Die Minderheiten in Bulgarien seit 1944


Seminararbeit, 2008

24 Seiten, Note: 2,0


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis:

1. Einleitung

2. Bulgariens Weg zum Sozialismus
2.1. Politischer Zustand bis 1944
2.2. Politischer Zustand nach 1944

3. Die türkische Minderheit in Bulgarien
3.1. Die türkische Minderheit vor 1944
3.2. Die Politik der kommunistischen Partei

4. Die türkische Integration nach 1989
4.1. Politische Situation nach 1989 in Bezug auf die Minderheiten
4.2. Die Frage nach der Tolleranz
Exkurs: Die Roma und die Juden
Die Juden
Die Roma

5. Fazit

1. Einleitung

Nach dem russisch-türkischen Kreig von 1878 wurde ein unabhängiger bulgarischen Staat neu geschaffen. Nach der fast 500 jährigen türkischen Herrschaft musste das Leben der Bulgaren neu geregelt werden, das Land sollte seinen neuen Weg zur eigenständigen ökonomischen, gesellschaftlichen und politischen Entwicklung finden. Obwohl Bulgarien nach dem Berliner Kongress im selben Jahr anfänglich in Fürstentum Bulgarien und das autonome Gebiet Ostrumelien geteilt wurde und somit im bulgarischen Verständnis als „Verlierer“ des Kriegs betrachtet wurde, schaffte es noch in den nächsten paar Jahren die beiden Teile wieder zu vereinigen.

Die Wiedergeburt des damals starken Landes ist durch viele Schwierigkeiten geprägt, was seine neue Miteinbeziehung in die europäische Kultur und Standart nach einer so langen „Abwesenheit“ keine leichte Aufgabe war.

Aus der Zeit des Kriegs datiert auch die bulgarische Sympatie gegenüber Russland, später der Sowjetunion. Die Russen wurden als Befreier aufgenommen, ihre Politik und Entwicklung, die zu ihrer militärischen Stärke führten, wurden von den meisten politischen Kräfte in Bulgarien als Beispiel seiner Politik genommen. Noch dazu war der bulgarische Zar Allexander Battemberg eng mit der russischen Dynastie durch Verwandschaftsbeziehungen verbunden, die ihm auch zum Thron verhalf, und somit auch politisch abhängig von Russland. Nach dem Ende des russisch-türkischen Krieges wurde in dem Fürstentum eine provizorische russische Regierung geschaffen. Im Großen und Ganzen half diese Regierung viel zu der anfänglichen Entwicklung Bulgariens. Sie führte zur Lösung des Agrarproblems, indem sie neue wiftschaftliche Institutionen und Regeln einführte und den bulgarischen Zugang zu der Schwarzmeerküste und zu den Seehäfen am Ägäischen Meer sicherte. Ihr gelang es, den bulgarischen Charakter Ostrumeliens bis zur Vereinigung zu behalten, sie liquidierte das osmanische Feudalsystem und gründete neue staatliche Institutionen. Neben dem Verlust des zweiten Weltkriegs sind das weitere Gründe, die erklären sollen, warum seitens Bulgariens der Anfang des sowjetisch beeinflussten sozialistischen Regimes widerstandslos akzeptiert wurde..

Ziel der vorliegenden Arbeit ist, die politischen Ereignisse in Bulgarien und ihre Auswirkungen auf die Minderheiten auf bulgarischem Territorium zu zeigen.

Aufgrund der politischen Situation nach 1944 besteht in der bulgarischen Historiografie keine Sicherheit zum Thema der Innenpolitik Bulgariens. Sie fehlt sogar teilweise, besonders über Periode zwischen 1944 und 1957. Mit Hilfe der bestehenden Mittel werden aber die Ereignisse so präsentiert, wie sie allgemein bekannt geworden sind.

