Das Problem der literarischen Übersetzung

Friedrich Schleiermachers theoretischer Standardtext „Ueber die verschiedenen Methoden des Uebersezens“


Seminararbeit, 2000

18 Seiten, Note: 1,0

Hans Kalt (Autor:in)


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Vorbemerkung

2. Die Problematik der literarischen Übersetzung
2.1. Begriffsbestimmung
2.2. Grundsätzliche Probleme der Übersetzung

3. Übersetzungstheorie vor Schleiermacher- Bewusstwerdung eines Problems
3.1. Der rationale Sprachbegriff der Aufklärung
3.2. Paradigmenwechsel in Poetik und Übersetzungsverständnis

4. Friedrich Schleiermachers Abhandlung „ Ueber die verschiedenen Methoden des Uebersezens“ ( 1813 )
4.1. Einordnung in den historischen Kontext
4.2. Schleiermachers Auffassung von Sprache und Übersetzung
4.3. Die verschiedenen Methoden des Übersetzens

5. Schlussbemerkung

Literaturverzeichnis

Primärtext

Sekundärliteratur

1. Vorbemerkung

Ziel der vorliegenden Arbeit soll es sein, Friedrich Schleiermachers in der Abhandlung „Ueber die verschiedenen Methoden des Uebersezens“ von 1813 entworfenen Übersetzungskonzeption im Kontext allgemeiner Überlegungen zum Problem der literarischen Übersetzung und eines kurzen Überblicks über die Entwicklung der Problematik darzustellen.

Zu diesem Zweck werde ich zuerst versuchen, die Problematik der literarischen Übersetzung in ihren groben Zügen bewusst zu machen (Kapitel 2). Anschließend will ich die Entwicklung der Übersetzungstheorie bis zu Schleiermacher skizzieren, um den übersetzungstheoriegeschichtlichen Wert dessen Konzepts besser beurteilen zu können (Kapitel 3). In einem vierten Kapitel werde ich dann das Konzept selbst darstellen. Den Schluss bildet eine resümierende Schlussbemerkung (Kapitel 5).

Die Zitatangaben im folgenden Text, die in Klammern stehen, richten sich nach: Friedrich Schleiermacher’ s sämmtliche Werke, Dritte Abtheilung: Zur Philosophie. Dritter Band. Berlin: Reimer 1838.

2. Die Problematik der literarischen Übersetzung

2. 1. Begriffsbestimmung

Bevor auf die Komplexität des Problems der literarischen Übersetzung eingegangen werden kann, muss deren Gebiet, soweit die Materie selbst es zulässt, erst einmal bestimmt werden.

Als Übersetzung lassen sich gemeinhin mehrere Vorgänge beschreiben:[1]

Schon die Erklärung fachsprachlicher Ausdrücke in Alltagssprache ist im weiteren Sinne eine Übersetzung. Des Weiteren bezeichnet man die Übertragung von Lauten in Schrift bspw. als Transkription, die „ Übersetzung“ von einer Schriftart in eine andere (z. B. lateinisch zu arabisch) als Transliteration. Ebenso kann die Verfilmung eines Romans als (intermediale)„Übersetzung“ bezeichnet werden.

Der wissenschaftliche Begriff der Übersetzung bezieht sich jedoch auf die intralinguale und die interlinguale Übersetzung. Die intralinguale Übersetzung besteht in der Übertragung eines Textes einer historischen Sprachstufe in eine andere Sprachstufe derselben Sprache (z. B vom Mittelhochdeutschen ins Neuhochdeutsche). Der Prozess der Übersetzung vollzieht sich damit offenbar nur auf der diachronen Sprachebene[2], woran ich im nächsten Abschnitt über die Problematik der literarischen Übersetzung allerdings noch ein Mal anknüpfen werde.

Die interlinguale Übersetzung bezeichnet den Vorgang, bzw. das fertige Werk, einer Übersetzung, die einen Text einer natürlichen Sprache in eine andere natürliche Sprache überträgt. Mit diesem Begriff der Übersetzung in schriftlicher Form lässt sich die in dieser Arbeit behandelte literarische Übersetzung charakterisieren.

