The message behind the fourth book: Eine Interpretation des vierten Buches von Jonathan Swifts utopisch satirischem Reiseroman


Hausarbeit (Hauptseminar), 2001

26 Seiten, Note: 2


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Allgemeine Betrachtungen und Erläuterungen zum Roman Gulliver’s Travels und zum Inhalt des vierten Buches
1.1 Eine allgemeine Einleitung zu Jonathan Swifts Roman Gulliver’s Travels
1.2 Inhaltliche Zusammenfassung des vierten Buches

2. Traditionelle Interpretationsansätze
2.1 Traditionelle Interpretationsansätze bezüglich des vierten Buches: „Hard“ and „Soft“ Schools of Interpretation
2.2 Grundzüge der „Soft“ School of Interpretation
2.3 Grundzüge der „Hard“ School of Interpretation

3. Interpretation der wichtigsten Aspekte des vierten Buches
3.1 Sind die Houyhnhnms als Ideal zu verstehen, das der Mensch zu erreichen versuchen sollte? Zur Funktion der weisen Pferde
3.2 Die Bedeutung der Yahoos
3.3 Zum Vorwurf der Misanthropie und zur philosophischen Grundlage des vierten Buches: Trägt der Menschenhaß Gullivers autobiographische Züge des Autors in sich?

4. Schlußbeurteilung
4. Schlußbeurteilung

Literaturverzeichnis

1. Allgemeine Betrachtungen und Erläuterungen zum Roman Gulliver’s Travels und zum Inhalt des vierten Buches

1.1 Eine allgemeine Einleitung zu Jonathan Swifts Roman Gulliver’s Travels:

Jonathan Swifts utopisch-satirischer Reiseroman in vier Teilen mit dem vollständigen Titel TRAVELS INTO SEVERAL REMOTE NATIONS OF THE WORLD. By Lemuel Gulliver, First a Surgeon, and Then a Captain of Several Ships wurde am 28. Oktober 1726 veröffentlicht. Über die Zeit, in der Swift die Idee zu seinem größten Werk faßte, herrscht allerdings keine Klarheit. Alexander Pope bemerkte, die Idee zu dem Roman sei während der Zusammenarbeit im Scriblerus Club, also zwischen 1711 und 1714 in London geboren worden. Deane Swift, ein Vetter und früher Biograph Jonathan Swifts, verlegte den Entstehungszeitraum in die Jahre zwischen 1715 und 1720, in denen Swift nach seinem politischen Rückzug in Dublin weilte und nur wenig veröffentlichte (vgl. Weiß 1992: S.209). Recht eindeutig läßt sich aus den Äußerungen Swifts allerdings ableiten, daß das Werk in der ersten Hälfte der zwanziger Jahre, wenn schon nicht geschrieben, so doch seine entgültige Fassung erhielt. Die vier Bücher des Romans sind in der Reihenfolge 1, 2 (1721- 1723) , 4 ( 1723) und 3 ( 1724) entstanden, wobei das Schreiben des dritten Buches wegen der Drapier’s Letters unterbrochen werden mußte. Swift war darauf bedacht, nicht als Autor in Erscheinung zu treten und sämtliche Spuren zu verwischen, um sich selbst und seinen Verleger vor Verfolgung durch die Behörden zu schützen, schließlich wußte der Autor sehr genau, daß er hier neben einer spannenden Erzählung auch eine präzise Satire auf die Gesellschaft seiner Zeit geschaffen hatte .

„Mit der Gattung des fiktiven Reiseberichts wählte Swift nicht nur die Reise als grundlegende Form, in der die Erfahrungen der Welt in dieser Zeit gestaltet wurden, sondern er konnte sich dadurch auch auf ein Spiel mit den Leseerwartungen des zeitgenössischen Lesers“ (Weiß 1992: S.209) bei der Lektüre dieser Romangattung einlassen. Seit dem 16. Jahrhundert gab es in England geradezu eine Flut von Reiseliteratur und Entdeckungsberichten, und sowohl Swift als auch sein Zeitgenosse Daniel Defoe in seinem Hauptwerk Robinson Crusoe wurden von diesen so populären Literaturgattungen in ihrem Schreiben maßgeblich geprägt und inspiriert. Die Reiseliteratur bestand zum einen aus Memoiren, Tagebüchern oder Berichten, zum anderen aber auch aus Fabelreisen. Daneben gab es aber auch gefälschte Reiseerzählungen, welche ihren Anspruch auf Echtheit durch Übernahme aus authentischen Reiseberichten vorzuspiegeln versuchten. Ähnlich wie im Roman Robinson Crusoe ist auch in Gulliver’s Travels die Zentralfigur der Erzähler, ein unheroischer Jedermann, der ähnlich wie in einer Autobiographie oder einem Tagebuch detailgenau Rechenschaft über seine Erlebnisse ablegt und dessen Werte und Verhaltensweisen von einer breiten Leserschicht nachvollzogen werden konnten.