2. Bulgariens Weg zum Sozialismus

2.1. Politischer Zustand bis 1944

In den Beschlüssen des Versailler Vertrags, der das Ende des Ersten Weltkriegs bezeichnet, steckt ein Hintergrund für einen zukünftigen Krieg. Bis zum Ende der dreißiger Jahre vertreten die Großmächte wieder verschiedene Meinungen. Einerseits wollten Großbritanien, Frankreich und die USA ihren Status quo behalten, andererseits wollten die Länder mit faschistischer Ideologie wie Deutschland, Italien, Japan u.a. mehr „Lebensraum“ für sich schaffen. Getrennt von allen führt die UdSSR eine eigenständige Politik.

Für Bulgarien ist die Teilnahme an dem Zweiten Weltkrieg eine wichtige Entscheidung, indem von ihr abhängt, ob das Land eine neue nationale Katastrophe erleben, oder endlich ihre nationale Vereinigung erreichen wird. Für die bulgarische Entscheidung, sich am 1. März 1941 Deutschland anzuschließen, spielt der deutsche Sieg über Frankreich und seine neugeschaffene Hegemonie in Europa eine erhebliche Rolle. Zur selben Zeit ist ein Erfolg für die bulgarische Regierung, dass trotz des bulgarischen Anschlusses zu den Dreimächten, die diplomatischen Beziehungen mit Russland bis zum 5. September 1944 erhalten wurden und die Tatsache, dass der Staat keine Armeen an den östlichen Front geschickt hat. Das sicherte teilweise die Chancen, dass Bulgarien seine vorherigen Grenzen nach dem Krieg behalten konnte.

Noch vor dem Beitritt zum Dreimächtepakt sind in Bulgarien faschistische Spuren zu bemerken. Die Regierung des Königs Boris III. verwandelt sich mit der Zeit zur Eigenmacht.[1] Mit dem bulgarischen Anschluss zu dem Krieg ist ein Gesetz zur bürgerlichen Mobilisierung aufgenommen worden, das zum Ziel hat, das bulgarische Leben an den Zwecken des Krieges anzupassen. Die Getreidepreise wurden erhöht und ein Lebensmittelmarkensystem wurde eingeführt. Dieses System zielte den Lebensmittelverbrauch innerhalb des Staates zu regulieren, damit mehr Waren ins Ausland (vor allem nach Deutschland) exportiert werden können. Andere faschistische Zeichen der Regierung in den vierziger Jahren waren das Gesetz des Nationsschutzes, das die bulgarischen Juden außerhalb des Landesgesetzes lässt und das Gesetz zur Organisation der bulgarischen Jugend, das als Vorbild die faschistische „Hitlerjugend“ hatte. Die bulgarische Organisation war direkt dem Premierminister untergestellt und widersprach den demokratischen Traditionen Bulgariens, weswegen sie erhebliche Proteste seitens der Schüler und der Studenten herrief.

Ab Mitte des Jahres 1943 herrscht in Bulgarien eine schwere politische Krise, die eine Folge des Anschlusses des Staates an die Seite des Dreimächtepaktes ist.[2] Im August, als der bulgarische König Boris III. starb, wurde die Situation noch schlimmer, weil sein Nachfolger Simeon II. minderjährig war und seine Regentschaft im Widerspruch zur bestehenden Konstitution bestimmt wurde. Außerdem standen die Regenten Prinz Kiril, Bogdan Filow und Nikola Mihow stark auf der deutschen Seite im Krieg. Anfang 1944 begann die Regentschaft, eine Gendarmerie zu schaffen, die die Partisanengruppen, die sich den Machtentscheidungen der Regierung widersetzten, verfolgen und vernichten sollte, die Aufruhrs und die verbotenen Manifestationen unterdrücken sollte. Durch diese Tätigkeit wurde die Gendarmerie bis heute als eine der grausamsten bulgarischen Organisationen bezeichnet – ganze Familien wurden getötet, Häuser wurden verbrannt und Leichen wurden auf den Straßen gelassen, damit sie Angst in der Bevölkerung verursachen konnten. Es wurden noch einige Konzentrationslager gebaut, wo „für die Macht gefährliche“ politische und geselschaftliche Funktionäre eingesperrt wurden.

