Darstellung der Orientierungsmodelle für einen humanen Kinderhochleistungssport von Meinberg


Hausarbeit, 2000

12 Seiten


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1 Einleitung

2 Hauptteil
2.1 Meinbergs Orientierungsmodell für sportliche Leistungserfahrung
2.1.1 Bewegungserfahrungen im engeren Sinne
2.1.2 Soziale Erfahrungen
2.1.3 Moralische Erfahrungen
2.1.4 Dingliche Erfahrungen
2.1.5 Emotionale Erfahrungen
2.1.6 Ästhetische Erfahrungen
2.1.7 Aussage Meinbergs
2.2 Ethik des dritten Weges - ein ethischer Orientierungsversuch
2.2.1 Einleitende Aussage Meinbergs
2.2.2 Pädagogische Ethik als „Ethik des dritten Weges“
2.2.3 Konkretisierung: Das Prinzip Sorge
2.2.4 Aussage der Ethik des dritten Weges
2.3 Vergleich der beiden Modelle
2.4 Meinbergs Orientierungsmodell für sportliche Leistungserfahrung anhand der Sportart Alpiner Skirennlauf

3 Schluß

4 Literatur

1 Einleitung

Der Kinderhochleistungssport ist nicht erst in den letzten Jahren ein kontrovers diskutiertes Thema geworden. Vielmehr wird diese Thematik schon seit etlichen Jahren aufgeworfen und immer wieder von Kritikern angegriffen, sowie von Befürwortern verteidigt. Die angebrachten Äußerungen derjenigen, die den Kinderhochleistungssport ablehnen, reichen von „Leistungsknecht“, „Muskelmaschine“ und „Leistungsroboter“ bis hin zu einem „Mängelwesen mit Orientierungslosigkeit“. Diese Äußerungen zielen alle auf eine Reizverarmung der Umwelt dieser Kinder, auf eine Überbetonung des Leistungsgedankens, auf eine Unterdrückung durch z.B. Trainer, Eltern, Funktionäre und auf die Herausbildung von fremdbestimmten Menschen durch das Umfeld des Kindes (z.B. Trainer, Trainingsalltag, Trainingsmethoden, ...) ab.

Im Gegenzug sprechen die Befürworter des Kinderhochleistungssport davon, daß dem Kind neue Möglichkeiten aufgezeigt werden, sich selbst zu erkunden, ihrem Bewegungsdrang nachzukommen, soziale Kontakte (vor allem in Mannschaftssportarten) zu knüpfen, positive (z.B. Sieg) wie auch negative (z.B. Niederlage) Erfahrungen zu sammeln und somit ihre Kindheit intensiv auszuleben (vgl. Meinberg, E.: Kinderhochleistungssport. Fremdbestimmung oder Selbstentfaltung. Köln 1984).

2 Hauptteil

2.1 Meinbergs Orientierungsmodell für sportliche Leistungserfahrungen

Durch eine ständige Orientierung an Rekorden und Bestleistungen im Spitzensport kommt es in diesem Bereich zu einer Sinneskrise. Die Orientierungslosigkeit betrifft vor allem auch den Kinderhochleistungssport, der aber umsomehr ein Orientierungskonzept benötigt. Aus diesem Grund wird im folgenden ein phänomenologisches - anthropologisches Orientierungskonzept vorgestellt.

Ausgangspunkt hierbei ist, daß alle Erfahrungen die ein Mensch macht, grundlegend für seine Entwicklung sind. Hierbei sind jedoch die Erfahrungen individuell verschieden und nicht teilbar. Sie werden aufgenommen, bewertet und je nach Lebensabschnitt bzw. Bedeutsamkeit taxiert, d.h. manche bleiben jahrelang erhalten, sind lebensentscheidend, andere verblassen und werden nach kürzester Zeit nicht mehr realisiert. Ferner werden alle Erfahrungen im Umgang mit der Umwelt gemacht. Da nun die Kindheit besonders prägend für die Entwicklung des Menschen ist, kann in diesem Lebensabschnitt eine Sinnlosigkeit gravierende Auswirkungen haben. Gerade das leistungssporttreibende Kind erhält durch die erbrachten Leistungen bedeutsame und entscheidende Erfahrungen. Die sportlichen Leistungen bieten den Kindern eine große Möglichkeit zur Selbsterfahrung sowohl in positiver wie auch in negativer Richtung. Im folgenden soll eine Typologie erstellt werden, die die Erfahrungsbereiche klassifiziert, welche mit sportlichen Leistungen einhergehen.

