Zucker, Rum und Sklavenarbeit. Kurzer Abriß zur Kolonialgeschichte Flensburgs und der Dänisch-Westindischen Inseln


Ausarbeitung, 2002

19 Seiten


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1 Einführung

2 Die Entwicklung des Flensburger Fern- und Überseehandels bis zum Beginn der Westindienfahrten

3 Die dänischen Kolonien in Westindien

4 Plantagenwirtschaft, Sklaverei und Sklavenhandel

5 Ökonomische und politische Voraussetzungen für die Beteiligung Flensburger Kaufleute am Westindienhandel

6 Lebensverhältnisse, soziale Bedingungen und Konflikte in der Stadt

7 Zucker, Rum und Profite

8 Das Ende des Zuckerbooms auf den Dänisch-Westindischen Inseln

9 Zusammenfassung

Literatur- und Quellenhinweise

Zucker, Rum und Sklavenarbeit

Ein kurzer Abriß zur Kolonialgeschichte Flensburgs und der Dänisch-Westindischen Inseln

1 Einführung

Vor rund zehn Jahren wurde unter großem Aufwand und medialer Anteilnahme der 500. Jahrestag der Entdeckung Amerikas von den einen festlich und von den anderen weniger festlich begangen. Damls wurde deutlich, daß diejenigen, die dabei die Rolle der Entdeckten zu spielen hatten, wohl keinen Grund zum Feiern hatten. Denn die „Entdeckung“ Amerikas durch die Europäer leitete eine jahrhundertelange Tragödie ein, bei der die Urbevölkrung dieses Kontinents Opfer der machtpolitischen und ökonomischen Interessen der europäischen Kolonialmächte wurde, unzählige Menschen aus ihrer Heimat verschleppt und zur Sklavenarbeit gezwungen wurden. Als Folge davon kennzeichnen auch heute noch Armut, wirtschaftliche Unterentwicklung und politische Unterdrückung die aktuelle Situation in vielen mittel- und südamerikanischen Staaten..

Besonders die karibischen Inseln, die von Columbus auf seinen beiden Reisen zwischen 1492 und 1494 besucht wurden, leiden bis heute unter den Folgen kolonialer Ausbeutung und Abhängigkeit. Etliche Karibik-Inseln sind auch heute noch Kolonien europäischer Staaten oder besitzen einen halbkolonialen Status. Vielfach sind die natürlichen Ressourcen zerstört, leben viele Menschen dort trotz einer florienden Tourismusindustrie in krasser Armut.

Vor allem der Anbau von Zuckerrohr und die auf Sklavenarbeit basierende Plantagenwirtschaft auf den westindischen Inseln im achtzehnten und neunzehnten Jahrhundert waren für die europäischen Kolonialmächte außerordentlich ertragreich. Andererseits haben diese intensive Form der Landwirtschaft und die damit verbundene großflächige Zerstörung der tropischen Wälder enorme ökologische Schäden auf den Inseln verursacht. Dabei erfolgte die Abholzung der Wälder derartig schnell, daß schon seit dem Ende des 18. Jahrhunderts der Handel mit Mahagoni- und sog. Farbholz von den karibischen Inseln eine immer unbedeutendere Rolle spielte.

Auch Flensburger Kaufleute beteiligten sich an der Ausplünderung der westindischen Inseln. Der seit 1755 einsetzende Handel zwischen Flensburg und den damals zur dänischen Krone gehörenden Inseln St. Croix, St. Thomas und St. John war dabei so ertragreich, daß zumindest von 1775 bis 1806 und von 1820 bis 1840 von einem goldenen Zeitalter im Flensburger Überseehandel gesprochen werden muß. Besonders die Insel St. Croix war Haupthandelspartner Flensburgs. Insofern liegt der Schwerpunkt dieses Aufsatzes bei der Betrachtung dieser Handelsbeziehungen, die sich über einen Zeitraum von über hundert Jahren mehr oder weniger stetig entwickelten.

Vor allem durch den Zucker- und Rumhandel mit St. Croix begründeten unzählige Flensburger Kaufmannsfamilien Unternehmen, die noch heute das Wirtschaftsleben der Stadt prägen. Dabei war es für die Flensburger Kaufleute noch nicht mal notwendig, sich an dem ebenfalls sehr lukrativen Sklavenhandel zu beteiligen. Trotzdem profitierte Flensburgs Wirtschaft indirekt vom Sklavenhandel und vom System der auf Sklaverei basierenden Plantagenwirtschaft auf den dänischen Besitzungen in der Karibik. Die enormen Profite, die im Zucker- und Rumhandel erwirtschaftet wurden, wären ohne die Ausbeutung der Sklaven auf den Zuckerrohrplantagen kaum denkbar gewesen. Bis 1806 erreichte der Handel mit den westindischen Inseln einen Umfang, der Flensburg neben Kopenhagen zu einer der bedeutendsten Handelsstädte im dänischen Gesamtstaat machte.

2 Die Entwicklung des Flensburger Fern- und Überseehandels bis zum Beginn der Westindienfahrten

Flensburgs Aufstieg zu einer der mächtigsten Handelsstädte im dänischen Gesamtstaat vollzog sich dabei nicht kontinuierlich. Während im 14. und 15. Jahrhundert Flensburgs Handel sich nur sehr langsam entwickelte und geprägt war vom Handel mit Agrarprodukten, der vornehmlich auf dem Landweg abgewickelt wurde, fand Ende des 15. Jahrhunderts ein grundlegender Wandel statt. Nachdem Flensburg mit weitreichenden Privilegien durch den dänischen König ausgestattet war, waren es vor allem holländische Kaufleute, die gegen die Vorherrschaft der Hanse den Flensburger Fernhandel organisieren. Vor allem der Handel mit den Ostseestädten, aber auch mit Holland führte zur Herausbildung einer starken Kaufmannschaft. Ab der Mitte des 16. Jahrhunderts wurde der Seehandel auch auf Frankreich, Spanien, Portugal und Italien ausgeweitet. Der rasante Aufstieg Flensburgs als Handelsstadt führte am Ende des 16. Jahrhunderts zu erheblichen Konflikten mit der dänischen Kaufmannsschaft. Besonders die dänischen Kaufleute in Kopenhagen kritisierten die Privilegien, die Flensburgs Handel genoß. Sicherlich auch durch den Zerfall der Hanse bedingt und dem Niedergang des Ostseehandels, entschied sich daher der dänische König Christian IV., Kopenhagen nicht nur als Residenzstadt, sondern auch als Handelsplatz zur Metropole Dänemarks zu machen, damit verlor Flensburg seine herausragende Rolle als Handelsstadt innerhalb des dänischen Gesamtstaates. Nachdem auch Flensburgs Handel mit Nordskandinavien ab 1591 unterbrochen wurde, ruinierten von 1625 bis 1660 Kriegs- auswirkungen Flensburgs Handel fast vollständig. Die Handelsflotte schrumpfte von rund 200 Schiffen im Jahre 1600 auf 65 im Jahr 1643. Erst die Kriege des französischen Königs Ludwig des XIV. gegen England und Holland Ende des 17. Jahrhunders führten zu einer neuen Entwicklung im Flensburger Übersee- und Fernhandel. Nachdem ab 1685 Flensburger Schiffe unter der Flagge des in diesem Konflikt neutralen Dänemarks segeln durften, blühte der Handel wieder auf.

