Autoritarismus – Ethnozentrismus – Bildung. Eine empirische Untersuchung mit Strukturgleichungsmodellen zwischen West- und Ostdeutschland anhand der Daten des ALLBUS 2006


Hausarbeit (Hauptseminar), 2008

37 Seiten, Note: 1,7


Leseprobe


Inhalt

1. EINLEITUNG

2. ZUR VERWENDUNG VON STRUKTURGLEICHUNGSMODELLEN UND AMOS

3. THEORETISCHER HINTERGRUND
3.1 KERNTHEORIE
3.2 MESSTHEORIE

4. EMPIRISCHE ANALYSE
4.1 DESKRIPTIVE ERGEBNISSE
4.2 TEST DES MESSMODELLS MIT DER KONFIRMATORISCHEN FAKTORENANALYSE
4.3 STRUKTURGLEICHUNGSMODELL FÜR GESAMTDEUTSCHLAND
4.4 STRUKTURGLEICHUNGSMODELL FÜR WESTDEUTSCHLAND
4.5 STRUKTURGLEICHUNGSMODELL FÜR OSTDEUTSCHLAND
4.6 MULTIPLER GRUPPENVERGLEICH ZWISCHEN OST- UND WESTDEUTSCHLAND

5. ZUSAMMENFASSUNG

6. LITERATURVERZEICHNIS

1. Einleitung

Auch achtzehn Jahre nach der Wiedervereinigung von BRD und DDR gibt es beträchtliche Unterschiede im Hinblick auf Einstellungs- und Wertorientierungen zwischen ost- und westdeutschen Bundesbürgern. Trotz rasanter politischer und wirtschaftlicher Entwicklungen halten sich vorurteilsbeladene Stereotypenbildungen in den Köpfen der Menschen hartnäckig. Verschiedene Sozialisationserfahrungen älterer Kohorten in unterschiedlichen politischen Systemen sind ebenso ein Grund für andere Einstellungs- und Verhaltensmuster, wie die sozialstrukturelle Ungleichheit zwischen Ost und West heute.

Das Gebiet der ehemaligen DDR ist beispielsweise viel stärker von Arbeitslosigkeit betroffen als das frühere Bundesgebiet. In den Jahren 2004 und 2005 lag die Arbeitslosigkeit in Mecklenburg-Vorpommern, Brandenburg und Sachsen-Anhalt über 20 %, in Bayern oder Baden-Württemberg hingegen nur bei 6 bis 9 % (Vgl. Statistisches Bundesamt 2006: 106). Erwerbsarbeit als sinnstiftende und existenzsichernde Beschäftigung ist also im vereinten Deutschland deutlich unterschiedlich verteilt und beeinflusst damit auch die Sozialisationserfahrungen von Erwachsenen und Jugendlichen in Ost- und Westdeutschland unterschiedlich.

Ausgehend von der generellen Erkenntnis, dass es zwischen Ost- und Westdeutschen noch immer Unterschiede gibt, wovon die Höhe der Arbeitslosigkeit nur einer von vielen Faktoren ist, soll in dieser Arbeit untersucht werden, ob autoritäre und ethnozentrische Merkmale in Ost- und Westdeutschland unterschiedlich stark ausgeprägt sind, wie gut Autoritarismus Ethnozentrismus und dieser Fremdgruppenabwertung und Eigengruppenfavorisierung in beiden Regionen erklärt und welche Rolle Bildung und Status dabei spielen. Nach einem kurzen Umriss über die hier angewendete Methode der Strukturgleichungsmodelle und die Statistiksoftware AMOS, werden auf Grundlage theoretischer Überlegungen explizite Hypothesen für Kern- und Messtheorie formuliert und anschließend in empirischen Modellen überprüft.