2.1.1 Bewegungserfahrungen im engeren Sinne

Dadurch, daß sich in den meisten Bereichen sportliche Leistungen durch Bewegungen widerspiegeln, zählen die Bewegungserfahrungen im engeren Sinn zu den auffälligsten Erfahrungen. Sie können die Erfahrungswelt einschränken, da bei verschiedenen Sportarten bestimmte Bewegungen vorgegeben werden, bzw. Sportarten und -geräte Bewegungen limitieren oder sogar völlig verhindern. Hierbei erfährt das Kind, daß „seine Bewegungsfreiheit nicht grenzenlos ist“ (Meinberg, E.: Kinderhochleistungssport. Fremdbestimmung oder Selbstentfaltung. Köln 1984, S.76)

Auf der anderen Seite wird es den Kindern ermöglicht, ihr Bewegungsrepertoire zu vergrößern und eigendynamisch - kreativ ihre Bewegungswelt zu erweitern.

2.1.2 Soziale Erfahrungen

Durch den hohen Konkurrenz- und Wettkampfcharakter der meisten Sportarten wird bei den Kindern, die nur an Leistung orientiert sind, ein soziales Handeln eingeschränkt. Untugenden wie Egoismus, Neid, Jähzorn, Eifersucht usw. können sich herausbilden. Andererseits wird vor allem in Mannschaftssportarten soziales Verhalten gefördert und die individuelle Leistung tritt zum Allgemeinwohl in den Hintergrund. Hierbei zählt vor allem das Miteinander, die Kooperation und die Solidarität der Gruppe, die maßgeblich den Erfolg der Mannschaft bestimmt.

Um aber diese sozialen Erfahrungen zu erleben ist es wichtig, auf verschiedene Kommunikationsformen einzugehen. Es gibt hierbei die asymmetrische, zwischen Trainer und Athlet, die bedingt ist durch das Kompetenzgefälle und die symmetrische zwischen zwei oder mehr Athleten.

Weiterhin agiert das Kind im System Hochleistungssport als bestimmter Rollenträger und wird so in ein starres Normengefüge auferlegt. Hierbei kann es zu Sanktionen bis hin zum Ausschluß kommen, wenn die Erwartungen nicht erfüllt werden. Auf alle Fälle ist es unzutreffend, dem Kinderhochleistungssport einseitige Sozialerfahrungen vorzuwerfen. „Egoismus und Toleranz, Neid und Kooperation, Hilfsbereitschaft und Egozentrik können gleichermaßen und nebeneinander im Kinderhochleistungssport erfahren werden; sie schließen sich nicht aus.“ (Meinberg, E.: Kinderhochleistungssport. Fremdbestimmung oder Selbstentfaltung. Köln 1984, S. 79).

2.1.3 Moralische Erfahrungen

Moralische Erfahrungen sind eng gekoppelt mit dem Begriff Fairneß. Durch den Sport lernen Kinder und Jugendliche faire, wie z.B. Einhalten der Regeln, Selbstbeherrschung, Anerkennung einer besseren Leistung des Gegners, oder auch unfaire, z.B. Ungerechtigkeit, Täuschung, Aggression usw., Verhaltensweisen kennen. Es werden also sowohl moralische Stärken wie auch Schwächen erlebt.

2.1.4 Dingliche Erfahrungen

Die sportliche Erfahrungswelt geht über den sozialen, emotionalen und ästhetischen Bereich hinaus und es werden Erfahrungen an einer “Sache“ gemacht. Hierbei kann es sich z.B. um eine bestimmte Wurftechnik, Hochsprungtechnik, um das Üben einer gymnastischen Kür u.ä. handeln. Durch die Auseinandersetzung mit der Sache werden den Kindern / Jugendlichen Erfahrungen vermittelt, die Meinberg mit dinglichen Erfahrungen beschreibt.

Sie gliedern sich in vier Bereiche:

- Erfahrungen mit der Sachlichkeit
- Erfahrungen mit der äußeren Natur
- Erfahrungen mit der Zeit
- Erfahrungen mit der Verwissenschaftlichung

Erfahrungen mit der Sachlichkeit

Um im sportlichen Bereich weiterzukommen, ist ein gezieltes Training von Nöten. Dies beschreibt Meinberg als die Auseinandersetzung mit der Sache. Der Athlet, soweit er noch nicht selber aktiv am Erstellen seines Trainingsplanes beteiligt ist, hat die Aufgabe diesen möglichst genau und gewissenhaft einzuhalten. D.h. die Realisierung des Trainingsplanes liegt in seiner Hand. Dies erfordert nun Tugenden wie z.B. Einsatzbereitschaft und Tatkraft, Genauigkeit, Sorgfalt, Disziplin usw.