Einhergehend mit der Entwicklung des Flensburger Handels und der Herausbildung einer starken Kaufmannschaft differenzierte sich auch das Sozialgefüge der Stadt insgesamt. Neben den Kaufleuten bilden die Handwerker, Ackerbürger, Kleinhändler, Höker und Krämer, die Schiffer und Seeleute die Basis der städtischen Bevölkerung in Flensburg. Allerdings können nur diejenigen begrenzt an politischen Entscheidungen mitwirken, die über das städtische Bürgerrecht verfügen. Ähnlich wie in den Hansestädten bestimmten die Kaufleute die Politik Flensburgs. Aber anders als in Lübeck oder Bremen beteiligte sich der Adel bis in das 17. Jahrhundert hinein an den Handelsunternehmungen. Danach setzten sich jedoch die großen Kaufmannsfamilien ökonomisch und politisch durch und bestimmten die weitere Entwicklung Flensburgs.

Der Überseehandel bewirkte vor allem eine stärkere Herausbildung und Differenzierung des Handwerks sowie des Manufaktur- und Verlagswesens. Er war somit der entscheidende Motor für die wirtschaftliche Entwicklung der Stadt. Seit dem 17. Jahrhundert wurde Kupfererz in der Kupfermühle verarbeitet, wurden u.a. Segeltuch, Lederwaren, Hüte, Spinnräder und Töpferwaren speziell für den Export produziert. Der Schiffbau und die Branntweinindustrie nahmen vor allem im späten 17. Jahrhundert einen rasanten Aufschwung. Besonders die Branntweinherstellung wurde zu dem Wirtschaftszweig in Flensburg. Ende des 17. Jahrhunderts lebte fast ein Sechstel der Bevölkerung von der Arbeit in den rund 120 Brennereien. Dies bei einer Gesamtbevölkerung von etwa viereinhalb Tausend Menschen. Die Branntweinindustrie wiederum wurde die Basis für die Gründung zahlreicher Rumhäuser Ende des 18. Jahrhunderts. Abgesetzt wurde der Branntwein vor allem in Norwegen und in den Herzogtümern Schleswig und Holstein; aber auch die Isländische Kompanie gehörte zu den Hauptabnehmern.

Wesentlich für die späteren Handelsunternehmungen zu den westindischen Inseln war allerdings die Entstehung sogenannter Gesamthandelshäuser. Anders als in den früheren Hansestädten waren die Flensburger Kaufleute gleichzeitig Reeder, Händler und Verarbeiter ihrer eingeführten Waren. Zwar erhöhte dieses Prinzip des "alles in einer Hand" das unternehmerische Risiko, andererseits brauchte der Kaufmann seine Gewinne nicht mit Reedern und Händlern zu teilen. Trotzdem gab es das System der Partenreederei. Da auch für einen reichen Kaufmann der Bau eines eigenen Schiffes meist zu teuer war, beteiligten sich sogenannte Parten, also Teilhaber an einem Schiff. Dies waren u.a. Handwerker, Kaufleute, Seeleute und Adlige. Meist kamen die Parten nicht aus einem Ort, sondern waren über ganz Norddeutschland verstreut oder lebten im Ausland. Ein sogenannter Korrespondenzreeder übernahm die Befrachtung und erledigte die organisatorischen Arbeiten und den Schriftwechsel. Diese wesentlichen Grundzüge des Handels und der Schiffahrt blieben auch im 18. Jahrhundert bestehen und führten ebenso zur Bildung einer kleinen Schicht von Großkaufleuten, die alle Fäden der Wirtschaft und Politik in Flensburg in ihrer Hand hielten.

Mit Beginn des 18. Jahrhunderts folgte allerdings wieder eine Phase des wirtschaftlichen Niedergangs. Bedingt durch den Nordischen Krieg ging der Handel von 1710 bis 1739 drastisch zurück. Viele Handelshäuser und Kaufleute gingen in Konkurs oder verließen die Stadt. Die Absatzmärkte für Flensburger Produkte, insbesondere Branntwein wurden durch handelspolitische Maßnahmen des dänischen Königs in Kopenhagen verschlossen. Bis 1735 schrumpfte die Handelsflotte auf etwa 50 Schiffe.

Die vierziger Jahre des 18. Jahrhunderts markieten jedoch einen grundlegenden Wendepunkt in der dänischen Handels- und Kolonialpolitik. Dänemark setzte nun verstärkt darauf, Handelsgroßmacht zu werden. Dieses Ziel glaubte man in Kopenhagen nur über eine strikte Neutralitäts- und merkantilistische Handelspolitik zu erreichen. Dies bedeutete zwangsläufig auch eine Liberalisierung des Handels und die Abschaffung von Handelsprivilegien innerhalb des dänischen Gesamtstaates.

Gleichzeitig schloß Dänemark Schutzverträge mit den afrikanischen Mittelmeerstaaten ab, damit waren die dänischen Schiffe vor Übergriffen der afrikanischen Kaper einigermaßen sicher. Flensburgs Handelsschiffe segelten nun unbehelligt unter dänischer Flagge durch das Mittelmeer und transportierten fremde Fracht auch aus den Ländern, die keine Verträge mit den sogenannten Seeräuberstaaten abgeschlossen hattetn. Zwar segelten bereits 1755, mit der Freigabe des Westindienhandels, die ersten beiden Flensburger Schiffe zu den westindischen

Inseln, doch aufgrund kriegerischer Auseinandersetzungen stagnierte der Handel ab 1767 wieder.

Von 1760 bis 1767 entsprachen die Flensburger Einfuhren zu den westindischen Inseln etwa 30 % bis 40 % derjenigen Ausfuhren, die Flensburg mit den deutschen und Ostseeländern tätigte. Die Einfuhren von den westindischen Inseln nach Flensburg waren dabei mit einem etwa 20-30 %igen Anteil etwas geringer. Ab 1773 wurde die Westindienfahrt wieder im größeren Maßstab aufgenommen. Von 1755 bis 1807 wurden auf 135 Fahrten zu den westindischen Inseln rund 50 Flensburger Schiffe eingesetzt. Dies bei einem Gesamtbestand der Flensburger Handelsflotte, die in irher Blütezeit 1807 rund 270 Schiffe umfaßte. Zum Vergleich: 1778 betrug die Zahl der Flensburger Schiffe 135.

Wobei angemerkt werden muß, daß es sich bei den nach Westindien segelnden Schiffen um relativ große Segler handelte, im Schnitt lag ihre Tragfähigkeit bei rund 90 commerzienlasten (CL), etwa 250 Tonnen. Hinzu kamen natürlich die Schiffe, die Fracht aus Westindien löschten, aber ihren Heimathafen nicht in Flensburg hatten.

