Über Max Webers "Die protestantische Ethik und der Geist des Kapitalismus"

Entwicklung der Argumentation, Definitionen der Begriffe, Zusammenspiel von asketischem Protestantismus und modernem Kapitalismus


Hausarbeit (Hauptseminar), 2007

27 Seiten, Note: 1,7


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Definitionen
2.1 Webers Definition von Geist des Kapitalismus
2.2 Webers Berufsbegriff

3. Asketischer Protestantismus
3.1 Calvinismus
3.2 Pietismus
3.3 Methodismus
3.4 Täufertum

4. Askese und Kapitalismus

5. Kritiken
5.1 H. Karl Fischer
5.2 Michael Novak

6. Fazit

7. Literaturverzeichnis

1. Einleitung

Die protestantische Ethik und der Geist des Kapitalismus ist wohl eines der wichtigsten, wenn nicht das wichtigste Werk von Max Weber. Es stellt in vielerlei Hinsicht einen Durchbruch dar. Nicht nur der Inhalt des Werkes stellt einen bedeutenden Schritt in der europäischen Sozialforschung dar, auch die Methodik der weberschen Arbeitsweise bleibt richtungsweisend. Bei der Beschäftigung mit dem Werk in seiner ursprünglichen Fassung von 1904/05 erkennt man schnell die Akribie der Vorgehensweise, die methodisch so saubere Argumentation. Jede Behauptung ist belegt und jeder Schritt begründet. Die besondere Sicherheit in Webers Argumentation erkennt man gut in den Antworten auf seine Kritiker, die er, teils durch Verdeutlichung und Klarstellung, aber auch durch Aburteilung abwendet: Für die Anregung dazu bin ich meinem Herrn Kritiker dankbar, obwohl eine sachlich fruchtbare Kritik auf diesem Gebiet unendlich verschlungener Kausalzusammenhänge nur bei Beherrschung des Quellenstoffes möglich gewesen wäre, die ihm abgeht.[1]

Stellvertretend dafür möchte ich die Kritik von H. Karl Fischer herausnehmen; stellvertretend für aktuellere Kritiker soll Michael Novak erörtert werden.

In der vorliegenden Arbeit soll nun die Entwicklung der Argumentation Webers von seinen Definitionen der Begriffe über die verschiedenen protestantischen Sekten bis zum Zusammenspiel von asketischem Protestantismus und modernem Kapitalismus nachvollzogen werden. Anhand zeitgenössischer Kritik, aber auch anhand aktuellerer Kritik an diesem Werk soll dann die Reichweite und Gültigkeit seiner Ausführungen bis heute geprüft werden. Denn seine Aussagen schlagen gerade vor aktuellem Hintergrund eine beeindruckende Verbindung zwischen asketischem Protestantismus und modernem Kapitalismus, Klimaschutz und Wohlstandsverteilung in der Welt:

Denn indem die Askese aus den Mönchszellen heraus in das Berufsleben übertragen wurde und die innerweltliche Sittlichkeit zu beherrschen begann, half sie jenen mächtigen Kosmos […] der heute den Lebensstil aller einzelnen, […] mit überwältigendem Zwange bestimmt und vielleicht bestimmen wird, bis der letzte Zentner fossilen Brennstoffs verglüht ist.[2]

Auch vor diesem Hintergrund kann man das Werk Webers heute noch betrachten und mit den Unterschieden die die Entwicklung in der Welt auch nach Weber genommen hat, etwas besser verstehen.

Für Weber beginnt diese Entwicklung zum Geist des Kapitalismus mit dem Protestantismus. Allerdings klingt die Formulierung Geist des Kapitalismus schwammig und bedarf besonderer Erläuterung.

2. Definitionen

2.1 Webers Definition von Geist des Kapitalismus

Schon die Verknüpfung des Kapitalismusbegriffs mit dem Wort Geist lässt den Begriff vage und schwierig zu definieren erscheinen und so geht auch Weber zu Beginn seiner Studie auf Distanz zu einer genauen Definition. Er will den Begriff des Kapitalismus nicht definiert wissen, sondern nur „eine provisorische Veranschaulichung“ geben, da die genaue Klärung des Begriffs erst durch die Studie erfolgen könne, deshalb also an ihrem Ende stehen müsse.[3] Um aber eine Verständigungsgrundlage zu bieten, zieht er Textauszüge von Benjamin Franklin heran, welche den Geist des Kapitalismus

„in nahezu klassischer Reinheit“ enthalten.[4]

