Die ethischen und spirituellen Grundlagen der ostasiatischen Kampfkünste als Ausgangspunkt für sozialpädagogische Arbeit am Beispiel des Aikido


Diplomarbeit, 1998

85 Seiten


Leseprobe


Inhalt

Vorwort

1 Einleitung
1.1 Entstehung der Arbeit
1.2 Aufbau der Arbeit
1.3 Begiffsdefinition

2 Entstehung der Kampfkünste
2.1 Allgemeine Entwicklung
2.1.1 Ursprünge
2.1.2 Japanische Kampfkünste
2.1.3 Exkurs Europäische Kampfkünste
2.2 Aikido
2.2.1 Entwicklung
2.2.2 Was ist Aikido?

3 Der Paradigmenwechsel in unserer Kultur und die philosophischen und spirituellen Traditionen Ostasiens
3.1 Kartesianisch-Newtonsches Denken - Das westliche Weltbild
3.1.1 Griechische Antike
3.1.2 Christliche Prägung
3.1.3 Der Einfluß der Wissenschaft
3.2 Traditonelles östliches Denken
3.2.1 Die Philosophie des TAO
3.2.2 Die Ethik- und Soziallehre des Konfuzius
3.2.3 Zen
3.3 Paradigmenwechsel – Auf dem Weg zu einer neuen Sicht der Wirklichkeit im westlichen Denken
3.3.1 Der Wechsel
3.3.2 Das neue Paradigma
3.3.3 „Entwicklungshilfe“ aus Ostasien

4 Die ethischen und spirituellen Hintergründe der Kampfkünste
4.1 Ethik
4.1.1 Wertvorstellungen
4.1.2 Etikette
4.1.3 Lehrer und Schüler
4.2 Spiritualität
4.2.1 Spiritualität - eine menschliche Erfahrung
4.2.2 Die Bedeutung des Do und des Zen
4.2.3 Das Prinzip des Ki
4.3 Kampfkunst versus Kampfsport

5 Kampfkünste als „sozialpädagogische Projekte“
5.1 Warum sich Kampfkünste unter sozialpädagogischen Gesichtspunkten ansehen?
5.2 Aikido mit Kindern und Jugendlichen
5.3 Erfahrungen mit anderen Kampfkünsten
5.4 Sozialpädagogische Relevanz

6 Resümee

7 Literatur
Anhang 1 Gedankenleitfaden für Gruppendiskussion
Anhang 2 Transkript Gruppendiskussion

Vorwort

Ich habe lange überlegt, ob es einer Diplomarbeit angemessen ist, ein Vorwort voranzustellen. Ich meine, die umfangreiche Hilfe, die ich erhielt, rechtfertigt es, einige Worte den Menschen zu widmen, die mir diese Unterstützung gaben. Es ist mir ein großes Bedürfnis, allen, die mir in irgendeiner Weise geholfen haben, diese Diplomarbeit zu „erdenken“, zu erleben und zu vollenden, zu danken.

Durch Ideen, Interesse am Thema, Hilfe beim Strukturieren meines chaotischen Arbeitsstils und meiner Gedanken, Inspiration, Mut und Kraft geben und nicht zuletzt durch bloße Anwesenheit und offene Ohren der vielen mittelbaren und unmittelbaren HelferInnen konnte diese Arbeit so entstehen, wie sie jetzt vorliegt. Ja, ich kann fast sagen, daß sie geboren wurde, denn ziemlich lange fühlte ich mich voll von Gedanken und Ideen und konnte sie noch nicht formulieren und aufschreiben. Somit kann ich die, die mir geholfen haben, auch als GeburtshelferInnen für diese Diplomarbeit bezeichnen.

Meine Mentorin Frau Pfäfflin habe ich wie schon so oft vorher in ihren Seminaren als offene und klarsichtige Frau erlebt, deren Gedanken zu folgen mir immer eine Lust und gleichzeitig gewinnbringend und kraftspendend war. Die vielseitigen Gespräche mit den anderen Diplomandinnen (Antje, Brigitta, Stefanie und Sylvia), der „Pfäfflin-Gruppe“, gaben mir neue Impulse und Blickwinkel, um meine Gedankenblockaden abzubauen und wieder neuen Mut zu schöpfen.

Ich möchte mich unbedingt bei meinen Aikido - FreundInnen bedanken, die sich unkompliziert auf die Gruppendiskussion eingelassen haben und mir auch sonst durch viele, manchmal endlos lange, Gespräche und gemeinsames Üben geholfen haben, Aikido Stück für Stück für mich zu erschließen und erleben zu können. Vielen Dank an Jan, Maik, Bernhard, Thomas sowie die anderen Aikidoka und ganz besonders an Grit. Mir ist an dieser Stelle sehr wichtig, meinem Aikidolehrer Richard Eberl zu danken. Durch seine intensive, geduldige aber auch herausfordernde Lehrarbeit war es mir überhaupt erst möglich, in so kurzer Zeit einen Einblick in diese wunderbare Kampfkunst zu bekommen, und mich diesem Thema in einer Diplomarbeit stellen zu können. Seine Begeisterungsfähigkeit hat viel dazu beigetragen, daß Aikido für mich zu dem wurde, was es jetzt ist. Ein Lebensweg, auf dem ich zwar erst am Anfang gehe, aber mit Freude, Enthusiasmus und viel Lust am Weiterlaufen.

Bei der Arbeit an diesem Thema habe ich festgestellt, daß ich viele Arbeiten hätte schreiben können, so eine Flut von Themenschwerpunkten und Informationen war in mir. Durch das Beschränken auf den vorliegenden Umfang konnte natürlich einiges, was ich gerne ausführlich gemacht hätte, nur gestriffen werden. Demzufolge kann die Arbeit nicht vollständig sein. Wie ginge es auch, eine Geschichte und Entwicklung des östlichen und westlichen Denkens und Handelns vollständig aufzuzeigen? Das wäre in sich schon ein Widerspruch; dort liegt schon ein großer Vorzug des östlichen Denkens – kein Anspruch auf Objektivität und Vollständigkeit. Es ist immer wieder alles neu und trotzdem alt. Die AutorInnen meiner Informationsquellen, wie auch ich, haben eine spezifische Auswahl, nach der jeweiligen Sichtweise getroffen. Diese versuche ich hier so gut wie möglich darzustellen und zu verknüpfen. Somit ist auch diese Arbeit nur ein Ausschnitt aus der ganzen Sache. Ich hoffe, ich kann den Erwartungen derer, die diese Arbeit lesen, insofern gerecht werden, als daß wir uns gemeinsam daran reiben und auseinandersetzen können.