3 Die dänischen Kolonien in Westindien

Anders als die großen europäischen Staaten wie England, Frankreich und Spanien gelangte Dänemark relativ spät in den Besitz von Kolonien. Zum einen, weil dem Königreich das notwendige Geld fehlte, zum anderen lief es Gefahr, sich mit den großen Kolonialmächten anzulegen, da der Kuchen im großen und ganzen schon verteilt war. Zwar gab es bereits 1616 mit der Gründung der dänischen Ostindien-Kompagnie den Versuch, ins Kolonialgeschehen einzugreifen, doch die Besitzungen in Indien mußten nach etlichen Jahren aufgegeben werden. 1665 faßte man in Kopenhagen den Entschluß, in Westindien einen festen Stützpunkt zu erwerben. Am 30. März 1666 nahm dann als königlicher Kommandant und Gouverneur auf St. Thomas Erik Nielsen Smed die Insel offiziell im Namen des dänischen Königs in "Besitz". Zwar gehörte die Insel seit ihrer Entdeckung durch Columbus Spanien, das hatte jedoch nicht die Möglichkeit oder den Willen, seinen Besitzanspruch durchzusetzen, sicherlich auch deshalb, weil die Insel ein übles Seeräubernest war. Für die dänischen Absichten war das äußerst kontraproduktiv, denn schon zwei Jahre später mußten die dänischen Kolonisten sich von der Insel zurückziehen, weil die Seeräuber raubend und plündernd über sie herfielen. Die eigentliche Urbevölkerung, die Indianer waren schon zu Columbus' Zeiten ausgerottet worden, und so konnten sich die Boucaneer wieder als eigentliche Herren der Insel betrachten.

Mit der Inthronisation Christian V. im Jahre 1670 gewann die dänische Kolonialpolitik jedoch wieder an Dynamik, und ein Jahr später wurden zwei Schiffe ausgerüstet, um nach St. Thomas zu segeln. Am 26. Mai 1672 wurde dann zum zweiten Mal die dänische Flagge auf St. Thomas gehißt. Nachdem im gleichen Jahr in Dänemark eine Afrikanische Kompagnie gegründet worden war, die vor allem mit den britischen Inseln in der Karibik Sklavenhandel betrieb und 1674 in der Westindischen Kompagnie aufging, segelten Sklavenschiffe ständig von Guinea nach St. Thomas. 1717 wurde die St. Thomas vorgelagerte und eigentlich der britischen Krone gehörende Insel St. John unter dem Protest der Engländer von Dänemark annektiert. 1733 kaufte die Kompagnie dann die Insel St. Croix von Frankreich.

Im gleichen Jahr brach auf St. Thomas ein Sklavenaufstand aus. Ursache dieses Aufstands war die schlechte Versorgung mit Lebensmitteln durch die Kompagnie. Das und andere organisatorische Fehler führten dazu, daß der dänische König den Privathandel mit den Inseln 1747 wieder aufhob und die Kompagnie nach weiteren Fehlschlägen 1754 auflöste und die Verwaltung der Kolonien und die Kontrolle und Verschiffung der Handelsgüter königlicher Hoheit unterstellt wurden.

Trotzdem hatte es in den Jahren zuvor besonders auf St. Thomas einen raschen Aufbau der Plantagenwirtschaft gegeben. Von 1691 bis 1715 stieg die Zahl der Plantagen von 101 auf 160. Die Zahl der Sklaven wuchs von 555 auf 3042, die der weißen Bevölkerung von 389 auf 547 Menschen. Jede Plantage verfügte im Schnitt über 26 Sklaven.

Bis 1750 war der Handel zwischen den dänischen Besitzungen und Kopenhagen sehr gering. Erst nachdem besonders auf St. Croix die Pflanzer dazu übergingen, Zuckerrohr anzubauen, veränderte sich die Handelsbilanz drastisch. Dabei waren Baumwolle, Zucker, Rum, Tabak, Farb- und Edelhölzer die wichtigsten Ausfuhrgüter der westindischen Inseln. Waren auf den Plantagen ursprünglich besonders Baumwolle und Tabak angebaut worden, so wurde vor allem in der Mitte des 18. Jahrhunderts der Tabak- und der Baumwollanbau zugunsten des Zuckers zurückgedrängt.

Besonders die 213 qkm große Insel St. Croix, die die Dänisch-Westindische Kompagnie 1733 für 150.000 Reichstaler dänsich Courant von Frakreich kaufte, erwies sich als wahrer Glückstreffer der dänischen Kolonialpolitik. Die Insel, welche von den Indianern Ay-Ay genannt wurde, bestand aus flachen Hügeln und Bergen, die völlig mit tropischem Wald und Buschwerk überwuchert waren. Für den Aufbau der Zuckerrohrplantagen wurde die Insel fast völlig abgeholzt. Die Erlöse, die aus dem Verkauf des Mahagoni- und sog. Farbholzes in den folgenden Jahren erzielt wurden, waren dreimal so hoch wie der Kaufpreis der Insel.

4 Plantagenwirtschaft, Sklaverei und Sklavenhandel

Der Aufbau von Plantagen war ohne das System des Sklavenhandels und der Sklaverei kaum denkbar. Vor der ursprünglichen Idee, auf den Pflanzungen dänische Gefängnisinsassen arbeiten zu lassen, gingen die Besitzer der Plantagen jedoch schnell wieder ab, weil sich aufgrund der klimatischen Verhältnisse Gefangene als ungeeignet erwiesen. Ab 1674 segelten deshlab die Sklavenschiffe der Westindischen Kompagnie mit ihrer Menschenfracht von Guinea zu den westindischen Inseln. Im Vergleich zu den anderen europäischen Nationen war der dänische Sklavenhandel jedoch sehr gering. Dies ändert jedoch nichts an den unbeschreiblichen Qualen und Leiden, die die in den Schiffsrümpfen eingepferchten Menschen erdulden mußten. Der Sklavenhandel ging von Kopenhagen aus und war ein sogenanntes Dreiecksgeschäft. Im Schnitt segelten sechs bis sieben Sklavenschiffe jährlich mit Fracht beladen nach Guinea und tauschten ihre Waren gegen Sklaven. Diese wurden anschließend auf den westindischen Inseln an die PÜlantagenbesitzer verkauft, und die Schiffe segelten wieder mit Fracht beladen nach Kopenhagen zurück. Rund 1.500 Sklaven wurden jährlich auf die Inseln gebracht.

Die Arbeit auf den Plantagen war grausame Schwerstarbeit, und Arbeitszeiten von zwölf bis vierzehn Stunden täglich waren die Regel. Die Sklaven arbeiteten jedoch nicht nur auf den Plantagen, sie wurden auch für die Herstellung des Rums eingesetzt. Da die Sterblichkeitsrate aufgrund dieser Bedingungen sehr hoch war, mußten laufend neue Arbeitskräfte herangeschafft werden.

