Die Verständlichkeit von Wissenschaftstexten


Hausarbeit (Hauptseminar), 2008

26 Seiten, Note: 1,7


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Geschichtliche Entwicklung der Verständlichkeitsforschung

3. Merkmale von Textverständlichkeit und Verständlichkeitsforschung

4. Der Bezugsrahmen für Textbewertungen von Göpferich
4.1. Kritik an bisherigen Verständlichkeitskonzepten
4.2. Der Bezugsrahmen für Textbewertungen

5. Die europäischen Schreibstile in der Wissenschaftssprache
5.1. Schreibstile nach Galtung
5.2. Das Deutsche und das Englische als Wissenschaftssprachen
5.3. Die spanische Wissenschaftssprache
5.4. Die polnische Wissenschaftssprache

6. Schlußwort

Literatur- und Quellenverzeichnis
Literatur:
Quellen:

1. Einleitung.

Was früher von den Wissenschaftlern als unwichtig oder gar störend empfunden wurde, ist in der heutigen Zeit der Wissenschaft zu einem Bestandteil eines Wissenschaftstextes geworden, der kaum noch wegzudenken ist: die Verständlichkeit eines Textes. Sprach man früher noch vom „Elfenbeinturm“ der Wissenschaft, worunter man versteht, dass die Wissenschaftler sich bewusst vom restlichen Volk durch ihre themenspezifische, teils schwer verständliche Sprache abzugrenzen versuchten, so ist die Öffentlichkeit heute mehr denn je zu einem wichtigen Bestandteil der Wissenschaftsarbeit geworden, womit auch die Verständlichkeit der Texte gesteigert werden musste.

Mit der Zielsetzung, verständliche Wissenschaftstexte herzustellen, hat sich im vergangenen Jahrhundert eine eigene Wissenschaftsrichtung entwickelt: die Verständlichkeitsforschung. Sie untersucht die Faktoren, von denen die Verständlichkeit eines Textes abhängt. Hauptziel der Wissenschaftler ist dabei jedoch, dass ihr Text nicht etwa „leichter“ oder „besser“, sondern vor allem „richtiger“ verstanden wird[1]. Diese Thematik ist auch der hauptsächliche Bestandteil dieser Arbeit.

Doch nicht nur im deutschsprachigen Raum ist dieses Thema von Bedeutung. Auch in den anderen großen Wissenschaftssprachen wie dem Englischen oder dem Französischen sind zeitgenössische Wissenschaftler gezwungen, verständliche Texte zu produzieren. Hierbei stellt sich auch die Frage, ob man in den jeweiligen Ländern ähnliche Ansichten eines verständlichen Wissenschaftstextes hat, oder ob die Meinungen hierzu auseinander gehen. Weiterhin wäre es interessant zu erfahren, wie man Textverständlichkeit überhaupt definieren kann.

Mit all diesen Problemen setzt sich dieser Arbeit auseinander. Zunächst wird ein Blick auf die Geschichte der Verständlichkeitsforschung von ihren Anfängen bis in die Gegenwart geworfen, anschließend wird die Frage nach den Merkmalen der Verständlichkeit an sich und eines verständlichen Wissenschaftstextes beantwortet. Im Bezug darauf wird auch ein Konzept vorgestellt, das das Ziel hat, einen verständlichen Wissenschaftstext zu verfassen.

Im Anschluss daran richtet sich das Augenmerk der Arbeit auf die Wissenschaftsstile einzelner Länder und deren Sprachen. Hierbei wird vor allem die Denkweise und Tradition der verschiedenen Länder und ihrer Wissenschaftler veranschaulicht. Zunächst werden die Eigenschaften der großen Wissenschaftssprachen besprochen, also des Deutschen, des Englischen und des Französischen, doch hauptsächlich werden zwei Sprachräume behandelt, die wissenschaftlich eher kleinere Rollen spielen: der spanische Sprachraum, als ein Beispiel für die romanischen Sprachen, und der polnische, als Beispiel für die slawischen Sprachen.

Ziel dieser Arbeit ist es, die Disziplin „Verständlichkeitsforschung“ zu erläutern und sie in einen globalen und zeitgenössischen Kontext zu setzen.