Im Juni 1944, als das erfolglose Ende des Kriegs bereits vorauszusehen war, suchte die Regierung eine Rettung für sich und für die schlechte Lage Bulgariens. Eine neue Regierung mit dem Vorsitzenden Iwan Bagryanow wurde einberufen, die aber die außenpolitische Richtung Bulgariens nicht mehr wenden konnte.

2.2. Politischer Zustand nach 1944

Die in der bulgarischen Historiographie als „Nachkriegsgeschichte“ bezeichnete Periode in Bulgarien fängt noch vor dem eigentlichen Kriegsende an. In der Nacht vom 8-9. September 1944 wurde die bisher faschistische Regierung des Staates von dem Vaterländischen Front[3] zusammen mit der Gruppe „Zweno“ übernommen.[4]

Die „Zweno“ Gruppe entwichelte sich als Opposition der Zarenpolitik schon seit langem. Als aber die Niederlage Deutschlands noch 1943 bereits zu sehen war, war das Überdenken der zaristischen Politik äußerst notwendig.

Der Vaterländische Front bestand aus Mitgliedern des Bulgarischen Bauernvolksbundes, der Demokratischen Partei und der linken Sozialdemokraten. Eben die Mitglieder des sozialdemokratischen Teils waren diejenigen, die sich später als „Bulgarische Kommunistische Partei“[5] formten.

Als sich die russische Armee im September 1944 den bulgarischen Grenzen näherte und die sowjetische Regierung Bulgarien den Krieg erklärte, übernahmen in den nächsten Tagen die Oppositionellen die Regierung. Dieser Wechsel war mehr oder weniger ein politisches Spiel, das den Wechsel der Kriegsposition Bulgariens zu rechtfertigen suchte. Noch am 9. September brach Bulgarien alle diplomatischen Beziehungen mit Deutschland ab und erklärte ihm den Krieg auf der Seite der Roten Armee. Für diese Maßnahmen war es aber zu spät und so befand sich Bulgarien unter russischer Kontrolle in dem sogenannten „eisernen Vorhang“. Nach den Absprachen bezüglich der Aufteilung der besiegten Länder zwischen Churchill und Stalin im Oktober 1944 sollten 80% Bulgariens unter der politischen Kontrolle Russlands fallen. Deswegen, obwohl der Vaterländische Front sich vorher von den Kommunisten distanzierte, lag nach 1944 die praktische Macht vorwiegend in kommunistischen Händen, deren Politik eng mit dieser der russischen kommunistischen Partei verbunden war. Die eigentliche Machtübernahme von den Kommunisten begann ab 1947, als der Friedensvertrag unterschrieben und in Kraft gesetzt wurde. Die sich innerhalb des Vaterländischen Fronts befindenden Kommunisten schafften es, alle anderen demokratischen Kräfte in ihrem Umkreis zu beseitigen und den sowjetischen politischen Kurs fortzusetzen.

Abgesehen von dem politischen Hintergrund war die sozialistische Septemberrevolution eine Fortsetzung bzw. Nachahmung der Bolschewistischen Revolution in Russland 1917, die eben eine neue, moderne Gesellschaft auf der Grundlage der Gleichberechtigung aber unter den Voraussetzungen gesellschaftlicher und politischer Rückständigkeit zu schaffen versuchte.[6]

Der erste Schritt der neuen bulgarischen Regierung war die Säuberung von allen Anhängern des zaristischen Regimes. Im Widerspruch zu der damals bestehenden Konstitution wurden selbst die Zarenregenten beseitigt und von einem Volkstribunal zum Tode verurteilt.

