Vom Zappelphillip zum unkonzentrierten Chaoten. ADHS bei Kindern und jungen Erwachsenen

Welche Hilfsmöglichkeiten kann die soziale Arbeit bieten?


Bachelorarbeit, 2008

132 Seiten, Note: 1,6

Anja Schmid (Autor:in)


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1.Einleitung

2.Definition von Aufmerksamkeit
2.1 Was man unter Aufmerksamkeit versteht?

3. ADHS im Kindes- und Jugendalter
3.1 Definition
3.1.1 Aufmerksamkeitsdefizit ohne Hyperaktivität (ADS)
3.1.2 Aufmerksamkeitsdefizit mit Hyperaktivität ( ADHS)
3.2 Wie oft treten die Aufmerksamkeitsstörungen auf?
3.3 Wer ist besonderst gefährdet, ein ADHS zu entwickeln?
3.3.1 Merkmale der Eltern und der Familien
3.3.2 Merkmale der Schwangerschaft
3.3.3 Merkmale in der frühen Kindheit
3.4 Die verschiedenen Alterstufen und deren klinisches Bild
3.4.1 Kleinkindalter (0 bis ca. 4 Jahre)
3.4.2 Kindergartenalter (ca.3-5 Jahre)
3.4.3 Jüngere Schulkinder (ca. 6- 10 Jahre)
3.4.4 Ältere Schulkinder (ca.11-14 Jahre)
3.4.5 Jugendliche (ca.15- 20 Jahre)
3.5 Der Drang nach dem Extremen
3.5.1 Die Folgen für die Psyche
3.6 Mädchen mit ADHS
3.6.1 Wie reagieren Mädchen mit ADHS
3.6.2 Die Probleme, die Mädchen mit ADHS haben, ...
3.7 Verschwinden Aufmerksamkeitsstörungen von alleine?

4. Klassifikationen
4.1 Die Veränderung der Aufmerksamkeitsstörung und ihre Erkenntnisse
4.2 Die Klassifikation nach dem ICD-10
4.3 Das multiaxiale Klassifikationsschema anhand eines Beispiels
4.4 Typische Merkmale einer Aufmerksamkeitsstörung
4.4.1 Die Grundmerkmale am Beispiel von Nicolas
4.4.2 Aufmerksamkeitsschwäche - „ablenkbar und nicht bei der Sache“
4.4.3 Impulsivität und Überaktivität - „aufgedreht und chaotisch!“
4.4.4 Ein weiteres Beispiel wie chaotisch und gefährlich diese Kinder handeln

5. Diagnose
5.1 Wie wird die Diagnose gestellt?
5.2 Diagnosemethoden von denen abgeraten wird
6. Pathogenese/ Ätiologische Faktoren
6.1 Zwillingsforschung
6.2 Prä- und Perinatale Faktoren
6.3 Nahrungsmittelallergie
6.4 Neuropsychologische Befunde:
6.5 Neurochemische Befunde:
6.6 Botenstoffe im Gehirn (Neurotransmitter)
6.7 Umweltfaktoren
6.8 Komoribidität

7. Die Auswirkungen
7.1 Die alltäglichen Beeinträchtigungen
7.2 Die weiteren Folgen
7.3 Lernstörungen
7.4 Die Soziale Schwierigkeit und Aggressivität bei Kindern
7.5 Die Stimmungsschwankungen und Ängste bei Kindern
7.6 Kaspern und Meidungsverhalten
7.7 Die besonderen Fähigkeiten und Begabungen von ADHS- Kindern und Jugendlichen
8. Der Alltag mit schwierigen ADHS- Jugendlichen
8.1 Warum ist es heute so schwierig für Jugendliche mit ADHS?
8.2 Die neuen Medien
8.3 Schulsituation

9. Therapie
9.1 Die verschiedenen Ansätze im diätischen Bereich
9.1.1 Die Feingold-Diät (nach Ben Feingold)
9.1.2 Die Hafer-Diät nach Herta Hafer
9.1.3 Die oligo-antigene Diät nach Egger
9.1.4 Fettsäuren und ihre langkettigen, mehrfach ungesättigten Derivate nach Richardson und Puri
9.2 Wie wirksam sind die Diättherapien wirklich?
9.2.1 Die Untersuchungen
9.3 Die Medikamente oder anders formuliert:“ Wenns doch hilftWas spricht dann dagegen?
9.3.1 Was man bisher versucht hat - zur Geschichte der medikamentösen Behandlung
9.4 Der heutige Stand der Medikation
9.4.1 Die einzelnen Medikamente
9.4.2 Herzklopfen, Schwindel? Nebenwirkungen?
9.4.3 Monoaminooxidasehemmer, Beispielsweise Aurorix ( Roche)
9.4.4 Imipramin z.B. Tofranil ( Novartis), Desipramin, z.B. Perofran ( Novartis)
9.4.5 Fenetyllin, z.B. Captagon ( Asta Medica)
9.4.6 Amphetaminil, z.B. AN 1 ( Krugmann)
9.5 Kaffee??? Cola??? Was bewirkst?
9.6 Fazit
9.7 Wann rät man zu einer medikamentösen Behandlung???
9.8 Was spricht gegen Medikamente?

