Das Erziehungssystem im alten Sparta. Die Agoge


Seminararbeit, 2003

23 Seiten, Note: 1,0

Katrin Hugo (Autor:in)


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

A. Übersicht der Arbeit

B. Das Erziehungssystem im alten Sparta: Die Agōgē
1. Quellenlage
2. Die traditionelle Darstellung der Agōgē in der Forschung
a) Entstehung, Inhalt und Ziele der Erziehung
b) Aufbau des Systems
3. Neue Aspekte der Forschung
a) Phasen und Aufbau
b) Verschiedene Zweifel an der konventionellen Darstellung
der Agōgē S. 15
c) Bedeutung der Wettbewerbe und Feste für die Agōgē
4. Erziehung der Mädchen

C. Abschließende Betrachtungen

Quellenverzeichnis

Literaturverzeichnis

A. Übersicht der Arbeit

Meine Arbeit soll einen Überblick über das spartanische Erziehungssystem, die sogenannte Agōgē, geben. Nach der Definition des Begriffs im Kleinen Pauly versteht man unter der Bezeichnung Agōgē die umfassende, zentral organisierte militärische Erziehung und Sozialisation in Sparta.[1] Ihr Durchlaufen war verpflichtend für jeden Spartiaten, der die Vollbürgerschaft erhalten wollte.

Meine Arbeit ist in vier große Abschnitte gegliedert. Im ersten Teil möchte ich auf die Quellenlage zur Agōgē eingehen. Xenophon von Athen[2] und Plutarch[3] gelten als die Hauptquellen zu dieser Thematik. Die Probleme, die sich bei der Interpretation und dem Umgang mit diesen Quellen ergeben, sollen aufgezeigt werden. Auch andere griechische und römische Autoren und Philosophen haben sich zur Agōgē geäußert. Die Beschäftigung mit der Inschriftenkunde ist ebenfalls eine gute Möglichkeit, um sich dem spartanischen Erziehungssystem zu nähern.

Bei der Betrachtung der Sekundärliteratur wird deutlich, dass verschiedene Forschungsansichten zur Agōgē vorhanden sind. Im zweiten Abschnitt meiner Arbeit möchte ich mich zunächst dem traditionellen Forschungszweig zuwenden. Diese Gruppe Historiker orientiert sich streng an den Hauptquellen und lässt keine Zweifel an der Härte und Brutalität des spartanischen Erziehungssystem aufkommen. Als Hauptwerk zu diesen Forschungsmeinungen wird Marrou[4] herangezogen werden, aber es auch andere Autoren sollen zur Sprache kommen. Es wird zuerst auf Entstehung, Inhalt und Ziele der Erziehung eingegangen werden, bevor dann der Aufbau des Systems im Mittelpunkt steht.

Der dritte Teil des Aufsatzes wird sich mit neuen Ansätzen der Historiker beschäftigen. Neue Impulse zur Untersuchung der Agōgē sind vor allem durch Kennells Buch „The gymnasium of virtue“[5] entstanden, aber auch andere Forscher haben inzwischen die konventionelle Forschungsmeinung überdacht. Dieser Abschnitt soll auf die neuen Ansichten zu den Phasen und zum Aufbau eingehen, bevor die verschiedenen Zweifel der Forscher aufgezeigt werden. Unter diesem Punkt soll auch die Bedeutung der Wettbewerbe und Feste für die Agōgē verdeutlicht werden.

Anschließend soll im letzten Punkt noch die Erziehung der Mädchen kurz umrissen werden. Dieses Thema ist weit weniger bekannt und erforscht, als die Erziehung der Jungen. Die Aussagen der antiken Quellen und die bisherigen Erkenntnisse der Forschung sollen zusammengefasst werden. Bei der Erziehung der Mädchen stellt sich vor allem die Frage, ob hier ebenfalls eine Einteilung in Altersklassen vorhanden war und ob es öffentliche Schulen für den Unterricht der Mädchen gab.

Zum Schluss möchte ich noch kurz auf die Reaktionen eingehen, die die Agōgē zu ihrer Zeit und zu unserer Zeit erhalten hat. Das ist ein interessantes Thema, zu dem noch weitere Untersuchungen denkbar und wünschenswert sind.

