Die Umsetzung des Unheimlichen in Alfred Hitchcocks "Psycho"


Seminararbeit, 2008

21 Seiten, Note: 1.0


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1 Einleitung

2 Inhaltswiedergabe des Thrillers „Psycho“

3 Typische Charakteristika in Hitchcocks Filmen
3.1 Suspense
3.2 Thrill
3.3 Prominente Motive

4 Freuds Phänomene des Unheimlichen
4.1 Unheimliche Phänomene in Psycho

5 Die Erzeugung des „Unheimlichen“ im Film
5.1 Mise-en-Scène
5.2 Analyse ausgewählter Filmsequenzen
5.3 Das Zusammenspiel von Thrill und Suspense

6 Schlussbemerkung

7 Literaturverzeichnis

1 Einleitung

Mit Psycho entstand 1960 in Amerika eines der berühmtesten filmischen Meisterwerke Alfred Hitchcocks.

Der Film wurde nach einer Romanvorlage von Robert Bloch gedreht. Diese basierte auf einer wahren Geschichte des psychopathischen Mörders Ed Gein, dessen Doppelleben 1957 in Wisconsin aufgedeckt wurde.[1]

Abgesehen von den Charakteren gab es jedoch kaum noch Ähnlichkeiten zwischen der Romanvorlage und Hitchcock's Thriller. Da die Studiobosse von Paramount von dem Material nicht besonders begeistert waren, finanzierte Hitchcock den Film selbst mit Produktionskosten von nur 800.000 Dollar.

Die Charaktere waren im Drehbuch wesentlich sympathischer gezeichnet als im Film. Hitchcock legte keinen Wert darauf wie die einzelnen Figuren dargestellt wurden. Gegenüber Francois Truffaut erwähnte er einmal:

„Für mich lag die Hauptbefriedigung darin, daß er aufs Publikum gewirkt hat, daran liegt mir am meisten. In PSYCHO kam es mir kaum auf das Sujet an, auch nicht auf die Personen. Worauf es mir

ankam, war, durch Anordnung von Filmstücken, Fotografie, Ton, lauter technische Sachen, das

Publikum zum Schreien zu bringen“. [2]

Die folgende Arbeit untersucht wie Hitchcock es schafft, durch Technik, Musik, Beleuchtung und Einstellung ein besondere Wirkung zu erzielen. Es soll herausgestellt werden wie „Das Unheimliche“ mit Hilfe der filmischen Mittel erzeugt wird und Angst und Schrecken beim Publikum auslöst.

Im ersten Kapitel wird die Arbeit den Inhalt des Thrillers Psycho wiedergeben und das zur Analyse stehende Thema begreiflich machen.

Im weiteren Verlauf erfolgt eine Einführung in die Begriffe des Suspense und des Thrills, welche typisch für Hitchcocks Spannungserzeugung sind. Beide Stilelemente werden mit Hilfe von gängigen Elementen in Hitchcocks Filmen verstärkt, auch sie werden unter den Charakteristika Hitchcocks ausgeführt. Durch den Einsatz der Charakteristika wurde Hitchcock unter anderem zum „Master of Suspense“.[3]

Desweiteren wird die vorliegende Arbeit kurz auf die von Freud herausgearbeiteten Phänomene des Unheimlichen eingehen und untersuchen, inwieweit diese Phänomene im Film vorliegen. Abschließend beschäftigt sich die Analyse mit der Umsetzung des Unheimlichen im Film. Nach einem Überblick der Mise-en-Scène werden zwei ausgewählte Filmsequenzen analysiert und es wird auch das Zusammenspiel von Thrill und Suspense erläutert.

Im letzten Kapitel nimmt die Arbeit Bezug auf die während der Analyse ermittelten Ergebnisse.

