Handelsrecht


Skript, 2003

22 Seiten


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

Der Kaufmannsbegriff
1. Gewerbe?
2. Handelsgewerbe?
3. „Betreiben“ des Handelsgewerbes
4. Kaufleute / nicht-Kaufleute kraft Gesetzes
I. Land- / Forstwirtschaft, § 3
II. Formkaufleute, § 6 II
III. Der Fiktivkaufmann, § 5

Inhaberwechsel und Firmenfortführung, §§ 25, 27, 28
1. § 25: Inhaberwechsel kraft Rechtsgeschäfts
I. § 25 I 1: Übernahme von Verbindlichkeiten
A) Erwerb eines Handelsgeschäfts
B) Fortführung unter der bisherigen Firma
C) kein Haftungsausschluss
D) Rechtsfolgen
2. Übergang von Forderungen gem. § 25 I 2
3. Inhaberwechsel kraft Erbfolge, § 27
I. Ausschluss nach §§ 27 I, 25 II
II. Ausschluss nach § 27 II
4. „Eintritt“ in das Geschäft eines Einzelkaufmanns, § 28

Rechtsscheinstatbestände
1. Das Handelsregister
I. Publizitätswirkung
A) Normalfall
B) negative Publizität
C) Sonderprobleme
D) Die positive Publizität, § 15 III
2. Der Scheinkaufmann
3. Rechtsscheinstatbestände entgegen Registereintragung

Die Vertretung des Kaufmanns
1. Die Prokura
I. Erteilung
II. Umfang
III. Besondere Formen
IV. Erlöschen
2. Die Handlungsvollmacht
3. Die Vertretungsmacht von Ladenangestellten

Die allgemeinen Regeln für Handelsgeschäfte
1. Das Handelsgeschäft
2. Das Schweigen im kaufmännischen Rechtsverkehr
I. Das kaufmännische Bestätigungsschreiben
A) Voraussetzungen
B) Rechtsfolgen
II. Schweigen auf ein Angebot, § 362
3. Der erleichterte Erwerb vom Nichtberechtigten, § 366
4. Wirksame Abtretung trotz Verbot, § 354a
5. Das kaufmännische Zurückbehaltungsrecht, § 369
6. Sonstiges

Die besonderen Handelsgeschäfte
1. Der Handelskauf
I. Annahmeverzug des Käufers, §§ 373, 374
II. Spezifikationskauf, § 375
III. Fixhandelskauf, § 376
IV. Rügeobliegenheit bei Mängeln, § 377
A) Voraussetzungen
B) Rügepflicht
C) Konkurrenzen
2. Das Kommissionsgeschäft
I. Allgemeines
II. Aufrechnung und Kommission
III. Zwangsvollstreckung beim Kommissionär
3. Das Frachtgeschäft, §§ 407ff

Der Kaufmannsbegriff

Wir fangen vorne an im HGB: bei § 1. Das ganze Recht des Kaufmannsbegriffs wurde 1998 reformiert und wesentlich vereinfacht; endlich mal eine Reform, die ganz überwiegend als geglückt angesehen wird.

Nach § 1 I HGB ist Kaufmann, „wer ein Handelsgewerbe betreibt“.

§ 1 I und § 2 legen fest, was ein Handelsgewerbe ist bzw. was als ein solches gilt.

Es ist also zu prüfen:

1. Gewerbe?

Es muss dann zunächst überhaupt ein Gewerbe vorliegen. Die gebräuchliche Formel lautet:

„jede erlaubte, äußerlich erkennbare, selbständige, planmäßig auf Dauer angelegte Tätigkeit, die mit Gewinnerzielungsabsicht ausgeübt wird und nicht freier Beruf ist. Im einzelnen:

- Selbständigkeit: nach rechtlicher Betrachtungsweise, also nach den Kriterien des Arbeitsrechts
- planmäßig auf Dauer: nicht nur gelegentlich.
- Gewinnerzielungsabsicht: str ist, ob das Kriterium nötig ist.

- Rspr (+): Allerdings reicht unstr schon die Absicht, Gewinn zu erzielen, es ist unerheblich, wenn ein Gewinn unwahrscheinlich scheint.
- tLit (immerhin Schmidt, Canaris): Gewinnerzielungsabsicht ist entbehrlich, stattdessen wird oft eine „anbietende, entgeltliche Tätigkeit am Markt“ gefordert.