Vor allem auf der Insel St. Croix, auf der im großen Maßstab Zuckerrohr angebaut wurde, wurden auch im Vergleich mit den anderen Inseln die meisten Sklaven eingesetzt. Betrug die Zahl der auf den Plantagen beschäftigten Sklaven im Jahr 1742 nur 1.749, so stieg sie bis 1766 auf 17.197 und erreichte 1804 eine Zahl von 27.351. Auch anteilig stieg die Zahl der Sklaven an der Gesamtbevölkerung. Kamen 1766 auf einen Weißen 9 Sklaven, so schufteten 1804 bereits 13 Sklaven für das Wohlbefinden und die Reichtumsmehrung eines Weißen. St. Croix war dabei im Gegensatz zu St. John und St. Thomas eine reine Plantagenkolonie. Vor allem durch die gute Konjunktur im dänischen Gesamtstaat Ende des Jahrhunderts stieg auch der Zuckerpreis. Dies führte auf St. Croix wiederum zu einer enormen Ausweitung der Anbaugebiete. Bis 1755 waren auf fast 95 % der Inselfläche etwa 250 Plantagen errichtet worden. Seit 1745/50 bis 1791 hatte sich der Rohrzuckeranbau von 25 % auf 51 % des beewirtschafteten Kulturlandes erhöht. Im gleichen Zeitraum war die mit Baumwolle bebaute Fläche von 15 % auf 4 % zurückgegangen. Ende des 18. Jahrhunderts wurden auf rund 100 qkm der Insel Zuckerrohr angebaut. Auch die Produktion wurde enorm gesteigert. Sie erreichte in den Jahren 1792 bis 1793 durchschnittlich 18,7 Millionen Pfund Rohzucker und erhöhte sich gegen Ende des Jahrhunderts sogar auf 32,5 Millionen Pfund. Das waren umgerechnet rund 16.000 Tonnen. Allerdings führte die Ausweitung des Zuckerrohranbaus auch dazu, daß immer mehr Lebensmittel auf die Inseln eingeführt werden mußten.

St. Croix war im übrigen der Haupthandelspartner der Flensburger Kaufleute. Bereits in der Mitte des 18. Jahrhunderts wurde in Flensburg eine "Handelsgesellschaft St. Croix" gegründet. Und von St. Croix kam denn auch der Löwenanteil des Rohrzuckers und des Rums, den die Fördestadt von den westindischen Inseln einführte. Insofern profitierten die Flensburger Kaufleute ganz direkt von der Sklavenarbeit.

Ein besonderes Problem war jedoch für die Westindien-Kompagnie und die dänische Krone, genügend Seeleute für die Besatzungen ihrer Sklavenschiffe zu finden. Kein Seemann ging damals freiwillig an Bord eines Sklavenschiffes, nur ausgesprochene Not konnte ihn dazu bewegen. Aus diesem Grund versuchte man im Jahre 1782, während der sonntäglichen Gottesdienste in den Kirchen mit Aufrufen von den Kanzeln für die Sklavenfahrt zu werben. trotzdem scheint diesem Vorhaben wenig Erfolg gegönnt gewesen zu sein, denn vielfach mußten trotz königlicher Order die Besatzungen der Sklavenschiffe mit ausländischen Seeleuten aufgefüllt werden. Hinzu kam, daß auf den Reisen mitunter schon vor Erreichen Guineas die Hälfte der Besatzung desertiert war oder mit tropischen Krankheiten ausfiel. Auf einer Namensliste der hölländischen "Middelburgschen Commercie Compagnie", die maßgeblich am Sklavenhandel beteiligt war, finden sich gerade mal zwanzig Flensburger Seeleute, die an den 103 Fahrten der Compagnie im 18. Jahrhundert teilgenommen haben. Eine Ausnahme bildet dabei die Afrika-Fahrt der Fregatte „Haast U Langzaam“, die allerdings nicht der Compagnie gehörte. Auf ihrer Reise Angola - Surinam und St. Eustatius vom 30. November 1766 bis zum 11. Juli 1768 waren von der etwa 36-köpfigen Schiffsbesatzung zehn Seeleute aus Flensburg. Abgesehen von einem Mann aus Sonderborg haben alle Besatzungsmitglieder nach den vorliegenden Quellen nur diese eine Sklavenreise gemacht. Auch die Flensburger Kaufleute haben sich nicht direkt am Sklavenhandel beteiligt, die enormen Gewinne, die sie mit dem Zucker- und Rumhandel erzielten, scheinen dies nicht notwendig gemacht zu haben.

Daß die dänische Regierung den Sklavenhandel als erste Kolonialmacht 1792 mit Wirksamkeit ab 1803 verbot, hat neben allgemeinen humanistischen Gesichtspunkten wohl hauptsächlich ökonomische Gründe. Dänemarks Sklavenhandel war im Grunde so unbedeutend, daß ein Verzicht hierauf sich nicht besonders nachteilig auf die Staatsfinanzen auswirkte. Außerdem war die Übergangsfrist sehr lang, und kein Pflanzer wurde daran gehindert, Sklaven woanders zu kaufen, und an dem tagtäglichen Los der Plantagenarbeiter änderte das Sklavenhandelsverbot ohnehin nichts, denn die eigentliche Sklavenbefreiung erfolgte erst 1848.

5 Ökonomische und politische Voraussetzungen für die Beteiligung Flensburger Kaufleute am Westindienhandel

Ab dem Jahr 1775 begann für die Flensburger Kaufleute der eigentliche Einstieg in den Westindienhandel. Nachdem in Kopenhagen alle noch vorhandenen handelspolitischen barrieren für den Flensburger Überseehandel aufgehoben wurden, konnten die Flensburger Kaufleute nun unbegrenzt Handel mit den westindischen und karibischen Inseln treiben, das im wahrsten Sinne des Wortes im Kielwasser der dänischen Kolonialpolitik. Wesentlich für die später enorm großen Gewinne war auch die Tatsache, daß die dänische Politik nicht darauf abzielte, die Inseln St. John, St. Thomas und St. Croix wirtschaftlich zu autonomen und auf Selbstversorgung orientierten Eilanden zu machen. Vielmehr sollten sie zum einen als Absatzmärkte für alle Dinge des täglichen Bedarfs dienen und auf der anderen Seite Rohstofflieferanten sein. Insofern mußten selbst die wichtigsten Lebensmittel zur Ernährung der Bevölkerung auf den Inseln eingeführt werden.

