Schönheitsmasken oder Gesichter lebender Götter: Charakteristik der Großaufnahmen der amerikanischen Filmstars in den 20ern und 30ern als Plattformen eines Schönheitsideals


Hausarbeit (Hauptseminar), 2008

18 Seiten, Note: 1,3


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis:

1. Einleitung

2. Kulturelle und anthropologische Rolle menschlicher Schönheit

3. Inszenierung der menschlichen Schönheit im Film. Das Star - Phänomen zwischen Menschen und Gott

4. Hollywoods Schönheitsmasken als technische Mittel zur Beschaffung göttlicher Schönheit
4.1 schminktechnische Verarbeitung des Gesichts
4.2 verschönernde Aufnahmetechniken

5. Schlussteil

6. Literaturverzeichnis

1. Einleitung

Das Hollywood - Starsystem und die technische Entwicklung der Porträtfotographie Anfang des 20. Jahrhunderts produzierten im Kinofilm der 20er und 30er Jahre Großaufnahmen, die über eine spezifische ästhetische und technische Charakteristik verfügten. Diese Großaufnahmen lancierten die ökonomischen Ziele des Starsystems, die eine „Ikonisierung“ einiger auserwählten Stars bezweckten, welche sie zu ästhetischen und kulturellen Vorbildern des Volkes etablierte. Als Endprodukt dieses Prozesses wurden die steigernden Umsätze Hollywoods erzielt.

Stars wurden zu Göttern auf Erde, die dem Zuschauer als solche dargestellt und von ihm ebenfalls wahrgenommen wurden, trotz seiner Erkenntnis, dass sie normale Menschen sind, die mit Hilfe des Mediums und der Presse eine surrealistische Persona verliehen bekommen. Der Kommunikationsprozess, im Rahmen dessen diese Suggerierung von der Seite des Hollywood - Starsystems und die Wahrnehmung seitens der Zuschauer stattfinden, hat tiefere anthropologische Wurzeln, die zu vergangenen Kulturen zurückführen, die ähnliche Prozesse provoziert haben. Die Adorierung der Kinostars erfolgte auf der Ebene einer Eigenschaft und immer in Bezug auf diese, nämlich der physischen Schönheit. Die physische Schönheit wurde zu Motiv und zugleich zu Instrument der Idealisierung einer Persona. Ihre mythische Funktion verlieh dem kinematographischen Bild das Vermögen zu einer besonderen Auswirkung auf die Zuschauer. Diese verspürten nicht nur das Bedürfnis nach Eskapismus, indem sie die surrealistisch schönen glänzenden Gesichter der Stars bewunderten, sondern auch den Wunsch diese zu imitieren, um ihren Zauber auch im eigenen alltäglichen Leben integrieren zu können. Im folgenden Kapitel wird die Problematik des Schönheitsbegriffs thematisiert, nämlich seine anthropologische und kulturelle Rolle. Anschließend wird im Kapitel 3 die Inszenierung der Schönheit anhand des Star - Phänomens im Film ausgeführt. Diese erfolgt auf der Plattform des Star - Gesichts, welches als ästhetisches Instrument schmink - und aufnahmetechnisch vor seiner Umsetzung konzipiert und vorbereitet wird. Diese Vorbereitung des Anlitzes, thematisiert im Kapitel 4, resultiert in einer Maske aus Schminke, die das organische Gesicht des Schauspielers vollkommen verdeckt und zum Zweck der Vermittlung eines Schönheitsideals eingesetzt wird.

Die Hollywood - Stars und ihre „göttliche“ Natur erfüllen während ihrer Großaufnahmen eher die Aufgabe im Publikum ein Schönheitsideal zu etablieren, als eine mimische schauspielerische Leistung ihres Ausdrucks zu erzielen. Ihre Mimik wurde nicht nur zu Opfer der Ästhetik gebracht, sondern auch von den besonderen Beleuchtungs- und Aufnahmetechniken gedämpft. Durch die spezifische ästhetische und soziale Rolle der stark idealisierten Stars der 20er und 30er Jahre versuchte das Hollywood - Starsystem die Zuschauer an sich zu binden und ihren Alltag zu beeinflussen, indem sie ihr anthropologisch tief verankertes, schwer zu stillendes Bedürfnis nach Schönheit und Eskapismus vollkommen befriedigte und seinen Erwartungen zuvorkam.

2. Kulturelle und anthropologische Rolle menschlicher Schönheit

Die menschliche Schönheit sowie ihre Konstruktion und Charakteristik werden in den Rahmen keiner Wissenschaft analytisch erläutert und festgestellt. Die Wissenschaft der Ästhetik untersucht die Problematik des Schön- und Nicht - Schön - Seins, jedoch bleiben auch für sie die Natur und Herkunft des Phänomens Schönheit unbekannt. Die Schönheit wird in etlichen wissenschaftlichen Abhandlungen als kulturelles oder anthropologisches Phänomen anhand ihrer Erscheinungsformen thematisiert und analysiert.

