Jean-Jacques Rousseau und der Einfluss seiner Werke auf das Leben und Handeln von Johann Heinrich Pestalozzi und die Erlebnispädagogik


Studienarbeit, 2007

24 Seiten, Note: 2,1


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1 Einführung

2 Jean-Jacques Rousseau
2.1 Historischer Kontext
2.2 Biographie

3 Rousseaus Theorien am Beispiel von zwei Werken
3.1 Philosophischer und Politischer Zugang
3.2 Pädagogischer und Erziehungswissenschaftlicher Zugang Emil oder Über die Erziehung, 1762
3.2.1 Erstes Buch, frühe Kindheit bis zum Erlernen des Sprechens
3.2.2 Zweites Buch, Kindheit bis zum 12. Lebensjahr
3.2.3 Drittes Buch, Zeit zwischen dem zwölften und fünfzehnten Lebensjahr
3.2.4 Viertes Buch, Jugend
3.2.5 Fünftes Buch, Mädchenerziehung, Ehegattenwahl
3.3 Rousseaus Erziehungsbegriff
3.4 Kritik und Resümee zu Emil

4 Rousseaus Einfluss auf Pestalozzi

5. Rousseau als Begründer der Erlebnispädagogik

6. Quellenverzeichnis

1 Einführung

Jean-Jacques Rousseau gilt als einer der bekanntesten und bedeutendsten Vertreter der Philosophie, Literatur, Pädagogik und Staatstheorie des 18. Jahrhunderts. In verschiedenen Quellen wird in seinem Zusammenhang von dem größten bzw. einem der größten Denker dieses Jahrhunderts gesprochen. Durch seine Kritik an der Zivilisation und dem Absolutismus von Kirche und Staat beeinflusste er maßgebend die Französische Revolution. Die Leitgedanken der Revolution von „Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit“ spiegelten sich auch in seiner Lehre von individueller Freiheit und Gleichheit der Menschen wieder, welche für nachfolgende Generationen von Philosophen, Pädagogen, Schriftstellern und vielen anderen Denkern einen prägenden Einfluss hinterließ. Seine Pädagogischen Leistungen auf dem Gebiet der Erziehungstheorie inspirierte unter anderem Johann Heinrich Pestalozzi. Rousseaus subjektiver Ansatz in der Literatur wirkte auf das Denken von Schriftstellern wie J.G. von Herder, Johann Wolfgang von Goethe und Friedrich Schiller. Auch seine politischen Betrachtungen fanden später vor allem bei den Auffassungen Immanuel Kants großen Anklang. Anhand seiner Darstellung der Willensfreiheit sowie der Ablehnung der Erbsünde beeinflusste Rousseau sehr stark die Psychoanalyse und die Existenzphilosophie des 20. Jahrhunderts.

Mit dieser Arbeit soll jedoch mit besonderem Augenmerk auf seine pädagogischen Errungenschaften im Bereich der Kindererziehung eingegangen werden, bei denen Rousseau erstmals vor allem die individuellen Interessen und Bedürfnisse des Kindes in den Blick nahm. „Die Menschheit hat ihren Platz in der Ordnung der Dinge: die Kindheit den ihren in der Ordnung des menschlichen Lebens. Man muss den Erwachsenen als Erwachsenen und das Kind als Kind betrachten“ (Rousseau, 1762, Emil, S.56)

Es ist kaum möglich, Rousseaus Errungenschaften direkt an festen neuzeitlich pädagogischen oder bildungstheoretischen Ansätzen vergleichend darzustellen, da er sich stets mit globalwissenschaftlichen Problemlagen aber nie mit umgesetzten beispielhaften Problemlösungen beschäftigt hat. Er gibt im Emil zwar an einem Kind eine musterhafte Erziehung vor, setzt diese aber niemals an einem realen Beispiel in seiner Zeit um. Aus diesem Grund wird in dieser Arbeit der Vergleich zu einem berühmten Pädagogen gezogen, den Rousseaus Theorien in seinem konkreten Erziehungskonzept und dessen Umsetzung beeinflusst haben: Johann Heinrich Pestalozzi. Als weiteren neuzeitlichen Bezug wird Jean-Jacques Rousseaus Einfluss auf die Erlebnispädagogik aufgegriffen.

Aber auch seine politischen und philosophischen Zugänge werden aus eigenem Interesse am Beispiel von seinem Werk „Discours sur l’origine et les fondements de l’inégalité parmi les hommes“ (Rousseau, 1755) angeschnitten.