Jedoch fasst der Begriff Geist die von Weber beabsichtigte Erklärungsebene genau, es geht ihm nicht um die rationalisierte moderne Technik, die Fortschritte in Buchführung und Rechtsprechung, sondern um den inneren Antrieb. Eine Selbstverpflichtung auf Annehmlichkeiten zu verzichten, um ausschließlich für die Generierung von Kapital und mehr Kapital zu leben; ebenso wie es in den Textauszügen Benjamin Franklins zu erkennen ist. Was dort allerdings auch zu lesen ist, ist eine Verknüpfung von harter Arbeit und moralischen Prinzipien. Fleiß, Mäßigkeit, Pünktlichkeit und Gerechtigkeit tragen laut Franklin dazu bei, einen jungen Mann voranzubringen.[5] Dies ist für Weber eine Facette des Kapitalismus, eine Ressource, die es zu bedenken gilt. So wird die Trennung von Berufsleben und Privatleben aufgehoben. Durch soziale Kompetenz kann man seine wirtschaftliche Kompetenz ausbauen. Jedoch immer wieder mit dem Ziel des Erwerbs „von Geld und immer mehr Geld, unter strengster Vermeidung alles unbefangenen Genießens.“[6] Die Irrationalität dieses Strebens sieht Weber in einer schwerwiegenden Verschiebung des Zweckes, der erfüllt werden soll. Nicht mehr die Befriedigung materieller Bedürfnisse des Menschen ist Zweck der Arbeit, sondern das rastlose Streben nach größtmöglichem Ertrag wird zum Zweck des menschlichen Lebens. Weber veranschaulicht den Unterschied beider Formen an einem Beispiel aus der Landwirtschaft, in der versucht wird die Leistung der Feldarbeiter während der Erntezeit zu erhöhen: Der Mann, der z. B. bei 1 Mark pro Morgen Getreidemähen bisher 2½ Morgen täglich gemäht und so 2½ Mk. pro Tag verdient hatte, mähte nach Erhöhung des Akkordsatzes pro Morgen um 25 Pfg. nicht, wie gehofft wurde, angesichts der hohen Verdienstgelegenheit etwa 3 Morgen, um so 3 Mk. 75 Pfg. zu verdienen – wie dies sehr wohl möglich gewesen wäre – sondern nur noch 2 Morgen pro Tag, weil er so ebenfalls 2½ Mark wie bisher verdiente und damit, nach biblischem Wort, ‚ihm genügen’ ließ.[7]

Diese Geisteshaltung beschreibt Weber als Traditionalismus, welcher ein Hemmnis des neuen Kapitalismus darstellt.[8] Der traditionalistische Geist unterscheidet sich also vom kapitalistischen Geist dadurch, dass es ihm genügt mit seiner Arbeit den gewohnten Lebensstandart zu halten. Dieses gelte für alle Bevölkerungsschichten, vom Bauern und einfachen Arbeiter bis hin zu mittleren und großen Fabrikanten oder Großkaufleuten mit großem ererbtem

Kapital.

Im Falle der Fabrikanten und Kaufleute handele es sich zwar um kapitalistische Formen des Erwerbs, doch seien diese nicht zwingend vom kapitalistischen Geist beseelt.[9] Durch Monopole und Absprachen – etwa in Zünften – haben sich diese ihre Einkommen gesichert; mit relativ konstanten Bedingungen ließ sich ein angenehmes Leben führen. Wo jedoch ein vom kapitalistischen Geist beseelter Unternehmer auftrat und diese Bedingungen zu stören und durcheinander zu bringen drohte, hatte er mit schwerem Widerstand zu rechen.

„Eine Flut von Misstrauen, gelegentlich von Hass, vor allem von moralischer Entrüstung stemmt sich regelmäßig dem ersten Neuerer entgegen,“ allerdings liegt es in der Eigenart dieser Unternehmer mit harter Arbeit und Verzicht auf Annehmlichkeiten allen Anstrengungen gern entgegentretend und bewältigend zu begegnen.[10] Diese Form der Unternehmensführung musste sich irgendwann gegen die traditionalistische, bequeme und behäbigere Form durchsetzen. Der entscheidende Unterschied zu den anderen stellt also in erster Linie die innere Zielsetzung und Motivation dar, mit der man seiner Arbeit nachging. Für den einen war es Arbeit, um zu leben, für den anderen kommt der Begriff Beruf in einer sehr direkten Umsetzung zum Tragen.

2.2 Webers Berufsbegriff

Weber sieht im Berufsbegriff eine erste Schlüsselstelle der Verbindung zwischen Protestantismus und modernem Kapitalismus. Er verfolgt den Ursprung der Bedeutung zu Luthers Bibelübersetzung zurück.[11] In sehr umfangreichen Fußnoten referiert Weber über die verschiedenen Übersetzungen. Diese Etymologie durch verschiedene europäische Sprachen führt ihn zu der Erkenntnis, dass es schon viele ähnliche Vorläufer des Begriffs gegeben hat, jedoch nicht in der neuen Konnotation, wie sie nun bei Luther auftritt. Der durch Luther geprägte Berufsbegriff verbindet die innerweltliche, alltägliche Arbeit mit der göttlichen Ebene im Sinne einer „Berufung“ des Menschen seine diesseitigen Pflichten zu erfüllen.