Als Datengrundlage dient die „Allgemeine Bevölkerungsumfrage der Sozialwissenschaften“ (ALLBUS) aus dem Jahre 20061. Untersuchungsgebiet war die Bundesrepublik Deutschland, der Erhebungszeitraum lag dabei von März bis August 2006. Es wurde eine zweistufige, disproportionale Zufallsauswahl von deutschsprachigen Personen in Privathaushalten, die zum Erhebungszeitraum vor dem 01.01.1988 geboren wurden, durchgeführt. Die Ausschöpfungsquote betrug für Gesamtdeutschland 41 %. Als Erhebungsinstrument wurde die mündliche Befragung mit einem standardisierten Frageprogramm gewählt (Vgl. Terwey et al. 2007: 22). Da es sich in vielen empirischen Analysen gezeigt hat, dass noch immer zwischen alten und neuen Bundesländern erhebliche Unterschiede bestehen und damit für Ost- und Westdeutschland getrennt eigene repräsentative Analysen durchführbar sind, wurden Personen in Ostdeutschland überproportional zu ihrem Anteil an der Gesamtbevölkerung befragt, um für diese Gruppe noch aussagekräftige Fallzahlen zu erreichen (oversample) (Vgl. Terwey et al. 2007: 12). Das bedeutet, dass sowohl die Analysen für Ost- und Westdeutschland repräsentativen Charakter haben. Für die Betrachtung des gesamten Bundesgebietes wurde nach V735 (personenbezogenes Ost-West-Gewicht) gewichtet, bei dem die Befragten in Ostdeutschland mit einem Faktor, der ihrem proportionalen Anteil an der Gesamtbevölkerung entspricht, in die Berechnung eingegangen sind2 um somit ebenfalls Repräsentativität zu gewährleisten.

2. Zur Verwendung von Strukturgleichungsmodellen und AMOS

Strukturgleichungsmodelle (SEM) erfreuen sich in den letzten Jahrzehnten auch unter deutschen Sozialwissenschaftlern zunehmender Beliebtheit. Ein wesentlicher Beitrag dazu leisteten vor allem benutzerfreundliche statistische Softwarepakete mit grafischer Oberfläche wie sie heutzutage bei LISREL oder AMOS zu finden sind. SEM wurden entwickelt um Beziehungen zwischen latenten, also nicht direkt beobachtbaren, hypothetischen Konstrukten (Kerntheorie, Strukturmodell) zu überprüfen, die wiederum von einzelnen, beobachtbaren Indikatoren bzw. Indikatorvariablen gemessen werden (Messtheorie, Messmodell) (Vgl. Heyder 2006: 15f.).

Alle Berechnungen wurden mit der Programmversion 7 von AMOS (Analysis of Moment Structures) geschätzt (Arbuckle 2006). Da der Stichprobenumfang groß ist und davon ausgegangen wird, dass die Variablen aus einer normalverteilten Grundgesamtheit stammen, liefert die Maximum Likelihood (ML) Methode3 die präzisesten Schätzungen und wird daher hier verwendet (Vgl. Backhaus et al. 2007: 369-371).

Die Kombination aus Faktoren- und Regressionsanalyse bei SEM erlaubt dabei auch Annnahmen zu überprüfen, die mit herkömmlichen SPSS-basierten Verfahren nicht getestet werden können. Beispielsweise kann mit Hilfe von explorativen Faktorenanalysen nicht überprüft werden, ob die jeweiligen Messfehler untereinander korrelieren, des Weiteren wird angenommen, dass die Faktorladungen gleich hoch sind. Solche ungeprüften Annahmen sind ein entscheidender Nachteil dieses häufig eingesetzten Verfahrens und ein gutes Argument für SEM, bei dem diese explizit geprüft und zwischen zufälligen und systematischen Messfehlern unterschieden werden kann (Vgl. Heyder 2006: 16).