In Flensburg entwickelte sich daher sehr schnell im Rahmen des Manufakturwesens eine auf die westindischen Inseln orientierte Exportindustrie. Mit Speck, Butter, Getreide, Pökelfleisch, Textilien (u.a. Sklavenkleidung), Töpfer- und Eisenwaren beladene Schiffe gingen auf Fahrt in Richtung Westindien und kamen mit Zuckerrohr, Rum, Holz, Tabak, Baumwolle und Kaffee zurück. Für die Flensburger Kaufleute waren diese Geschäfte äußerst profitabel. Für 1765 ergibt sich beispielsweise ein Durchschnittswert der ausgehenden Ladungen von etwa 9.220 Reichsbankthalern (Rbkthr); diese aus Lebensmitteln, Textilien und Fertigwaren bestehende Ladung wurde in Westindien in eine Ladung umgesetzt, die aus Zuckerhalbfabrikaten, Rohtabak und Rum bestand und als in Flensburg ankommende Ladung einen Wert von 30.000 Rbkthr darstellte, wobei die Kosten für das Schiff und die Mannschaft noch abgezogen werden mußten. Trotzdem ergibt sich auch bei den zusätzlichen Kosten für Schiff und Mannschaft, Proviant, Seeversicherung, Hafengeld sowie für die Abschreibung der Schiffe etc. ein Überschuß zwischen 10.000 und 12.000 Rbkthr pro Reise. Bedenkt man, daß die eingeführten Waren von den auch an den Schiffen beteiligten Gesamthandelshäusern ohne Zwischenhändler verarbeitet und verkauft wurden, läßt sich erahnen, welch ökonomische Bedeutung der Westindienhandel für Flensburg hatte. Geschmälert wurden die hohen Gewinnaussichten nur durch die Tatsache, daß das Risiko in Form von Kaperungen und Schiffsuntergängen relativ hoch war.

Da jedoch gegen Ende des 18. Jahrhunderts immer größere Schiffe eingesetzt wurden, stiegen dementsprechend auch die Gewinne. Seit 1775 hatten daher die Flensburger Kaufleute zielbewußt alle Zweige ihres Handels weiterentwickelt und soviel Kapital anhäufen können, daß sie ab 1792 bedingt durch den Koalitionskrieg Frankreichs gegen Österreich und Preußen, ihren Handel geradezu boomartig ausweiten konnten. Innerhalb von 25 Jahren (1776 - 1800) vervierfachte sich dabei die Gesamttonnage der Flensburger Handelsflotte von 3.217 CL auf 14.932 CL, stieg die Zahl der Schiffe von 130 auf 312 Einheiten.

Entscheidend für den erfolgreichen Einstieg der Flensburger Kaufleute in den Rumhandel war vor allem die Tatsache, daß Flensburg über eine gut ausgebaute Branntweinindustrie verfügte. So gab es um 1790 rund 200 Destillen, und 1799 wurden allein rund 1.047.000 Liter Branntwein nur nach Norwegen ausgeführt. Rund ein Viertel der Flensburger Bevölkerung lebte von der Arbeit in den Brennereien! Für die Rumherstellung war dies von entscheidender Bedeutung, da die technischen Anlagen nur umgerüstet werden mußten, während die Vertriebsnetze und Absatzmärkte bereits vorhanden waren. Desweiteren verfügte Flensburg über Quellwasser, dessen ausgezeichnete Qualität vor allem für die Weiterverarbeitung des Rohrrums enorm wichtig war und den Flensburger Rum so begehrt machte. Somit wurde dann vom Schiffer Hans-Christian Hennigsen bereits am 11.5.1781 das Rumhaus Sonnberg. Ihm folgten zahlreiche andere Kaufleute, die sich höhere und dauerhafte Gewinne im Rumgeschäft versprachen, unter anderem auch die Familie Dethleffsen, deren Handelshaus auch im Besitz von Branntweindestillen war und deren Produktionsbetrieb mit ca. 280 Arbeitnehmern in der Schleswiger Straße vor einigen Jahren an den Spiritousenhersteller Berentzen in Hamburg verkauft und anschließend geschlossen wurde.

Bereits 1762 hatte die Flensburger "Handelsgesellschaft auf St. Croix in Westindien" im Rventlowschen Hof (heute Margarethenhof) ihre erste Zuckersiederei eingerichtet, die unter Leitung von Matthias Holst ihren ersten Importzucker raffinierte. Nachdem 1797 auch die letzten Kopenhagener Hemmnisse für die Zuckerverarbeitung fielen, wurden bis 1806 fünf weitere Betriebe in Flensburg aufgebaut. Hier war es vor allem der Kaufmann Andreas Christiansen sen. und sein Handelshaus, die maßgeblich am Aufbau der Raffinerie beteiligt waren, unter anderem besaß er auch eine Ölmühle.

Ähnliches gilt für die Tabakindustrie, die den von Westindien eingeführten, aber auch deutschen Tabak verarbeitete. 1779 gab es bereits 43 konzessionierte Betriebe, die entweder in kleinen Manufakturen oder in Heimarbeit 120 Arbeiter beschäftigten.

6 Lebensverhältnisse, soziale Bedingungen und Konflikte in der Stadt

Mit dem Aufschwung des Handels und der Wirtschaft stieg ebenfalls die Bevölkerung drastisch an. Zählte Flensburg 1769 etwa 6.800 Einwohner, so waren es 1803 schon 10.700. Hinzu kamen Arbeiter und Tagelöhner von außerhalb, die werktäglich die Einwohnerzahl um 5.000 Menschen vergrößerten. Da die Stadt sich jedoch kaum über ihre mittelalterlichen Grenzen erweitert hatte, wurde Wohnraum kanpp und teuer. Ab 1796 wurde daher die Neustadt vor dem Nordertor zur Bebauung freigegeben, was an den hohen Mieten allerdings wenig änderte.

Teuer waren auch die Lebensmittel. Vor allem durch die kriegsbedingten Verknappungen Ende des 18. Jahrhunderts stiegen die Preise unaufhörlich. Nachdem schon 1794 die Ernte verregnet war und es bereits im gleichen Jahr in Kiel, Altona und Kaltenkirchen Brotaufstände gegeben hatte, versammelten sich am 1. Juni 1795 Schiffszimmerer in Flensburg, um vom Rat billiges Korn einzufordern. Entscheidend war, daß sich die Flensburger Kaufleute in Vorahnung des Preisanstiegs vorab günstig mit Korn eingedeckt hatten und nun das große Geschäft witterten. Die Bevölkerung forderte die Herausgabe des Korn nun zu akzeptablen Preisen; nachdem sich die Kaufleute weigerten, ihre Lagerhäuser zu öffnen, eskalierte der Volkszorn, und wenige Tage später gab es einen regelrechten Aufstand, bei dem die Kontore gestürmt wurden. Erst am 6. Juni wurde die Revolte mit Einsatz von zwei Batallionen Infantrie und der Verhaftung aller Schiffszimmerer niedergeschlagen.

Auch die Arbeitsbedingungen und Löhne in den Handwerks- und Manufakturbetrieben, den Schiffswerften, Zuckersiedereien und Brennereien waren außerordentlich schlecht. Mit Anfang des 19. Jahrhunderts verarmten immer größere Teile der Flensburger Bevölkerung, die Löhne sanken, während die Preise für Mieten und Lebensmittel stiegen.

