Maria - Mutter und Urbild der Kirche

Die Stellung Mariens aus ökumenischer Sicht


Hausarbeit (Hauptseminar), 2008

15 Seiten, Note: 2,0


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

0. Einleitung

1. Die Sicht Mariens aus der Perspektive Martin Luthers
1.1 Die Sicht Mariens in den synoptischen Evangelien
1.2 Maria im Urteil Luthers

2. Maria in der evangelischen Theologie der Gegenwart
2.1 Mariologie in dialektischer und christozentrischer Theologie an den Thesen Karl Barths und Emil Brunners
2.1.1 Karl Barth
2.1.2 Emil Brunner
2.2 Maria in der lutherischen Theologie

3. Maria – Mutter und Urbild der Kirche Christi: Möglichkeiten einer ökumenischen Marienverehrung

4. Fazit

5. Literaturverzeichnis

0 Einleitung

„Bei dem Kreuz Jesu standen seine Mutter und die Schwester seiner Mutter, Maria, die Frau des Klopas, und Maria von Magdala. Als Jesus seine Mutter sah und bei ihr den Jünger, den er liebte, sagte er zu seiner Mutter: Frau, siehe, dein Sohn! Dann sagte er zu dem Jünger: Siehe, deine Mutter! Und von jener Stunde nahm sie der Jünger zu sich.[1]

Dieses Zitat aus der Passionserzählung des Evangelisten Johannes sollte zur Generalüberschrift für die Stellung Mariens in der Ökumene unserer Zeit werden. Jesus gibt seine Mutter, auch wenn es den Anschein hat, dass er sie nicht sehr zu lieben scheint, einem anderen Menschen ans Herz. Sie soll von nun an mit Johannes, einer Art Bruder von Jesus, eine Gemeinschaft bilden. Leo Cardinal Scheffczyk interpretiert diese Stelle im Zusammenhang mit dem Thema „Die Glaubenszeugin“ folgendermaßen:

„Die tiefste Dunkelheit dieses Glaubens erfährt sie unter dem Kreuz des Sohnes. Aber gerade ihr Ausharren unter dem Kreuz (während die meisten Jünger geflohen waren) bedeutet zugleich eine entscheidende Wende dieses Glaubens von der Dunkelheit zum Licht und von der Last zum Trost; denn das Wort des sterbenden Sohnes an die Mutter, das sie zur geistig-universalen Mutterschaft gegenüber allen Jüngern und der glaubenden Kirche beruft, ist eine Bestätigung und Erfüllung ihres Glaubens.[2]

Diese Arbeit trägt den Titel „Maria – Mutter und Urbild der Kirche“. Es soll hier herausgearbeitet werden, welche Stellung Maria in den Kirchen und Glaubensgemeinschaften der Ökumene besitzt. Mein besonderes Augenmerk bezieht sich hierbei auf die Lutherische Glaubensgemeinschaft. In einem ersten Teil möchte ich einen Überblick über die Sicht Martin Luthers über Maria geben. Danach betrachten wir Maria in der evangelischen Theologie der Gegenwart. In einem abschließenden Fazit möchte ich Möglichkeiten aufzeigen, wie Maria gemeinsam als Mutter und Urbild der Kirche gesehen bzw. verehrt werden kann.

1. Die Sicht Mariens aus der Perspektive Martin Luthers

Wenn hier eine kurze Abhandlung von Luthers Sicht über Maria gegeben werden soll ist es von eminenter Bedeutung, dass das jeweilige Umfeld des zu Betrachtenden beachtet wird. Luther entstammte einem katholischen Umfeld und war Angehöriger des Augustinerordens. Während seiner Zeit als gläubiger Mensch und später als Mönch war für ihn die Verehrung der Mutter Jesu ein wichtiger Bezugspunkt in seiner Spiritualität. Bis zu seiner bedeutsamen Auslegung des Magnifikats betete er ca. „5500 mal im abendlichen Vespergottesdienst“[3] dieses Gebet und „predigte mehrfach darüber[4]. In seinem Dienst als Priester musste sich auch Luther mit der Exegese biblischer Texte befassen. Im Folgenden möchte ich einen Blick auf die Mutter Jesu in den synoptischen Evangelien werfen.