Man sollte jedoch die Zentralfigur Gulliver nicht vorschnell als Alter ego des Autors oder als persona ansehen, denn damit würde man das komplizierte satirische Spiel, zu dem Swift den Leser einlädt, gründlich verfehlen. Bereits durch die Namensgebung distanziert sich Swift klar von seiner Romanfigur, denn der Name Gulliver kann entweder als ‚gull i(n) ver(o)’, also als ein wahrhafter Tölpel oder als wahrlich Getäuschter gedeutet werden, oder man leitet den Namen vom Adjektiv ‚gullible’, auf Deutsch ‚leichtgläubig’ ab. Gulliver ist ein homme moyen (Real 1992: S. 101), ein Jedermann. Der Leser ist ganz auf den Erzähler Gulliver angewiesen; nur durch ihn werden ihm die fremden Länder, Sitten und Gebräuche vermittelt und beglaubigt, und diese werden ihm auch nur aus der Perspektive und in der Bewertung Gullivers vorgestellt. Nun muß natürlich die Frage der Glaubwürdigkeit des Erzählers gestellt werden. Dieser wird dem Leser bereits in den einleitenden Nebentexten, im fiktiven Selbstporträt Gullivers, das in der Ausgabe von 1735 mit der Unterschrift CAPT. LEMUEL GULLIVER Splendide Mendax (großartiger Lügner) versehen wurde (Weiß 1992: S.213), mit übertriebenen und deshalb verdächtigen Beteuerung von dessen Wahrheitsliebe (in „The Publisher to the Reader“) und anderen zahlreichen Hinweisen in Frage gestellt. Somit wird der Leser aufgefordert, sich stets kritisch mit dem Erzähler auseinander zu setzen. In dem zuletzt angesprochenen „Brief des Herausgeber an den Leser“ wird diese Intention Swifts besonders deutlich, denn hier sind zwei verschiedene Leseweisen möglich und nötig. Oberflächlich finden sich in diesem vermeintlichen Gütesiegel Plausibilisierungsstrategien, die dem Leser suggerieren, es hierbei mit einer exakt und ungefiltert aufgeschriebenen, authentischen Beschreibung der Erlebnisse einer verifizierten Person zu tun zu haben. Der Herausgeber beschreibt Gulliver als „Inkarnation der Wahrhaftigkeit“. Gleichzeitig finden sich in diesem Brief aber auch Sensibilisierungsstrategien, die beim Leser die soeben vorgenommene Etablierung als literarisch generierte Faktizitätsfiktion entlarven. Der sensibilisierte Leser muß sich die Frage stellen, ob die Tatsache, daß es sich hier um eine verifizierte Person handelt, wirklich auch garantiert, daß diese stets die Wahrheit erzählt, oder aber ob diese Authentizität des Erzählers nicht völlig marginal für die Erzählung ist. Durch verschiedene Sensibilisierungsstrategien wird permanent unterschwellig eine Verbindung zwischen dem Herausgeber und dem Leser erzeugt, die auf die Erkenntnis abzielt, daß man es bei dieser Erzählung nur mit dem Anschein der Wirklichkeit zu tun hat, die eine kritische Auseinandersetzung mit der Figur Gulliver und dem Text verlangen.