Erfahrungen mit der äußeren Natur

Obwohl manche Sportarten in künstlicher Umgebung stattfinden (z.B. schwimmen nicht mehr im See oder Meer, sondern in künstlich angelegten Anlagen) gibt es immer noch genug Sportarten wie z.B. Skilanglauf, Alpiner Skirennlauf ..., bei denen sich der Athlet in der freien Natur bewegt. In diesen Sportarten erhalten die Sportler ganz besondere Erfahrungs- und Erlebnisqualitäten.

Erfahrungen mit der Zeit

Eine weitere dingliche Erfahrung erfährt der Athlet im Umgang mit der Zeit. Langfristige Trainingsplanung, topfit auf die Minute, der alternde Fußballstar usw. sind Schlagwörter, die den zeitlich eng gesteckten Rahmen des Sportlers widerspiegeln. Um als Profi an die Spitze zu gelangen, ist es unabdingbar, sich seine zur Verfügung stehende Zeit so genau wie möglich einzuteilen. Ferner werden viele Erfahrungen im Kampf gegen bzw. mit der Zeit gemacht und somit wird die Zeit verdinglicht.

Erfahrungen mit der Verwissenschaftlichung

Durch die fortschreittende Technologisierung und Verwissenschaftlichung ist neben dem subjektiven Können des Athleten immer mehr seine Ausrüstung, Material, medizinische Betreuung usw. gefragt. Nur wer hier die entsprechenden finanziellen Mittel besitzt ist auch in der Lage sein Training und seine eigenen Ressourcen optimal auszuschöpfen und dies ist oft die Entscheidung über Sieg oder Niederlage. „Das Kind wird selbst zum Ding, zu einer Sache zurechtgestutzt; es gerinnt zum Mittel ohne Eigenzweck“ (Meinberg, E.: Kinderhochleistungssport. Fremdbestimmung oder Selbstentfaltung. Köln 1984, S. 85 - 86).

2.1.5 Emotionale Erfahrungen

Emotionale Grundstimmungen (z.B. Angst, Freude, Spaß,...) lassen sich vor allem bei Kindern sehr leicht erkennen. Hierbei entscheiden oft Kleinigkeiten über das momentane Wohlbefinden.

Durch häufiges, stereotypes Üben, was im Spitzensport zwingend erforderlich ist, kommt es oft zu Niedergeschlagenheit und Unmut. Dies fördert aber auch die Gedult und das Durchhaltevermögen des jungen Athleten und schlägt oftmals in Glück und Freude um, wenn die Übung nach langem trainieren erfolgreich absolviert wurde. Daher kann der Leistungssport sowohl positive wie auch negative, emotionale Stimmungslagen produzieren.

2.1.6 Ästhetische Erfahrungen

Oberflächlich betrachtet werden für ästhetische Erfahrungen Sportarten wie Turnen und Eiskunstlauf genannt, bei denen die Ästhetik das harmonische ineinanderfließen der Bewegungen ist. Dies ist die Ästhetik, die der Betrachter sieht und empfindet. Der Athlet an sich „erfährt seine künstlerische Leistung als Werk seiner selbst.“ (Meinberg, E.: Kinderhochleistungssport. Fremdbestimmung oder Selbstentfaltung. Köln 1984. S. 88). Sie betreffen somit den ganzen Menschen und werden intensiver empfunden, als nur vom Betrachten allein. Hierbei durchdringen sich in den ästhetischen, die emotionalen mit den sachlichen und sozialen Erfahrungsbereichen. Sie sind aber nicht nur den kompositorischen Sportarten vorbehalten, vielmehr heißt sich ästhetisch erfahren, „sich in der Totalität seiner Vermögen und Stimmungen erfahren“ (Meinberg, E.: Kinderhochleistungssport. Fremdbestimmung oder Selbstentfaltung. Köln 1984. S. 89).

2.1.7 Aussage Meinbergs

Die Erfahrungen, die ein Kind bei sportlicher Betätigung sammelt, „können einen positiven Einfluß auf die Selbstentfaltung des Kindes nehmen“ (Meinberg, E.: Kinderhochleistungssport. Fremdbestimmung oder Selbstentfaltung. Köln 1984. S. 90). Es ist jedoch nicht gesagt, daß sie das auch tun. Hierbei hängt sehr viel von dem Umfeld des Kindes, wie z.B. Trainer, Eltern, Funktionäre, Trainingsstätten ab. Sie alle müssen dazubeitragen, daß die Erfahrungswelt auf das Kind individuell abgestimmt ist und kein Einheitsrezept für alle Altersstufen und Individuen angewandt wird, denn: „Erfahrungsräume können erweitert und blockiert, intensiviert und stillgelegt werden.“ (Meinberg, E.: Kinderhochleistungssport. Fremdbestimmung oder Selbstentfaltung. Köln 1984, S. 90) Das hier vorgestellte Modell soll den Eltern und Trainern als Orientierung dienen um auf die aufgelisteten Erfahrungsbereiche eingehen zu können und so den Kinderhochleistungssport humaner zu gestalten.