2 Inhaltswiedergabe des Thrillers „Psycho“

Die Sekretärin Marion Crane (Janet Leigh) und ihr Liebhaber Sam Loonis (John Gavin) wollen heiraten. Allerdings lässt ihre finanzielle Lage dies nicht zu. Als Marions Chef sie bittet, 40.000 Dollar zur Bank zu bringen, verlässt diese statt dessen die Stadt und nimmt das gestohlene Geld mit sich. Nachdem sie ihren Wagen unterwegs ausgetauscht hat, steigt sie nachts im kaum besuchten Motel von Norman Bates ab, um bis zum Morgen dort zu übernachten. Bei einem Gespräch erklärt Norman Marion, dass er mit seiner alten, kranken Mutter zusammenlebt und kaum Umgang mit fremden Menschen hat. Anschließend geht Marion in ihrem Zimmer duschen und wird dabei in der berühmten „Dusch- Szene" von der Silhouette einer alten Frau getötet. Nachdem Norman kurz darauf die Leiche entdeckt, beseitigt er sie im Sumpf und verwischt alle Spuren. Als Marions Schwester Lila diese nicht mehr erreichen kann, macht sie sich gemeinsam mit deren Liebhaber Sam auf die Suche nach ihr. Zur gleichen Zeit engagiert Marions Chef den Privatdetektiv Arbogast (Martin Balsam), um das unterschlagene Geld wiederzubeschaffen. Zusammen wollen die drei das Rätsel um Marions Verschwinden lösen. Arbogast macht das Motel ausfindig und will Marion dort suchen. Norman erweckt sein Misstrauen, als er sich weigert Arbogast mit seiner Mutter sprechen zu lassen. Nachdem dieser Sam und Lila von seinem Misstrauen gegenüber Norman mitgeteilt hat, beschließt er „Normans Mutter“ heimlich aufzusuchen und mit ihr zu sprechen. Als er im Haus ist, wird er jedoch von der angeblichen „Mrs. Bates“ niedergestochen. Als Sam und Lila nichts mehr von Arbogast hören und von Sheriff Chambers erfahren, dass Normans Mutter schon seit Jahren tot ist, suchen sie das Bates Motel auf um zu klären, was mit Marion und Arbogast geschehen ist. Während Sam versucht Norman abzulenken, durchsucht Lila die Villa und entdeckt im Keller die verweste Leiche der Mrs. Bates. Sam schafft es Norman zu überwältigen, bevor dieser Lila etwas antun kann. Es stellt sich heraus, dass Norman unter Schizophrenie leidet und zeitweise die Persönlichkeit seiner Mutter einnimmt. In dieser Rolle wird er zum Mörder.

3 Typische Charakteristika in Hitchcocks Filmen

Alfred Hitchcocks Filme zeichnen sich durch immer wiederkehrende Charakteristika aus. Wie in vielen seiner Werke sind auch in Psycho die Stilmittel des Suspense und des Thrill zu finden. Weiterhin werden Motive beschrieben, die in Psycho eine wichtige Rolle spielen und deren Wiederkehr dazu dient, die unheimliche Wirkung zu verstärken. An dieser Stelle wird kurz erläutert, worum es sich im einzelnen handelt. Inwiefern es im Film dazu dient, das Unheimliche zu erzeugen, wird an späterer Stelle noch ausführlich beschrieben.

3.1 Suspense

Der Begriff des Suspense ist immer an ein Publikum gebunden. Er stellt sowohl eine Methode als auch ein Ziel dar. Suspense an sich bezeichnet einen emotionalen Schwebezustand beim Zuschauer, ist zudem aber auch ein Verfahren, um diesen zu erzeugen.[4]

Das Stilmittel des Suspense dominiert in Psycho. Für Hitchcock entsteht es an der Stelle , an welcher der Zuschauer mehr weiß als die handelnden Charaktere. Er ist der Meinung, dass das Mittel des Suspense dem des Surprise vorzuziehen sei. „Somit enthält Suspense nach Hitchcocks Definition zwei wesentliche Bestandteile: dramatische Ironie plus Plausibilität der Figuren und somit die Erzeugung von Emotionen im Publikum wie etwa Angst um einen bestimmten Charakter.“[5]