1.1 Die Sicht Mariens in den synoptischen Evangelien

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

In den gesamten Schriften des NT wird der Name Maria gerade einmal 50-mal verwendet. Blicken wir auf das „Protoevangelium“ des Paulus und das erste kanonische Evangelium des Markus so fällt auf, dass beide kein Interesse an Maria zeigen. Paulus erwähnt in seinem Galaterbrief zwar die Geburt Jesu „aus einer Jungfrau[5], gebraucht jedoch Mariens Namen nie.[6] Ähnlich ist dies bei Markus zu erkennen: das erste Evangelium beginnt nicht mit einer Kindheitsgeschichte, legt somit keinen Grundstock für eine Marienverehrung.[7] Folgendes Schaubild[8] soll die Situation des Markus verdeutlichen und eine Erklärung für sein Desinteresse geben:

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Von einem „Antimarianismus[9] sollte jedoch nicht gesprochen werden, da, wie das obige Schema zeigt, die Entstehungsvoraussetzungen des Evangeliums nach Markus etwas anderes nicht zuließen.

Umgekehrt sieht es bei Matthäus aus. Im ersten Kapitel beschreibt er die Kindheitsgeschichte Jesu und die Bedeutung Mariens als Mutter. Jedoch spielt Maria hier eine eher passive Rolle, da Josef der aktiv Handelnde ist.[10] Dennoch kann auch hier nicht von „einer direkten Marienverehrung“[11] gesprochen werden, wenn die Erwähnung der „jungfräulichen Empfängnis“[12] nicht bewertet werden möchte.

Bei Lukas wird die Sache konkreter. Zehn Aspekte sind bei ihm zu „einer in der Urkirche beginnenden Marienverehrung und ´Mariologie`“[13] zu erkennen: so bezeichnet er z. B. Maria als die Begnadete, als Mutter des Glaubens und Schmerzensmutter. So wird deutlich, dass sich mit der Entwicklung des Urchristentums auch allmählich die Stellung Mariens herauskristallisierte und ihren Höhepunkt im Theotokos-Dogma von Ephesus erlangte, der beweist, dass „gerade die Überzeugung von der jungfräulichen Geburt Jesu notwendig zur Marienverehrung“[14] gehört. Wenn in einem Satz ausgedrückt werden müsste, wie Maria aus der Sicht der Evangelien zu sehen ist, könnte dies mit drei Schlagworten getan werden: „Maria als die exemplarisch Glaubende, Maria als ´Mutter Gottes` und Maria als Glied des Gottesvolkes“.[15]

1.2 Maria im Urteil Luthers

Im Verlauf der Geschichte wurde aus katholischer Sicht nicht nur Abneigung gegen Luther gehegt; vielmehr wird er auch als Kronzeuge für eine Legitimation der katholischen Marienverehrung herangezogen.[16] Jedoch wird Luther von verschiedenen Seiten aus interpretiert. So deuten beide Konfessionen in der Zeit „der konfessionellen Restauration des 19. Jahrhunderts“[17] Äußerungen Luthers über Maria zustimmend, da er gegen „ein Überwiegen von Marienfesten Stellung genommen“[18] hat. Daher entwickelt sich aus dieser Sicht heraus, dass er nicht grundlegend gegen eine Verehrung Mariens war, das Negativum. So wird Luther im Folgenden gegen seine Nachfolger ausgespielt, wenn Joseph Lortz[19] schreibt: „[…] Und doch wurde in den folgenden Jahrhunderten dieser Verzicht, der doch ein Beweis christlicher Verarmung ist, innerhalb den protestantischen Kirchen so sehr durchgeführt, dass man sogar stolz darauf war.“[20]