Mehr Probleme bereitet das „ literarische“ einer Übersetzung, bzw. eines zu übersetzenden Textes zu definieren. Auf Theorien zur Literarizität von Texten wie Normabweichungs-Theorie oder Fiktionstheorie o.ä., deren Anspruch auf die Bezeichnung Theorie ohnehin zweifelhaft ist, kann und muss ich hier nicht eingehen, da die Literarizität eines zu übersetzenden Textes nicht theoretisch begründbar sein muss, sondern sich bei der literarischen Übersetzung aus den übersetzungstechnischen Schwierigkeiten heraus bestimmen läßt. Schleiermacher grenzt die Gültigkeit seines Konzepts dann auch auf folgendes Gebiet ein:

„[ ... ] auf jenem der Kunst und Wissenschaft zugehörigen Gebiet, und überall wo mehr der Gedanke herrscht, der mit der Rede Eins ist, nicht die Sache, als deren willkührliches vielleicht aber fest bestimmtes Zeichen das Wort nur dasteht.“ (Schleiermacher, S. 213/ 214).

Schleiermacher beschränkt sich hiermit auf Texte, deren Gehalt sich in der unauflösbaren Einheit von gedanklichem Inhalt und sprachlicher Form manifestiert und unterscheidet damit den literarischen Text von Texten, unter die auch eine Gebrauchsanweisung fiele.

Ein weiteres damit verbundenes Kriterium stellt für Schleiermacher die sich im Text offenbarende Individualität des Verfassers dar:

„ Je mehr hingegen des Verfassers eigenthümliche Art zu sehen und zu verbinden in der Darstellung vorgewaltet hat, je mehr er irgend einer frei gewählten oder durch den Eindrukk bestimmten Ordnung gefolgt ist, desto mehr spielt schon seine Arbeit in das höhere Gebiet der Kunst hinüber, [ ... ].“ ( Schleiermacher. S. 210 ).

Strukturalistisch gesprochen heißt dies: Je bewusster ein Autor auf der paradigmatischen Ebene aus dem Sprachmaterial seiner Sprache auswählt, desto stärker bedingen Inhalt und Form eines Textes einander, und desto schwieriger wird die Aufgabe des Übersetzers, den persönlichen Stil eines Autors in eine andere Sprache zu übertragen, da die Bedeutung eines bestimmten Ausdrucks einer Sprache nur in Relation zu den anderen Möglichkeiten auf paradigmatischer Ebene erfasst werden kann. Wird dieser Ausdruck nun übersetzt in eine andere Sprache, befindet sich dieser in einem neuen Relationsverhältnis, das, geht man von der Unmöglichkeit einer absoluten Synonymität von Sprachen aus, dem Verhältnis in der Originalsprache nie ganz entsprechen kann.[3] Auf diese Problematik werde ich im nächsten Abschnitt noch weiter eingehen.

Nachdem der Arbeitsbereich der literarischen Übersetzung nun, unter Beachtung der fließenden Grenzen, aufgezeigt ist, soll jetzt versucht werden zu bestimmen, was in etwa unter dem Vorgang der literarischen Übersetzung zu verstehen ist; dies führt zwangsweise zur Reflexion über deren Schwierigkeiten, die ich im folgenden Abschnitt behandeln oder zumindest aufzeigen möchte.

2. 2. Grundsätzliche Probleme der Übersetzung

In den 50er und 60er Jahren (des 20. Jahrhunderts) wurde von Seiten der Linguisten eine automatische, objektiv überprüfbare und daher streng wissenschaftliche Übersetzung von einer (natürlichen) Sprache in die andere zu entwickeln versucht. Im Lichte dieser Bewegung ist folgende Definition von Sprachübersetzung zu sehen:

„Die Sprachübersetzung kann definiert werden als Ersetzen von Zeichen der einen Sprache, dem Ausgangsbereich der Übersetzung, durch äquivalente Elemente der anderen Sprache, dem Zielbereich der Übersetzung. Die Forschung über automatische Sprachübersetzung beschäftigt sich damit, Kriterien der Äquivalenz und Invarianz exakt zu definieren eine fundierte theoretische Basis für eine Abbildung zwischen Ausgangsgebiet und Zielgebiet oder zwischen Teilen dieser Gebiete zu schaffen, sowie leistungsfähige und elegante automatische Verfahren zu entwickeln, durch welche die Abbilder des Ausgangsbereich gefunden werden können.“[4]

Übersetzungstheoriegeschichtlich bedeutet diese Übersetzungsauffassung einen Rückfall in die frühe Aufklärung, respektive in die Vorstellung von der „ Rationalität“ der Sprachen. Der von Christian Wolff in der Aufklärung geprägte rationalistische Sprachbegriff beinhaltet den Glauben an die Universalität der Gedanken, die sich in den verschiedenen Sprachen nur jeweils verschieden ausdrückt; eine Übersetzung steht somit lediglich vor technischen, jedoch nicht vor grundsätzlichen Problemen.