Bei SEM lassen sich zwei Herangehensweisen unterscheiden: Die Varianzanalyse und die Kovarianzanalyse. Erstere wird vor allem in der Ökonometrie im Rahmen des PLS-Ansatzes (Partial Least Squares) eingesetzt und hat eher explorativen Charakter. Die Kovarianzanalyse ist hingegen strikt deduktiv und setzt reflektive Messmodelle voraus (Vgl. Jahn 2007: 16 sowie Ausführungen zum Messmodell unter 3.2 in dieser Arbeit). „Da die Beziehungen zwischen den hypothetischen Konstrukten in einem vollständigen Strukturgleichungsmodell (Anmerkung: Strukturmodell und Messmodelle) aus den Kovarianzen oder Korrelationen zwischen den Indikatorvariablen errechnet werden, […] bildet somit nicht die erhobene Rohdatenmatrix, sondern die aus einem empirischen Datensatz errechnete Kovarianzmatrix oder Korrelationsmatrix“ (Backhaus et al. 2007: 341f.) bei der Kovarianzanalyse den Ausgangspunkt. „Es läßt sich somit sagen, daß Strukturgleichungsmodelle eine Analyse auf der Ebene aggregierter Daten (Kovarianz- oder Korrelationsdaten) darstellen und ein gegebenes Hypothesensystem in seiner Gesamtheit überprüfen“ (Backhaus et al. 2007: 342). Im Folgenden wird dieser Ansatz verwendet und damit ein deduktives, hypothesentestendes Verfahren angewandt. Die Überprüfung kausaler Zusammenhänge mit SEM unter AMOS besitzt somit konfirmatorischen Charakter, d.h. es werden aus theoretischen Überlegungen abgeleitete Hypothesen aufgestellt und anschließend in ein Modell überführt um sie empirisch zu testen (Vgl. Backhaus et al. 2006: 338). Methodisch reflektierend ist dies das Kerngeschäft nomothetischer Sozialwissenschaft, welche sich die naturwissenschaftliche Forschungslogik entlehnt hat und deren Ziel es ist, generalisierende Aussagen zu treffen. Hierfür wurde für die relevanten Variablen in dem zu analysierenden Datensatz eine Korrelations- bzw. Kovarianzmatrix erzeugt, die anschließend in AMOS eingelesen wurde. Die Verwendung einer solchen Matrix gegenüber den Rohdaten hat unter anderem den Vorteil, dass dadurch die „Modification Indices“ unter AMOS zur Verfügung stehen, die (statistische, datenorientierte) Verbesserungen des Modells vorschlagen.

Bei der Überführung abgeleiteter Hypothesen in ein empirisch überprüfbares Modell wird nach einer ersten deskriptiven Betrachtung eine Zwei-Schritt-Strategie verfolgt. Dieses Vorgehen wurde von Jöreskog (1993) vorgeschlagen. Das bedeutet: „Zunächst werden die Messmodelle mit einer konfirmatorischen Faktorenanalyse geprüft und falls erforderlich modifiziert. Dann erst wird in einem zweiten Schritt das Strukturgleichungsmodell mit den kausalen Beziehungen zwischen den latenten Variablen einschließlich der Messmodelle überprüft“ (Schmidt/Heyder 2000: 460). Oder anders ausgedrückt: Zunächst werden die Korrespondenzhypothesen der Messtheorie und anschließend zusätzlich die Strukturhypothesen der Kerntheorie überprüft. In dieser Arbeit werden Strukturgleichungsmodelle für Gesamtdeutschland, Westdeutschland, Ostdeutschland und in einem multiplen Gruppenvergleich zwischen Ost- und Westdeutschland zur Prüfung einzelner Konstrukte und deren Beziehungen untereinander geschätzt.

Auf Grund der Tatsache, dass Strukturgleichungsmodelle Analysen auf Aggregatdatenebene darstellen, sind damit einhergehend eine Reihe von Annahmen und damit Begrenzungen des Ansatzes verbunden, die hier nicht unerwähnt bleiben sollen. Beispielsweise wird Additivität und Linearität der Konstrukte unterstellt. „Nicht prüfbare Annahmen sind u.a., dass die Konstrukte und die Messfehler ihrer Indikatoren nicht korreliert sind“ (Schmidt/Heyder 2000: 460). Außerdem muss für die Parameterschätzung die Matrix invertierbar (Varianzen müssen positiv sein) und das Modell identifizierbar, d.h. die Anzahl der zu schätzenden Parameter muss kleiner der Anzahl der Freiheitsgrade sein. Durch den konfirmatorischen Charakter von Strukturgleichungsmodellen muss weiterhin eine gesicherte Theorie dem Modell vorangestellt werden, welche Aufschluss gibt über die Richtung der Kausalbeziehungen im Modell (Vgl. Backhaus et al. 2007: 414f.).