2.2 Ethik des dritten Weges - ein ethischer Orientierungsversuch

2.2.1 Einleitende Aussage Meinbergs

Das neuere Modell Meinbergs (Ethik des dritten Weges), daß er 1996 auf einem Symposium unter der Federführung des Sportwissenschaftlichen Instituts der Universität des Saarlandes in Saarbrücken vorgestellt hat, ist ein Orientierungsversuch, der mit Hilfe der pädagogischen Ethik (erzieherischen Ethik) die Humanität des Kinderhochleistungssportes begründet. Hierbei erfolgt eine Orientierung hinsichtlich der Praxis und der Theorie. Die Pädagogische Ethik ist eine Bereichsethik, die bestimmte Handlungssektoren betrifft und diese versucht ethisch zu erklären. Sie hat von Grund aus eine hohe moralische Affinität. Erziehung ist hierbei gleichzusetzen mit Kommunikation. Sie hat es sich zur Aufgabe gemacht, die Verhältnisse zwischen Moral, Erziehung und Bildung aufzuzeigen und zu erklären. Hieraus leiten sich vier Themenschwerpunkte ab.

a) Ethos des Erziehers

Der Ethos ist der individuelle Verhaltensstil des Erziehers. Er ergibt sich aus den speziellen Praktiken und Gewohnheiten, ist an diese gebunden und über einen bestimmten Zeitraum betrachtet durchaus wandelbar, d.h., der Erzieher an sich ist einem ständigen Entwicklungsprozeß unterworfen. Dieser Stil, der nicht isoliert für sich steht, spiegelt die Lebensführung und -art des Menschen wider.

b) Pädagogische Ethik als Tugendlehre

Dem Erzieher werden hierbei Tugenden an die Hand gelegt, die er, wenn möglich haben sollte um ein moralisch guter Erzieher zu sein. Dies können die Kardinaltugenden wie z.B. Gerechtigkeit, Klugheit, Weisheit usw., die “bürgerlichen Sekundärtugenden“ (Meinberg, E.: Kinderhochleistungssport wohin? Ein Orientierungsversuch. In: Daugs, R. u.a. (Hrsg.): Kinder und Jugendliche im Leistungssport. Schorndorf 1998. S. 90) , wie auch die christlichen Tugenden der Liebe sein.

c) Pädagogische Ethik als ethische Prinzipienlehre

Der pädagogischen Ethik müssen Prinzipien bzw. Kriterien zugeordnet werden, welche ein moralisches Handeln von einem unmoralischen unterscheiden.

d) Institutionen auf dem Prüfstand der pädagogischen Ethik

Die pädagogische Ethik hat als Aufgabe nicht nur Individuen, sondern auch Institutionen als moralische Gebilde zu betrachten und zu analysieren. Hierbei handelt es sich nicht nur um die klassischen pädagogischen Institutionen wie z.B. die Schule, sondern auch um andere Einrichtungen, in denen pädagogische Arbeit geleistet wird, z.B. Sportvereine.

2.2.2 Pädagogische Ethik als „Ethik des dritten Weges“

Meinbergs Ethik des dritten Weges ist eine integrative Ethik, sie will vermitteln zwischen transempirischen und empirischen, normativen und empirischen und deduktiven und induktiven Ansätzen. Sie ist nicht rein philosophischer Natur, sondern nimmt Erkenntnisse aus der Moralpsychologie, Moralsoziologie, Verhaltensforschung und der Soziobiologie auf. Ferner ist sie an die Anthropologie angelehnt.

2.2.3 Konkretisierung: Das Prinzip Sorge

Aufgrund sich ständig ausbreitender Krisenregionen in der Welt, wird die Verantwortung als das oberste Moralprinzip zukünftiger Generationen gesehen. Deshalb wandelt sich die Ethik immer mehr zu einer Verantwortungsethik. Hierbei ist jedoch Vorsicht geboten, daß man sich nicht prinzipienmonoton verhält, sondern in seinen Argumentationshorizont immer auch andere Prinzipien miteinbezieht. Meinberg führt hier als Beispiel das Prinzip Sorge auf, das verwandt ist mit der Verantwortung. Die Anlehnung der lebensnahen pädagogischen Ethik an die Erfahrungswelt der Pädagogen manifestiert sich in dem Prinzip Sorge sehr gut. Die Sorgen eines Trainers um seine Athleten werden seine Entscheidungen mitbeeinflussen.