2 Jean-Jacques Rousseau

2.1 Historischer Kontext

Zu Jean-Jacques Rousseaus Geburt befindet sich das französische Staatsgebiet unter der absolutistischen Macht von dem wohl bekanntesten Monarchen Ludwig XIV., in dessen Regentschaft der Absolutismus seinen Höhepunkt fand. Als Oberhaupt einer Ständegesellschaft repräsentierte er seine Souveränität und seinen Abstand zum Volk u.a. in Form von minutiösen und prunkvollen Hofzeremoniell, so dass die Hofkultur ganz auf die Person des Herrschers zugeschnitten wurde. Von der Auffassung geprägt, die absolute Herrschaft des Fürsten über das Volk durch „Gottes Gnade“ zu legitimieren, regierte er gemäß dem Leitsatz „L'État c'est moi“ („Der Staat bin ich“). Politisch kam es somit zu einer Zentrierung der staatlichen Gewalt auf seine Person. Damit einher ging die Festigung der fürstlichen Herrschaft in den geistlichen und weltlichen Territorien. Er sicherte außenpolitisch seine Grenzen in Kriegen, wie beispielsweise im Spanischen Erbfolgekrieg (1701-1714; zwischen Frankreich und England/Niederlande) und vergrößerte zugleich mittels dieser erkämpften Bezirke das eigene Staatsgebiet. (Vgl. http://www.nrw2000.de/absolutismus/absolutismus.htm, http://de.wikipedia.org/ wiki/Ludwig_XIV.) Dieses war jedoch nur durch die Etablierung eines stehenden Heeres als Resultat des Dreißigjährigen Krieges möglich, welches ihm zugleich maßgeblich zur Wahrung der inneren Sicherheit verhalf. Innenpolitisch wurden die Wirtschaft (Merkantilismus: eine eigene Wirtschaftspolitik und -theorie des Absolutismus, deren Ziel das Wohl der Staatsfinanzen ist) sowie die Künste und die Wissenschaften staatlich gefördert. Gefestigt wurde die Macht der Krone durch den Ausbau des Verwaltungsapparates und durch die Bekämpfung der Opposition des Adels. Neben der Verwaltung mit dem König an der Spitze, dem stehenden Heer (inkl. Justiz und Polizei), dem Hofadel und dem Merkantilismus stützte sich die Herrschaft auf die letzte der fünf Säulen des Absolutismus: die Staatskirche (den Klerus), der in der Ständegesellschaft den ersten Stand darstellte.

Mit den Eroberungskriegen fällt das absolutistische Modell in Folge von staatlich finanziellen Nöten allmählich zusammen. Frankreich bleibt außenpolitisch hinter seinem stärksten Kontrahenten England zurück, der Seehandel bricht zusammen, innenpolitischer Unmut macht sich breit. Gerade im dritten Stand, der von Seiten der Bevölkerungszahl die absolute Mehrheit ausmachte, stieg die Unzufriedenheit und löste dadurch soziale Spannungen aus. Das Bevölkerungswachstum und die Unverständlichkeit der immensen Gegensätze von bspw. prunkvollem „Barock“ und Leibeigenschaft trugen einen weiteren Teil zum Gefühl der Ungleichbehandlung bei.

Aus diesen und möglicherweise auch einigen anderen Faktoren heraus, kam es im 18. Jahrhundert zur Ablösung des Absolutismus durch die mächtige Geistesbewegung der Aufklärung, die alle wissenschaftlichen Disziplinen durchzog: „die Geschichtsauffassung (Fortschrittsglaube), das Recht- und Staatsleben und die Verfassungslehre (Naturrecht, Menschenrechte, Gewaltenteilung, Staatsaufbau auf der Grundlage von Vereinbarungen), das Erziehungswesen (Erziehung zu naturgemäßer, von der Vernunft bestimmter sittlicher Lebensweise, Erziehungsanspruch für alle Schichten), die Theologie und Religion (Kampf gegen dogmatische und kirchliche Bevormundung, Säkularisation, Wissenschaftsgläubigkeit) und die Philosophie ( Rationalismus, Empirismus)“ (Engelke, Theorien der Sozialen Arbeit, S.54).