3. Theoretischer Hintergrund

3.1 Kerntheorie

Laut empirisch-analytischer Wissenschaftstheorie muss eine Theorie, die als solche gelten will, mindestens eine empirisch überprüfbare Hypothese besitzen. Die Aufgabe der Wissenschaft im Lichte des Kritischen Rationalismus liegt dann in der Falsifikation der postulierten Hypothesen und nimmt damit einen bescheideneren Anspruch ein als das Verifikationsverlangen von Positivisten. Erkenntnis besteht darin, Theorien, welche die real existierende Außenwelt zu beschreiben versuchen, zu testen und zu widerlegen. Wenn die aus der Theorie4 explizierten Hypothesen geprüft und in diesem Zusammenhang bestätigt werden, dann nicht im Sinne von Verifikation, sondern in der Annahme, dass alles Wissen nur vorläufig sowie meist räumlich-zeitlich begrenzt ist und die Hypothesen nur nicht zurückgewiesen werden, weil sie noch nicht falsifiziert wurden, aber generell falsifizierbar sind (Vgl. Popper 1994: XV; Iser 2007: 9).

Die hier zu Grunde gelegte, testbare Kerntheorie, die den Zusammenhang zwischen den latenten Konstrukten beschreibt, - als eine Komponente eines Forschungsprogramms neben metaphysischen Annahmen, Messtheorie und Methodentheorie (Vgl. Schmidt et al. 1997: 77) - stammt in der Urfassung von Adorno et al. (1950) und postuliert, dass Autoritarismus Diskriminierungstendenzen und Antisemitismus erklärt (Vgl. Heyder/Schmidt 2000: 119). Die autoritäre Persönlichkeit ist dabei gekennzeichnet durch ausgeprägte Vorurteilsbereitschaft, die Ethnozentrismus begünstigt. Gründe für die Entstehung solch intra- personaler Faktoren einer autoritären Persönlichkeitsstruktur liegen dabei in der Familie. Die übermäßig harten Bestrafungen durch den Vater und die Orientierung an konventionellen Moralvorstellungen führen zur Aggregation von Frust bei den betroffenen Kindern und Jugendlichen. Eine Fokussierung auf die eigene Gemeinschaft ist die Folge, die einhergeht mit einem Frustabbau bei vermeintlich schwächeren oder als minderwertig betrachtenden Randgruppen im sozialen Umfeld. Die autoritäre Persönlichkeit ist durch ein Syndrom unterschiedlicher Merkmale geprägt (Vgl. Rippel/Kindervater/Seipel 2000: 16): Konventionalismus, autoritäre Unterwürfigkeit, autoritäre Aggression, Anti-Intrazeption, Aberglaube und Stereotypie, Machtdenken, Destruktivität und Zynismus, Projektivität sowie übertriebene Sexualität. Autoritarismus stellt damit einen wichtigen, wenn auch nicht alleinigen Faktor für die Herausbildung von Ethnozentrismus dar. Allerdings ist Autoritarismus keine notwendige Voraussetzung für ethnozentristische Einstellungen, andere Ursachen sind ebenfalls denkbar. (Vgl. Heyder/Schmidt 2000: 123). Nicht eindeutig ist auch der Begriff Ethnozentrismus. So untergliedert z.B. Ulrich Rosar Ethnozentrismus in vier Dimensionen: Nativismus, Disparatismus, Kulturzentrismus und Biologismus (Rosar 2001: 37).