Letztendlich bedeutet Aikido (oder auch jegliche andere Kampfkunst) verstehen zu wollen, sie selbst mit Haut und Haaren zu praktizieren. Das heißt, sich völlig darauf einzulassen, sich immer wieder den neuen Forderungen an sich selbst, aber auch an die Gruppe, zu stellen. Das ist mitunter ziemlich schwer und kostet Überwindung. Darin sehe ich für mich auch ein Gleichnis zur Sozialarbeit, was auch ein wesentlicher Grund für das Entstehen dieses Themas war. Denn auch Sozialarbeit und Sozialpädagogik bedeuten für mich, mich selbst zu erkennen, meine Grenzen auszuloten, immer wieder zu reflektieren, um so mit Respekt und Wertschätzung Menschen hilfreich zur Seite stehen zu können. Diese Geisteshaltung bzw. Lebensweise, die sich für mich sowohl im Aikido wie auch in der Sozialarbeit ausdrückt, erlebe ich immer wieder als zukunftsweisend und als Voraussetzung für ein friedliches Miteinander.

Zum Schluß möchte ich unbedingt meinen Eltern einen Platz in dieser Arbeit widmen, die mich zu Offenheit, Neugier, zu und mit großem Vertrauen in die Dinge und in mich selbst erzogen haben. Mitunter sahen sie sich daraufhin mit Dingen konfrontiert, die sie nicht gleich nachvollziehen konnten. So war es anfangs ebenfalls mit Aikido. Auch ihrer liebevollen Geduld und verläßlichen Unterstützung habe ich es zu verdanken, daß ich mich zu der entwickeln konnte, die ich heute bin. Dafür bin ich ihnen dankbar.

Anne Lorenz

1 Einleitung

1.1 Entstehung der Arbeit

Ich beschäftige mich seit einigen Jahren mit ostasiatischen Philosophien, „Lebenskünsten“ und Medizin. Anders als bei uns im Westen[1] werden diese Bereiche im Osten nicht getrennt, sondern immer als Ganzheit des Lebens verstanden. Somit stoße ich z.B. unweigerlich bei der Beschäftigung mit chinesischer Philosophie auf die Ideen und Praxis der chinesischen Bewegungslehren, der Traditionellen Chinesischen Medizin usw. Diese Erfahrung brachte mich dazu, die Bewegungslehren Qi Gong und Tai Ji Quan (im Westen als „chinesisches Schattenboxen“ bekannt) zu betreiben. Beim intensiven Üben und Auseinandersetzen mit diesen Praktiken stieß ich natürlich auch auf die Geschichte und Entstehung dieser Lehren. Wurzeln des Tai Ji Quan liegen in der Kampfkunst, der Meditation und dem heilkundigen Wissens. Beim letzteren ist wiederum eine enge Verknüpfung mit dem Qi Gong zu finden, das Jahrtausende alte Tradition hat, bei dem der gesundheitliche Aspekt im Vordergrund steht.

Auf diesem Weg begegnete mir die japanische Kampfkunst Aikido, die in Idee und Philosophie viele Ähnlichkeiten mit dem Tai Ji Quan hat. Beim Rückblick auf die Geschichte wird deutlich, daß die Wurzeln vieler japanischer Kampfkünste im alten China und dessen philosophischer Tradition liegen.

Seit nunmehr zwei Jahren praktiziere ich intensiv Aikido. Für eine Kampfkunst ist das eine eher unbedeutende Zeit, da der Weg des Erlernens einer Kampfkunst eine Frage von Jahrzehnten, des ganzen Lebens ist. Trotz dieser kurzen Erfahrung möchte ich die Gelegenheit und Chance wahrnehmen, ein mir so wichtig gewordenes Thema in Zusammenhang mit sozialpädagogischer Arbeit zu stellen. Gerade die Ideen, die in den Kampfkünsten vertreten werden, gehen weit über das allgemeingültige Verständnis von Sport hinaus und haben aus meiner Sicht daher ein großes Potential für sozialpädagogisches Handeln.

Die zunehmende Übereinstimmung von westlichen Wissenschaften und östlicher Philosophie einerseits und die wachsende Unzufriedenheit im Westen durch rasenden äußerlichen Fortschritt, steigenden Leistungsdruck, Entfernung von sich selbst und der Natur u.v.a.m. zum anderen, ist es zu verdanken, daß östliche Ideen, so auch die Kampfkünste, in den letzten Jahren einen regelrechten Boom erlebten und erleben. (Capra, 1996; Dürckheim, 1992)

1.2 Aufbau der Arbeit

Für diese Arbeit habe ich mich entschieden, zu einem großen Teil Literatur auszuwerten. Die Literaturrecherche erwies sich als schwierig, da es kein umfangreiches Material zur Thematik gibt. Artikel diesbezüglich kommen eher zufällig an die Oberfläche der allgemeinen LeserInnenschaft, somit erwies sich die Suche nach Literatur als Sisyphusarbeit.

Die theoretische Arbeit möchte ich mit Erfahrungen von Aikidoka (Aikido-SchülerInnen) ergänzen. Dafür habe ich die Gruppendiskussion gewählt. Sie ist eine übliche Methode der qualtitativen Sozialforschung. Die vorliegende Diskussion hat ermittelnden Charakter, denn es geht um inhaltliche Ergebnisse. Es ist die Erfahrung gemacht worden, daß im allgemeinen die Beteiligten in Gruppendiskussionen offen und spontan über ihre Einstellungen sprechen können, die auch im Alltag ihr Denken, Fühlen und Handeln bestimmen. Das birgt die Chance und Gefahr der unvorhergesehenen Themenvielfalt in sich. (Mayring,1993, 53ff.; Lamnek, 1993, 125ff.)

