). Auf diese Theorie soll im theoretischen Rahmen noch einmal vertiefter eingegangen werden.

Weiterhin Bezug auf eine mangelnde europäische Integration nimmt Dirk Meyer im Jahre 2020. Dieser bezieht sich auf die gleiche Problematik, indem er die These aufstellt, dass der Euro in einem suboptimalen, nicht integrierten Währungsraum eingeführt wurde (Meyer 2020: 9-12). Es werden zwar europäische Integrationsbemühungen bescheinigt, jedoch wären diese zu einem Scherbenhaufen zerbrochen. Diesen Scherbenhaufen stellen beispielsweise Italien und Griechenland da, diese Volkswirtschaften drohten bereits an, die Währungsunion zu verlassen. Weiterhin ist jedoch in beiden Staaten die Staatsverschuldung so hoch, dass es mittelfristig wieder zu Schuldenerlassen kommen könnte. Die gesellschaftliche Unzufriedenheit mit der Krisenpolitik führte daher zu einem Erstarken von populistischen und nationalistischen Parteien. Als konkretes Beispiel für die Bundesrepublik Deutschland ist hier sicherlich die AFD zu nennen. Die AFD erlangte ihre ersten Wahlerfolge, sowie ihre bundesweite Bekanntheit als sogenannte eurokritische Partei, um sich darauf hin zu einer offen rechtsextremen Partei zu entwickeln. Meyer beschreibt in diesem Zusammenhang, dass die Europamüdigkeit der Gesellschaft in einer offenen Europafeindlichkeit gemündet hätte (ebd.).

Neben diesen Integrationsproblematiken beschreibt Meyer den Euro als alternativlos, da es zu massiven, nicht absehbaren Folgen kommen würde, wenn der Euro scheitern würde. Dies wären unter anderem massive Verwerfungen an Kapital- und Gütermärkten, am Bestand des freien Binnenmarktes oder aber auch bezüglich der Standhaftigkeit bzw. Gültigkeit von Verträgen. Zusammenfassend gibt es zum Erhalt des Euro nur die Alternative eines völligen Kollaps der Europäischen Union. Sie bedingen sich also gegenseitig und können nur mit gegenseitiger Stärkung funktionieren (Meyer 2020: 9-12).

Gerhard Riehle beschreibt den Euro in „Eurokrise: Verzicht auf den Euro als Chance für Europa“ bereits 2016 als gescheitert (Riehle 2016: 209.). Die Währungsunion wird hier als morsch und kurz vor dem Einsturz beschrieben. Als Gründe werden dafür drei wichtige Elemente der Währungsarchitektur aufgezählt, welche geschleift worden wären. Es handelt sich nach Riehle hierbei um: Schuldenbremse, Bail-Out Verbot und die Mandatsgrenzen der EZB (ebd.).

So hätte ihm zufolge die Schuldenbremse versagt, da die Schulden der südeuropäischen Staaten und auch die Schulden Frankreichs trotz ihrer Existenz stark angestiegen sind, obwohl sie das genaue Gegenteil hätte bewirken sollen. Als weiteres verfehltes Ziel des Euro wird der Wunsch nach einem ausgeglichenen Wettbewerb, sowie einer ausgeglichen Wirtschaftsleistung innerhalb der Währungsunion angeführt. Dieses Ziel wurde nach Riehle nicht nur verfehlt, sondern auch hier wurde das Gegenteil erwirkt und die Unterschiede zwischen den einzelnen Staaten wurden noch größer, als sie es vor der Einführung des Euro waren (ebd.).

Durch das Unterstützen der in Schieflage geratenen Staaten mithilfe eines Rettungsschirmes wurde das Bail-Out Verbot außer Kraft gesetzt, denn die Staaten werden nicht mehr dazu gezwungen erfolgreiche Reformen durchzuführen, um sich selbst aus wirtschaftlichen Schieflagen zu befreien. Stattdessen können sie sich nach Riehle nun auf einen Rettungsschirm verlassen, welcher ihnen im Notfall aus der Krise hilft (ebd.: 209f.).

Die EZB hätte nach Riehle ihre Mandatsgrenzen deutlich überschritten, so stände es ihr nicht zu, das Ziel auszurufen die Währungsunion zwingend zu erhalten. Sie überschreite als Notenbank damit eine Kompetenz, welche nur eine demokratische legitimierte Regierung haben dürfte (ebd.: 210). Als Konsequenz hieraus wird ein geplanter Ausstieg aus der Währungsunion gesehen und damit eine Rückkehr zu nationalen Währungen. Dies würde zwar erst einmal einen Rückschritt bedeuten. Hierbei kann es sich jedoch um einen nötigen Schritt zurück handeln, welcher daraufhin die Möglichkeit bietet, zwei weitere Schritte nach vorn zu gehen. Es erscheint zunächst einmal so, als würde ein Ende des Euro der europäischen Integration widersprechen. Dies sei jedoch nicht der Fall, stattdessen würde das Ende des Euro nur den Weg für ein anderes Integrationsverfahren ebnen, welches die kulturelle Vielfalt Europas respektiert, die unterschiedlichen Staats- und Gesellschaftsentwürfe berücksichtigt und damit zu mehr Verständnis und einem näher zusammenrückenden Europa führen würde (ebd.: 318-320.).

[...]


1 Gemeint ist die Eurokrise ab 2010

Ende der Leseprobe aus 27 Seiten

Details

Titel
Die Entwicklung der Europäischen Währungsunion. Eine kritische Auseinandersetzung
Hochschule
Johann Wolfgang Goethe-Universität Frankfurt am Main  (Institut für Politikwissenschaft)
Veranstaltung
Kontroversen zur Wirtschafts- und Währungspolitik in der EU
Note
1,0
Autor
Jahr
2020
Seiten
27
Katalognummer
V994279
ISBN (eBook)
9783346365149
ISBN (Buch)
9783346365156
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Europäische Wirtschafts- und Währungsunion, Währungsunion, Euro, Zukunft des Euro, Theorie optimaler Währungsräume, Lokomotivtheorie, Krönungstheorie, Wirtschaftliche Integration, Monetäre Integration, Europäische Integration, Contra, Internationale Beziehungen, Europa, Optimum Currency Theory, Optimum Currency Area, Wechselkurssysteme, Model of Balance-of-Payments Crises, Wirtschaftspolitik, Währungspolitik, Geldpolitik, Finanzpolitik, Fiskalpolitik, Konvergenzkriterien, Preisniveaustabilität, Staatsschuldenkrise, Bankenkrise, Wirtschaftskrise
Arbeit zitieren
Dario Salvatore Tarallo (Autor:in), 2020, Die Entwicklung der Europäischen Währungsunion. Eine kritische Auseinandersetzung, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/994279

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