Heyder und Schmidt (2003) und Heyder (2003, 2005) hingegen benutzen für ihre empirischen Untersuchungen ein zweidimensionales Konzept von Ethnozentrismus, welches auch hier verwendet wird. Ethnozentristische Einstellungen zeigen sich demnach in Fremdgruppenabwertung und Eigengruppenidealisierung. Antisemitismus und Ausländerfeindlichkeit gehören der Subdimension der Fremdgruppenabwertung an. Sie werden im Folgenden nicht als Variablen, sondern auf der Ebene latenter Konstrukte betrachtet, die wiederum durch Indikatoren gemessen werden (Vgl. Hermann 2001: 65). Eigengruppenidealisierung zeigt sich im Herausheben der eigenen Gruppe, anhand bestimmter Merkmale, als etwas besseres. Dabei ist es unerheblich, ob diese Merkmale tatsächlich, überspitzt oder konstruiert sind.

Als Strukturhypothesen für die Beziehung zwischen Autoritarismus, Ethnozentrismus, Ausländerfeindlichkeit, Antisemitismus und Eigengruppenidealisierung kann daher expliziert werden:

SH1: Je stärker Autoritarismus bei einer Person ausgeprägt ist, desto stärker sind ihre ethnozentristischen Einstellungen ausgeprägt.

SH2: Je stärker Ethnozentrismus bei einer Person ausgeprägt ist, desto stärker sind ihre ausländerfeindlichen Einstellungen ausgeprägt.

SH3: Je stärker Ethnozentrismus bei einer Person ausgeprägt ist, desto stärker sind ihre antisemitischen Einstellungen ausgeprägt.

SH4: Je stärker Ethnozentrismus bei einer Person ausgeprägt ist, desto stärker idealisiert sie ihre eigene Gruppe.

SH2 und SH3 stellen damit die Dimension der Fremdgruppenabwertung dar, Eigengruppenidealisierung wird nicht näher untergliedert.

Welchen Einfluss haben Bildung und Status auf autoritäre und ethnozentristische Einstellungen? Zunächst erscheint es evident, dass in der modernen Wissensgesellschaft Bildung ausschlaggebend ist für die Ergreifung eines qualifizierten Berufes, der wiederum die Höhe des sozialen Status beeinflusst. So zeigte eine kürzlich erhobene Absolventenstudie des Hochschulinformationssystems (Vgl. Kerst/Schramm 2008), dass die Arbeitslosigkeit unter Akademikern fünf Jahre nach ihren Abschluss unter 3 % und damit deutlich unter der allgemeinen Arbeitslosenquote liegt, auch wenn es fachspezifische Unterschiede gibt. Insgesamt urteilt die Studie, dass Bildung immer noch die beste Investition gegen Arbeitslosigkeit darstellt. Mehrfach nachgewiesen ist auch der Einfluss von Bildung auf autoritäre und ethnozentristische Einstellungen (z.B. bei Bergmann 1991:75; Gänger 2007: 42 f., Hopf 2000). Je höher die Bildung, desto niedriger sind sie ausgeprägt. Mögliche Gründe liegen in den stärker entwickelten kognitiven Fähigkeiten, die dazu beitragen Vorurteile und Pauschalisierungen zu hinterfragen und stereotypische Mythen über Fremdgruppen, aber auch im Bezug auf die eigene Gruppe zu durchschauen. Fremdenhass wird dadurch aber nur abgebaut, wenn die Bildung in liberalen und demokratischen Gesellschaften erfolgt, die Minderheiten schützen und stärken (Vgl. Heyder/Schmidt 2000: 125). Auch zunehmende Toleranz, die mit steigender Bildung einhergeht ist ein Faktor, welcher ablehnende Haltungen gegenüber Fremdgruppen reduziert (Heyder 2003: 79). Bildung kann aber nicht allein für die Zusammenhänge verantwortlich sein. So wurde nachgewiesen, dass Bildung auf die latenten Konstrukte nicht unabhängig vom Zeitpunkt des Erwerbes wirkt und es somit einen Generationen- und Lebenszykluseffekt gibt, der das Verhältnis beeinflusst (Hadwiger 2006). Die Einbeziehung des Alters wird im Folgenden jedoch außen vorgelassen.Sozialer Status hat ähnlich wie Bildung ebenfalls einen reduzierenden Effekt auf autoritäre und ethnozentristische Einstellungen. Eine Erklärung dafür ist, dass sich Personen mit einem hohen sozialen Status weniger durch Minderheiten bedroht fühlen, da sie auch weniger mit Migranten für sehr qualifizierte Tätigkeiten auf dem Arbeitsmarkt konkurrieren sowie selbst eine positivere Identität von sich haben, was eine niedrigere Eigengruppenidealisierung zur Folge hätte (Vgl. Heyder/Schmidt 2000: 125).