Mir schien diese Methode für meine Arbeit als sehr geeignet, da ich die Meinung verschiedener Personen zum gleichen Thema gleichzeitig hören konnte (zeiteffektiv), sich die GesprächspartnerInnen gegenseitig neue Impulse und Denkanstöße geben konnten und somit die Diskussion immer im Fließen war. Letztendlich war diese Runde auch sehr interessant für uns alle, zum besseren gegenseitigen Kennenlernen und Weiterlernen. Mit der Diskussion bezweckte ich keine Analyse der persönlichen oder kollektiven Meinungen der Aikidoka, sondern ich wollte ihre Erfahrungen, Ideen usw. zur Ergänzung meiner theoretischen Ausarbeitungen einflechten. Dahingehend wird sich auch die Auswertung des Diskussionsmaterials auf die drei Hauptbereiche Ethik, Spiritualität und sozialarbeiterische Aspekte beschränken. Die Gruppenzusammensetzung war maßgeblich durch Terminfindung bestimmt. Der Großteil der Gruppe sind Aikidoka mit Lehrerfahrung. Sie sind Menschen, die regelmäßig trainieren und sich intensiv mit Budo auseinandersetzen. Dieser Aspekt schien mir besonders ausschlaggebend für die Diskussion zu sein. Entgegen der allgemeinen Lehrmeinung, daß persönliche Bekanntschaft hinderlich für Offenheit in Gesprächen sei (Lamnek, 1993, 147), kann ich sagen, daß gerade die Bekanntschaft mit den TeilnehmernInnen die Diskussion in dieser Offenheit möglich machte.

Die Arbeit habe ich wie folgt aufgebaut: Anfangs ist eine Begriffserläuterung nötig, da einige Begriffe unserem Kulturkreis fremd bzw. verschiedene Begriffe sehr diffus und durch verschiedenste Auffassungen geprägt sind. Damit möchte ich eine gemeinsame Verständnisgrundlage für diese Arbeit schaffen. Desweiteren ist ein kurzer Abriß der Entstehungsgeschichte der Kampfkünste, speziell des Aikido unbedingt notwendig, um die Idee und die Sinnhaftigkeit verstehen zu können, die diesen zugrunde liegt.

Als nächstes werde ich auf den Einfluß östlichen Denkens auf die westliche Welt eingehen, wobei hier nötig sein wird, einen Abstecher in die Geschichte des westlichen Denkens zu unternehmen sowie über die Notwendigkeit eines neuen Denkens aufgrund der zunehmenden Zerstörung unseres Planeten nachzudenken.

Danach gehe ich einzeln auf die ethischen und spirituellen Hintergründe der Kampfkünste ein, wobei an dieser Stelle ebenfalls die pädagogischen Intentionen wie auch die Erfahrungen der Aikidoka ihren Platz finden, die in der Gruppendiskussion angesprochen wurden. Den Abschnitt empfinde ich als besonders schwierig, da mir eine Trennung dieser beiden Aspekte als künstlich erscheint. Daher wird es möglich sein, daß sich hin und wieder Aussagen überschneiden. Die Gruppendiskussion wurde so geführt, daß ich den Aikidoka die Themenstellung erklärte und sie bat von ihren eigenen Erfahrungen, Ideen, Visionen zu sprechen. Dabei versuchte ich den Diskussionsfluß selten zu beeinflussen. Gelegentlich beteiligte ich mich an der Diskussion. Ich hatte ein grobes Raster (Anhang 1) erarbeitet, in dem die, aus meiner Sicht, wichtigsten Fragen enthalten waren. Es zeigte sich, daß dieses kaum notwendig war, da die Gruppe von selbst diese Punkte ansprach. Somit konnte ein lebendiges Gespräch stattfinden (Gesprächsprotokoll Anhang 2).

Im letzten Abschnitt gehe ich auf die Kombination Kampfkunst und sozialpädagogische Arbeit ein, wobei ich mich hier zur Untermauerung der theoretischen Ausführungen auf eigene praktische sowie auf Erfahrungen der andere Aikidoka zurückgreifen werde.

Der Abschluß soll noch einmal die wichtigsten Gedanken dieser Diplmomarbeit zusammenfassend darstellen und einen Blick in die Zukunft werfen.

1.3 Begiffsdefinition

Kampfkunst/ Kampfsport

Die japanischen Kampfkunstmethoden, auch als Budo bezeichnet (Weg des Kriegers), haben sich aus dem Bujutsu (Techniken des Kriegers) entwickelt. Über Jahrhunderte haben sich diese Kriegsmethoden, in denen es um Techniken des Tötens ging, entwickelt und erst unter Einfluß der Zen-Philosophie (Beginn 17.Jh.) bekamen sie ethischen Gehalt und wurden so zum Budo. (Lind, 1992, 109)

Die östlichen Ideen (vor allem aus dem ost- und südasiatischen Raum) nehmen in den letzten Jahren einen immer größeren Platz in unserem westlichen Alltag ein. So erleben auch die Kampfkünste einen regelrechten Aufschwung. Dabei veränderte sich natürlich auch eine Menge an den Kampfkünsten. Vieles ist versportlicht worden und dem westlichen Kommerz zum Opfer gefallen. Es geht hier inzwischen vor allem um Siegen oder Verlieren. Wenn aber die philosophischen und ethischen Hintergründe sowie die ganzheitliche Schulung der Persönlichkeit verlorengehen, wird Kampf kunst zum Kampf sport.

Aikido hat aufgrund seiner friedlichen Idee (es wird oft als „Kampfkunst ohne Gewalt“ bezeichnet; Protin, 1994, Titel) vermutlich ein geringes Potential des Mißbrauchs, denn es gibt bis heute nahezu keine Wettkämpfe[2]. Nach meinem Wissen ist das eher eine Ausnahme in den im Westen bekannten Kampfkünsten.