10. ADHS: Irrtümer, Missverständnisse und Mythen
10.1 Kritische Äußerungen zu ADHS von Dr.Bob und der Youth Affairs Network Organisation von Quennsland (Australien)
10.1.1 Psychologischer Bezug
10.1.2 ADHS –existent oder nicht?
10.1.3 Die Bedrohung der körperlichen Unversehrtheit
10.1.4 Rasanter Anstieg von Verschreibungen
10.1.5 Achtung!!! Vor Medikamenten mit stimulierender Wirkung
10.1.6 Die Politik wirkt zu wenig?!
10.1.7 Schwere, schädigende Auswirkungen
10.1.8 Wird Methylphenidat zur neuen Freizeitdroge?
10.1.9 Warum wird so ein Wirbel um ADHS gemacht?
10.3 Die Pharmakonzerne.
10.4 Ärzte
10.5 Die Eltern
10.6 Die Schule

11. Weitere Kritische Stellungnahmen durch die Presse 2007
11.1 Fazit

12. Hilfsmöglichkeiten für Eltern um ihren Alltag mit einem ADHS- Kind zu erleichtern?
12.1 Schwierige Situationen vermeiden
12.2 Die Erziehungskonzepte
12.3 Welche Erziehungsansätze eignen sich am besten für ein ADHS- Kind?

13. Die empirische Studie
13.1 Die Auswertung der Studie
13.2 Fremdbeurteilungsbogen (ADHS) für Lehrer, Sozialpädagogen und Erzieher
13.3 Beispiel für eine Einzelauswertung anhand eines Schülers der 2. Klasse
13.4 Ein Beispiel für die Gesamtauswertung anhand der 2.Klasse
13.5. Die Abschlusstabelle sowie das Gesamtresultat der Studie
13.6 Die 1. Klasse
13.7 Die 2. Klasse
13.8 Die 3.Klasse
13.9 Die 5/ 6 Klasse
13.10 Die 7. Klasse
13.11 Die 9. Klasse
13.12 Fazit

14. Grundlagen des Hilfeverständnisses der sozialen Arbeit
14.1 Hilfsmöglichkeiten bei Alltagsproblemen durch Ansätze der sozialen Arbeit
14.1.1 Konzept der lebensweltorientierten sozialen Arbeit

15. Angewandte Hilfsmöglichkeiten der sozialen Arbeit bei Alltagsproblemen
15.1 Beratung
15.1.1 Definition von Beratung
15.2 Sozialpädagogische Beratung
15.3 Familientherapie
15.3.1 Definition
15.3.2 Anwendung:
15.4. Erziehungsberatung

16. Psychologische Ansätze
16.1 Verhaltenstherapie und das Token-System

17.Ein moderner Therapieansatz für Jugendliche- Das „ Skill-Training
17.1 Der „sokratische Dialog“
17.2 Erlernen der Selbstbeobachtung
17.3 Selbstinstruktion - ein mühsamer Weg
17.4 Ansätze für den Alltag
17.5 Lernstragtegien
17.6 Fazit

18. Das Optimind-Konzept
18.1 Die Ziele des OptiMind sind

19.Ausblick

Quellenverzeichnis

Literaturverzeichnis

Anhang

1.Einleitung

„ Ob der Phillip heute still
Wohl bei Tische sitzen will?“
Also sprach in ernstem Ton
Der Papa zu seinem Sohn,
Und die Mutter blickte stumm
Auf dem ganzen Tisch herum
Doch der Phillip hörte nicht,
Was zu ihm der Vater spricht.
Er gaukelt
Und schaukelt,
Er trappelt
Und zappelt
Auf dem Stuhle hin und her.
„ Phillip, das missfällt mir sehr!“

„Der „ Zappelphillip“.
Aus der zweiten Auflage des „Struwwelpeter“
(1863) des Frankfurter Nervenarztes
Dr. Heinrich Hofmann (zit.n.Wender,2002,S.13)

Bereits 1844 hat der Frankfurter Psychiater Heinrich Hoffmann, der Autor des Struwwelpeters das Phänomen des impulsiven, überaktiven und unaufmerksamen Kindes in seinen Kinderbilderbüchern beschreiben. In seinen Gedichten und Geschichten konnte man gut erahnen, was in diesen Kindern vor sich geht. Im Jahr 1902 wurde die Störung umfassend von George Still, dem ersten Professor für Medizin in England, beschrieben. George Still war von Kindern fasziniert und befasste sich deshalb so ausführlich mit Kindern und deren Störungen. Die hyperkinetische Störung ist aber erst seit Mitte des vorherigen Jahrhunderts als eigenständiges Störungsbild anerkannt.