Einerseits wird bei der Lektüre des Romans Swifts Lust am Herbeierzählen, Kreieren und Beschreiben von fremden, fantastischen Welten spürbar, die sehr stark märchenhafte Züge tragen und für sich genommen keine satirischen Inhalte transportieren. Diese Lust an der Beschreibung des Monströsen, Unvertrauten, Überwältigenden und das Spielen mit den Proportionsunterschieden und den Gefühlen der Entfremdung, wie sie in Gullivers Erlebnissen mit den winzigen Wesen in Lilliput thematisiert werden, sind in dem Roman allgegenwärtig spürbar. Die für den heutigen Leser befremdend wirkenden, entworfenen Bilder von seltsamen, unbekannten Wesen und Welten waren dem zeitgenössischen Leser aus der damals etablierten Reiseliteratur wohl bekannt. Jonathan Swift erschafft in seinem Roman Gulliver’s Travels eine mit einem sehr hohen Eigenwert ausgestattete, unsatirische Rahmenerzählung im Stil eines typischen Reiseromans, um immer wieder in bestimmten Textpassagen satirische Inhalte zum Leser zu transportieren. Swift mußte verhindern, daß der Bericht von vornherein als Fabel gelesen wurde, weil dies die satirische Intention weitestgehend ausgeschaltet hätte, andererseits durfte er aber auch nicht zu nah an die dokumentarische Reiseliteratur herangerückt werden, weil die Leser ihn sonst nur auf ihren Informationsgehalt über fremde Länder gelesen hätten. Der Bericht mußte also von Swift so angelegt werden, daß der Leser angeleitet wurde, durch die Beschreibung fremder Länder sich wertend mit der Situation in der eigenen Gesellschaft auseinander zu setzen. Zu diesem Zweck zeichnet der Autor sehr weiche Übergänge zwischen den unsatirischen Erzählpassagen und den Textteilen, die eine satirische Doppeldeutigkeit beinhalten. Swifts Lust am Verwerten und Ausschlachten der fremden Welten für seine Satire und das Anbieten von Inhalten, die uneingeschränkt auf die englische Gesellschaft zur Entsehungszeit des Romans übertragbar sind, wird in vielzähligen Textpassagen sehr deutlich.

Für die Leser, die Gulliver’s Travels als reinen Reisebericht verstehen und nicht bereit sind, sich auf das satirische Spiel einzulassen, bleibt die Erzählung ein Lügenmärchen oder die Parodie eines Reiseberichts. Der erzählerische Rahmen kann problemlos ohne die satirischen Elemente weiterbestehen; schließlich ist nur so der große Erfolg des Romans als Kinder- und Jugendbuch zu erklären, bei dem dann nur noch die märchenhafte Rahmenerzählung betrachtet wird. Für diejenigen Leser jedoch, die den Roman als Satire entschlüsseln, wird der Detailreichtum der Erzählung zur Herausforderung, die große Vielfalt, den Witz und die Präzision der Satire aufzudecken und zu genießen.

Diese Arbeit beschäftigt sich nach diesem soeben gelieferten allgemeinen Teil zum Roman Gulliver’s Travels zunächst mit einer inhaltlichen Zusammenfassung des vierten Buches. Anschließend wird dann gezielt mit einer Interpretation des vierten Buches des Romans begonnen. Dabei wird zu Beginn auf traditionelle Interpretationsschulen eingegangen, die verschiedenen Interpretationsansätze der ‚hard’ und ‚soft schools’ of interpretation (vgl. grundlegend Clifford 1974: S.33-49) werden beschrieben. Eine Interpretation der Rolle und Funktion von Yahoos und Houyhnhnms wird angeboten. Ein weiterer Schwerpunkt dieser Arbeit liegt auf der philosophischen Grundlage des vierten Buches und der Frage danach, ob der Menschenhaß Gullivers auf einem ähnlichen Menschenhaß des Autors begründet ist.