Ai Ki Do

Ich möchte hier kurz die drei Silben, aus denen sich der Begriff der japanischen Kampfkunst „Aikido“ zusamensetzt, erklären. Es ist wichtig zu verstehen, daß die Erklärungen nur annähernd sein können, da die Schriftzeichen, die diesen Silben zugrunde liegen, ein Vielfalt an Bedeutungen haben und diese sich oft nur schwer adäquat in unsere Sprache und unser Verständnis übersetzen lassen. Auf die Bedeutung des Aikido selbst, werde ich später (Punkt 2.2) eingehen.

Ai bedeute Liebe, das Prinzip der Harmonie und Anpassung...; Es kommt aus dem philosophischen Gedanken, in Übereinstimmung mit dem gesamten Universum zu leben und kann als Grundprinzip der gesamten asiatischen Kampfkünste bezeichnet werden. Es ist untrennbar mit Ki verbunden (Aiki – sinngemäß: die Suche nach dem Ki – bedeutet, daß Wirkung nicht unbedingt durch Aktivität erreichbar ist, sondern durch innere Übung des harmonischen Anpassens an die Dinge).

Ki (auch chinesisch Qi) bedeutet soviel wie Energie, Vitalität, Lebenskraft...; Das Ki kann allein durch sein Wirken verstanden werden. Es ist ein Begriff, der seine Wurzeln ebenfalls in der chinesischen Philosophie hat. Alles im Universum setzt sich aus Ki zusammen und handelt durch es, trotzdem ist es weder Energie (im westlichen Verständnis) noch Materie.

Do bedeutet Weg, Pfad, Richtung, Lehrsatz, Philosophie, Methode...; Es ist ein Prinzip der asiatischen Weltanschauung (auch Dao, Tao), das als Begriff seine Wurzeln im japanischen Zen-Buddhismus hat. Es ist ein Weg, der meist durch Üben einer Form begangen wird, deren Ziel jedoch nicht das Erlernen der Form an sich ist, sondern das Erweitern des im Menschen liegende Potentials. Es geht weit über den Intellekt hinaus, bestimmt das Denken und Handeln jedes Einzelnen.

(Lind, 1996, 47/ 466/ 205)

Dojo

...ist „‘der Ort, an dem der Weg geübt wird‘. Die Übung des Weges gewinnt an Inhalt und Klarheit, wenn es eine ehrliche Verbundenheit zwischen Wegschüler und Dojo gibt. Deshalb ist in der Weglehre das Dojo kein Trainingsraum, sondern ein heiliger Ort, den man auch ‚Raum der Erleuchtung‘ nennt. Die Bezeichnung Dojo bezieht sich auf den Raum, in dem die Übung stattfindet, doch sie steht symbolisch für die Tiefe der Beziehung die ein Übender zu seiner Kunst unterhält.“ (Lind, 1992, 89)

Ethik

... ist eine Sittenlehre, Moralphilosophie, philosophische Lehre über allgemein gültige Aussagen des guten und gerechten Handelns der Menschen untereinander und in Beziehung auf die Gesellschaft. Sie beinhaltet Gebote und Verbote für das, was man tun oder lassen soll. (Fremdwörterbuch, 1966, 198; Höffe, 1992, 61)

Etikette

...besteht aus der objektiv wahrnehmbaren Verhaltensform eines Menschen, durch das er einem anderen mitteilt, daß er in der rechten Weise zur gegenseitigen Verständigung bereit ist. Der Karate-Meister Funakoshi bezeichnet Höflichkeit als die Grundlage der Ethik und den Gruß als ihr wichtigstes Symbol. (Lind, 1996, 212f.)

Spiritualität

Ich verstehe unter Spiritualität die Gesamtheit des Seins in der Welt in ihrer Beziehung zur Ganzheit des Lebens und des Transzendenten. Sie ist eng mit dem Wort Religion (lat. religio) verbunden, was die Rückbindung an Erde, Luft (alle Elemente), das tiefe Wissen und Vertrauen in das Eingebundensein in das Allumfassende, den ewigen Kreislauf, bedeutet. Je nach Glaubensbekenntnis gibt es die verschiedensten Worte für das Allumfassende wie z.B. Universum, Schöpfung, Gott, das Göttliche, Dao usw. Spiritualität ist eine Kraftquelle, die als fließende Energie, tiefe Ruhe und Weite, überschäumende Liebe, Frömmigkeit u.v.a.m. erlebt und erspürt werden kann.

Sozialarbeit/ Sozialpädagogik

Sozialarbeit und Sozialpädagogik klar zu trennen, gelingt weder in der Literatur noch in der Praxis hinreichend. Daher verwende ich sie als synonym. Es sind „gesellschaftlich organisierte, überwiegend beruflich ausgeübte, insbesondere auf die Beeinflussung zwischenmenschlicher Beziehungen gerichtete, auf das individuelle und gesellschaftliche Wohl bedachte, ‚intervenierende‘ Sozialleistungen“. (Hollstein-Brinkmann, 1993, 63f.) Grenzen zu therapeutischen Disziplinen sind dabei oft diffus. Das spiegelt die komplexen Situationen menschlichen Lebens mit all seinen Höhen und Tiefen wider, aber auch das Dilemma von Sozialarbeit, sich abgrenzen und profilieren zu können.

Sozialarbeit muß sinnstiftend, situations- und problemadäquat sein. Sie sollte für die Betroffenen realen Gebrauchswert haben. Es gilt dabei, Engagement und aktive kritische Auseinandersetzung der Menschen zu fördern. Sozialarbeit muß Alltagsbezug haben, persönliche Entwicklung fördern und Gesellschaftskritik, im Sinne von Parteilichkeit für die Betroffenen, vereinen. Darüber hinaus ist es meines Erachtens von Bedeutung, des spirituellen Aspekts gewahr zu werden, der untrennbar mit täglichem Erleben verbunden ist.

2 Geschichtlicher Rückblick Entstehung der Kampf künste

2.1 Kampfkünste a A llgemein e Entwicklung

Neben den japanischen Kampfkünsten, um die es in meiner Arbeit primär geht, gibt es auch stark ausgeprägte chinesische, koreanische, indische und indonesische Kampfkunstsysteme (vermutlich noch mehr, diese sind mir aber nicht ausreichend bekannt). Diese Systeme haben gemeinsame Wurzeln, auf die ich einleitend eingehen möchte. Danach beziehe ich mich vor allem auf die Entstehung der japanischen Kampfkünste. Um einen kleinen Vergleich zu unserer kulturellen Tradition in diesem Bereich zu ermöglichen, werde ich kurz die Entwicklung der Kampfkünste im europäischen Raum anreißen.