Es kommt also in dem Begriffe ‚Beruf’ jenes Zentraldogma aller protestantischen Denominationen zum Ausdruck, welches die katholische Unterscheidung der christlichen Sittlichkeitsgebote in ‚praecepta’ und ‚consilia’ verwirft und als das einzige Mittel Gott wohlgefällig zu leben, nicht eine Überbietung der innerweltlichen Sittlichkeit durch mönchische Askese, sondern ausschließlich die Erfüllung der innerweltlichen Pfichten [sic] kennt, wie sie sich aus der Lebensstellung des einzelnen ergeben, die] dadurch eben sein ‚Beruf’ wird.[12]

Was den Menschen antreibt, ist die Sorge um sein Seelenheil. Nun kann also jeder durch die Erfüllung der ihm von Gott auferlegten Arbeit selig werden. Arbeit diente nun nicht mehr dem Zweck den Lebensunterhalt mit möglichst wenig Aufwand zu verdienen, um dann sein Seelenheil in sittlicher Lebensweise, Gebet und Ablässen zu finden, sondern wurde zur göttlichen Aufgabe, die es mit möglichst großem Eifer zu erfüllen galt.

Allerdings ist es noch nicht der kapitalistische Geist , der in Luthers Worten sichtbar wird, sondern immer noch eine traditionalistische Prägung.[13] Man sollte zwar seinen Beruf gewissenhaft erfüllen, um gottgefällig zu leben aber mit der „Predigt des Gehorsams gegen die Obrigkeit und der Schickung in die gegebene Lebenslage“ war kein kapitalistischer Geist in Franklins Sinne zu erkennen.[14] Die Entwicklung dorthin sucht Weber nun in den protestantischen Sekten zu finden. Der lutherische Protestantismus ist ihm zu sehr traditionell, die entscheidende Wendung zum kapitalistischen Geist bringt erst der asketische Protestantismus. Diesen identifiziert Weber im Calvinismus, Pietismus, Methodismus und in den aus der täuferischen Bewegung hervorgegangenen Sekten[15].

[...]


[1] Weber, Max: Kritische Bemerkungen zu den vorstehenden >Kritischen Beiträgen< , in: Winckelmann, Johannes (Hrsg.): Die protestantische Ethik II. Kritiken und Antikritiken. Gütersloh 1978, S. 31.

[2] Lichtblau, Klaus / Weiß, Johannes (Hrsg.): Max Weber. Die protestantische Ethik und der „Geist“ des Kapitalismus . Bodenheim 1993. S. 153.

[3] Ebd. S. 11.

[4] Max Weber verweist in Die protestantische Ethik und der „Geist“ des Kapitalismus auf einen Aufsatz von Benjamin Franklin, in dem dieser unter anderem auf den Geist des

Kapitalismus eingeht. Siehe hierzu: Lichtblau, Klaus / Weiß, Johannes (Hrsg.): Max Weber. Die protestantische Ethik und der „Geist“ des Kapitalismus. Bodenheim 1993. S. 12f.

[5] Vgl. ebd.

[6] Ebd. S. 15.

[7] Ebd. S. 19.

[8] Vgl. ebd. S. 20.

[9] Vgl. ebd. S. 26.

[10] Ebd. S. 18.

[11] Vgl. ebd. S. 22-28.

[12] Ebd. S. 23. SWOT ist die Abkürzung der englischen Begriffe: Strengths, Weaknesses, Opportunities, Threats, siehe dazu auch ebd. S. 22.

[13] Vgl. ebd. S. 45.

[14] Vgl. ebd.

[15] Vgl. ebd. S. 28f.

Ende der Leseprobe aus 27 Seiten

Details

Titel
Über Max Webers "Die protestantische Ethik und der Geist des Kapitalismus"
Untertitel
Entwicklung der Argumentation, Definitionen der Begriffe, Zusammenspiel von asketischem Protestantismus und modernem Kapitalismus
Hochschule
Universität Münster  (Institut für Soziologie)
Veranstaltung
Max Weber lesen
Note
1,7
Autor
Jahr
2007
Seiten
27
Katalognummer
V114759
ISBN (eBook)
9783640162154
ISBN (Buch)
9783656047636
Dateigröße
449 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Webers, Ethik, Geist, Kapitalismus, Weber
Arbeit zitieren
Christoph Becker (Autor:in), 2007, Über Max Webers "Die protestantische Ethik und der Geist des Kapitalismus", München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/114759

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