Die hier dargestellten Zusammenhänge lassen sich wie folgt in Strukturhypothesen formalisieren:

SH5: Je höher die Bildung einer Person, desto höher ihr sozialer Status.

SH6: Je höher die Bildung einer Person, desto weniger sind ihre autoritären Einstellungen ausgeprägt.

SH7: Je höher die Bildung einer Person, desto weniger sind ihre ethnozentristischen Einstellungen ausgeprägt.

SH8: Je höher der soziale Status einer Person, desto weniger sind ihre autoritären Einstellungen ausgeprägt.

SH9: Je höher der soziale Status einer Person, desto weniger sind ihre ethnozentristischen Einstellungen ausgeprägt.

Die Übersicht zeigt die hypothetischen Zusammenhänge zwischen den latenten Konstrukten.

Abbildung 1: Strukturhypothesen zwischen den latenten Konstrukten

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

„+“ = Je höher, desto stärker ausgeprägt; „-“ = Je höher, desto schwächer ausgeprägt; Zu den Abkürzungen: Auto = Autoritarismus; Bild = Bildung; Ethno = Ethnozentrismus; Status = sozialer Status; Auslä = Ausländerfeindlichkeit; Antise = Antisemitismus; Eigen= Eigengruppenidealisierung; Alle hier verwendeten Abkürzungen gelten auch in allen folgenden Abbildungen.

3.2 Messtheorie

Die Messtheorie beschreibt, wie die einzelnen Variablen die latenten Konstrukte messen. Dabei geht die Kausalität vom latenten Konstrukt aus (Jahn 2007: 8). Oder anders ausgedrückt: Eine nicht beobachtbare, latente Einstellung ist der Grund, warum bestimmte Werte bei den Indikatoren auftreten. Deshalb zeigen die Pfeile in der grafischen Benutzeroberfläche z.B. bei AMOS auch vom latenten Konstrukt (runder Kreis) zu den Indikatoren (Rechtecke). Eine solche Konstellation bezeichnet ein reflektives Messmodell. Alle hier verwendeten Modelle sind reflektiv, im Gegensatz zu formativen, bei denen die Richtung der Kausalität entgegengesetzt ist und die sich mit Hilfe von AMOS oder LISREL nur sehr schwierig modellieren lassen.

Voraussetzung für reflektive Messmodelle ist, dass die Indikatoren, die ein Konstrukt messen, untereinander signifikant korrelieren. Im Gegensatz zu formativen Messmodellen ist es daher nicht nötig eine größtmögliche Anzahl an Indikatoren zu verwenden. AMOS benötigt für die Berechnung von latenten Konstrukten (für sich allein betrachtet ohne andere Restriktionen) drei, besser vier Indikatoren um die Gleichungen zu schätzen. Mehr Indikatoren machen auf Grund des Prinzips der Modelleinfachheit nur dann Sinn, wenn ihre Auswahl theoretisch begründet werden kann. Für eine bessere Übersicht ist es darüber hinaus hilfreich, wenn alle Items die gleiche Richtung des Zusammenhanges untereinander aufweisen, d.h. idealerweise symbolisieren hohe deskriptive Werte bei den Items die stärkere Ausprägung des latenten Konstruktes. Für den Fall, dass Items in die entgegengesetzte Richtung wirkten, so wurden sie in die entsprechend passende Richtung recodiert und mit einem „r“ hinter der Variablenbezeichnung versehen (siehe Übersicht der Items unter 4.1).