2.1.1 Ursprünge

Die Erkundung der Geschichte der Kampfkünste erweist sich als schwierig, da in de nmeisten Artikeln immer nur über einzelne Stile geschrieben wird. Zudem gibt es überhauptnur wenig fundiertes Material zur frühen historischen Entwicklung der Kampfkünste. Das ist vermutlich darauf zurückzuführen, daß diese in den Familien von Generation zu Genera- tion mündlich weitervermittelt wurden. Daher sind Aussagen über Entstehung und Verbreitung der Kampfkünste eher Spekulationen.

Wolters fand in seinen Recherchen Material, in dem aufgrund von archäologischen Funden vermutet wird, daß die Kampfesweisen der Sumerer (3500-2500 v.u.Z.) ,die der Ägypter (2660-2160 bzw. 1552-1075 v.u.Z.) und der Kretaer (1500-1000 v.u.Z.) durch Handelsbeziehungen mit der Indushochkultur (2500-500 v.u.Z.) eine ursprüngliche Verbindung mit der Entwicklung asiatischer Kampfkünste besitzen. Andere Aussagen dazu suchen die Entstehung in einem Faust-Ring-Kampf der alten Griechen, der dann nach Indien und China fand und dort sich weiter entwickelte und „verfeinert“ wurde.

Es scheint allgemeine Übereinstimmung zu geben, daß trotzt nationaler Besonderheiten der asiatischen Länder, die Entwicklung ihrer Kampfkünste gemeinsame Wurzeln hat. Der gemeinsame Ursprung findet sich im indischen Yoga und im chinesischen Kung Fu. Die Theorie und Praxis der asiatischen Kampfkünste sind nur begreifbar, wenn sie in Beziehung zu ihrem religiös-philosophischen und kulturellem Hintergrund verstanden werden. Die asiatischen Kampfkünste sind stark geprägt vom Gedankengut des Taoismus, Konfuzianismus und Buddhismus. (Wolters, 1997, 67ff.; Dolin, 1988, 20ff.)

2.1.2 Japanische Kampfkünste

Vermutungen legen nahe, daß chinesische Mönche mit dem Buddhismus, Konfuzianismus und der chinesischen Kultur auch ihre Kampfsysteme mit nach Japan brachten. Unabhängig davon gab es eigenständige Entwicklungen des Faustkampfes auf den japanischen Inseln, die in die späteren Kampfsysteme einflossen.

Einen bedeutenden Einfluß auf die Entwicklung japanischer Kampfkünste hatte der im feudalistischen Mittelalter (12.-19.Jh.) -das durch viele kriegerische Auseinandersetzungen geprägt war- anerkannte Kriegeradel der Bushi (auch Samurai). Deren strenger Verhaltenskodex (Bushido) war höchster und nobelster Ausdruck ihres Lebens. Dieser beinhaltete vor allem die Komponenten grenzenlose Treue, Ehrfurcht, Anstand, Tugendhaftigkeit, bedingungslose Selbstbeherrschung und Todesverachtung. Die Samurai perfektionierten sich vor allem im Kampf mit dem Schwert (Kenjutsu), im Bogenschießen (Kyujutsu) und auch im Faustkampf, der im chinesischen Kung Fu wurzelte. Die Praktiken der Bushi waren eng verbunden mit der einheimischen Religion Japans (Shintoismus) und dem aus China kommenden Taoismus, Konfuzianismus und später auch Zen (Chan)-Buddhismus. Der Verhaltenskodex hatte später auch Einfluß auf die gesamte Bevölkerung, war also nicht mehr nur den Bushi vorbehalten. Anteile daraus sind bis heute im japanischen Erziehungsideal deutlich zu finden. Durch eine 200-jährige friedvolle Phase (Tokugawa Periode 1603-1868) und den zugleich größere Einfluß des Zen-Buddhismus in Japan war die Bedeutung der Kriegsmethoden vermindert. Es entstand der Weg des Kampfes (Budo), bei dem es nicht mehr ohne nachzudenken zu töten galt, sondern sich freiwillig der Disziplin zu unterwerfen, sich selbst zu erkennen, das eigene Ego zu besiegen und auf dem Schlachtfeld des Lebens zu gewinnen. Im Mittelpunkt stand jetzt das Interesse, Frieden im Inneren zu finden, um so auch Frieden im Äußeren zu finden. (Mieth, 1992, 49ff.; Saldern, 1998, 8ff.; Wolters, 1997,83ff., Dolin, 1988, 20ff.)

In jüngerer Zeit haben die Kampfkünste immer wieder Perioden des Aufschwungs und des Verbotes, politisch wie auch ideologisch untermauert, erlebt. So spielten sie als paramilitärische Übungen wie als Erziehungsrichtlinie für wachsenden Militarismus und Nationalismus Anfang unseres Jahrhunderts eine entscheidende Rolle. Dramatischerweise werden diese Entwicklungen von der japanischen Gesellschaft kaum hinterfragt und aufgearbeitet. Es ist eher eine Verklärung in der Geschichtsschreibung festzustellen.

Auch die fortwährende „Wegentwicklung“ von der Kunst zum kommerziellen Sport ist an dieser Stelle zu nennen. Das einseitig vermittelte Bild Japans hier im Westen (Japan = Zen-Kultur) ist maßgeblich daran beteiligt, wie unter anderem Kampfkunst verstanden wird. In mitunter überhöhter Weise, wird nur das gesehen, was in das Bild passen darf. Eine geschichtliche wie auch gesellschaftliche Reflexion findet selten statt. (Hoff, 1998, 70ff.)

2.1.3 Exkurs Europäische Kampfkünste

Systeme aus Techniken und Taktiken zur Verteidigung entstanden in aller Welt im Mittelalter, auch im europäischen Raum.