Diese tiefgreifenden Umwälzungen in Wirtschaft, Technik und Geisteswissenschaften führten zu einer Veränderung der sozio-kulturellen Struktur, welche dem einfachen Bürgertum das Erwirtschaften und den Besitz von Kapital ermöglichten. So wie die Aufklärer Locke und Hume in England, gewannen auch in Frankreich die Theorien und Gedanken der Enzyklopädisten, wie Diderot, Voltaire, Montesquieu und Rousseau, an Bedeutung, welche fern von festen Dogmen die Besinnung auf die menschliche Vernunft propagierten. Die herrschenden Machtverhältnisse und die fehlende Gedankenfreiheit wurden somit auch in der breiten Bevölkerung zunehmend kritisiert. Durch diesen gesellschaftlichen Wandel kam es zu „Forderungen nach wirtschaftlicher Liberalisierung, politischer Partizipation, religiöser Toleranz und sozialer Gleichheit“. (Engelke, Theorien der Sozialen Arbeit, S. 54) Infolge des gewachsenen Selbstbewusstseins gab es im ganzen Land viele Aufstände und Konflikte, die im Jahr 1789 zur Französischen Revolution und dem Sturm auf das Staatsgefängnis „Bastille“ führt. (Vgl. Engelke, Theorien der Sozialen Arbeit, S. 53-55)

Alle diese Ereignisse beeinflussten Rousseau auf seinem Lebensweg und somit auch in seinen Werken maßgeblich.

2.2 Biographie

Jean-Jacques Rousseau wurde am 18. Juni 1712 in Genf als zweiter Sohn in eine Hugenottenfamilie geboren, die seit mehreren Generationen im schweizerischen Exil lebte. Seine Mutter Suzanne Rousseau, geborene Bernard, verstarb kurz nach der Geburt am sogenannten Kindbettfieber. Rousseau wurde daraufhin vorerst als Halbwaise aufgezogen, bis ihn sein Vater Isaac, der von Beruf Uhrmacher war, im Alter von zehn Jahren in die Obhut des Onkels gab. Dieser überließ Jean-Jacques, welcher sich mit 12 Jahren zuerst als Schreiberlehrling und dann als Kupferstecher versuchte, wiederum nach kurzer Zeit den Händen eines Pfarrers.

Er erlebte eine schwere und unglückliche Kindheit. Mit 16 Jahren verließ Jean-Jacques seine Heimatstadt. „Nach der Schule wurde er Sekretär und Gefährte von Madame Louise de Warens, einer gutbetuchten und zum Katholizismus konvertierten Calvinistin. Sie nahm als mütterliche Freundin und Geliebte großen Einfluss auf Rousseaus Leben und veranlasste ihn, ebenfalls zum katholischen Glauben zu konvertieren.“ (http://www.oppisworld.de/zeit/biograf/rousseau.html) Diesen Schritt revidierte er jedoch im Jahr 1754. Die Dame, die Neben der Rolle der Geliebten auch gleichzeitig eine Mutterrolle für Rousseau einnahm, hatte auch sehr großen Einfluss auf dessen Bildung. Sie weckte in ihm vor allen das Interesse an Musik und Literatur, aber ebenfalls auch an Mathematik, Geschichte und Geographie.

Versuche, in einem Priesterseminar aufgenommen zu werden, blieben erfolglos, so dass Rousseau ab 1730 die Schweiz und Frankreich durchreiste. und nebenbei als Musiklehrer, Notargehilfe, Graveur und Diener arbeitete. Zu dieser Zeit, im Jahr 1940, findet er in Lyon als Hauslehrer der Familie de Mably eine Anstellung. Hier macht er seine ersten und möglicherweise auch einzigen praktischen Erfahrungen bezüglich der Erziehung. Seine ersten Überlegungen zum Thema Erziehung schreibt er im „Plan zur Erziehung des Herrn Sainte-Marie“ nieder. 1742 entschließt sich Rousseau Lyon zu verlassen und geht nach Paris. Hier entschied der 30jährige dann auch Schriftsteller und Musiker zu werden. Seinen Lebensunterhalt verdiente er sich dort wieder als Hauslehrer und als Kopist von Partituren sowie unter anderem auch als Gesandtschaftssekretär in Venedig. Dort, anfänglich vor allem als Musiklehrer tätig, lernte er neben seinem späteren Widersacher Voltaire auch andere einflussreiche Leute seiner Zeit, wie Condillac, Diderot und d´Alambert kennen. Im Frühjahr 1745 traf er Thérèse Levasseur, eine Wäscherin, die ihn von diesem Zeitpunkt an sein ganzes Leben begleiten sollte. Rousseau heiratete sie allerdings erst dreizehn Jahre nach ihrem Kennenlernen im Jahr 1768. Sie bekamen fünf gemeinsame Kinder, die alle bereits kurz nach der Geburt, wie in Paris zu dieser Zeit üblich, aus finanzieller Not in ein Findelhaus gegeben wurden.