Laut Vibeke Reuter ist Psycho in die Kategorie der unbestimmten Rätselspannung einzuordnen.[6] Durch den Aufbau des Films schafft Hitchcock eine fortwährende Erwartungshaltung beim Zuschauer. Dieser weiß stets genauso viel wie Marion und Norman. Als es jedoch um die Aufklärung des Verbrechens geht, ist der Rezipient Sam, Lila und Arbogast im Bezug auf den Verbleib Marions überlegen. Die Wendung tritt ein, als die Auflösung um Normans Mutter einsetzt. Durch seinen Wissensstand erhält der Zuschauer eine bestimmte Kenntnis über diverse Zusammenhänge im Film und wird indirekt von Hitchcock veranlasst absehbare Folgen zu fürchten. In diesem Sinne kann Hitchcock beim Rezipienten ein „unheimliches“ Gefühl des Unbehagens erzeugen. Zusätzlich dazu wird beim Publikum Emotion erzeugt, indem der Zuschauer in den Film „miteinbezogen“ wird. Er fiebert bei der Aufklärung des Mordes mit und kann sich mit den beteiligten Personen identifizieren.[7]

Allerdings ist zu sehen, dass auch bei einer Dominanz von Suspense in Psycho auch immer noch das Mittel des Surprise teilweise vorhanden ist. Es äußert sich auch in der Form des Thrills, welcher oft überraschende Ausmaße annimmt. Beide Stilmittel wirken gemeinsam und ergeben so eine Mischung.

3.2 Thrill

Beim Thrill handelt es sich um eine starke Erregung des Zuschauers, die am ehesten durch Angst hervorgerufen wird.

Die Zuschauer nehmen großen Anteil am Schicksal der Protagonisten und können sich in diesem Fall mit ihnen identifizieren. Da der Protagonist stellvertretend für den Zuschauer große Gefahren durchlebt, empfindet dieser große Angst um die Figur und erlebt die real erfahrbaren „Thrills“.

Nach Charles Derry zählen Hitchcock's Filme zum Genre des Suspense Thrillers . Der Suspense Thriller ist dadurch gekennzeichnet, dass er aufgrund der dargestellten Bedrohungssituation beim Zuschauer eine starke Erregung hervorrufen kann. So kann die Spannung in Hitchcocks Filmen weiter intensiviert werden und erlebt dadurch eine Verstärkung.

Die höchste Steigerung des Thrill wird durch das Schockerlebnis dargestellt. Dabei handelt es sich um „thrills“, die eine so enorme Kraft besitzen, dass sie den Rezipienten in Schockzustand versetzen. In Psycho kann Hitchcock dieses Phänomen in besonderer Weise umsetzen und erzeugt den Schock mit den völlig unerwarteten und unvermittelten Ereignissen. Hitchcock betonte, dass es für den Film sehr wichtig sei, „dass das Publikum große Emphatie für die Personen empfindet, die im Film getötet werden. Dies ist in Psycho der Fall, wo Marion Crane seit Beginn des Films für den Zuschauer ein Identifikationsangebot darstellt. Ihr Tod wirkt aber nicht nur deshalb besonders schockierend auf den Betrachter, weil er unerwartet und voll Gewalt eintritt. Mit dem Tod von Marion verliert das Publikum seine bisherige Identifikationsfigur.“[8] Hitchcock manipuliert die Erwartungen seiner Zuschauer mit Absicht und setzt ihnen oft ein abruptes Ende. Damit nimmt er dem Rezipienten jegliche Sicherheit und begründet dies so:

„Die Zivilisation nimmt uns heute so in Obhut, daß es nicht mehr möglich ist, sich instinktiv eine Gänsehaut zu besorgen. Der einzige Weg, unsere Erstarrung zu lösen und unser moralisches Gleichgewicht wiederherzustellen, besteht darin, diese Schocks künstlich hervorzurufen. Das geeignetste Mittel, das zu erreichen, scheint mir das Kino zu sein.“[9]

Spannung oder besser gesagt, die unheimliche Atmosphäre, werden durch die Thrillmomente zusehens verstärkt. Diese enorme Steigerung des Thrill hat zudem noch die Funktion die zuvor aufgebauten Spannungsbögen aufzulösen.

3.3 Prominente Motive

Die unheimliche Atmosphäre wird zum großen Teil durch visuelle Mittel und Montage erzeugt. Hitchcocks Filme zeichnen sich besonders durch die immer wiederkehrenden Motive und Symbole aus. Eines der geläufigsten ist die Darstellung der Vögel. In Psycho können die ausgestopften Vögel als „Vorboten des Unglücks“ interpretiert werden.