Die frühesten belegbaren Hinweise finden sich im antiken Griechenland als Kampftechniken bei Olympischen Spielen. Wettbewerbe hatten einen starken Bezug zu militärischer Realität, denn sie wurden mit Kriegswaffen z.B. Speer und Lanze ausgeführt. Aber auch Boxen und Ringen wurden im europäischen Mittelalter kultiviert. Mit der Klasse der Ritter bekamen die Kriegskünste neben der kriegerischen Bedeutung auch die persönliche Verpflichtung zu angemessenem Verhalten, ähnlich wie bei den japanischen Samurai. In der Kodexverpflichtung des Ritterstandes spielten Waffen eine zentrale Rolle. Weniger bekannt ist deren strenge Erziehung in körperlicher, ethischer, gesellschaftlicher und musischer Richtung. Fortschritte wurden auf Turnieren erprobt, aber diese wurden auch benutzt, um persönliche Rivalitäten auszutragen. Die mittelalterlichen Kampfkünste waren ausschließlich Adligen vorbehalten. Deren Ehrenkodex schloß das Töten ein und war somit ein direkter Widerspruch zur christlichen Lehre und konnte dadurch keinen Rückhalt in Religion und Philosophie finden, wie es in Asien war. Viele Ritter wandten sich mystisch asketischem Leben zu. Es entstanden Ritterbünde, die geheim und exklusiv waren. Diese gibt es z.T. heute noch (Templer, Malteser). Außerhalb dieser Bünde wurden Kampfkünste nicht geübt. Viele Ritter wurden später auch als Häretiker verfolgt, da sie der orthodoxen Kirche suspekt waren. Grund dafür war sicher ihre mystische Gesinnung, aber auch ihr Reichtum (entstanden durch adlige Herkunft und Kinderlosigkeit - damit ging das gesamte Hab und Gut an den jeweiligen Orden).

Im England des 15.Jh. entstand ein anderes Kampfsystem „edle Kunst der Selbstverteidigung“, das sich später zum Boxen entwickelte.

Nach Einführung der Feuerwaffen, ca. 1600, fand das Schwert keine Anwendung mehr. Erst im 18.Jh. erfuhr es wieder eine Renaissance, als es für sportliche Wettkämpfe eingesetzt wurde und allmählich Sportfechten daraus entstand.

Außer im Rittertum hat keines der europäischen Kampfsysteme Wurzeln in der Philosophie und Lebensanschauung der Gesellschaftsgruppe gefunden. Stets blieb der Zweck bei Selbstverteidigung, Körperertüchtigung oder sportlichem Kräftemessen. (Lind, 1996, 21ff.)

Aus dem eben Dargestellten wird verständlich, warum wir heute eher Anleihe bei asiatischen Kampfkünsten nehmen, wenn es um mehr als Interesse am Sport geht.

2.2 Aikido

2.2.1 Entwicklung

Die Entstehung des Aikido ist eng mit der Biographie seines Begründers Morihei Ueshiba (1883-1969) verknüpft. Er lebte in einer turbulenten Zeit der Modernisierung Japans und verschrieb sich der Gründung einer Kampfkunst, die den Anforderungen der modernen Zeit entsprechen und trotzdem in der Tradition verwurzelt sein sollte.

Nachdem er sein Leben lang intensiv Kampfkünste trainiert hatte, um die Wahrheit des Budo zu erfahren, kam er letztlich zur Überzeugung, daß der wahre Geist des Budo nicht von Konkurrenz geprägt und in kämpferischer Atmosphäre zu finden ist. Es geht nicht um den Sieg um jeden Preis und in keiner Weise um Gewalt, sondern um umfassende Liebe und tiefe Zugehörigkeit. Die eigentliche Botschaft des Budo ist eine friedliche. Ueshiba hat also die Tradition der alten Kriegskünste nicht blindlings übernommen, da die ursprüngliche Form eng mit kriegerischen Anliegen verbunden war. Er hat seine Vision des Budo im Aikido umzusetzen versucht. Aikido bedeutet, aus der Zusammensetzung der Silben heraus, der Weg, sich mit dem universellen Ki zu harmonisieren. Der wahre Geist des Budo war für ihn die Suche nach Vervollkommnung des Menschen auf geistiger als auch körperlicher Ebene. Das ist durch kontinuierliches Training und Üben mit Gleichgesinnten zu verwirklichen. Die Techniken des Aikido sind vor allem den Kampfkünsten Jiujutsu, Aikijutsu und dem Schwertkampf entlehnt. Die mit ihnen erreichbaren Ziele sind, wie eben schon erwähnt, dabei nicht vorrangig.

Ueshiba verfolgte mit der Begründung des Aikido drei Hauptanliegen: die bleibende Liebe zu traditionellen Kampfkünsten zu pflegen, Anachronismus zu vermeiden und die spirituelle Qualität des Budo neu zu beleben. Daher ist Aikido seinem Wesen nach eine moderne wie auch traditionelle Kampfkunst. Wenn Budo die oben genannten Qualitäten hat, ist es unabhängig von Kultur und Zeitalter und jederzeit übertragbar. Sein Kern ist zutiefst spirituell, da es universelles Ki mit individuellem Ki vereinigt, und somit im Einklang mit dem Universum ist.

Immer mehr Menschen interessieren sich für Aikido und praktizieren es. Das resultiert aus Aikido selbst, das sowohl vom Prinzip als auch von der Praxis her die höchste Form der Einheit von Kampfkunst, Ästhetik und Spiritualität darstellt, welche die traditionelle japanische Kultur hervorgebracht hat, so Kisshomaru Ueshiba (1993, 13), der Sohn des Aikidogründers. Der tiefe Sinn des Aikido ist nicht das Üben der Techniken, sondern die Vereinigung des schöpferischen universellen Ki, mit dem in der Atemkraft befindlichen individuellen Ki zu verwirklichen. Das ist allen Menschen möglich. Daher ist Aikido eine Kampfkunst, die jeder Mensch unabhängig von Alter, Geschlecht[3] oder athletischem Können praktizieren kann. Um mit dem universellen Ki eins zu werden, muß man erst mal den eigenen Körper und Geist in Einheit bringen. Daher muß Aikido auf der Einheit von Körper und Geist beruhen. Dieses Prinzip zur Schaffung der Lebensenergie, füllt die spirituelle Leere und gibt dem alltäglichen Leben wahren Inhalt und Sinn. (Ueshiba, 1993, 14ff, 144ff.; Tohei, 1996, 61)

2.2.2 Was ist Aikido?

Aikido ist gekennzeichnet durch Ausweichbewegungen, die die Dynamik des Kreises betonen. Wird man geschoben, dreht man sich und weicht aus, wird man gezogen, tritt man mit einer kreisförmigen Bewegung ein. Dabei muß man seinen Schwerpunkt behalten, wobei Uke (AngreiferIn) aus dem Gleichgewicht gebracht wird und damit die eigene Kraft verliert.