1.2 Inhaltliche Zusammenfassung des vierten Buches

Nach 5 Monaten in der Heimat verläßt Lemuel Gulliver, nun bereits 49 Jahre alt, im August 1710 zum letzten mal seine Frau und seine Kinder, um als Kapitän der ‚Adventure’ die Weltmeere zu besegeln, mit den Indern im Südatlantik Handel zu betreiben und einige Entdeckungen zu machen. Auf der Fahrt sterben einige Mitglieder seiner Besatzung und Gulliver muß notgedrungen auf Barbados und den Leeward – Inseln neue Seeleute anheuern. Das bereut er sehr schnell, denn es stellt sich heraus, daß die neuen Besatzungsmitglieder Seeräuber sind, die das Schiff in ihre Gewalt bringen. Gulliver hat großes Glück, denn der neue Kapitän des Schiffes läßt ihn auf der nächstbesten, allen unbekannten Insel, alleine aussetzen. Schnell macht Gulliver Bekanntschaft mit den auf ihn widerwärtig, affenähnlich, triebgesteuert und tierisch wirkenden Yahoos, die auf dieser Insel als Sklaven und Nutztiere für die herrschende Rasse, die Houyhnhnms, dienen. Die Houyhnhnms haben die Gestalt von Pferden, stehen in allen ihren Handlungen und Verhaltensweisen unter dem Diktat der absoluten Vernunft und jegliche Emotionalität ist ihnen fremd. Ein Hoyuhnhnm bietet Gulliver, der von der Intelligenz und dem Verhalten der Houyhnhnms beeindruckt ist, eine Unterkunft an, und im Folgezeitraum lernt Gulliver von diesem „master“ die Sprache und das gesamte Leben der weisen Pferde genauer kennen. Stärker und stärker wird seine Begeisterung für die Vernunft der Houyhnhnms, und zunächst grenzt er sich selbst in Verhalten und Aussehen von den Yahoos weit ab. In dem sich über mehr als zwei Jahre erstreckenden Gespräch Gullivers mit seinem „master“, in dem Gulliver Rede und Antwort zu Fragen über Politik, Geschichte, Kultur und Leben seiner englischen und europäischen Zeitgenossen stehen muß, findet ein schockierender Erkenntnisprozeß statt. Gulliver muß erkennen, wie sehr das Verhalten seiner Zeitgenossen in Vergangenheit und Gegenwart doch oftmals dem der Yahoos, also dem Symbol für das rational nicht kontrollierbare, ähnelte und immer noch ähnelt. Er muß seinen Anspruch, als Mensch die vernunftbegabte Krone der Schöpfung zu sein, allmählich ablegen und akzeptieren, daß er den Houyhnhnms in jeglichen für ihn relevanten Punkten unterlegen ist. Von den Houyhnhnms wird er als Yahoo abgestempelt und die Zugehörigkeit zur Gesellschaft der weisen Pferde wird ihm verweigert. Der Höhepunkt des schockierenden Erkenntnisprozesses stellt die sexuelle Annäherung an Gulliver durch ein geiles Yahoo – Weibchen dar, denn hier muß Gulliver einsehen, wie ähnlich er diesen Tieren ist.

Blind die Vorzüge der Houyhnhnms bewundernd, die ihn gleichwohl in unmenschlichem Rigorismus aus ihrem Land vertreiben, wird Gulliver zum Menschenfeind, denn ihm wird klar, daß er unendlich weit von seinen Idolen entfernt ist. Er muß die schockierende Erfahrung machen, daß er selbst nur ein Yahoo ist, ein Tier, dessen Anblick einerseits bei ihm starken, physischen Ekel hervorruft, dessen Ähnlichkeit zum Verhalten der Menschen ihn aber auch massiv schockiert. Das Resultat ist eine Misanthropie des Jedermanns Gullivers, der seine wahre Natur und die seiner Zeitgenossen nun auf schockierenste Art und Weise durch die Hilfe der Houyhnhnms erkannt hat. Als die Houyhnhnms ihn zum Verlassen der Insel zwingen, entscheidet Gulliver, sich nicht auf den Heimweg nach England zu machen, sondern eine verlassene Insel zu finden, auf der er, ohne Kontakt zu den nun von ihm gehaßten Menschen haben zu müssen, seine letzten Tage verbringen kann. Die Besatzung eines portugiesischen Schiffes zwingt ihn aber gegen seinen Willen an Bord und bringt ihn zurück in seine Europäische Heimat.

Sein obsessiver Menschenhaß führt dazu, daß er nicht mehr in der Lage ist, die Menschlichkeit, Hilfsbereitschaft und Würde seines portugiesischen Retters Don Pedro de Mendez, der ihn auf seinem Schiff in die Heimat Europa zurück bringt, zu würdigen. Er sieht in den individuellen Menschen nicht mehr das Gute, sondern nur noch den ekelerregenden, widerwärtigen Yahoo. Zurück in England zieht er sogar die Gesellschaft von Pferden dem Umgang mit seiner Familie und den Mitmenschen vor, und nur sehr langsam und schwer lernt er, seine Mitmenschen wieder teilweise zu tolerieren.

[...]

Ende der Leseprobe aus 26 Seiten

Details

Titel
The message behind the fourth book: Eine Interpretation des vierten Buches von Jonathan Swifts utopisch satirischem Reiseroman
Hochschule
Justus-Liebig-Universität Gießen  (Institut für Anglisitik)
Veranstaltung
Gulliver's Travels and further satires
Note
2
Autor
Jahr
2001
Seiten
26
Katalognummer
V10209
ISBN (eBook)
9783638167055
Dateigröße
596 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Jonathan Swift Gullivers Reisen Gulliver s Travels Interpretation des vierten Buchs
Arbeit zitieren
Torben Schmidt (Autor:in), 2001, The message behind the fourth book: Eine Interpretation des vierten Buches von Jonathan Swifts utopisch satirischem Reiseroman, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/10209

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