Die automatische Sprachübersetzung stieß dann auch relativ schnell an ihre Grenzen und musste sich auf unterstützende Sachtextübersetzung beschränken.[5] Worin die grundsätzlichen Schwierigkeiten von Übersetzung bestehen, die v. a. bei literarischen, philosophischen, religiösen oder allgemein geisteswissenschaftlichen Texten bis zur Unübersetzbarkeit führen können, kann nur von einigen Überlegungen zum Verhältnis von Gedanken und Sprache und dem der Sprachen untereinander ausgehend bestimmt werden.

Die Überwindung des rationalen Sprachbegriffs brachte die Erkenntnis der Unterschiedlichkeit der Sprachen, nicht nur formal und grammatikalisch, sondern v. a. in Bezug auf die Sicht der Welt. D. h. dass die Welt in jeder Sprache verschieden strukturiert ist. In der Linguistik nennt man dieses Phänomen die „ linguistische Relativität“.

Im Gegensatz zur Universalität der Gedanken geht die neuere Sprachphilosophie[6] davon aus, dass von jeglicher begrifflichen, in Sprache vollzogenen Strukturierung unabhängige Individuen nicht existieren[7].

Oder in Anlehnung an Wittgenstein: Denken vollzieht sich nur innerhalb der Begrifflichkeit der Sprache; darüber hinaus kann nicht gedacht werden.

Als banales Beispiel für die unterschiedliche Wirklichkeitsstrukturierung möge die Strukturierung des Farbenspektrums dienen, oder auch die verschiedenen Vorstellungen von einzelnen Farben wie „ rot“, die von Kulturkreis zu Kulturkreis, oder auch von Zeit zu Zeit erheblich differieren. Berühmt für ihre - für den zeitgenössischen Europäer nicht verständlichen Farbenbezeichnungen und - unterscheidungen sind z. B. die antiken Griechen[8].

[...]


[1] Die angeführten Beispiele für „ Übersetzungen“ folgen der Darstellung Friedmar Apels in: Literarische Übersetzung. Stuttgart: Metzler 1983. Seite 1.

[2] Terminus von de Saussure

[3] Das Faktum, dass eventuell gar kein synonymer Ausdruck in der anderen Sprache existiert, ist bei dieser Überlegung noch außen vor gelassen.

[4] Im englischen Original: Anthony Gervin Oettinger: Automatic Language Translation. Cambridge/ Mass. 1960. Hier zitiert nach einer Übersetzung des vierten Kapitels dieser Arbeit in Hans Joachim Störig ( Hg. ): Das Problem des Übersetzens. Darmstadt 1963. Seite 444f.

[5] Zum Verhältnis von Linguistik und Übersetzung siehe:

Friedmar Apel: Sprachbewegung. Heidelberg 1982. Seiten 11-16.

[6] Zumindest der „ mainstream“.

[7] Diese Ansicht vertritt bspw. auch Henri Lauener in seinem Aufsatz: Über Sprache sprechen. In: Astroh/ Gerhardus/ Heinzmann ( Hg. ): Dialogisches Handeln. Heidelberg/ Berlin Oxford: Spektrum Akademischer Verlag1997.Seiten 217- 233.

[8] So verwendet Ludwig Reiners in seinem Buch „ Stilkunst. ein Lehrbuch deutscher Prosa“ dieses Beispiel und behauptet: „ Ja, das Problem ist geeignet, das Wesen der Sprache klarzumachen.“

Ende der Leseprobe aus 18 Seiten

Details

Titel
Das Problem der literarischen Übersetzung
Untertitel
Friedrich Schleiermachers theoretischer Standardtext „Ueber die verschiedenen Methoden des Uebersezens“
Hochschule
Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg  (Institut für Germanistik)
Veranstaltung
Proseminar: Theorie der literarischen Übersetzung
Note
1,0
Autor
Jahr
2000
Seiten
18
Katalognummer
V117473
ISBN (eBook)
9783640196883
ISBN (Buch)
9783640196951
Dateigröße
476 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Problem, Proseminar, Theorie, Schleiermacher, literarische Übersetzung, Hermeneutik, Übersetzungstheorie, Literaturtheorie, Friedrich Schleiermacher
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Hans Kalt (Autor:in), 2000, Das Problem der literarischen Übersetzung, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/117473

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