Aufgrund der Gestaltung des ALLBUS als Mehrthemenumfrage wurden nur zwei Items zur Messung von Autoritarismus aus der ursprünglich wesentlich umfangreicheren Allgemeinen Autoritarismus-Skala (Vgl. Schmidt/Stephan/Herrmann 1995: 222) erhoben:

V64: „Wir sollten dankbar sein für führende Köpfe, die uns genau sagen, was wir tun sollen und wie.“

V65: „Im Allgemeinen ist es einem Kind im späteren Leben nützlich, wenn es gezwungen wird, sich den Vorstellungen seiner Eltern anzupassen.“

[...]


1 Ausführlicher Quellenhinweis und empfohlene Zitation laut Datenhandbuch: „Die in diesem Beitrag benutzen Daten entstammen der „Allgemeine Bevölkerungsumfrage der Sozialwissenschaften“ (ALLBUS 2006). Das ALLBUS-Programm ist 1980-86 und 1991 von der DFG gefördert worden. Die weiteren Erhebungen wurden von Bund und Ländern über die GESIS (Gesellschaft sozialwissenschaftlicher Infrastruktureinrichtungen) finanziert. ALLBUS wird an den Standorten Mannheim und Köln in Zusammenarbeit mit dem ALLBUS- Ausschuß realisiert. Die vorgenannten Institutionen und Personen tragen keine Verantwortung für die Verwendung der Daten in diesem Beitrag“ (Terwey et al. 2007: 49).

2 Zur weiteren Verwendung von Gewichtungen beim ALLBUS siehe auch Wasmer et al. 1996.

3 Andere Schätzverfahren sind z.B. die Methode der Unweighted Least Squares (ULS) oder die Asymptotically Distribution Free (ADF)-Schätzung. Letztere benötigt aber sehr große Stichproben (n > 5000), was ihre Praxistauglichkeit stark einschränkt. ULS hingegen liefert robuste Ergebnisse bei ähnlich große Stichproben wie die ML-Methode ohne eine Verteilungsannahme, dafür stehen aber weniger Gütemaße zur Verfügung. Da selbst bei der Abweichung von der Normalverteilung die ML Methode aber gute Ergebnisse liefert, ist sie die am häufigsten empfohlene Methode (Vgl. Jahn 2007: 13f.).

4 Um möglichst eine fehlerfreie und genaue Explikation von Hypothesen zu erzielen, sollte versucht werden die Originaltexte der Theorien zu analysieren um Verwässerungen durch Sekundärinterpretationen zu vermeiden (Vgl. Schmidt et al. 1997: 78). Diese Arbeit bezieht sich allerdings auf Grund ihrer Begrenzung explizit auf die Interpretationsleistungen von Drittautoren, welche die ursprüngliche Theorie auf Hypothesen expliziert haben

Ende der Leseprobe aus 37 Seiten

Details

Titel
Autoritarismus – Ethnozentrismus – Bildung. Eine empirische Untersuchung mit Strukturgleichungsmodellen zwischen West- und Ostdeutschland anhand der Daten des ALLBUS 2006
Hochschule
Philipps-Universität Marburg  (Institut für Politikwissenschaft)
Veranstaltung
Empirische Analysen kausaler Zusammenhänge
Note
1,7
Autor
Jahr
2008
Seiten
37
Katalognummer
V116431
ISBN (eBook)
9783640181742
Dateigröße
784 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Autoritarismus, Ethnozentrismus, Bildung, Eine, Untersuchung, Strukturgleichungsmodellen, West-, Ostdeutschland, Daten, ALLBUS, Empirische, Analysen, Zusammenhänge
Arbeit zitieren
Martin Schultze (Autor:in), 2008, Autoritarismus – Ethnozentrismus – Bildung. Eine empirische Untersuchung mit Strukturgleichungsmodellen zwischen West- und Ostdeutschland anhand der Daten des ALLBUS 2006, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/116431

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