Meistens wird sie durch Assoziationen mit bereits erforschten Begriffen wie Begehren, Genuss oder Lust identifiziert, die von der Ästhetik als Auswirkungen ihrer Präsenz registriert wurden.

Während Darwin die tierische sowie menschliche Schönheit als entscheidendes Element der Anregung zur Fortpflanzung dokumentiert, stellt Freud supplementär dazu ihre kulturelle Rolle zur Debatte, die dieser Anregung zur biologischen Vermehrung entgegen wirkt. Ausgehend von den Untersuchungen Darwins postuliert Freud die zentrale Rolle der Schönheit eines Objektes in seiner Kategorisierung von anderen Objekten als Lust - Objekt, das zugleich zum Objekt ihrer Begierde wird. Das Lust - Objekt wird allerdings von anderen Objekten

aufgrund seiner Schönheit, die allerdings ausschließlich auf physische Eigenschaften basiert, begehrt, jedoch muss diese Begehrung nicht unbedingt in einer sexuellen Vereinigung resultieren. Stattdessen kann der von der Schönheit provozierte Genuss als „Anregung für kulturelle Leistungen“[1] dienen. Dieses Phänomen bezeichnet Freud als Anzeichen einer kulturellen Einwirkung. Die kulturelle Reaktion auf Schönheit wird als sekundäre bezeichnet, indem die Lust zur biologischen Fortpflanzung als primär kategorisiert wird. Somit wird der Fortschritt der menschlichen Spezies im Zivilisationsprozess gekennzeichnet. Die Strebung nach Schönheit begleitet zum größten Teil den Weg zur Zivilisierung des Menschen.

Der menschliche Instinkt zur geschlechtlichen Zuchtwahl und seine direkte Beziehung zum Begriff der Schönheit äußern sich am exemplarischen Beispiel des Helds in der nationalen Dichtung der Antike bis heute im Kinofilm.[2] Der Held wurde als ein Muster, als ein Ideal für die menschliche Gestalt konzipiert und umgesetzt. Dieses Muster, seine körperliche Konstruktion sowie spezifische Schönheit, präsentierten die Ausrichtung der zeitgenössischen biologischen Auswahl. Der Held wurde in der Literatur und der Kunst eingesetzt, nicht lediglich als ästhetisches Vorbild, sondern auch als exemplarischen Träger von geistigen und moralischen Werten, die anhand seiner Physiognomie vermittelt wurden. In der Antike fungierten die Statuen der griechischen Götter als Symbole und Beweise für die organische Verwirklichung einer Vollkommenheit, eines Ideals. Allerdings verlor dieses physiognomische Medium seine Auswirkung mit der Ära der Buchdruckerkunst.

Erst mit der Entstehung der Filmkultur und der mit ihr einhergehenden Kunst der Visualisierung gewann die visuelle Schönheit wieder an Bedeutung als soziales Erlebnis. Die Wiedergeburt des Helds bzw. der Heldin im Film kennzeichnet die Tatsache, dass der Mensch sich wieder sehen kann. Dabei wird die physische Schönheit durch visuelle Mittel als Ideologie und soziale Strategie zur biologischen Fortpflanzung propagiert. Nach Balász ist die Existenz eines Schönheitsideals von erheblicher Relevanz für die Stabilität einer Klasse bzw. einer Gesellschaft. Gesellschaften ohne Schönheitsideale oder Heldendichtung erwiesen sich, seiner Auffassung nach, in der Geschichte als solche des Verfalls.[3]

3. Inszenierung der menschlichen Schönheit im Film. Das Star - Phänomen zwischen Menschen und Gott

Die Schönheit wird im Film innerhalb des Textes thematisiert, sowie in Bezug auf die Ausstattung interpretiert, aber vor allem von den Schauspielern, und insbesondere von den auserwählten von denen, nämlich den Stars und ihren von dem Star - System idealisierten Körpern und Gesichtern personalisiert bzw. verkörpert. Die physische Attraktivität der Stars erbringt nicht nur einen ästhetischen Beitrag zu dem Gesamtkonzept eines Films, sondern ebenfalls einen ökonomischen, indem die kinematographisch vermittelte Schönheit der Stars den Unterhaltungswert des Films positiv beeinflusst und seinen Erfolg in der Öffentlichkeit intensiviert. Indem der Film die Schönheit des menschlichen Gesichts als Grundprinzip seiner Charakteristik lanciert und schließlich konventionalisiert, unterstützt dieser die Kantsche Ansicht, nach der das menschliche Verlangen nach Schönheit unstillbar sei[4] und bestätigt somit das von Freud postulierte Streben nach Schönheit und somit nach kulturellem Fortschritt.