Im September 1946 wurde ein Referendum gehalten, das die Monarchie in Bulgarien abschaffte und das Land zu einer Volksrepublik erklärte. Nach den offizielen Angaben, in der kommunistischen Zeitung „Duma“ (Wort) veröffentlicht, stimmten für die Abschaffung der Monarchie etwa 95,63% der Bevölkerung[7], wofür als Grund die Kriegsposition des Königs Boris III. und ihre katastrophalen Folgen für das Land betrachtet wurde. Bezüglich dieser Abstimmung gibt es viel zu streiten. Erstens besteht der Zweifel, dass die Wahlen unter repressiven Umständen durchgeführt wurden. Zweitens fand das gesamte Referendum im Widerspruch zu der bestehenden Tarnowo-Konstitution statt, die eine Abschaffung der Monarchie sowie die Möglichkeit für so ein Referendum nicht vorsah und nicht zuließ.

Nach der Übernahme der neuen Form des Staates und der neuen Konstitution einen Monat später, begann eine kommunistischgeprägte Politik nach sowjetischem Beispiel , die mit der kompletten Säuberung der alten Parteimitglieder anfing.[8] Minister wurde Georgi Dimitrow-Gemeto, der mit den Ereignissen im deutschen Reichstag zu verbinden ist, der nicht nur Parteimitglieder und „alte Kommunisten“, sondern auch unschuldige Bürger, Geschäftsleute, Bauern, Beamte u.s.w. zu „Feinden der Partei“ erklärte und sie in Schauprozessen verurteilen ließ. So formte sich bald eine eher totalitäre eigenmächtige Regime. Ab 1950 wurde seine politische Richtung von dem neuen Ministerpräsidenten Walko Cherwenkow fortgesetzt. Er folgte einen Kurs der Gleichschaltung aller Bevölkerungsgruppen innerhalb Bulgariens, was auch die Minderheiten direkt betraf. Eindeutig legte sich die Partei im April 1956 auf die Errichtung einer „einheitlichen sozialistischen bulgarischen Nation“ fest. Für Volksgruppen, die auf ihre nationalen Eigenheiten bestanden, war in diesem Konzept kein Platz mehr. Zwar hatte die „Dimitrov- Verfassung“ von 1947 den in Bulgarien lebenden Minderheiten nach sowjetischem Muster das Recht auf Muttersprache und nationale Kultur garantiert, aber in der Ära Cervenkov wurde verstärkt eine auf die Assimilation und Einschränkung der Rechte orientierte Nationalitätenpolitik geführt. Die Minderheiten wurden immer stärker unterdrückt und zur Auswanderung ermuntert.

Nach sowjetischem Muster versuchte Cherwenkow Bulgarien von einem überwiegend landwirtschaftlichen in ein industrielles Land zu verwandeln. Diesem Zweck sollte die Kollektivisierung des Landes dienen – das bedeutete eine zentrale Planung und Leitung der gesamten Produktion des Landes, wofür die „Landwirtschaftlichen Produktionsgenossenschaften“[9] verantwortlich waren. Damit wurden die Schichtendifferenzierungen beseitigt, zugleich wurden aber die Kleinbauern, die eine Mehrheit der Bevölkerung darstellten, ausgebeutet. Privatunternehmen durften nicht mehr existieren, die Partei bestimmte die Preise, die erheblich erhöht wurden, um eine rasche ökonomische Entwicklung zu ermöglichen. Die Benachteiligung einiger Schichten und die schnellen Schritte der Industrialisierung führten zu einer großen ökonomischen und moralischen Krise in Bulgarien.

Die Kollektivisierungskampagne in der Landwirtschaft hatte den passiven Widerstand der bäuerlichen, traditionell empfindenden türkischen Volksgruppe geweckt. Immer mehr Angehörige der türkischen Minderheit stellten Ausreiseanträge oder versuchten illegal über die Grenze in die Türkei zu entkommen.

Die Anfangszeit der kommunistischen Herrschaft war durch einen Kampf gegen den religiösen Glauben allgemein und durch eine starke Verfolgung religiöser Gemeinschaften gekennzeichnet. Das beeinträchtigte auch die kulturelle Identität der Minderheiten, die sich zum größten Teil durch die Zugehörigkeit zu einer bestimmten Religion formte.