Die Frage hat vor allem bei Unternehmen der öff Hand Bedeutung, die ja nicht unbedingt Gewinn erzielen wollen / müssen. Aber heute sind die sowieso meist Formkaufleute.

- kein freier Beruf: also keine Ärzte, Architekten, Rechtsanwälte (vgl § 2 BRAO) etc, nach der Verkehrsanschauung auch künstlerische und wissenschaftliche Tätigkeiten.
- str: muss die Tätigkeit erlaubt sein? das Fehlen einer ÖR Erlaubnis hindert die Gewerbeeigenschaft jedenfalls nicht (vgl § 7 HGB), es geht um Gesetzes- oder Sittenwidrigkeit iSv §§ 134, 138 BGB.

- ältere Lit: die Tätigkeit muss erlaubt sein
- hLit: das ist nicht Voraussetzung, zumal die Frage kaum von Bedeutung ist, ob ein nichtiges Rechtsgeschäft Handelsgeschäft war oder nicht

In der Klausur kann man die Kaufmannseigenschaft oft ganz unproblematisch feststellen, wenn es offensichtlich keine Probleme gibt, reicht der Hinweis auf selbständige dauerhafte Tätigkeit mit Gewinnerzielungsabsicht.

2. Handelsgewerbe?

§ 1 II stellt die Regel auf: Gewerbe = Handelsgewerbe, mit der Ausnahme, wenn „das Unternehmen nach Art und Umfang einen in kaufmännischer Weise eingerichteten Gewerbebetrieb nicht erfordert.“

Davon macht wiederum § 2 eine Ausnahme: wenn der Betrieb im Handelsregister eingetragen ist, ist er dennoch Handelsgewerbe (dann wirkt die Eintragung konstitutiv.)

Ein in kaufmännischer Weise eingerichteter Gewerbebetrieb liegt v.a. vor, wenn eine kaufmännische Buchführung mit Bilanzerstellung erforderlich ist. Weitere Indizien sind die Zahl der Angestellten und der Jahresumsatz. Wichtig: es kommt nicht darauf an, ob tatsächlich eine Bilanz erstellt wird, sondern nur darauf, ob das bei der Größe des Betriebs erforderlich wäre.

hammer-Tipp: Das klingt kompliziert, in der Klausur fällt die Entscheidung aber meist leicht: wenn nähere Angaben zum Betrieb enthalten sind, muss man fast immer den Kleinbetrieb bejahen (oft Folgeprobleme mit Scheinkaufmann etc). Wenn dagegen nichts weiter angegeben ist, kann man getrost von einem Handelsgewerbe ausgehen, denn der Gewerbetreibende muss das Vorliegen eines Kleinbetriebs beweisen.

3. „Betreiben“ des Handelsgewerbes

Kaufmann ist derjenige, der das Handelsgewerbe betreibt. Betreiber wiederum ist, wer aus den geschlossenen Geschäften berechtigt und verpflichtet wird. Diese Formel ist vielleicht etwas irreführend, denn der Geschäftsführer ist nicht Kaufmann, auch wenn er den Laden „schmeißt“, hingegen sind AG und GmbH selbst Formkaufleute, obwohl sie nicht wirklich etwas „betreiben“ können.

- Kommanditisten sind nach hM keine Kaufleute – sie geben ja nur das Geld.
- bei persönlich haftenden Gesellschaftern ist das str, heute hat sich wohl die Ansicht durchgesetzt, dass nur die Personenhandelsgesellschaft selbst das Geschäft betreibt und Kaufmann ist. Allerdings werden jedenfalls die für Kaufleute geltenden Vorschriften analog angewandt.

4. Kaufleute / nicht-Kaufleute kraft Gesetzes

I. Land- / Forstwirtschaft, § 3

Leicht zu übersehen: Betriebe der Land- und Forstwirtschaft sind keine Kaufleute, § 3. Entscheidend ist hier die sog. Urproduktion, d.h. der Grund und Boden muss in irgendeiner Weise genutzt werden. Eine Legebatterie ist z.B. kein landwirtschaftlicher Betrieb in diesem Sinne.

II. Formkaufleute, § 6 II

Eigentlich selbsterklärend – es macht sich immer ganz gut, bei GmbHs (§ 6 II i.V.m. § 13 III GmbHG) und AGen (i.V.m. § 3 AktG) die Kaufmannseigenschaft kurz festzustellen. Der Wortlaut des § 6 II ist insofern ungenau, als es auch nicht darauf ankommt, ob der Formkaufmann überhaupt ein Gewerbe betreibt, Gewinnerzielungsabsicht ist also nicht erforderlich.