Der Film ist das Medium, das dazu berechtigt ist, Gesichter und Körper zu beobachten und anhand dieser Beobachtungen gewisse ästhetische Normierungen angesichts der physischen Attraktivität eines Menschen festzulegen. In diesem Bezug fungiert der Film als internationalen Koordinator von Schönheitsidealen, der weibliche und männliche Zuschauer dazu anregt, ihre Gesichter und Körper an die idealisierten der Stars anzupassen, um selbst eine gewisse Schönheit anzueignen und somit in der biologischen Auswahl erfolgreich zu sein.

Der Zuschauer verfügt während des Prozesses des Zuschauens eines Kinofilms lediglich über die Möglichkeit, sich die schönen Körper und Gesichter der Stars anzuschauen und ihre Schönheit am eigenen Leibe nachmachen zu versuchen. Technisch wird keine Zeit zum Verlieben in die Figur, oder zum langen Betrachten ihres Gesichts vorgesehen. Die Großaufnahme eines schönen Gesichts verschwindet nach wenigen Sekunden oder die Kamera entfernt uns auf eine gewisse Distanz von dem Star. Auch während der Großaufnahme ist der Kontakt mit dem Star einseitig, da der Zuschauer das schöne Gesicht des Stars mit den eigenen Augen betrachtet und bereit für einen verbalen oder physischen Kontakt mit ihm oder mit ihr ist, wobei der Star den Zuschauer nicht sieht, sondern betrachtet lediglich das leere Kameraobjektiv. Die „Begegnung“ mit der Schönheit des Stars wird für den Zuschauer somit zu einer unerreichbaren erotischen Sehnsucht. Erst dank dieser flüchtigen Natur der Gesichter, die als „schön“ bezeichnet werden, werden auch sie zu solchen. Dieser Aspekt wurde ebenso von Freud und Kant angesprochen[5] , die darin die ideologisierte Seite der Schönheit anerkennen, welche mit der Etablierung oder Aneignung der Schönheit aufgelöst wird.

Die Schönheit verbleibt anhand der technischen und medialen Charakteristik des Films innerhalb einer Realität, die von der sozialen Realität des Zuschauers weit entfernt ist. In dieser Realität existiert die Schönheit als “ flüchtige Erscheinung „[6] und bleibt unerreichbar für den einzigen Zuschauer. Die Zuschauer können sie betrachten, ihre Präsenz in Form einer Atmosphäre spüren, aber sie keinesfalls für sich und ihren eigenen Alltag erobern. Der Star bleibt untastbar, unnachahmbar und idealisiert für den Zuschauer, wie ein Gott.

[...]


[1] Menninghaus, Winfried: Das Versprechen der Schönheit; Kapitel IV. Freuds Hypothese : die ursprüngliche Kulturalität menschlicher Schönheit.; Suhrkamp, Frankfurt am Main 2003, S 207

[2] Balász, Béla: Der sichtbare Mensch. Kritiken und Aufsätze 1922 - 1926.; Carl Hanser Verlag, Budapest 1982, S 322

[3] Balász, Béla: Kapitel 24. Held, Schönheit, Star und der Fall Greta Garbo, in: Der Film. Werden und Wesen einer neuen Kunst.; Globus Verlag, Wien 1949, S 263 - 266

[4] Morsch, Thomas: „We all want something beautiful“ - Das schöne Gesicht als “Sensation” und Erfahrung im Film, in: Petra Löffler, Leander Scholz (Hrsg.): Das Gesicht ist eine starke Organisation.; DuMont, Köln 2004, S 225

[5] Menninghaus, Winfried: Das Versprechen der Schönheit; Kapitel IV. Freuds Hypothese : die ursprüngliche Kulturalität menschlicher Schönheit.; Suhrkamp, Frankfurt am Main 2003, S 210

[6] Morsch, Thomas: „We all want something beautiful“ - Das schöne Gesicht als “Sensation” und Erfahrung im Film, in: Petra Löffler, Leander Scholz (Hrsg.): Das Gesicht ist eine starke Organisation.; DuMont, Köln 2004, S 237

Ende der Leseprobe aus 18 Seiten

Details

Titel
Schönheitsmasken oder Gesichter lebender Götter: Charakteristik der Großaufnahmen der amerikanischen Filmstars in den 20ern und 30ern als Plattformen eines Schönheitsideals
Hochschule
Freie Universität Berlin  (Filmwissenschaft)
Veranstaltung
Großaufnahme/Gesicht
Note
1,3
Autor
Jahr
2008
Seiten
18
Katalognummer
V115690
ISBN (eBook)
9783640170760
ISBN (Buch)
9783640172733
Dateigröße
469 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Schönheitsmasken, Gesichter, Götter, Charakteristik, Großaufnahmen, Filmstars, Plattformen, Schönheitsideals, Großaufnahme/Gesicht
Arbeit zitieren
Stefalina Midialkou (Autor:in), 2008, Schönheitsmasken oder Gesichter lebender Götter: Charakteristik der Großaufnahmen der amerikanischen Filmstars in den 20ern und 30ern als Plattformen eines Schönheitsideals, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/115690

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