Insgesamt lebte Ende des 18. Jahrhunderts rund ein Drittel der arbeitsfähigen Bevölkerung in Flensburg direkt oder indirekt vom Handel mit den westindischen Inseln und der Verarbeitung ihrer Produkte.

7 Zucker, Rum und Profite

Bis zum Höhepunkt des Westindienhandels im Jahre 1806 hatten sich ca. 15 große Gesamthandelshäuser herausgebildet, von denen zehn direkten transatlantischen Handel betrieben, während der Rest an ihm beteiligt war. Zu den bekanntesten und bedeutendsten Kaufleuten und Handelshäusern gehörten unter anderem:

-Peter Clausen Stuhr (dieses große Handelshaus ging wie viele andere 1820 aufgrund der Auswirkungen der napoleonischen Kriege Konkurs),
-Hans Christian Dethleffsen, auch als Zulieferer für das Handelshaus Cramer in Kopenhagen tätig (Branntwein, Mehl, Getreide, Hülsenfrüchte, Butter u.a.),
-Andreas Christiansen, besitzer unter anderem von Zuckerraffinerien und einer Ölmühle,
-desweiteren: H.C. Jensen, Familie Feddersen, Al. L. Andersen, H. Boysen, Lorenzen & Görrissen, F. Mommsen, P. B. Möller, P. Nielsen, N. Petersen jun. und P. O. Schmidt, J. P. Ingwersen.

Im großen Maßstab im Rumhandel tätig waren unter anderem die Rumhäuser: Dethleffsen, Asmussen, Nissen und Sonnberg.

Besonders die Familie Dethleffsen konnte aufgrund einer geschickten Unternehmenspolitik und aufgrund der überaus hohen Gewinne, die sie mit dem Westindienhandel erzielte, ihre Position im Wirtschaftsleben der Stadt ausbauen und gehört auch heute noch zu den einflußreichsten Familien in der Stadt, auch wenn sie nicht mehr im Rumgeschäft tätig ist.

Für die Flensburger Kaufleute war vor allem St. Croix der wichtigste Umschlagplatz im Westindienhandel. Bereits in den Jahren 1780 bis 1784 bestritt Flensburg etwa ein Zehntel des dänischen Westindienhandels. In seiner Bedeutung zog es sogar zeitweilig am ebenfalls dänischen Altona vorbei und war neben Kopenhagen der größte Handelspartner der Inseln. Rund 90 % des Handels wurde dabei mit St. Croix abgewickelt, während St. Thomas für die Flensburger Kaufleute nur im Rahmen eines begrenzten Warenaustausches wichtig war. Von St. Thomas wurden vor allem als Transitware Produkte aus Mittel- und Südamerika als Fracht geladen (Indigo, Farbholz, Kakao, Kaffee und Reis). Der Handel mit Rum war bis 1806 jedoch noch relativ gering. Erst ab 1815 erreichte er jährliche Einfuhrmengen, die von größerer Bedeutung für die Wirtschaft Flensburgs waren.

Was St. Croix anging, so bestand der Handel im wesentlichen aus der Einfuhr von Versorgungsgütern, auch aus Flensburg, und der Ausfuhr von eigenen Produkten, hauptsächlich Rum und Zucker. Da der Zuckerexport vom jeweiligen Ernteertrag abhängig und deshalb von Jahr zu Jahr verschieden war, ergibt sich für die Jahre 1791 bis 1795 durchschnittlich eine Menge von etwa 15,6 Millionen Pfund und für die Jahre 1796 bis 1800 eine Menge von 15,7 Millionen. Von 1802 bis 1807 erhöhte er sich sogar auf einen Durchschnittswert von 29,1 Millionen Pfund. Den größten Anteil an der Zuckerausfuhr hatte das dänische Mutterland. Dieser betrug von 1802 bis 1807 durchschnittlich 84,7 %. Hiervorn gingen 8 % nach Flensburg. Allein 1806 wurden u.a. über 2 Millionen Pfund Rohzucker, 123.979 Pfund Kaffee, 192.000 Pfund Tabak, 231.000 Pfund Tee, 78.000 Pfund Reis, 12.437 Pfund raffinierter Zucker, 33.150 Liter Rum und 19,6 Tonnen Kupfer in Flensburg gelöscht. Eindeutig war Rohzucker aber immer noch die wichtigste Einfuhrware in Flensburg. Der St. Croix-Rohzucker durfte aufgrund der Verordnung vom 22. Februar 1786 und 6. Dezember 1797 nicht wieder exportiert, sondern mußte erst in den inländischen, also dänischen Raffinerien verarbeitet werden.

Für die Flensburger Raffinerien waren diese Jahre äußerst gewinnbringend. Der Zuckerver- brauch war von 1770 bis 1798 von etwa 0,9 kg auf 1,25 kg pro Kopf im dänischen Gesamtstaat gestiegen. Für die Raffinierung des Rohzuckers galt die Faustregel: 1000 Pfund Rohzucker ergeben 300 Pfund raffinierten Zucker. 1809 wurden in Flensburg 636.000 Pfund Zucker und 360.000 Pfund Sirup mit einem Wert von 237.154 Reichstaler hergestellt. Die Erträge der Raffinerien waren so hoch, daß Andreas Christiansen, dessen Familie bereits im Besitz von zwei Raffinerien war, 1820 mit Johann Holst gemeinsam ein Privileg zur Anlage einer weiteren Raffinerie beantragte. Der raffinierte Zucker wurde in der Stadt und in ihrem Hinterland sowie in Hamburg abgesetzt.

Ab 1807 begann jedoch bedingt durch den Krieg Frankreichs gegen England und dem Eintritt Dänemarks in diesen Krieg auf Seiten Napoleons sowie der Verhängung der Kontinentalsperre ein Niedergang des Flensburger Handels. Viele Handelshäuser gingen Konkurs, übrig blieben ab 1825 eine Handvoll Kaufleute, die sich am transatlantischen Handel beteiligten. Der Wiener Kongreß sorgte mit seiner politischen Neuordnung Europas außerdem für neue Regeln im Welthandel, die für die Flensburger Kaufleute außerordentlich nachteilig waren. England stieg zur führenden Handelsmacht auf und kontrollierte nunmehr die wichtigsten Handelswege auf den Weltmeeren. Nachdem Dänemark Norwegen abtreten mußte, ging der Flensburger Branntweinhandel nach dort erheblich zurück. Deshalb entschieden sich die verbliebenen Handelshäuser, die Westindienfahrt wieder verstärkt aufzunehmen. Von 1814 bis 1835 liefen insgesamt 311 Schiffe aus dem Flensburger Hafen mit Kurs auf Westindien aus.

Für die Flensburger Bevölkerung bedeuteten die Kriegs- und nachfolgenden Jahre eine erhebliche Verschlechterung der Lebensbedingungen. 1820 mußten 2075 und 1828 sogar 2395 Menschen durch das Armenwesen versorgt werden. Dies bei einer Einwohnerzahl von etwa 13.000 Menschen. 1832 erhielt jeder zehnte Einwohner eine Unterstützung aus der Armenkasse. Erst Anfang der vierziger Jahre verbesserte sich die Lage.