B. Das Erziehungssystem im alten Sparta: Die Agōgē

1. Quellenlage

Wie bei vielen Themenkomplexen in der Alten Geschichte ist auch die Quellenlage zum Erziehungssystem in Sparta lückenhaft. Historiker haben oftmals Zweifel an dem Wahrheitsgehalt und der Objektivität der Quellen. Als die beiden wichtigsten Überlieferungen zur Agōgē gelten zwei Werke von Xenophon und von Plutarch.

Xenophon lebt von etwa 430 bis 354 v. Chr. und ist damit ein Zeitzeuge des Peloponnesischen Krieges. Er ist als Schriftsteller und Geschichtsschreiber tätig und setzt sich in seinem Werk „Anábasis“ mit seinen Erlebnissen in diesem Krieg auseinander. Anschließend setzt er die von Thukydides[6] begonnene griechische Geschichte „Hellēniká“ fort, achtet jedoch mehr auf das Wirken einzelner Menschen und ihre moralischen Absichten als auf die systematischen Zusammenhänge. So führt er in seinem, für die Untersuchung Spartas wichtigen Werk „Verfassung der Spartaner“, die Erfolge Spartas vor allem auf den Gesetzgeber Lykurg[7] zurück und lobt dessen Staatsordnung. Xenophon ist ein großer Verehrer Spartas und bei der Analyse seiner Schriften muss das stets bedacht werden. Auch das spartanischen Erziehungssystems bewundert er, er soll seinen eigenen Sohn nach Sparta geschickt haben um es zu durchlaufen.[8] Aus diesen Gründen fehlt es seiner Darstellung der Agōgē auch an genauen Informationen, er beschreibt das System nicht, sondern greift nur einzelne Punkte heraus.[9]

Plutarch, der von etwa 45 n. Chr. bis 125 n. Chr. lebt, beschreibt die Agōgē dagegen ausführlich. Seine Arbeiten lassen sich in zwei große Gruppen einteilen, eine der philosophischen Werke und eine, die vor allem historisch-biographische Schriften enthält. In der Sammlung dieser historischen Arbeiten findet sich eine Biographie Lykurgs, die die detailliertesten Überlieferungen zur Agōgē enthält. Für die moderne Forschung ist Plutarch deshalb zur Hauptquelle geworden, obwohl sich bei der Untersuchung seiner Werke Probleme ergeben. Da der Höhepunkt der klassischen Agōgē im 6. Jahrhundert v. Chr. angenommen wird, ist Plutarch für diesen Zeitraum keineswegs eine zeitgenössischen Quelle. Es stellt sich deshalb die Frage, welche Phase der Agōgē Plutarch beschreibt. Beziehen sich seine Darstellungen tatsächlich auf ein System, das über ein halbes Jahrtausend vor seiner Geburt in Funktion war oder könnten vielleicht Ausprägungen der Agōgē, die erst in seiner Zeit entstanden sind, seine Berichte beeinflusst haben?[10] Mit dieser Frage beschäftigt sich die aktuelle Forschung und deshalb wird darauf später noch eingegangen werden.

Auch in anderen Werken, finden sich Hinweise auf Sparta und sein Erziehungssystem, allerdings nirgends sehr ausführlich. Pausanias[11] (2. Hälfte des 2. Jahrhunderts v. Chr.) berichtet in seiner Beschreibung Griechenlands über die religiösen und kulturellen Gewohnheiten in Sparta und ist deshalb eine interessante Quelle für die Wettbewerbe. Die Philosophen Platon[12] (427 - 347 v. Chr.) und Aristoteles[13] (384 – 322 v. Chr.) haben sich mit dem spartanischen System beschäftigt. Aristoteles sieht einige Aspekte der Agōgē sehr kritisch.[14] Auch die römische Welt interessierte sich für Sparta. Cicero[15] (106 – 43 v. Chr.) hat es selbst besucht und erwähnt in seinen Werken einige seiner Besonderheiten. Fragmente und diverse kurze Bemerkungen zu Sparta finden sich auch noch bei anderen antiken Schriftstellern. Die überlieferten Inschriften aus griechischer und vor allem aus römischer Zeit werden als Quellen herangezogen, da hier die Gewinner von Wettkämpfen und ihr Alter festgehalten wurden. Mit ihrer Hilfe wird vor allem die Alterseinteilung der Agōgē rekonstruiert.[16]