Wie schon erwähnt, spielte für Luther die Marienfrömmigkeit von frühester Kindheit an eine wichtige Rolle, die seine eigenen Gebetserfahrungen von Beginn an prägten.[21] Noch lange nach seiner Abwendung von der römischen Kirche behielt er den Gebrauch des „Ave Maria“ und besonders des Magnifikats bei. Daraus lässt sich schließen, dass die Wurzel seiner Kritik an der offiziellen Kirche nicht im Marien- und Heiligenkult zu suchen ist.[22] Dies wird noch dadurch verstärkt, dass er die Entscheidung des Konzils von Ephesus dahingegen anerkennt, „dass Maria nicht nur Christi Mutter, sondern Gottes Mutter“[23] betitelt werden muss, was in der Bezeichnung Theotokos zum Ausdruck gebracht wird. Zu Recht sieht Luther die Verurteilung des Nestorius durch dieses Konzil und stellt 1539 gegen diesen fest:

„Also soll man auch sagen, dass Maria des Kindes, so Jesus Christus heißt, rechte, natürliche Mutter ist, und sie die rechte Gottes Mutter, Gottes Gebärerin, und was mehr von Kindsmüttern gesagt werden kann, als säugen, waschen, ätzen, tränken… Denn Gott und Mensch ist eine Person, ein Christus, ein Sohn, ein Jesus, nicht zwo Person, nicht zween Christus, nicht zween Söhne, nicht zween Jesus.“[24]

Diese Aussagen des Reformators klingen eigentlich sehr katholisch; doch sollte darin auch ein Problem verborgen sein. Er verwendet für Maria den Titel der Gottesgebärerin und gebraucht fast im gleichen Augenblick eine eigene Interpretation in dem er Maria dadurch keinen höheren Rang zuspricht, der sie über andere Menschen stellen soll und bemerkt, dass diese Würdigung ein Sigma für „die grenzenlose, wunderbare Herablassung Gottes ist, […] die in keiner Weise mit einer besonderen Tugend der Maria begründet werden kann.“[25] Man bemerkt, dass wir uns in der Frühzeit der reformatorischen Schriften Luthers bewegen, da seine Aussagen in der Mehrzahl der Punkte mit dem katholischen Glaubensgut übereinstimmen. Deutlich wird dies am Schluss seiner Magnifikatauslegung in der er sagt:

„Allhier lassen wir diesmal bleiben, und bitten Gott um rechts Verständnis dieses Magnificat, das da nicht allein leuchte und rede, sondern brenne und lebe in Leib und Seele. Das verleihe uns Christus durch Fürbitte und Willen seiner lieben Mutter Maria. Amen.“[26]

Nachdem die positiven Äußerungen Martin Luthers betrachtet wurden, darf der Blick auf diejenigen Äußerungen nicht fehlen, die mit der katholischen Lehre nicht konform sind. Deutlich zeigt sich sein Verhältnis zur Marienfrömmigkeit in seinem Denken, dass er „gegen jede Art von Marienlob [ist], die die alleinige Heilsmittlerschaft durch Jesus Christus gefährdet.“[27] So merkt er bereits 1520 an, dass ein Disput über die ohne Erbsünde empfange Jungfrau nichts bringe, da auch sie in Sünden empfangen wurde.[28] In seinem liturgischen Handeln drückt sich diese Wandlung darin aus, dass er an Mariä Empfängnis, Mariä Geburt und Mariä Himmelfahrt keine Predigt mehr hielt, da diese Feste nach seinem Empfinden zu wenig Beachtung in der Schrift gefunden haben und nicht eindeutig bezeugt werden können.[29] M. E. liegt in dem zu strengen Verstehen der heiligen Schrift das Grundproblem, das Luther mit der Heiligenverehrung im Allgemeinen und mit der Stellung Mariens im Besonderen hat. Sehr prägnant unterstreicht dies ein Zitat aus der Magnifikatauslegung, das die Reaktion Mariens auf den Gruß Elisabeths widerspiegelt:

„Maria gibt den Gruß weiter … und sagt: Ich freue mich dessen, aber nicht meiner Person wegen, denn ich bins nicht wert. Sondern deswegen frohlocke ich, weil Gott gesehen hat nicht meinen hohen Stand …, sondern weil ich ein verachtetes Aschenbrödel bin, und hat mich dennoch so sehr erhöht, dass er mich unter allen auserlesen hat, die Mutter seines Sohnes zu sein. Deshalb sei er gelobt! Daher gibt sie Gott die Ehre und singt diesen Gesang von unserem Gott, der die Niedrigen erhöht.“[30]

Eine interessante Auslegung, die Luther hier entwickelt. Ob Maria jemals so über ihre Berufung zur Mutter des Herrn gedacht hat? Wir wissen es nicht, da sie alles in ihrem Herzen bewahrte und niemandem anvertraute.

Der wesentliche Punkt im falschen Verständnis Luthers zur Verehrung Mariens zeigt sich darin, dass er den Gläubigen verbietet, Maria als Fürsprecherin zu bezeichnen, die neben ihrem Sohn sitzt.[31] Sehr klar stellt diesen Fehlgedanken folgendes Zitat heraus:

„Man lasse es beim Preisen bleiben! Aber anbeten, Fürbitte und Hilfe erwarten, solches soll dem Herrn Christo allein vorbehalten bleiben … Der Papst aber will, man solle in der Jungfrau Namen bitten. Das ist Unrecht und heißt Maria nicht preisen, sondern auf das Höchste Schänden und einen Abgott aus ihr machen.“[32]

[...]


[1] Joh 19,25-27.

[2] Scheffzyk, Leo Card.: Maria – Mutter und Gefährtin Christi; S. 55.

[3] Burger, Christoph: Marias Lied in Luthers Deutung. Der Kommentar zum Magnifikat aus den Jahren 1520/21. S. 1. (I.F. abgekürzt mit „Marias Lied“).

[4] ebd.

[5] Gal 4,4

[6] vgl. Mußner, Franz: Die Mutter Jesu im Neuen Testament in: Maria – eine ökumenische Herausforderung. S. 9. (I.F. abgekürzt mit „Maria im NT“).

[7] vgl. ebd. S. 13.

[8] vgl. ebd.

[9] ebd. S. 14.

[10] vgl. ebd.

[11] ebd.

[12] ebd. S. 15.

[13] ebd. S. 18 f.

[14] ebd. S. 15.

[15] ebd. S. 24 f.

[16] vgl. Heintze, Gerhard: Maria im Urteil Luthers und in evangelischen Äußerungen der Gegenwart in: Maria – eine ökumenische Herausforderung, S. 59 f. (I.F. abgekürzt mit „Maria bei Luther“).

[17] ebd. S. 60.

[18] ebd.

[19] Lortz, Jospeh: Die Reformation in Deutschland, S. 118.

[20] Maria bei Luther, S. 60.

[21] vgl. ebd. S. 61.

[22] vgl. ebd.

[23] ebd. S. 62.

[24] ebd. S. 62 f.

[25] ebd. S. 63.

[26] ebd. S. 64.

[27] ebd. S. 65.

[28] vgl. ebd. S. 65.

[29] vgl. ebd. S. 65.

[30] ebd. S. 66 f.

[31] vgl. ebd. S. 67.

[32] ebd. S. 68.

Ende der Leseprobe aus 15 Seiten

Details

Titel
Maria - Mutter und Urbild der Kirche
Untertitel
Die Stellung Mariens aus ökumenischer Sicht
Veranstaltung
Dogmatische Grundlagen des ökumenischen Gesprächs
Note
2,0
Autor
Jahr
2008
Seiten
15
Katalognummer
V114650
ISBN (eBook)
9783640162109
ISBN (Buch)
9783640163939
Dateigröße
446 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Maria, Mutter, Urbild, Kirche, Dogmatische, Grundlagen, Gesprächs
Arbeit zitieren
Martin Baier (Autor:in), 2008, Maria - Mutter und Urbild der Kirche, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/114650

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