Durch den Krieg waren in Flensburg drei große führende Handelshäuser übrig geblieben, und zwar Andreas Christiansen, P. Petersen Schmidt und H.C. Jensen. Das von Andreas Christiansen war jedoch mit Abstand das größte. So war es in einem Jahr sogar in der Lage, von 13 Flensburger Westindienseglern gleich sechs auf eigene Rechnung fahren zu lassen. Trotzdem ist die Zeit der Gesamthandelshäuserd ab 1820 zwar nicht vorbei, aber es findet eine stärkere Differenzierung und Spezialisierung der Kaufleute und ihrer Handelshäuser statt. Die Bereederung der Schiffe, die Lagerung und Verarbeitung der importierten Waren, ihr Verkauf und ihre Vermarktung, die Abwicklung der Geldgeschäfte erfordern spezialisierte Unternehmen. Die verstärkte Gründung der Rumhäuser folgte diesem Trend der Differenzierung und Spezialisierung, auch wenn kleinere Handelshäuser wie C. H. Dethleffsen sich ebenfalls verstärkt im Rum- und Spirituosengeschäft engagierten.

Insgesamt erreichte der Flensburger Westindienhandel wieder zuwischen 1833 und 1840 einen neuen Höhepunkt. Allein 3,2 Millionen Pfund Zucker und 0,9 Millionen Liter Rum wurden jährlich in diesem Zeitraum von den westindischen Inseln nach Flensburg eingeführt. Über 90 % dieser Einfuhren stammten von St. Croix und bedeuteten einen Anteil von über 25 bis 30 % an den Gesamtausfuhren der Insel. Hinzu kamen u.a. jährlich fast eine halbe Million Pfund Kaffee, 164.000 Pfund tropisches Farbholz und 1.300 Cubikfuß Mahagoniholz.

Vor allem der Rumhandel nahm ab etwa 1828 einen enormen Aufschwung. Von 1828 bis 1837 verdreifachten sich allein die Einfuhren von St. Croix nach Flensburg von 285.000 l auf 903.000 l. Rechnet man die Einfahrugen aus anderen karibischen Inseln dazu, so wurden zeitweise über eine Million Liter Rum jährlich nach Flensburg eingeführt. Die Gesamteinfuhren von den westindischen Inseln betrugen dabei im Jahresschnitt rund 620.000 Reichsbanktaler (Rbtlr). Die Flensburger Ausfuhren nach Westindien hatten dabei lediglich einen Wert von ca. 400.000 Rbtlr. Der Handelsüberschuß von rund 220.000 Rbtlr verblieb in der Stadt und mehrte den Reichtum der Kaufleute und Handelshäuser. Auch für die damalige Zeit war das eine enorm hohe Summe, bedenkt man, daß damals der Bau und die Ausrüstung eines Segelschiffes von 100 Commerzienlasten etwa 16.000 Taler kosteten. Verdient wurde jedoch nicht nur am Handel mit Kolonialwaren, sondern auch an deren Verarbeitung. Dies betraf insbesondere den Rum, der als nicht trinkbarer und 80- bis 90-prozentiger Rohrum Flensburg erreichte.

Ursprünglich war der Rum ein Abfallprodukt bei der Zuckerherstellung. Seine Basis war Schaum, der sich während des Kochens des Zuckersaftes absonderte. Dieser wurde mit Melasse und mit Wasser gemischt und anschließend sieben bis zehn Tage zum Gären ins Destillierhaus gestellt. Anschließend wurde dieser Saft in großen Destillierkesseln zu Rohrum, aber auch feineren Rumsorten destilliert. Für die Flensburger Schiffe war der Rohrum von St. Croix jedoch anfangs nur Beiladung zur Zuckerfracht. Erst langsam begann das Eigengeschäft mit Rum, das mit der Zeit immer mehr ausgebaut wurde. Besonders die zahlreichen Branntweinbrennereien wurden in Rumhäuser umgegründet. Damit der Rum trinkbar wurde, wurde er mit Wasser und selbsterzeugten Branntwein vermischt und auf etwa 40 % Alkoholvolumen verdünnt. Vor allem das ausgezeichnete Flensburger Quellwasser und die darin enthaltenen Stoffe gaben dem Flensburger Rum seine besondere Eigenart. Geschmacklich wurde er mit zahlreichen zumeist geheimen Ingredienzen abgerundet. Die unterschiedlichen hierfür verwendeten Rumrezepturen machten die Vielfalt der Rumsorten Flensburgs aus und ihn in aller Welt begehrt. Leider gibt es über die in Flensburg damals hergestellten und verkauften Mengen keine genauen Angaben. Ein erheblicher Teil des in Flensburg eingeführten Rums wurde jedoch sofort weiterexportiert, während die besten und feinsten Rumsorten in Flensburg verarbeitet und gehandelt wurden. Es ist aber davon auszugehen, daß ein Liter Rohrum etwa 2 bis 2,5 Liter fertigen Rum ergab. Dies macht bei einer jährlichen Einfuhrmenge von einer Million Litern Ende der dreißiger Jahre des 19. Jahrhunderts eine Produktionsmenge von 1,5 bis 2 Millionen Litern Qualitätsrum, die in Flensburg hergestellt und weiterverkauft wurden. Abgesetzt wurde er vor allem in Norwegen, Schweden und den übrigen Ostseeländern, aber auch im Flensburger Hinterland und in Hamburg.

Der Westindienhandel stagnierte jedoch ab 1842. Nachdem Dänemark 1864 Flensburg an Preußen abtreten mußte, war auch der Handel mit den dänischen Kolonien unterbrochen. Der Rum wurde nun nicht mehr von Inseln Westindiens geholt, sondern in London oder Amsterdam übernommen. Ab 1880 wurden jedoch andere karibische Inseln, insbesondere Jamaika Direkt-Lieferanten für die Flensburger Rumhäuser und der Rumhandel belebte sich wieder zusehends.

8 Das Ende des Zuckerbooms auf den Dänisch-Westindischen Inseln

Für die dänischen Inseln in der Karibik begann Mitte des 19. Jahrhunderts der langsame ökonomische Abstieg. Dies lag zum einen in der Tatsache begründet, daß sich als Folge der Sklavenbefreiung der Zuckerrohranbau verteuerte, und zum anderen gleichzeitig die Preise für Rohrzucker sanken. Der Verfall der Zuckerpreise verstärkte sich ebenso durch das Anpflanzen von Zuckerrüben in Europa. Dänemark verlor daher das politische und wirtschaftliche Intersse an den Inseln und verkaufte seine Besitzungen St. Thomas, St. John und St. Croix im Jahr 1917 für 25 Millionen US-$ an die USA.