Nach dem Tod Stalins im Jahr 1953 begann sein Nachfolger Nikita Chruschow eine mildere Poltik zu führen, die natürlich auch den bulgarischen politischen Kurs veränderte. Die Lebensmittelpreise sanken wieder, ein großer Teil der politischen Häftlinge wurden amnestiert.[10]

In dieser Zeit begann sich die Figur von Todor Zhiwkow auszuzeichnen. 1956 war er der Hauptankläger gegen Cherwenkow. Wegen des öffentlichen Terrors und der Unterdrückung der Bevölkerung trat im selben Jahr Cherwenkow aus der Regierung aus.

Ab 1962 war Zhiwkow auf verschiedene Weisen die oberste Figur im staatlichen Verwaltungsapparat. Seine Zeit ist durch zahlreiche wirtschaftliche Experimente und den Versuch der Vereinheitlichung und der Schaffung gleichen Lebensstandards der Gesellschaft ohne Berücksichtigung der nationalen Herrkunft gekennzeichnet. Dieser gesellschaftliche Ausgleich lag aber viel mehr auf nationalistischen als auf toleranten Prinzipien. Die These von der zwangsläufigen Herausbildung einer „sozialistischen Nation“ und das Propagieren der „patriotischen Erziehung des Volkes“ seit 1967 kollidierte mit den Forderungen der Minderheiten nach kultureller Eigenständigkeit. Die Minderheitenfrage, die sich Bulgarien seit der Gründung des modernen Staates stellte, konnte auch unter kommunistischer Herrschaft nicht befriedigend gelöst werden

Der Untergang der Ära Zivkov fängt noch ab 1985 an, als der Handelsmarkt Bulgariens mit den europäischen Ländern sich zumindest begrenzt geöffnet hat, wobei die Bevölkerung schon eine Differenzierung zwischen den beiden ökonomischen Kursen machen konnte. Diese neuen Handelsmöglichkeiten rüttelten an den Grundlagen der kommunistischen Ideologie, die nachher im Jahr 1989 ihr Ende fand.

3. Die türkische Minderheit in Bulgarien

Noch nach dem Friedensvertrag von San Stefano im 1878 verpflichtet sich Bulgarien für alle Minderheiten auf sein Territorium Gleichberechtigung zu sichern. Diese Verantwortung festigt sich auch im Vertrag von Berlin und nach dem Zweiten Weltkrieg.[11]

3.1. Die türkische Minderheit vor 1944

Die Geschichte Bulgariens, die lange türkische Herrschaft und die besondere Lage des Landes in einer Grenzregion für die beiden größten Religionen – das Christentum und den Islam- setzt die Anwesenheit muslimischer Bevölkerung auf seinem Territorium voraus.

Einige türkische Stämme sind noch im 14. Jahrhundert nach Bulgarien umgesiedelt, weiter im Verlauf der türkischen Herrschaft auf der Balkanhalbinsel sind die größten bulgarischen Städte von Türken aus Anatolien kolonisiert worden.

Gleich nach der Befreiung Bulgariens von der türkischen Herrschaft ist eine massenhafte Emigrationswelle der Türken zu verzeichnen. An erster Stelle bestand die Angst vor Represallien gegenüber ihnen, nach der fast fünf Jahrhundertendauernden türkischer Hegemonie. Weiterhin spielten die schnellen kulturellen Veränderungen am Ende der 19. Jahrhunderts auch eine erhebliche Rolle. Die neue europäisch geprägte Bekleidung, die neuen Arten der Unterhaltung, wo auch die Frauen den Männern gleichgestellt waren, widersprach den kulturellen und religiösen Ansichten der türkischen Minderheit.[12] Die Kriegssituation während der Balkankriege (1912-1913) führte sogar zu den größten türkischen Emigrationswellen im 20. Jahrhundert.[13]

Statistisch gesehen aber, ist nach der anfänglichen Auswanderung der Muslime aus Bulgarien ein Rückzug zu bemerken, was doch tatsächlich nur das Resultat der Vereinigung Bulgariens mit dem autonomen Ostrumelien 1885 war. In Ostrumelien befanden sich Gebiete wie Kardzhali und Haskowo, die überwiegend aus türkischer Bevölkerung bestanden.