Die Ethik des dritten Weges spiegelt hierbei eine Art Präventivethik wider, da sie vor und zurück sieht und Schäden bzw. Risiken auszuschließen versucht. Aus diesem Grund kann sie sich dem Prinzip Sorge nicht verwehren.

a) Beziehung zwischen Verantwortung und Sorge

„Fürsorge und Verantwortung konstituieren (neben Gerechtigkeit) Moral.“ (Meinberg, E.: Kinderhochleistungssport wohin? Ein Orientierungsversuch. In: Daugs, R. u.a. (Hrsg.): Kinder und Jugendliche im Leistungssport. Schorndorf 1998. S. 94) Meinberg drückt damit aus, daß sowohl Fürsorge wie auch Verantwortung sich gegenseitig begründen. Durch sie wird das Wohlwollen eines Menschen erzeugt, ohne die das Gute undenkbar wäre.

b) Typologie der Fürsorge

Hierbei stellen sich zwei Extrempositionen heraus. Die eine, die behütend-schonende, die versucht den Heranwachsenden möglichst nicht zu belasten und sich in einer Art Überfürsorge widerspiegelt und eine andere, die sich in der indifferenten Fürsorge manifestiert. Sie stellt das Kind weitgehend auf sich selbst und es kommt so zu einer Unterfürsorge. Ziel der Ethik des dritten Weges ist die Vermeidung solcher Extrempositionen und der Versuch als Trainer einen Mittelweg aus beiden zu bestreiten.

c) Stellenwert der Emotionen

Die Moral ist nicht einzig und allein eine Sache der Vernunft. Sie beruht eher auf Emotionen, was sich z.B. in Gefühlsausbrüchen zeigt. Das bedeutet aber auch, daß das Gefühl für jemanden zu sorgen (z.B. Beziehung Trainer → Athlet) „ein ganz wichtiges Motiv des sittlichen Tuns“ (Meinberg, E.: Kinderhochleistungssport wohin? Ein Orientierungsversuch. In: Daugs, R. u.a. (Hrsg.): Kinder und Jugendliche im Leistungssport. Schorndorf 1998. S. 96) ist. Hierbei spielen eben Emotionen eine ganz bedeutende Rolle und geben der Fürsorge erst das gewisse etwas. Hierbei ist die Grundvoraussetzung das Vertrauen.

Auf der anderen Seite ergeben sich aber für die Fürsorge auch andere, negative Gefühle wie z.B. Angst. Sie spiegelt sich z.B. in der Angst des Trainers um seine Athleten wider.

„Gefühle, [...] , Angst, Furcht sind wie die Liebe und andere Affekte (man kann sich auch an seiner Fürsorge erfreuen) Bausteine des Prinzips Fürsorge.“ (Meinberg, E.: Kinderhochleistungssport wohin? Ein Orientierungsversuch. In: Daugs, R. u.a. (Hrsg.): Kinder und Jugendliche im Leistungssport. Schorndorf 1998, S.96).

d) Die Fürsorge als Moralprinzip

Damit das Prinzip Sorge überhaupt erst zum tragen kommt, müssen bestimmte Einstellungen, Haltungen und Fähigkeiten desjenigen, der Fürsorge praktiziert, wirksam werden. Dies können z.B. Eigenschaften wie Hilfsbereit, Mitgefühl zu zeigen, Bedürfnisse anderer wahrzunehmen usw. sein. Sie lassen sich in praktische Grundnormen oder Imperative bündeln. Hieraus ergibt sich als Maxim für den Trainer: „Handle so, daß Du in Deinem Tun und Unterlassen die Risiken der Aktiven möglichst minimierst und deren personales Wachstum (in psychischer, moralischer, sozialer, emotionaler Hinsicht) möglichst maximierst!“ (Meinberg, E.: Kinderhochleistungssport wohin? Ein Orientierungsversuch. In: Daugs, R. u.a. (Hrsg.): Kinder und Jugendliche im Leistungssport. Schorndorf 1998. S. 97)

2.2.4 Aussage der Ethik des dritten Weges

Meinberg möchte mit seiner Ethik des dritten Weges eine anwendungsbezogene Ethik für den Trainer, Übungsleiter, Lehrer usw. darstellen. Hierbei kommt es erst zu einem moralisch Qualifizierten, wenn die Handlungen des Trainers durch eine Anwendung von unterschiedlichen Prinzipien gesehen wird.