Seine erste schriftstellerische Ehrung erhielt Rousseau im Jahr 1750 mit dem Preis der Akademie von Dijon für sein Werk „Discours sur les sciences et les arts“. Diese Schrift verfasste er auf eine Ausschreibung der Akademie mit der Frage: „Hat die Wiederherstellung der Wissenschaften und der Künste zur Verfeinerung der Sitten beigetragen?“

Am 18. Oktober des Jahres 1752 folgte die Uraufführung seines Singspieles „Le Devin du village“ („Der Dorfwahrsager“) in Fontainbleau.

Der Aufenthalt in der französischen Hauptstadt verhalf ihm zur Bekanntschaft mit dem Philosophen Denis Diderot, durch den er zum Verfassen von musiktheoretischen Beiträgen für die französische „Encyclopédie“ beauftragt wurde.

Durch Rousseaus erstes Werk angeregt, stellte die Akademie von Dijon im Jahr 1753 eine weitere Preisfrage, welche den Grund für die ungleiche Behandlung unter den Menschen sowie die Rechtfertigung dieser durch das Naturgesetz erfragt. Während des Aufenthalts in Paris schrieb er als Antwort von 1753 bis 1755 das Werk „Discours sur l’origine et les fondements de l’inégalité parmi les hommes“ (Abhandlung über den Ursprung und die Grundlagen der Ungleichheit unter den Menschen) (siehe: 3.1 Philosophischer und Politischer Zugang), für das er jedoch keinen Preis erhielt.

Im Jahr 1756 verließ Jean-Jacques Rousseau Paris, um sich in Montmorency niederzulassen. Dort verfasste er 1761 seine romantische Erzählung „Julie ou la nouvelle Héloise“ (Julie oder die neue Heloise).

Seine pädagogischen Erfolge werden Rousseau durch den vielbeachteten Erziehungsroman „Émile ou de l’éducation“ (Emil, oder über die Erziehung) aus dem Jahr 1762 zugeschrieben. „Seine Herausbildung toleranter und psychologischer Erziehungstheorie führte zu neuen Methoden der Kindererziehung und beeinflusste Pädagogen wie Johann Heinrich Pestalozzi.“ (http://www.whoswho.de/templ/ te_bio.php?PID=2031&RID=1). Da diese pädagogischen Ansätze jedoch sehr kontrovers zu den damaligen Erziehungsmethoden verfasst und gedacht waren, geriet er in eine Auseinandersetzung mit der französischen und schweizerischen Obrigkeit. Vor allem aber geriet der vierte der fünf Bände dieses Werkes, das „Glaubensbekenntnis des savoyischen Vikars“, in Kritik, da Rousseau sich hier gegen eine kirchlich gebundene Religion ausspricht und die vom Menschen geschaffenen Dogmen verurteilt. Als Folge dieses Disputs musste er 1762 zunächst nach Preußen fliehen. Kurze Zeit darauf, im Jahr 1966, ging eine Einladung von David Hume bei ihm ein, auf die er nach England weiter reiste. Kaum in England angekommen, begann Rousseau mit der Arbeit an einem Manuskript über Botanik, welche den Titel „La Botanique“ tragen sollte.

[...]

Ende der Leseprobe aus 24 Seiten

Details

Titel
Jean-Jacques Rousseau und der Einfluss seiner Werke auf das Leben und Handeln von Johann Heinrich Pestalozzi und die Erlebnispädagogik
Hochschule
Duale Hochschule Baden-Württemberg Heidenheim, früher: Berufsakademie Heidenheim
Veranstaltung
Theorien Sozialer Arbeit
Note
2,1
Autor
Jahr
2007
Seiten
24
Katalognummer
V121860
ISBN (eBook)
9783640266388
ISBN (Buch)
9783640266623
Dateigröße
508 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Theorien Sozialer Arbeit, Reformpädagogen
Arbeit zitieren
Norman Böttcher (Autor:in), 2007, Jean-Jacques Rousseau und der Einfluss seiner Werke auf das Leben und Handeln von Johann Heinrich Pestalozzi und die Erlebnispädagogik, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/121860

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