Das Üben von Aikido ist kein Kampf, sondern ein Dialog zwischen PartnerInnen, ein ständiges Miteinander zum gegenseitigen Wohle. Man muß sich in das Gegenüber hineinversetzen, was Unvoreingenommenheit als Ausgangspunkt jedes neuen Moments fordert. Gefühl für die Situation und die PartnerIn zu entwickeln, ist dabei von großer Bedeutung.

Öffnen/ Schließen, oben/ unten sind als gegensätzliche Tendenzen yin und yang immer in den Bewegungsabläufen, als sich gegenseitig ergänzend, enthalten. Ist man offen, kann man Informationen aufnehmen, lernen. In der passenden Situation muß man schließen können, weil man verletzlich ist. Das trifft im engen Sinn auf das Üben von Aikidotechniken zu, aber auch im weiteren Sinn auf alltägliches Handeln und Kommunizieren. Aikido kann man auch als Gespräch mit Körpern bezeichnen. Die Kommunikation entsteht, indem die Übenden ihre Sinne öffnen, sich annähern, um voneinander zu lernen und Vertrauen zueinander finden. Aikido ist natürliche Bewegung, ist Loslassen, im Körper wie im Geist.

Das Prinzip des Ausweichens verlangt neben technischen Befähigungen auch eine Geisteshaltung, die für das Aikido typisch ist. Es geht darum, die negative Angriffsenergie so umzulenken, daß sie sich gegen die AngreiferIn selbst wendet. Diese soll jedoch für beide nicht zerstörerisch wirken, sondern es soll eine Versöhnung stattfinden. In dem man sich zuerst selbst besiegt, den eigenen Egoismus, die eigene Härte, die Gewalttätigkeit, deren man selbst fähig ist, wenn man sich angegriffen sieht, oder auch der eigenen Hilflosigkeit den Kampf ansagt, entsteht eine Möglichkeit des Miteinander, bei der die AngreiferIn die Sinnlosigkeit des eigenen Tuns erkennen kann. Grundlage dafür ist die Philosophie des Nichtkämpfens. Nichtkämpfen heißt, die destruktiven Instinkte im Menschen abzubauen und sie der Kraft der schöpferischen Liebe zuzuleiten. (Ueshiba, 1993, 14, 62)

Aikido bedeutet in Einklang mit der Bewegung zu sein, eins zu sein mit sich selbst und seinem Tun, was wiederum zu äußerster Effektivität führt. Um dieses zu erreichen, bedarf es langen kontinuierlichen Übens. Für Ueshiba war der Schlüssel zur Effektivität im Budo die natürliche Bewegung. Natürlichkeit war auch das große Thema der alten Daoisten und des Zen, was den Einfluß dieser Richtungen deutlich macht. (Walter, 1998, 31) Kisshomaru Ueshiba formuliert die Idee des Aikido wie folgt: „Aikido verleiht der höchsten Realität Ausdruck: die fließenden, spontanen Bewegungen der Natur, die von der unübertroffenen Kraft des Ki durchwoben sind. Das Ziel des Aikido besteht darin, das ideale menschliche Selbst zu formen, indem Körper und Geist durch ein vitales, geistiges und körperliches Training vereint werden sowie ein dynamisches Leben sowohl inmitten von Aktivitäten als auch in der Stille zu verwirklichen.“ (1993, 13) Das bedeutet nicht die Abkehr vom Leben, sondern die Auseinandersetzung mit der Welt. Eine ständige Herausforderung, dem Leben gerecht zu werden, in innerer Standfestigkeit, von einer ruhenden Mitte aus, auf das Leben flexibel reagieren zu können. Das Üben der Aikidotechniken gibt „Raum für Selbsterkenntnis, für den Erwerb eines beherrschten Verhaltens, das unentbehrlich ist, wenn man andere lenken oder einfach unter ihnen und mit ihnen leben und imstande sein will, eine aggressive Situation zu meistern. Daher verdient Aikido weniger Sport, sondern eine Kunst der Lebensführung genannt zu werden.“ (Protin,1994,176)

3 Der Paradigmenwechsel in unserer Kultur und die philosophischen und spirituellen Traditionen Ostasiens

Die Diskussion um den Paradigmenwechsel unserer Kultur ist in den letzten Jahrzehnten immer verstärkter Thema geworden. Ausgelöst durch die globalen Probleme, die das Überleben der Menschheit und des gesamten Planeten Erde gefährden, ist es höchste Zeit, über die unserer Kultur eigenen Werte und Handlungsmuster zu reflektieren und Neues zu beginnen. Die neue Sicht findet viele Anknüpfungspunkte im alten ostasiatischen Denken. Im folgenden werde ich einen Bogen zwischen westlichem und östlichem Denken spannen und versuchen, verbindendes darzustellen. Dazu sei an den Anfang Capras Definition eines gesellschaftlichen Paradigmas gestellt. Er definiert es als „eine Konstellation von Begriffen, Wertvorstellungen, Wahrnehmungen und Praktiken, die von einer Gemeinschaft geteilt wird und eine besondere Sicht der Wirklichkeit bildet als Grundlage der Art und Weise, wie die Person sich selbst organisiert. Ein Paradigma wird von einer Gemeinschaft geteilt. Die Vorstellung vom gesellschaftlichen Paradigma ist eng mit Kultur verbunden. Das wissenschaftliche Paradigma ist in das gesellschaftliche eingebettet.“ (Capra, 1991, 57) Ein Paradigma wandelt sich wegen seiner Begrenzung. Die Erklärungsmodelle reichen nicht für die auftretenden Probleme aus. Die Zeit der Veränderung wird dann als Paradigmenwechsel bezeichnet.