Die Ethik des dritten Weges soll den Trainer zu einem kritischen Hinterfragen seiner Lehrart bzw. -stil anspornen und ihm die Möglichkeit geben dies zu überdenken und eventuell zu ändern. Wie vorher schon angesprochen, ist das Ziel Extrempositionen (wie z.B. Über- bzw. Unterfürsorge) zu vermeiden und jeder soll sich seinen eigenen „Goldenen Mittelweg“ mit Hilfe einiger wichtiger Prinzipien (z.B. Gerechtigkeit) festlegen und danach handeln.

2.3 Vergleich der beiden Modelle

Das anthropologische Orientierungsmodell Meinbergs basiert, wie der Name schon sagt, auf der Menschenkunde. Hierbei liegt der Ansatzpunkt darin, daß der Mensch im Laufe seines Lebens Erfahrungen jeglicher Art (z.B. sozialer, emotionaler usw.) sammelt, die seine Persönlichkeit prägen und somit einen entscheidenden Anteil an seiner Entwicklung besitzen. Da nun der Kinderhochleistungssport in einem Lebensabschnitt durchgeführt wird, der ganz entscheidend für die spätere Ausprägung des Heranwachsenden ist, können hier sehr viele Fehler begangen werden, bzw. auch sehr positive Verhaltensweisen gefördert werden (z.B. selbstbestimmter Athlet).

Im Gegensatz hierzu wird die Ethik des dritten Weges mit Hilfe der pädagogischen Ethik, also der erzieherischen Ethik, begründet. Das Konzept, daß auf der Sittenlehre basiert, findet seinen Ansatzpunkt direkt bei den Handlungen des Menschen. Aber auch bei diesem Modell kommt es zu einer Anlehnung an die Anthropologie und zwar in dem Punkt, daß nur durch die Menschenkunde Tugenden begreifbar werden. Der entscheidende Unterschied dieser beiden Modelle liegt jedoch darin, daß bei dem anthropologischen Modell der Athlet selber im Mittelpunkt des Orientierungsmodell steht. Es wird darauf eingegangen, welche Erfahrungen (z.B. ästhetische Erfahrungen) er macht und wie sich diese auf seine Zukunft auswirken. Hierbei können positive wie auch negative Erfahrungen gemacht werden. Dem Trainer legt Meinberg indirekt Ratschläge für seine Lehrarbeit an die Hand, indem ihm die verschiedenen Erfahrungen aufgezeigt werden und er für sich selber überlegen kann, welche nun gut bzw. schlecht für die Athleten sind. So können auch Kinder in Einzelsportarten durch ein gemeinsames üben in einer Gruppe soziale Erfahrungen sammeln und somit Tugenden wie Solidarität und Kooperation erfahren.

Im Gegensatz hierzu steht bei dem Modell des dritten Weges der Pädagoge (z.B. Trainer, Übungsleiter, Lehrer, ...) im Mittelpunkt, dessen Tugenden aufgezeigt werden. Es wird sein Führungsstil analysiert und ihm werden somit direkt Ratschläge gegeben, wie er sich eventuell zu verändern hat um einen humanen Kinderhochleistungssport zu unterrichten. Er sollte z.B. Tugenden wie Gerechtigkeit, Klugheit usw. besitzen um immer gegenüber seinen Athleten fair und gerecht zu sein.

Die Gemeinsamkeiten liegen vor allem in der Forderung einen Mittelweg zu finden. Auch in dem älteren Modell werden negative Erfahrungen für den Athleten gefordert. Er muß z.B. lernen mit diesen umzugehen (z.B. Niederlagen, Fehlentscheidungen des Schiedsrichters usw.) und sich auf sein nächstes Ziel zu konzentrieren. Trotz diesem Mittelweg sollten Extrempositionen (z.B. Unterfürsorge) vermieden werden. Obwohl beide Modelle auf einem theoretischen Hintergrund basieren, haben sie doch einen Praxisbezug. Es werden dem Trainer Orientierungshilfen an die Hand gelegt, um den Kinderhochleistungssport humaner zu gestalten. In dem einen Konzept werden dem Trainer Führungsstile aufgezeigt, die er haben sollte bzw. annehmen kann, in dem anderen wird dem Trainer gesagt, welche Erfahrungen ein Kind beim Sporttreiben erfährt und wie diese auf es wirken (z.B. positiv, negativ...).