2. Geschichtliche Entwicklung der Verständlichkeitsforschung.

Will man sich ein Bild vom heutigen Stand der Verständlichkeitsforschung machen, so ist es nötig, erst einmal einen Blick auf die Geschichte dieser Forschung zu werfen. Ihre ersten wirklichen Anfänge basieren auf der Tradition der Hermeneutik, also der Lehre des Interpretierens, aus dem 16. Jahrhundert. Während die Hermeneutik damals noch relativ vage war, wird sie erst unter Friedrich D. Schleiermacher im 19. Jahrhundert zu einer wirklichen theoretischen Wissenschaft. Schleiermacher nennt sie von nun an die „Kunst des Verstehens“. Diese Lehre tritt nun auch definitiv in die Sparte der Sprachwissenschaft, da das Verstehen immer das Auslegen beinhaltet, und somit an Sprache gebunden ist[2].

Eine Weiterentwicklung der Hermeneutik des 19. Jahrhunderts ist die sog. „Stellenhermeneutik“. Sie bezieht sich nun nicht mehr ausschließlich auf schriftliche Texte, sondern auf alle Lebensäußerungen eines Individuums. Der Kernpunkt dieser Lehre ist, dass sie nun nicht mehr vom gelungenen Verstehen einer Aussage ausgeht, sondern vom Mißverstehen.

Die Hermeneutik brachte der Verständlichkeitsforschung also zwei grundsätzliche Merkmale: zum einen lässt sich die Verständlichkeit eines Textes nicht ohne den Rezipienten messen, der den Text auf seine Weise immer interpretiert und auslegt, zum anderen muss der Textproduzent beim Verfassen eines Textes immer eine Lehr-Lern-Situation schaffen, bei der er auf das bereits vorhandene Wissen des Rezipienten Bezug nimmt[3].

Geht die bisherige Verständlichkeitsforschung immer von einer Interaktion zwischen dem Leser und dem Text aus, so versucht im ersten Drittel des 20. Jahrhunderts die Lesbarkeitsforschung den Verstehensprozeß objektiv anhand textueller Merkmale zu messen. Hierbei werden Lesbarkeitsformeln entwickelt und ein „Reading-Ease-Score“ errechnet, der ökonomisch den Grad der Verständlichkeit eines Textes mißt. Wichtige Faktoren dabei sind die „Wortschwierigkeit“ (Anzahl der Silben pro Wort) und die Satzschwierigkeit (Anzahl der Wörter pro Satz). Später tritt noch die Type-Token-Ratio hinzu, also das Verhältnis der unterschiedlichen Wörter zur Gesamtwortzahl, und die Bestimmung relativer Häufigkeiten von Wörtern in Texten anhand von „Häufigkeitswörterbüchern“. All diese Formeln lassen den Verstehensprozeß des Lesers jedoch unberücksichtigt, womit die Lehre der Lesbarkeitsforschung theoretisch unfruchtbar bleibt[4].

Aufbauend darauf erweitert die Hamburger Psychologengruppe Langer/ Schulz/van Thun und Tausch die Lesbarkeitsforschung um weitere, zu Gruppen zusammengefaßte Eigenschaften eines Textes, die dessen Verständlichkeit messen sollen. Diese vier „Verständlichkeitsdimensionen“, wie sie von ihnen genannt werden, sind „sprachliche Einfachheit“, ,,Gliederung - Ordnung“, „Kürze – Prägnanz“ und „zusätzliche Stimulanz“[5]. Diese vier Dimensionen werden im folgenden Kapitel noch von äußerster Wichtigkeit sein.

Die Textverständlichkeit wird in der modernen Linguistik erst wieder in den 70er Jahren aufgegriffen, hierbei vor allem in der Fachsprachenforschung, der Gesprächs- und der Kommunikationsanalyse. Diese sog. Linguistische Verständlichkeitsforschung stellt die Annahme auf, dass jeder Text beliebig umformuliert und einer bestimmten Adressatengruppe angepasst werden könne, ohne dass der Inhalt des Ausgangstextes verloren ginge. In der Theorie mag dies vielleicht funktionieren, doch in der Praxis ergeben sich dabei des Öfteren Probleme. Vor allem bei normativen Texten wie sie in der Juristik vorkommen, oder bei Beipackzetteln eines Medikaments kann der Text nicht beliebig vereinfacht werden, da er sonst an Exaktheit verlöre. Somit gleicht die Verständlicher-Machung vieler Texte einer Gratwanderung zwischen Informativität und Einfachheit[6].