Die Inseln, jetzt in Jungferninseln umbenannt (nicht zu verwechseln mit den britischen Virgin Islands!), konnten sich jedoch bis heute weder ökonomisch noch politisch von ihrem kolonialen Status befreien. Offiziell gelten sie als Dominion der USA, werden ähnlich wie Puerto Rico zwar von einem frei gewählten Gouverneur verwaltet, trotzdem sind sie politisch und wirtschaftlich vollkommen von den USA abhängig, während die über 123.000 Menschen zählende Insel-Bevölkerung jedoch nicht die gleichen politischen Rechte wie die Bürger der USA besitzt.

Die Virgin-Islands sind sozusagen vor der Haustür der USA gelegen, vor allem in den letzten Jahren das preiswerte Urlaubsziel vieler US-Amerikaner geworden. Große US- Touristikkonzerne laufen die Inseln regelmäßig mit riesigen Kreuzfahrtschiffen an. Rund zwei Millionen Urlauber besuchen dabei jährlich Inseln. Allein 70% der Wirtschaftsleistung und der Arbeitsplätze auf den Virgin Islands hängen direkt vom Tourismus ab. Die Inseln decken derzeit rund 15 % des US-amerikanischen Rumbedarfs. Zusätzlich befindet sich auf St. Croix eine der größten Erdölraffinerien der Welt. Derzeit liegt das Bruttoinlandsprodukt pro Kopf bei etwa 15.000 US-$ im Jahr und beträgt damit weniger als die Hälfte des durschnittlichen US-Bruttoinlandsprodukts pro Kopf, das bei 36.000 US-$ liegt. Die Arbeitslosenquote beträgt nach offiziellen US-Angaben etwa 5% (alle Zahlen aus dem Jahr 2002).

Bereits seit 1976 wird an einer Verfassungsreform mit dem Ziel der vollen inneren Autonomie gearbeitet. Zwar hat es in der Folgezeit Verbesserungen des politischen Status der Inseln gegeben, eine vollständige Autonomie oder Selbstverwaltung der Inseln wird es aufgrund der US-Interessen in der Karibik in naher Zukunft wohl nicht geben, andererseits ist aufgrund des hohen Anteils nicht-weißer Bevölkerungsgruppen an der Gesamtbevölkerung (rund 85 %) derzeit ebensowenig mit einer Integration der Inseln als Bundesstaat in die USA zu rechnen. Eine nennenswerte und politischen Einfluß besitzende Unabhängigkeitsbewegung gibt es nicht.

9 Zusammenfassung

Der Flensburger Westindienhandel hat für die wirtschaftliche Entwicklung der Stadt eine im- mense Bedeutung gehabt. Er wäre allerdings ohne die dänische Kolonialpolitik nicht denkbar gewesen. Flensburger Kaufleute konnten sozusagen im Kielwasser der dänischen Kolonialherren an der Ausbeutung der neuen Welt teilhaben. Für die Inseln bedeutete dies die Zerstörung ihrer natürlichen Ressourcen, die Vernichtung riesiger Tropenwald-Gebiete und die Ausrottung der Urbevölkerung. Andererseits: Hätten es die Flensburger Kaufleute nicht getan, so wären es andere gewesen, die sich an der Ausplünderung der westindischen Inseln beteiligt hätten.

Auch wenn Flensburger Kaufleute nicht am Sklavenhandel beteiligt waren, so profitierten sie vor allem durch den Zuckerhandel Ende des achtzehnten Jahrhunderts ganz direkt von der Ausbeutung der Sklaven auf den Plantagen in St. Croix.

Entscheidender ist aber, daß die Flensburger Bevölkerung vom Boom im Handel mit den westindischen Inseln ausgeschlossen war. Ganz im Gegenteil: während die Flensburger Kauf- leute Riesengewinne machten, verschlechterten sich die Lebensbedingungen in der Stadt, sanken die Löhne und stiegen die Preise, verarmten große Teile der Flensburger Bevölkerung. Daß die großen Flensburger Kaufleute deshalb damals besonders große Geldbeträge für die Armenkassen stifteten, macht eher das schlechte Gewissen deutlich, das sie gehabt haben müssen.

Dabei haben die Flensburger Kaufleute über hundert Jahre lang aktiv an der Ausplünderung der Inseln teilgenommen. Es handelt sich also nicht um eine historische Episode, sondern um eine entscheidende Epoche für die Entwicklug Flensburgs, deren Folgen für die Bürger der Virgin-Islands noch heute spür- und sichtbar sind. Das sollte man bedenken, wenn man einen kleinen Gang durch die Stadt Flensburg und seine Museen macht und den Flair des Hafens z. B. während der alljährlichen Rum-Regatta genießt.

Literatur- und Quellenhinweise:

BROCKSTEDT, Jürgen: Die Schiffahrts- und Handelsbeziehungen Schleswig-Holsteins nach Lateinamerika 1815-1848. Köln 1975

CIA: The World Factbook 2002 -- Virgin Islands. Unter: http://www.cia.gov/cia/publications/factbook/geos/vq.html

GALEANO, Eduardo: Die offenen Adern Lateinamerikas, Wuppertal 1988

Gesellschaft für Flensburger Stadtgeschichte (Hg.): Flensburg - Geschichte einer Grenzstadt. Flensburg 1966

Industrie- und Handelskammer zu Flensburg (Hg.): Schiffahrt und Häfen. Flensburg 1971 JENSEN, Peter Hoxeer (Hg.): Dansk kolonihistorie - Indforing og studier. Arhus 1983 LAURING, Palle: Dansk Vestindien. Kobenhavn 1978

LINK, Theodor: Flensburgs Überseehandel von 1755 bis 1807. Neumünster 1959

LOHMEIER, Dieter (Hg.): Sklaven - Zucker - Rum. Dänemark und Schleswig-Holstein im Atlantischen Dreieckshandel [Schriften der Schleswig-Holsteinischen Landesbibliothek, Bd. 18], Heide 1994

LÜDEN, Catharina: Sklavenfahrt. Heide 1983

MENTZE, Ernst: Dansk Vestindien. Kobenhavn o.J.

Rumhaus H. H. Pott Nfgr. (Hg.): Rum - Sonne der glücklichen Inseln. Flensburg 1971

Rumhaus Sonnberg (Hg.), Festschrift zum 200jährigen Jubiläum des Rumhauses Sonnberg. Flensburg 1981

Ende der Leseprobe aus 19 Seiten

Details

Titel
Zucker, Rum und Sklavenarbeit. Kurzer Abriß zur Kolonialgeschichte Flensburgs und der Dänisch-Westindischen Inseln
Veranstaltung
Geschichtskurs
Autor
Jahr
2002
Seiten
19
Katalognummer
V107942
ISBN (eBook)
9783640061501
ISBN (Buch)
9783656209225
Dateigröße
381 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Zucker, Sklavenarbeit, Abriß, Kolonialgeschichte, Flensburgs, Dänisch-Westindischen, Inseln, Geschichtskurs
Arbeit zitieren
Jörg Pepmeyer (Autor:in), 2002, Zucker, Rum und Sklavenarbeit. Kurzer Abriß zur Kolonialgeschichte Flensburgs und der Dänisch-Westindischen Inseln, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/107942

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