2.4 Meinbergs Orientierungsmodell für sportliche Leistungserfahrungen anhand der Sportart Alpiner Skirennlauf

Im folgenden wird nun Meinbergs Orientierungsmodell für sportliche Leistungserfahrungen anhand der Sportart Alpiner Skirennlauf aufgezeigt. Diese Sportart ist eine typische Outdoor- und Einzelsportart.

Bewegungserfahrungen im engeren Sinn

Durch die sich ständig ändernden Schnee-, Pisten-, Material- und Wetterverhältnisse ist es erforderlich seine Technik, die bestimmt ist durch die Bewegungen des Athleten (hauptsächlich der unteren Extremitäten), fortwährend zu ändern und anzupassen. Der junge Athlet erfährt hierbei die verschiedensten Bewegungen, die ihn den Hang bewältigen lassen. Er kann z.B. mit vorausdrehen fahren um bei schweren Schneearten das andrehen der Ski zu erleichtern, mit Tiefentlastung um ständig Schneekontakt zu haben oder aber mit Innenlage um den Fliehkräften entgegenzuwirken. Hierbei stehen ihm fast alle Möglichkeiten offen und das Üben in schwierigen Schneeverhältnissen ist sogar ein wichtiger Punkt beim Schneetraining, um das Bewegungsgefühl des Athleten zu fördern. Es gestalten sich auch immer neue Bereich des Wettkampfsportes heraus (z.B. Slope Style oder Half Pipe) die eine völlige Offenheit der Bewegungen (z.B. Sprünge oder Figuren) fordern. Andererseits werden beim Stangentraining dem Athleten bestimmte Richtungsänderungen vorgegeben, an die er sich zu halten hat. Hierbei kann er jedoch auch noch seine eigene Linie (z.B. nahe an den Stangen, oder nicht, ein Tor hoch, mittel oder tief anfahren) wählen.

Soziale Erfahrungen

Skifahren ist eine typische Einzelsportart. Es wird jedoch, aufgrund finanzieller Mittel, meistens ein Training (vor allem beim Schneetraining) in der Gruppe durchgeführt. Diese Lehrgänge dauern in der Regel mehrere Tage was die sozialen Kontakte der Schüler fördert und einen Gruppenzusammenhalt herausbilden läßt. Ferner erfolgt die Anreise zu den einzelnen Wettkämpfen meist im Mannschaftsbus und am Ende der Saison gibt es auf Gauebene eine Vereinswertung, die die Leistung des besten Vereins kürt. Es können aber auch in solchen Gruppen Mißstände auftreten, bei denen ein oder mehrere Kinder von der Gruppe ausgeschlossen werden (negative soziale Erfahrungen).

Moralische Erfahrungen

Schon in der Jugendebene ist das Konkurrenzverhalten (oft der Eltern, Trainer usw.) sehr ausgeprägt. Hierbei kommt desöfteren zu unfairen Mitteln, die den eigenen Athleten Vorteile verschaffen sollen. So wurden z.B. einmal bei einem Rennen die Bindungseinstellungen einiger Sportler aufgedreht und ein Sturz in Kauf genommen. Andererseits gibt es aber auch faire Erfahrungen, wenn der Trainer der gegnerischen Mannschaft lobt und zum Triumph gratuliert.

Dingliche Erfahrungen

Erfahrungen mit der Sachlichkeit

Um später einmal an die Spitze zu kommen, ist ein gezieltes, planmässiges Training schon in frühen Jahren erforderlich. Hierbei kommt es vor allem auf Kaderebene zu einem Erstellen eines Trainingsplanes durch den Trainer und der Athlet hat die Aufgabe diesen, vor allem im Sommer, einzuhalten und selbständig durchzuführen.

Erfahrungen mit der äußeren Natur

Wie oben schon angesprochen ist der Skilauf eine typische Outdoorsportart bei der verschiedene Verhältnisse (z.B. Wetter, Schnee usw.) erlebt werden. Ferner ist das Gefühl die Geschwindigkeit und somit auch seine eigenen Grenzen zu erfahren ein wichtiger Bestandteil dessen, was man in dieser Sportart alles erfahren kann.

Erfahrungen mit der Zeit

Neben der genauen Planung des Trainings spielt im Alpinen Skirennlauf der Kampf gegen die Uhr eine maßgebliche Rolle. Es gewinnt nur derjenige, der im Ziel die bessere Zeit hat.