Zu guter Letzt nahm in den 80er Jahren die Fachsprachenforschung einen hohen Stellenwert in der Verständlichkeitsforschung ein, wobei vor allem die fachexterne Kommunikation, also das Vermitteln von Fachwissen an die Öffentlichkeit, an Wichtigkeit gewann. In der Forschung innerhalb eines Fachs gewonnene Erkenntnisse müssen zum einen vertikal weitervermittelt werden, also von der Produktion ( Techniker) in den Handel ( Marketing), zum anderen horizontal, also der breiten Öffentlichkeit, da diese vermehrt nach Fachwissen strebt. Hierzu ist die Entwicklung neuer Textsorten nötig[7].

Es wurde bereits in der Einleitung erwähnt, dass diese Art der wissenschaftlichen Kommunikation mit der Öffentlichkeit früher als störend empfunden wurde ( „Elfenbeinturm“), doch vor allem mit dem Zeitalter der Massenmedien zunehmend wichtiger wird. Hierbei folgte die Wissensvermittlung zunächst dem Amazonas-Modell, was bedeutet, dass das Fachwissen von der hohen Wissenschaft (Quelle: Anden) mit weiteren Zuflüssen an die breite Öffentlichkeit kommt ( Ozean). Da dieses Modell jedoch nur einen Einseitigen Wissensfluss beinhaltet, wurde es vom sog. „Venedig-Modell“ abgelöst. Hierbei muss man sich die einzelnen Wissenschaftsdisziplinen als kleine Inseln vorstellen, die durch Kanäle voneinander getrennt sind, jedoch durch beidseitig begehbare Brücken wiederum miteinander verbunden sind. Somit findet ein ständiger Austausch zwischen der Öffentlichkeit und den einzelnen Wissenschaften unter sich statt.

3. Merkmale von Textverständlichkeit und Verständlichkeitsforschung

Die Verständlichkeitsforschung setzt sich schon seit längerem mit den Interessen zweier Gruppen auseinander und versucht, für beide eine zufriedenstellende Lösung zu finden. Auf der einen Seite sind dies die Adressaten von Texten, die fordern, dass Texte entweder allgemeinverständlich (optimiert) sein sollen, oder aber wenigstens an das Wissen bestimmter Adressatengruppen angepasst werden sollen. Auf der anderen Seite meinen Textproduzenten, dass Texte immer ein gewisses Abstraktionsniveau voraussetzen, und dass ein Text nicht beliebig vereinfacht werden kann, ohne dass dabei ein gewisser Informationsverlust zustande kommt. Hierbei stellt Hans Jürgen Heringer zwei Maximen zur Textproduktion auf: „Sage, was zu sagen ist.“ Und „Rede so, dass dein Partner dich versteht.“[8] Das Ziel ist, möglichst beides zu erreichen.

Was diese beiden Maximen betrifft, so kann man einen wichtigen Faktor nicht außer Acht lassen: das Vorwissen des Textrezipienten und der daraus folgende Verstehensprozeß in dessen Kopf. Die linguistische Verständlichkeitsforschung setzt sich, im Gegensatz zur vorherigen Lesbarkeitsforschung, nun auch vermehrt mit der menschlichen Psychologie auseinander. Heringer hält es hierbei für wichtig, nicht nur zu wissen, dass ein Text verstanden wurde, sondern vor allem, wie er verstanden wurde und wieviel des Textes verstanden wurde[9].

Dabei ist es wichtig zu erwähnen, dass das Verstehen an sich kein willkürlicher Prozeß des Menschen ist, sondern dass es sich dabei vielmehr um ein Resultat des bisherigen Vorwissens handelt, welches zwangsläufig beim neu gelesenen Text hervorgerufen wird und an das sich der Inhalt des neuen Textes anpaßt. Jeder Mensch versteht somit einen bestimmten Text auf seine eigene Art und Weise. Folglich handelt es sich beim Verstehen dennoch um einen aktiven Vorgang, da ein Leser einen Text nicht nur passiv rezipiert, sondern auch aktiv konstruiert[10].