III. Der Fiktivkaufmann, § 5

Nach ganz hM hat § 5 HGB seit der HGB-Reform 1998 keine eigenständige Bedeutung mehr: schon nach § 2 könne man sich nicht darauf berufen, dass das Gewerbe kein Handelsgewerbe ist, wenn es in das Handelsregister eingetragen ist. Lieb meint allerdings[1], § 2 gelte nur für die freiwillige Eintragung von Kleingewerbetreibenden – also gerade nicht, wenn die Eintragung eines „wirklichen“ Handelsgewerbes nur deklaratorisch war und der Betrieb erst später zur „Klitsche“ herabgesunken ist, aber dann natürlich immer noch im Handelsregister steht. Dann würde der Einwand nur von § 5 abgeschnitten. Also: § 2 soll für konstitutive Eintragungen ins Handelsregister gelten, § 5 nur für deklaratorische. Das scheint tatsächlich einiges für sich zu haben, das Ergebnis bleibt aber jedenfalls das gleiche. Das Problem kommt trotzdem erstaunlich häufig vor, den Streit sollte man also trotz der geringen praktischen Bedeutung drauf haben.

Inhaberwechsel und Firmenfortführung, §§ 25, 27, 28

Sinn der Vorschriften ist es, der Kontinuität im Namen, also der Firma des Handelsgewerbes auch die Kontinuität in der Haftung zur Seite zu stellen.

1. § 25: Inhaberwechsel kraft Rechtsgeschäfts

Hier werden zwei Dinge geregelt: die Übernahme von Verbindlichkeiten und die Übernahme von Forderungen.

I. § 25 I 1: Übernahme von Verbindlichkeiten

Voraussetzungen sind:

A) Erwerb eines Handelsgeschäfts

Es muss ein Erwerb unter Lebenden vorliegen, sonst gilt § 27. Der Begriff des Erwerbs wird sehr weit verstanden:

- Pacht und Nießbrauch reichen zum Erwerb aus, es ist also kein dauerhafter Eigentumsübergang nötig. Auch der Rückfall vom Pächter an den Verpächter sowie die Weiterverpachtung[2] (so dass der Erwerber im Ergebnis für die Verbindlichkeiten des Vorpächters haftet, Lit sehr kritisch) fallen nach BGH unter § 25.
- Auf die Wirksamkeit des zugrundeliegenden Rechtsgeschäfts kommt es nach ganz hM nicht an (aA Canaris), maßgeblich ist der entstehende Eindruck nach außen. Oft wird aber zumindest gefordert, dass irgendeine vertragliche Beziehung zwischen Veräußerer und Erwerber bestand, anders wäre ja auch kein Haftungsausschluss nach § 25 II möglich. Der BGH sieht das aber wohl anders und geht teilw. noch weiter. Einig ist man sich nur darüber, dass ein Geschäftsunfähiger nicht erwerben kann.
- Immerhin wird einem nach ganz hM die Nachhaftung nach § 25 I bei Erwerb im Insolvenzverfahren erspart – logisch, sonst würde man ja nie einen Käufer finden.

B) Fortführung unter der bisherigen Firma

Fortgeführt werden muss der „wesentliche Kern“ des Unternehmens, eine teilweise Stillegung schadet nicht.

„Unter bisheriger Firma“ bedeutet nicht, dass der Firmenname gar nicht geändert werden darf. Nur der „Kern der Firma“ muss übernommen werden, es ist also auch durchaus möglich, den Firmennamen selbst maßvoll abzuändern, ohne dass die Haftung entfällt. Wenn nur der neue Inhabername angefügt wird, reicht das auf keinen Fall aus, die Haftung auszuschließen.

Ob der Erwerber die Firma im Innenverhältnis fortführen durfte, ist auch hier unerheblich.

C) kein Haftungsausschluss

Gem. § 25 II wirkt ein vereinbarter Haftungsausschluss nach außen, wenn er im Handelsregister eingetragen und bekannt gemacht wird oder dem Dritten (unverzüglich) mitgeteilt wurde.

D) Rechtsfolgen

Für den Zeitpunkt (vor oder nach Erwerb) kommt es auf den Rechtsgrund der Forderung an, nicht auf die Fälligkeit. Der Veräußernde haftet gem. § 26 5 Jahre lang weiter (keine Verjährung, sondern nach 5 Jahren tritt Enthaftung ein); der Erwerber tritt als Gesamtschuldner neben ihn (gesetzlicher Schuldbeitritt – aA K Schmidt: Vertragsübergang).