3.1 Kartesianisch-Newtonsches Denken - Das westliche Weltbild

3.1.1 Griechische Antike

Unser westliches Denken hat tiefe Wurzeln, die bis in das antike Griechenland zurückreichen. Es verknüpfte verschiedenste Traditionen des Denkens, der Kultur und Kunst zu einer Dialektik, die der Vernunft, dem Empirismus und der Mathematik verpflichtet war. Das wurde später richtungsweisend für die Wissenschaft. In erster Linie war dieses Denken dem Versuch zu verstehen verpflichtet. Die Leidenschaft, die Dinge zu begreifen, schuf die Tradition des kritischen Denkens. Tarnas bezeichnet diese Tradition und die leidenschaftliche Suche nach Verstehen als Geburt des westlichen Denkens. Die beiden Hauptströmungen, die dieses Denken beeinflußten, waren der weltliche Skeptizismus und der metaphysische Idealismus. Dieses duale Vermächtnis hinterließ im westlichen Denken die Polarität einerseits eines von höchster Instanz geordneten Kosmos und zum anderen ein unvorhersehbares, offenes Universum. Dieses Spannungsfeld machte den griechischen Geist so erfolgreich und ließ ihn überdauern. Platon als herausragender Philosoph dieser Zeit prägte aber auch durch seinen Dualismus (z.B. Geist - Materie, physisches Leben – spirituelles Leben) entscheidend den Geist der nachfolgenden Jahrhunderte. (Tarnas, 1997, 51ff.)

3.1.2 Christliche Prägung

Das frühchristliche Denken war geprägt durch eine Verbindung verschiedener kultureller und intellektueller Einflüsse. Diese Synthese war in ihrem Ursprung pluralistisch und monolithisch in ihrer endgültigen Version, die prägend für das westliche Denken wurde. Das Christentum verstärkte den platonischen Dualismus von Geist und Materie, durch die Verschmelzung mit der Lehre der Erbsünde, dem Fall des Menschen und der Natur. Eine weitere Zuspitzung erfuhr dieses dadurch, daß der Natur jegliche Göttlichkeit abgesprochen wurde und eine radikale Polarisierung von Gut und Böse kultiviert wurde. Das Beobachten, Analysieren und Verstehen der natürlichen Welt erfuhr eine Abwertung. (a.a.O., 206)

[...]


[1] „Westen“ und „Osten“ verwende ich im folgenden für die Länder des abendländischen bzw. morgenländischen Kulturkreises, im Wissen darum, daß diese Bezeichnung verkürzt und eurozentristisch ist.

[2] Eine Ausnahme dafür ist im Tomiki Aikido zu finden. Dieser Stil versucht an Hand von Messerangriffen und deren Abwehr leistungsvergleichende Wettkämpfe durchzuführen. Dieses Beispiel ist eine Ausnahme und bestätigt eher die Regel der Wettkampflosigkeit von Aikido. Für mich ist außerdem schwer zu verstehen, woran die Leistung gemessen wird, und meines Erachtens widerspricht es der Idee des Aikido.

[3] Ein Aspekt, den ich in der Arbeit nicht vertiefen möchte, der es mir aber trotzdem wert ist, hier Erwähnung zu finden, ist :Frauen und Kampfkünste. Die Emanzipationsbestrebungen, durchdringen alle Gebiete menschlichen Lebens, so auch die Kampfkünste. Eine Öffnung ist schon daher erreicht, daß der martialische Charakter nicht mehr im Vordergrund steht. Es ist aber immer noch nicht selbstverständlich, daß Frauen Kampfkünste betreiben. Sie sind dort immer noch unterrepräsentiert. Das hängt unter anderem damit zusammen, welches Frauen- und Männerbild in den Dojo vorgelebt und vermittelt wird. K. Ueshiba (1993, 81ff.) hat die Erfahrung gemacht, daß weltweit verhältnismäßig viele Frauen Aikido praktizieren, im Vergleich zu anderen Kampfkünsten. (Das kann ich von dem Dojo, wo ich trainiere, leider nicht bestätigen.) K. Ueshiba meint, daß die Auswirkung dieses Phänomens dem Training mehr Tiefe und Breite verleiht. Taditionelles Budo war ausschließlich eine Männerdomäne. Sollte das heute noch gelten, ist das ein Zeichen für Gewalttätigkeit, Diskriminierung und Anachronismus. Aikido als Weg Körper, Geist zu trainieren, basiert auf der Basis von Liebe und Harmonie. Frauen reagieren mehr aus ihrer Intuition und Erfahrung der Alltagswelt heraus als Männer und können daher einen leichteren Zugang zur Essenz des Aikido haben. Sie sind meist nicht erpicht darauf zu kämpfen, oder ihre Kräfte zu messen. Durch Aikido können sie auf eine sanfte Art auch kraftvolles in sich und aus sich heraus erleben.

Ende der Leseprobe aus 85 Seiten

Details

Titel
Die ethischen und spirituellen Grundlagen der ostasiatischen Kampfkünste als Ausgangspunkt für sozialpädagogische Arbeit am Beispiel des Aikido
Hochschule
Evangelische Hochschule für Soziale Arbeit Dresden (FH)  (Sozialarbeit)
Autor
Jahr
1998
Seiten
85
Katalognummer
V10048
ISBN (eBook)
9783638166034
ISBN (Buch)
9783638726528
Dateigröße
645 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Grundlagen, Kampfkünste, Ausgangspunkt, Arbeit, Beispiel, Aikido
Arbeit zitieren
Anne Lorenz (Autor:in), 1998, Die ethischen und spirituellen Grundlagen der ostasiatischen Kampfkünste als Ausgangspunkt für sozialpädagogische Arbeit am Beispiel des Aikido, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/10048

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