Ende des 20. Jahrhunderts wurden auch Gesetze verabschiedet, die die türkische Bevölkerung in Bulgarien betrafen. Eines davon war die Regelung, dass die Jungen vor ihrem 18. und die Mädchen vor dem 17. Lebensjahre nicht heiraten durften, was eben auch eine Beschränkung der religiösen Autonomie der Minderheit war.

Doch wurden auch einige Schritte vorgenommen, die die Bildung innerhalb der türkischen Gemeinschaft entwickeln sollten. Da eine große Zahl der Türken Analphabeten waren, wurde türkischer Unterricht in einigen Schulen gehalten. Ab 1907 wurden auch in der Sofioter Universität Vorlesungen auf Türkisch gehalten.[14]

Im Großen und Ganzen aber, in den zwanziger und dreißiger Jahren des 20. Jahrhunderts lebten die Bulgaren und die Türken in Ausgeglichenheit und Einvernehmen, weil die Türken und ihre ganzen Familien, die zu dieser Zeit noch in Bulgarien lebten, meistens dort geboren waren und den gleichen Lebensstandart wie die Bulgaren hatten. Dieser Zustand ist in der bulgarischen Historiografie als der Anfang des „ethnischen Models“ bekannt, womit die Gleichberechtigung zwischen den Bulgaren und den bulgarischen Staatsangehörigen anderer Herkunft und die Gesamtheit von Komponenten, die neutral zu anderen stehen und sich miteinander in bestimmten Ramen zusammenwirken gemeint sind.

[...]


[1] Crampton, R. J.: Bulgaria (New York, 2007); S. 249

[2] Crampton, R. J.: Bulgaria (New York, 2007); S. 271

[3] Aus dem bulgarischen „Otechestwen front“, kurz OF

[4] Härtel, Hans-Joachim; Schönfeld, Roland: Bulgarien (Regensburg, 1998); S. 190

[5] Aus dem Bulgarischen: „Balgarska komunisticheska partiya“, kurz: BKP

[6] Brunnbauer, Ulf: Die sozialistische Lebensweise (Wien, Köln, Weimar; 2007); S. 16

[7] http://www.duma.bg/2006/0906/150906/obshtestvo/ob-3.html - offizielle Webseite von Duma Zeitung

[8] Crampton, R. J.: Bulgaria (New York, 2007); S. 316ff

[9] Aus dem bulgarischen: „Trudowo-kooperatiwno zemedelsko stopanstwo“, kurz: TKZS

[10] Härtel, Schönfeld: Bulgarien (Regensburg, 1998); S. 228

[11] Crampton, R. J.: Bulgaria (New York, 2007), S. 422

[12] Büchsenschütz, Ulrich: Minderheitenpolitik in Bulgarien; S. 107

[13] Crampton, R. J.: Bulgaria (New York, 2007); S. 430

[14] Crampton, R. J.: Bulgaria (New York, 2007); S. 430

Ende der Leseprobe aus 24 Seiten

Details

Titel
Die Minderheiten in Bulgarien seit 1944
Hochschule
Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg  (Seminar für Osteuropäische Geschichte)
Note
2,0
Autor
Jahr
2008
Seiten
24
Katalognummer
V116775
ISBN (eBook)
9783640190966
ISBN (Buch)
9783640191024
Dateigröße
480 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Minderheiten, Bulgarien
Arbeit zitieren
Evelina Kirova (Autor:in), 2008, Die Minderheiten in Bulgarien seit 1944, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/116775

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