Man muss stets im Gedächtnis behalten, dass dies Quellen aus einer Zeit sind, als Sparta kaum noch internationale Bedeutung hatte und sie deshalb in der Erinnerung an ein einst mächtiges Sparta vermutlich ein idealisiertes Bild des Erziehungssystems zeichnen.[17] Jedem Betrachter muss bei der Untersuchung der Agōgē bewusst sein, dass das System an vielen Stellen auf Diskussionen und Rekonstruktionen beruht und nicht auf tatsächlichen Fakten.[18]

2. Die traditionelle Darstellung der Agōgē in der Forschung

Bei der Betrachtung der Forschungsergebnisse zur Agōgē sind deutliche Unterschiede zwischen früheren Resultaten und aktuellen Erkenntnissen zu sehen. Erst in den letzten Jahren haben Historiker begonnen, an den bisher angenommenen Strukturen der Agōgē zu zweifeln. Auch die Quellen werden nur kritischer betrachtet. Allerdings können die Forschungsansichten nicht grundsätzlich nach ihrem Entstehungsdatum unterschieden werden. Beispielsweise findet sich in dem Buch Pomeroys über das antike Griechenland trotz neueren Erscheinungsdatums die herkömmliche Forschungsmeinung.[19] Es soll deshalb zunächst auf diese konventionellen Ansichten eingegangen werden.

a) Entstehung, Inhalt und Ziele der Erziehung

Marrou schildert, dass sich die spartanische Erziehung aus dem homerisch ritterlichen Erziehungsideal entwickelt.[20] Durch die militärischen Erfolge, die Sparta im 7. Jahrhundert erzielt, wird die Militarisierung der Gesellschaft aber immer wichtiger und so wandelt sich dieses Ideal. Der Spartaner soll nun nicht mehr – wie bei Homer[21] - individueller Ritter sein, sondern als tapferer Soldat in der Reihe der Hopliten kämpfen. Die Bedeutung liegt nun nicht mehr bei einzelnen Helden, sondern jeder Mann ist ein heldenhafter Soldat unter vielen.[22] Jeder soll bereit sein, für das Vaterland zu sterben. Im Wandel zu diesem kollektiven Ideal liegt also der Grundstein für die Entstehung einer gemeinschaftlichen und staatlichen Erziehung. Allerdings verläuft zu dieser Zeit die Erziehung in Sparta noch kaum anders als im restlichen Griechenland. Musik und Dichtung scheinen sehr wichtig zu sein, das Wirken der berühmtesten spartanischen Dichter Tyrtaios[23] und Alkman[24] wird diesem Zeitraum zugeordnet. Der Umstand, dass diese beiden Dichter mit großer Wahrscheinlichkeit gar nicht aus Sparta kommen, sondern nur hier leben und arbeiten, beweist die Anziehungskraft, die zu dieser Zeit von Sparta als Künstlerstadt ausgeht.[25] Sport und Wettkämpfe sind noch bedeutender als militärische Übungen, aus der Zeit zwischen 720 und 576 sind 46 von 81 Olympiasiegern aus Sparta.[26]

Erst um etwa 550 v. Chr. beginnt Spartas Sonderweg. Nach vielen außenpolitischen Erfolgen und einer Spanne der innenpolitischen Stabilität kommt es jetzt zu politischen und sozialen Unruhen. Sparta kann ab dieser Zeit keine Eroberungen mehr erzielen und wird zusätzlich durch Aufstände im Inneren geschwächt. Die Spartaner sehen sich und ihre Welt bedroht und versuchen, den alten Zustand, der sie an ihre ruhmreiche Vergangenheit erinnert, zu bewahren.[27] Aus diesem Grund wird nun endgültig nur noch Wert auf das Militärische gelegt, Musik und Dichtung verlieren ihre Bedeutung und Sparta zieht sich von den Olympischen Spielen zurück. So erstarren und verhärten sich durch den Machtverlust die alten Strukturen. Aus diesem Klima heraus entsteht die klassische Agōgē.[28]

