1.Akt, Gastzimmer in der Schenke im Rotwassergrund
Es herrscht eisiger Winter und es ist sehr spät am Abend. Das Drama beginnt mit einer Unterhaltung zwischen Glashüttendirektor und Wende, dem Wirt, wobei das Ansehen des Direktors klar zum Ausdruck kommt. Tagliazoni, der Vater Pippas, sitzt währenddessen mit Waldarbeitern beim Kartenspiel und spielt wie immer falsch. Der Direktor fordert den Italiener auf, bietet ihm sogar Geld, wenn er Pippa ruft und sie tanzt. Kaum hat er ihn dazu überredet versucht er ihn wieder davon abzuhalten, beschimpft ihn als Unmensch, ist aber dennoch froh, als das Mädchen erscheint. Kurz darauf betritt der Weltenbummler und Träumer Hellriegel die Schenke, gibt an ein Reisender auf dem Weg nach Böhmen zu sein um die Glaswerkskunst zu erlernen. Pippa reagiert erstaunlich offen auf den Fremden, alle anderen lehnen ihn wegen seiner Fantasterei ab.
Letztendlich tanzt Pippa, ihr Vater nützt die Ablenkung zum Falschspiel, wird aber dabei erwischt und ermordet. Daraufhin nimmt der Alte Huhn die bewusstlose Pippa mit sich.
2.Akt, heruntergekommene Hütte des Alten Huhn
Der Alte Huhn kümmert sich rührend um das kleine Mädchen, das aber, in Panik geraten, ständig versucht zu flüchten. Nachdem er die Hütte verlassen hat, schleicht sich Hellriegel herein, rettet das Mädchen und damit stürzt er sich und auch das Mädchen ins Verderben. Er überbringt ihr gleichzeitig die Nachricht des Todes ihres Vaters.
3.Akt, Haus des Wann am Kamm des Gebirges, mystisch wirkende Gegenstände sind im Zimmer verteilt Der Direktor sucht Wann auf, um bei ihm Hilfe gegen seine Besessenheit Pippa gegenüber zu finden. Er hilft ihm mit Hilfe von Magie, schickt ihn aber in den sicheren Tod, als er ihn aus der Hütte in die eisige Nacht entlässt.
Auch Pippa und Hellriegel suchen Unterschlupf bei Wann, nachdem Hellriegel seine Kräfte im Schnee verlassen haben. Dieser aber realisiert nicht, dass er nur durch Pippas Hilfe dem Tod entgangen ist, und lebt weiter in seiner Traumwelt. Wann belegt auch ihn mit einem Zauber, durch den er mit einen kurzen Blick in die weite Welt, nach der er sich so sehr sehnt, werfen kann.
Huhn ist den beiden gefolgt, und nachdem Pippa und Hellriegel zu Bett gegangen sind, versucht er sich Pippa zurückzuholen, doch Wann überwältigt ihn mit Hilfe von Magie.
4.Akt, der Alte Huhn liegt röchelnd auf der Ofenbank
Pippa und Hellriegel haben Mitleid mit dem Alten Huhn und kümmern sich um ihn. Als Pippa versucht seine Wunden mit ihren Händen zu lindern beginnt ihr Todeskampf. Sie tanzt, Hellriegel spielt auf seiner Okarina, der Körper des Alten Huhn zuckt im Rhythmus mit- Pippa sinkt tot zu Boden, kurz darauf stirbt auch der Alte Huhn.
Wann schickt den mittlerweile erblindeten, fröhlichen Hellriegel, der in seiner Traumwelt nichts von all dem Schrecken mitbekommen hat, hinaus in die Welt und somit in den sicheren Tod.
Charakteristiken:
Tagliazoni: ital. Glastechniker, Pippas Vater, nicht sehr verantwortungsbewusst, Falschspieler Pippa: Verkörperung der Schönheit und Gebrechlichkeit, scheu, ist im Tanz wie in Trance, oft sehr kindlich und naiv Glashüttendirektor: genießt großes Ansehen, tlw. überheblich, möchte Pippa mit Geschenken für sich gewinnen, versucht sie aber auch tlw. zu beschützen, alter Freund des Wann Der Alte Huhn: ehemaliger Glasbläser, plump, angsteinflößend, arbeitslos, barbarische Züge, Pippa bezeichnet den Hühnen einmal als Waldgott, auch er versucht Pippa für sich zu gewinnen, er ist ihr Tanzpartner, könnte als die Triebseele des Wann verstanden werden, als eigentlicher Gegenspieler Michel Hellriegel: reisender Handwerksbursche, ein Träumer, extrem naiv und kindlich, fantastisch, Pippa reagiert sehr offen auf ihn, verliert oft das Band zur Realität, Idealist, schreibt Gedichte
Wann: mythische Persönlichkeit, kann durch ein magisches Fernrohr alles sehen, besitzt magische Kräfte, scheint vorerst sehr großherzig und hilfsbereit, es finden letztendlich aber alle durch ihn oder durch seine Magie den Tod.
Interpretationsversuch:
Hauptmann schrieb dieses Werk ein Jahr nach der Hochzeit mit seiner zweiten Frau für eine Schauspielerin namens Ida Orloff, in die er sich verliebt hatte. Für ihn ist Pippa ausdrücklich der Inbegriff der Schönheit, für seine Kritiker aber Irrlicht zwischen Elementarem und Mystischem. Die vier Männer schuf der schlesische Dramatiker um seine eigenen gespaltenen Persönlichkeitsanteile zu objektivieren: den idealistischen Traumtänzer mit dem Dichter Hellriegel, den elementaren Pan mit dem entlassenen Glasbläser Huhn, den Kapitalisten mit dem Hüttendirektor und den Weltenüberwinder Wann.
Das facettenreiche Werk an sich ist sehr vielseitig interpretierbar, wobei einzig Pippa eindeutig als Symbol für die Schönheit, Reinheit und Unschuld steht. Auffallend ist auch, dass alle den Tod finden, abgesehen von Wann, der in Grunde verantwortlich ist für den Tod von vier Menschen, obwohl er anfangs ein sehr gütiger Mensch zu sein scheint. Von den Charakteren her ist es sehr ähnlich wie ein konventionelles Märchen aufgebaut: Pippa als Prinzessin, Hellriegel als Prinz, der Direktor als König, der Alte Huhn als Bösewicht und Wann als der Magier. Dennoch schwindet bald der Schein eines Kindermärchens, nämlich wenn der Leser die wahre Natur der einzelnen Personen herauszufinden beginnt: der Prinz wird zum nichtsnutzigen Träumer, der gute Magier zum Bösewicht und der König zu einem Liebeskranken.
Kerstin Schorn
- Arbeit zitieren
- Kerstin Schorn (Autor:in), 2000, Hauptmann, Gerhart - Und Pippa tanzt, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/99707