Da das Vorwissen eines Rezipienten beim lesen des Textes zur Anwendung kommt, ist es wichtig, die Rolle dessen Wissens genauer zu erörtern. Beim Wissen differenziert man heutzutage drei verschiedene Wissenstypen:

1. Sprachliches Wissen.
2. Sprachliches Interaktionswissen.
3. Welt- bzw. Sachwissen[11].

Ersteres ist die Kenntnis einer Sprache, ihrer Grammatik und ihres Wortschatzes. Das sprachliche Interaktionswissen ist vor allem die Fähigkeit, mittels der Sprache und des Allgemeinwissens neue Sachverhalte im menschlichen Kopf zu rekonstruieren. Das Welt- und Sachwissen wiederum ist schlicht die Allgemeinbildung außerhalb der Sprache. All diese drei Wissenstypen sind niemals isoliert voneinander zu betrachten, sondern kommen immer gemeinsam zur Anwendung. Zu diesen drei Wissenstypen kommen meist noch die persönlichen Erfahrungen und Ansichten eines Menschen, durch die er gelegentlich unterbewußt gewisse Assoziationen mit bestimmten Wörtern knüpft und so einen Text evtl. etwas anders versteht als andere. So kann es sein, dass ein Rezipient beim Lesen des Wortes rot die Assoziation mit Blut knüpft, da er das Wissen besitzt, dass Blut rot ist[12].

Übersteigt ein Text nun das Vorwissen eines Rezipienten in zu hohem Maße, sei dies nun auf sprachlicher oder auf sachlicher Ebene, kann es sein, dass sich überhaupt kein oder kein befriedigendes Verständnis einstellt. Die logische Folge davon ist, dass der Rezipient beginnt zu interpretieren. Er stellt im Inneren Vergleiche mit Dingen aus seinem vorhandenen Wissen zusammen und versucht so, zum Verständnis zu gelangen. Ziel des Interpretierens ist also immer das Verständnis. Anhand dieses Faktors kann man auch die Verständlichkeit eines Textes messen. Man tut dies, indem man den Leser fragt, ob er den Text sofort verstanden hat, oder ob er ihn noch mal lesen musste, oder ob er bei manchen Textstellen längere Nachüberlegungen tätigen musste[13]. Im Allgemeinen sollte ein Text dem Leser also möglichst keinen Anlaß zu Interpretieren geben, da dies vor allem auf Kosten der Exaktheit geht. Eine hohe Dichte an Informationen ist wünschenswert, jedoch wird bei eventuellem falschen interpretieren des Lesers eher das Gegenteil erreicht, nämlich das Vermitteln falscher Informationen.

[...]


[1] Klein, Wolfgang: Textverständlichkeit – Textverstehen. In: Zeitschrift für Literaturwissenschaft und Linguistik, Heft 55/ 1984: Textverständlichkeit – Textverstehen. Siegen 1984. S. 7.

[2] Biere, Bernd: Textverstehen und Textverständlichkeit. Heidelberg 1991. S. 3.

[3] Biere 1991. S. 4.

[4] Biere 1991. S. 4 f.

[5] Biere 1991. S. 7.

[6] Biere 1991. S. 9 ff.

[7] Biere 1991. S. 10.

[8] Biere 1991. S. 2.

[9] Heringer, Hans Jürgen: Textverständlichkeit. Leitsätze und Leitfragen. In: Zeitschrift für Literaturwissenschaft und Linguistik, Heft 55/ 1984: Textverständlichkeit – Textverstehen. Siegen 1984. S. 57 f.

[10] Heringer 1984. S. 58.

[11] Jahr, Silke: Das Verstehen von Fachtexten. Tübingen 1996. S. 24.

[12] Jahr 1996. S. 24 f.

[13] Heringer 1984. S. 60 f.

Ende der Leseprobe aus 26 Seiten

Details

Titel
Die Verständlichkeit von Wissenschaftstexten
Hochschule
Universität Augsburg  (Phil.-Hist. Fakultät)
Veranstaltung
HS Wissenschaftsstile in der Romania
Note
1,7
Autor
Jahr
2008
Seiten
26
Katalognummer
V115204
ISBN (eBook)
9783640168071
ISBN (Buch)
9783640168217
Dateigröße
722 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Verständlichkeit, Wissenschaftstexten, Wissenschaftsstile, Romania
Arbeit zitieren
Jakub Slodowicz (Autor:in), 2008, Die Verständlichkeit von Wissenschaftstexten, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/115204

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