2. Übergang von Forderungen gem. § 25 I 2

Hier muss eine Einwilligung des Veräußernden vorliegen, die Fortführung muss also auch im Innenverhältnis zulässig gewesen sein.

Abtretungsverbote bezüglich der Forderung oder diesbezügliche Formvorschriften sind aber „stärker“ als § 25 I 2, da sonst deren Normzweck verfehlt würde.

Ansonsten sind die Voraussetzungen wie oben zu prüfen.

Str ist, wie hier § 25 II angewendet werden soll – soll der Dritte auch dann nicht mehr befreiend an den Übernehmer leisten können, wenn er auf andere Weise erfährt, dass der Forderungsübergang ausgeschlossen wurde?

- mM (Lieb): § 25 II ist eine Schuldnerschutzvorschrift: wer ohnehin weiß, dass der Übergang der Forderungen ausgeschlossen wurde, braucht auch diesen Schutz nicht mehr. Diese Ansicht nimmt auch keinen echten Forderungsübergang an, sondern belässt dem Veräußerer die Forderungszuständigkeit.
- hM: Wortgetreue Anwendung: wenn die Voraussetzungen des § 25 II nicht vorliegen, kann der Schuldner auch an den Erwerber befreiend leisten. Die hM sieht den § 25 II auch nicht als eine reine Fiktion aus Gründen des Schuldnerschutzes an, sondern nimmt einen wirklichen Übergang der Forderung an, wenn die Voraussetzungen erfüllt sind.

3. Inhaberwechsel kraft Erbfolge, § 27

Der Erbe haftet gem. §§ 1929, 1967 BGB auch für Nachlassschulden, hat aber die Möglichkeit, Nachlassinsolvenz zu beantragen (§§ 1975ff BGB). § 27 begründet eine verschärfte Haftung: er hat nur unter den Voraussetzungen der §§ 27 I, 25 II (str) und 27 II die Möglichkeit, von der Haftung freizukommen.

I. Ausschluss nach §§ 27 I, 25 II

§ 25 findet entsprechende Anwendung, wenn diese 2 Voraussetzungen erfüllt sind:

- das Handelsgeschäft gehört zum Nachlass: Das ist nicht der Fall, wenn der Erbe die Erbschaft ausschlägt oder wirksam angefochten hat.
- Das Handelsgeschäft und (hM) die bisherige Firma werden fortgeführt: Das Erfordernis der Firmenfortführung in § 25 wird auch hier aufgenommen, § 27 I also als Rechtsgrundverweisung aufgefasst. Daraus folgt: wenn der Erbe von Anfang an das Handelsgeschäft unter geänderter Firma fortführt, tritt die Haftung nach hM nicht ein. Die aA (Schmidt, Lieb) meint, § 27 enthalte nur eine Rechtsfolgenverweisung, es komme also nur auf die Fortführung an.

Str ist weiterhin, ob die Haftung auch durch Eintragung ins Handelsregister gem. §§ 27 I, 25 II ausgeschlossen werden kann.

- mM (-) (Schmidt, Lieb): Wenn man § 27 als Rechtsfolgenverweisung liest, könne auch § 25 II nicht anwendbar sein, der sich ja auf § 25 I bezieht. § 27 II ist Parallelregelung zu § 25 II und einzige Ausschlussnorm.
- hM (+): § 27 I ist Rechtsgrundverweisung, verweist also auf den ganzen § 25. Außerdem haftet der Erbe ja immer noch mit dem Nachlass, so dass die Gl kaum schlechter gestellt sein dürften. Auf jeden Fall ist diese Ansicht praktischer; Schmidt meint zwar, man könnte doch eine neue Gesellschaft gründen (§ 27 II legt er wieder großzügiger aus), aber das ist offensichtlich umständlich.

[...]


[1] Vor allem in NJW 99, 35 – sehr lesenswert und nur knappe 2 Seiten.

[2] BGH v. 16.1.1984, sog. „Doppelpächterfall“

Ende der Leseprobe aus 22 Seiten

Details

Titel
Handelsrecht
Autor
Jahr
2003
Seiten
22
Katalognummer
V10652
ISBN (eBook)
9783638170185
Dateigröße
541 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Handelsrecht, Skript, Handelskauf, Rechtsschein, Handelsregister, Kaufmann
Arbeit zitieren
Jan Imgrund (Autor:in), 2003, Handelsrecht, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/10652

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