Die Agōgē versteht sich als vormilitärisches Erziehungssystem, das die Heranwachsenden auf ein Leben als Soldaten vorbereiten soll. Die Künste sind nicht mehr nur ihrer Schönheit wegen vorhanden, sondern müssen einen Zweck haben. Musik wird hauptsächlich als Marschmusik für den Krieg gebraucht, Gedichte sind nur noch als Lobgedichte auf die kriegerischen Ideale von Nutzen. Es wird Wert darauf gelegt, dass die Jugendlichen sich eine kurze, prägnante Redeweise aneignen, denn „Zügellosigkeit im Reden“ macht „das Wort leer und gehaltlos.“ Bei einer zu ausführlichen oder dummen Antwort wird der Schüler durch einen Biss in den Daumen bestraft.[29] Plutarch schreibt, dass zwar Lesen und Schreiben gelehrt wird, aber eben nur das Nötigste, denn „die ganze übrige Erziehung war darauf gerichtet, dass sie pünktlich gehorchen, Strapazen ertragen und im Kampfe siegen lernten.“[30] Im Mittelpunkt der Erziehung steht also das Trainieren des Körpers für den Kampf. Der jugendliche Körper soll abgehärtet und gestählt werden, er soll stark sein und lernen, Schmerzen zu ertragen.[31]

[...]


[1] NP 1 (1996) S. 265 f. Agoge (P.C./C.P.).

[2] NP 12/2 (2003) S. 633 – 642. Xenophon (E. E. S.).

[3] NP 9 (2000) S. 1158 – 1175. Plutarchos (C. HÜ. u.a.).

[4] Henri-Irénéé Marrou: Geschichte der Erziehung im klassischen Altertum. Freiburg/ München 1957.

[5] Nigel M. Kennell: The gymnasium of virtue. Education and culture in Ancient Sparta. London 51999.

[6] Tusculum-Lexikon. S. 803.

[7] NP 7 (1999) S. 579 f. Lykurgos (K.-J. H.).

[8] Kennell: The gymnasium of virtue. S. 16.

[9] Ebd.

[10] Jean Ducat: Perspectives on Spartan education in the classical period. In: Hodkinson, Steven; Anton Powell (Hrsg.): Sparta. New perspectives. London 1999, S. 43-66, hier S. 44.

[11] Tusculum-Lexikon. S. 607 f.

[12] Tusculum-Lexikon. S. 650 – 652.

[13] Tusculum-Lexikon. S. 80 f.

[14] Anton Powell: Athens and Sparta. Constructing Greek political and social history from 478 B.C. London 1988. S. 229. In dem Kapitel “Military training and the schooling of the young” werden auch die anderen Quellen zur Agōgē näher betrachtet.

[15] Tusculum-Lexikon. S. 169 – 171.

[16] Nigel M. Kennell: The gymnasium of virtue. S. 27.

[17] Ernst Baltrusch: Sparta. Geschichte, Gesellschaft, Kultur. München 1998. S. 63.

[18] Ducat: Perspectives on Spartan education. S. 44.

[19] Sarah B. Pomeroy u.a.: Ancient Greece. A political, social, and cultural history. New York/Oxford 1999. S. 139 – 143.

[20] Marrou: Geschichte der Erziehung. S. 33.

[21] Tusculum-Lexikon. S. 347 f.

[22] Waltraud Reichert: Erziehungskonzeptionen der griechischen Antike. Theorie und Praxis der Erziehung in ihrer Abhängigkeit vom Wandel der Kultur. Rheinfelden 1990. S. 26.

[23] Tusculum-Lexikon. S. 813.

[24] Tusculum-Lexikon. S. 41.

[25] Marrou: Geschichte der Erziehung. S. 35 f.

[26] Ebd. S. 34.

[27] Paul Cartledge: Spartan Reflections. London 2001 (ND von 1992). S. 88 f.

[28] Ebd. S. 37 f.

[29] Plut. Lyc. 18, 19.

[30] Ebd. 16.

[31] Marrou: Geschichte der Erziehung. S. 40 f.

Ende der Leseprobe aus 23 Seiten

Details

Titel
Das Erziehungssystem im alten Sparta. Die Agoge
Hochschule
Ludwig-Maximilians-Universität München  (Institut für Alte Geschichte)
Veranstaltung
Sparta
Note
1,0
Autor
Jahr
2003
Seiten
23
Katalognummer
V115729
ISBN (eBook)
9783640181254
ISBN (Buch)
9783640181285
Dateigröße
554 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Erziehungssystem, Sparta, Agoge
Arbeit zitieren
Katrin Hugo (Autor:in), 2003, Das Erziehungssystem im alten Sparta. Die Agoge, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/115729

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