Erfahrungen mit der Verwissenschaftlichung

Schon in den unteren Klassen ist der Geldbeutel des Vaters eine entscheidende Größe. Nur wer das bessere Material sich jedes Jahr leisten kann (angefangen von den Skiern über die Bekleidung bis hin zu den Trainingsmitteln) hat den entscheidenden Vorteil gegenüber der Konkurrenz. Das ist auch daran erkennbar, das viele Firmen wie z.B. Atomic eine eigene Nachwuchsförderung ins Leben gerufen haben, die ihre Athleten von Kopf bis Fuß ausrüsten. Ferner werden schon in jungen Jahren, um ein gezieltes Training durchführen zu können, medizinische Leistungsdiagnostiken absolviert.

Emotionale Erfahrungen

Das Wohlwollen des Einzelnen hängt natürlich sehr von seinen eigene Leistungen (Sieg oder Niederlage) bzw. von dem Mannschaftszusammenhalt ab. Auch ist ein ständiges üben von Nöten, das eventuell die Stimmung des Einzelnen drücken kann.

Ästhetische Erfahrungen

Hierbei kommt es auf die innere Ästhetik des Läufers an. Eine richtige Linie in einem Buckelhang zu finden, einen steilen Hang geschnitten auf der Kante zu meistern usw. können dem Athleten ästhetische Werte sein. Auch eine saubere Ausführung einer bestimmten Rennlauftechnik kann für den Betrachter einen ästhetischen Wert haben.

3 Schluß

Die Orientierungsmodelle Meinbergs sollen den Trainern Kriterien an die Hand geben, mit denen sie ihre Trainingsmethoden, ihren Trainingsstil usw. hinterfragen können um so den Kinderhochleistungssport humaner zu gestalten. Meines Erachtens liegt sehr viel bei den Trainer, Eltern und Funktionären. Der Sport an sich mit seinen ganzen Vor- und Nachteilen hat sicherlich keine negativen Auswirkungen auf den kindlichen Organismus, wenn er in einem verträglichen Maß betrieben wird. Hierbei können die Verantwortlichen eingreifen und das Trainingspensum bzw. die Trainingsmethoden festlegen. Man sollte sich immer vor Augen führen, daß man keine Erwachsenen sondern Kinder bzw. Jugendliche trainiert und das erfordert halt, daß das Training auf die bestimmten Altersklassen abgestimmt wird. Dies soll aber nicht heißen, daß die Athleten nicht mehr gefordert werden. Sie sollen sogar ihre Grenzerfahrungen machen, aber immer in einem Rahmen, der ihrem biologischen Alter entspricht. Werden die Ratschläge Meinbergs und auch die anderer Autoren befolgt, könnte der Kinderhochleistungssport noch humaner gestaltet werden und somit positiver in der Gesellschaft gewertet werden. Kritikern könnte so der Nährboden entzogen werden.

4 Literatur

Daugs, R. u.a. (Hrsg): Kinder und Jugendliche im Leistungssport. Schorndorf 1998

Meinberg, E.: Kinderhochleistungssport. Fremdbestimmung oder Selbstentfaltung. Köln 1984

Meinberg, E.: Kinderhochleistungssport wohin? Ein Orientierungsversuch. In: Daugs, R. u.a. (Hrsg.): Kinder und Jugendliche im Leistungssport. Schorndorf 1998. S. 87-99

Ende der Leseprobe aus 12 Seiten

Details

Titel
Darstellung der Orientierungsmodelle für einen humanen Kinderhochleistungssport von Meinberg
Hochschule
Technische Universität München
Veranstaltung
Pädagogik und Didaktik des Leistungs- und Wettkampfsportes
Autor
Jahr
2000
Seiten
12
Katalognummer
V100864
ISBN (eBook)
9783638992862
ISBN (Buch)
9783640180165
Dateigröße
373 KB
Sprache
Deutsch
Anmerkungen
Darstellung der Orientierungsmodelle Meinbergs für einen humanen Kinderhochleistungssport und die Diskussion am Bespiel der Sportart "Alpiner Skirennlauf"
Schlagworte
Darstellung, Orientierungsmodelle, Kinderhochleistungssport, Meinberg, Pädagogik, Didaktik, Leistungs-, Wettkampfsportes
Arbeit zitieren
Peter Bösl (Autor:in), 2000, Darstellung der Orientierungsmodelle für einen humanen Kinderhochleistungssport von Meinberg, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/100864

Kommentare

  • Noch keine Kommentare.
Blick ins Buch
Titel: Darstellung der Orientierungsmodelle für einen humanen Kinderhochleistungssport von Meinberg



Ihre Arbeit hochladen

Ihre Hausarbeit / Abschlussarbeit:

- Publikation als eBook und Buch
- Hohes Honorar auf die Verkäufe
- Für Sie komplett kostenlos – mit ISBN
- Es dauert nur 5 Minuten
- Jede Arbeit findet Leser

Kostenlos Autor werden