Die im Film genutzten Motive zur Erzeugung des Unheimlichen beschränken sich auf den „Einsatz von Vögeln, von Spiegeln, sowie von vertikalen und horizontalen Linien“.

Gleich zu Beginn des Films gleitet die Kamera „vogelgleich“ unter einem beliebigem Fenster hindurch und entdeckt Marions und Sams heimliches Treffen. Im weiteren Verlauf zieht sich das Motiv der Vögel durch den gesamten Film . Am auffälligsten sind die Vögel in Normans Büro und auch als dieser Marions Leiche „entdeckt“, ziert die Wand ein Vogelbild. Desweiteren zieht Norman immer wieder Parallelen zu Vögeln. Er vergleicht sowohl Marion („You eat like a bird“) als auch seine Mutter („She's as harmless as one of his stuffed birds“) mit einem Vogel.

Auch der Zuschauer wird durch die gleitende Kameraführung in eine vogelähnliche Position versetzt. Somit ist er unausweichlich in die Handlung involviert.

Ein weiteres wichtiges Motiv zur Erzeugung einer unheimlichen Atmosphäre sind die Spiegel. Sie sind an ungefähr jedem Schauplatz in Psycho montiert. Auch die Spiegel dienen zur Einbeziehung des Zuschauers. Dieser erschrickt zum Beispiel mit, wenn Lila vor ihrem eigenen Spiegelbild erschrickt.

Das dritte Motiv im Film sind vertikale und horizontale Linien. Sie dominieren im Film und im Vorspann, durchschneiden den Bildschirm und die Zeichen der Namen werden aus horizontalen Fragmenten zusammengesetzt.[10]

Durch die unausweichliche Involvierung des Rezipienten kann das Mittel des Suspense eingesetzt werden. Es dient zur gezielten Erzeugung einer bestimmten Atmosphäre und ist typisch für Alfred Hitchcock's Filme.

[...]


[1] Eva Rieger, Alfred Hitchcock und die Musik. Eine Untersuchung zum Verhältnis von Film,Musik und Geschlecht. Bielefeld 1996. S.191.

[2] Lars Penning, Die Universalität des Bösen. Nicht Horror, nicht Thriller: der erste PSYCHO-Thriller, in: Alfred Hitchcock's Psycho, hrsg. v. Frank Schnelle. Stuttgart 1993. S.57.

[3] Vibeke Reuter,Alfred Hitchcocks Handschrift. Vom literarischen zum filmischen Text. Trier 2005. S.96.

[4] Dina El-Nawab, Alfred Hitchcocks „Psycho“. Alfeld/Leine 1997. S. 5.

[5] Vibeke Reuter, Alfred Hitchcocks Handschrift. Vom literarischen zum filmischen Werk, hrsg. v. Uli Jung. Trier 2005. S. 96.

[6] Ebd. S.99.

[7] Ebd. S.100-102.

[8] Kerstin Droese, Thrill und Supense in den Filmen Alfred Hitchcocks. Coppengrave 1995. S. 29.

[9] Ebd. S. 29.

[10] Vibeke Reuter, Alfred Hitchcocks Handschrift. Vom literarischen zum filmischen Werk, hrsg. v. Uli Jung. Trier 2005. S. 132-133.

Ende der Leseprobe aus 21 Seiten

Details

Titel
Die Umsetzung des Unheimlichen in Alfred Hitchcocks "Psycho"
Hochschule
Johann Wolfgang Goethe-Universität Frankfurt am Main
Veranstaltung
Das Unheimliche
Note
1.0
Autor
Jahr
2008
Seiten
21
Katalognummer
V118630
ISBN (eBook)
9783640220571
ISBN (Buch)
9783640222902
Dateigröße
469 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Umsetzung, Unheimlichen, Alfred, Hitchcocks, Psycho, Unheimliche, Thrill, Suspense, Sigmund Freud
Arbeit zitieren
Sarah Blasberg (Autor:in), 2008, Die Umsetzung des Unheimlichen in Alfred Hitchcocks "Psycho", München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/118630

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