Die massiven Forschungen der Verhaltensstörungen begannen in den 80er Jahren des 20. Jahrhunderts. Bis heute gilt die hyperkinetische Störung (WHO) bzw. Aufmerksamkeitsstörung als eine der am häufigsten wissenschaftlich untersuchten Krankheiten im Kindes- und Jugendalter. Im Wandel der Zeit wurde die hyperkinetische Störung bzw. Aufmerksamkeitsdefizit- /Hyperaktivitätsstörung mit einer Reihe von Namen belegt. (vgl. Therapaed, 22.01.2008, S.1)

Jedoch verbirgt sich hinter den zahlreichen Namen ein und dieselbe Krankheit. Nämlich ADHS - die Erkrankung mit den vier Buchstaben, die für die betroffenen Kinder und Jugendlichen schwerwiegende Folgen für das gesamte Leben haben kann. ADHS steht für das Aufmerksamkeitsdefizit- Hyperaktivitäts-Syndrom. Fünf bis zehn Prozent, d.h. mindestens 500.00 Kinder und Jugendliche in Deutschland zwischen sechs und achtzehn Jahren sind von dieser Erkrankung betroffen, wobei nur ein Teil effektiv behandelt wird. Außerdem hat die Zahl der erkrankten Kinder und Jugendlichen in den letzen Jahren sehr rasch zugenommen. In den USA wird ADHS als die sich am schnellsten ausbreitende Krankheit bezeichnet. (vgl.nlnv,21.01.2008,S.1) „Die häufigste Ursache für eine Überweisung eines Kindes an einen Psychiater oder Psychologen ist in den USA schon seit mehreren Jahren die so genannte „ Aufmerksamkeitsdefitiz-/ Hyperaktivitätsstörung“ (ADS/ADHS).“(zit.n.Henryk Holowenko 1999, S.13)

Auch in anderen Ländern wie Großbritannien und Australien ist diese Störung zunehmender Gegenstand öffentlicher Diskussionen und nicht geringer Debatten. Schon vor Jahren hat man sich öffentlich mit dieser Störung beschäftigt Es wurden zahlreiche Zeitungsartikel zum Diskussions-Thema der Öffentlichkeit gemacht, so zum Beispiel in DER SPIEGEL 52/1999 „Ständig unter Strom kann die Psychopille Ritalin überdrehten Kindern und ihren geplagten Eltern helfen?“ (vgl.Henryk Holowenko 1999, S.13).

Bis heute findet man regelmäßig Artikel wie in DER SPIEGEL 22/2007 „ Hyperaktive Kinder im Pillenrausch“ oder in der Zeitschrift PSYCHOLOGIE HEUTE 2007 „ADHS - Frühprävention ist möglich. „ Wo die Schulmedizin bei Verhaltensstörungen nicht hilft, suchen Eltern immer öfter das Heil in Bachblütentropfen und anderen alternativen Methoden, so nachzulesen in DIE ZEIT, 7/1999. Die Störung tritt bei etwa drei bis sechs Prozent aller Kinder in verschiedenen Kulturen und geografisches Regionen auf. In der Regel sind die Jungen drei bis neun Mal häufiger betroffen als die Mädchen. Die Häufigkeit der Diagnose schwankt, wobei bei neun Prozent aller amerikanischen Kinder die Diagnose ADS/ADHS festgestellt wird. Im Gegensatz hierzu steht Großbritannien. Hier wird es nur bei einem Kind von 1500 Kindern diagnostiziert. (vgl.Henryk Holowenko1999, S.13-14: Hinshaw 1994, Prendergast et al.1988, Schachar 1991,Taylor 1994 a, Taylor et. al 1991, Kewley 1998)

Der Letztgenannte führt weitere Daten auf, die belegen, dass ca. 0,03 Prozent der Schulkinder in Großbritannien mit Psychostimulanzien behandelt werden.

Hier liegt ein Vergleich zu anderen Ländern wie Australien nahe, denn dort sind es ein Prozent und in den USA drei Prozent. Im Gegensatz zu den USA wird ein Medikament in Deutschland nur unter großem Vorbehalt verschreiben, da es in Deutschland unter das Betäubungsmittelgesetz fällt. In vielen Ländern, wie beispielsweise in den USA oder Australien, werden sehr schnell Medikamente an Kinder verschrieben.(vgl. Henryk Holowenko 1999, S.14) Um Kinder zu schützen, gibt es zahlreiche Organisationen die sich für die Rechte von Kindern einsetzen und vor den Gefahren des Medikamentenkonsums warnen.

Eine dieser Organisationen ist die italienische Konsenserklärung „Giù Le Mani Dai Bambini”® („Hände weg von den Kindern“). Diese besteht aus 371 Wissenschaftlern, darunter Psychiater, Psychotherapeuten, Professoren, Ärzte und 125 Institutionen mit über 220.000 Mitgliedern. „Giù Le Mani Dai Bambini”® setzt sich für die Rechte von Kindern ein und vertritt die Meinung, dass „ADHS – keine Krankheit“ ist. Diese Organisation ist nur eine von vielen. Daraus ergibt sich, dass die Krankheit von Land zu Land unterschiedlich oft diagnostiziert wird.

Früher glaubten Kinder -und Jugendpsychiater ADHS würde im Laufe des Alters des Kindes abnehmen.

Diese Annahme erwies sich jedoch als falsch. Nach weiteren Untersuchungen kam man zu dem Entschluss, dass ADHS auch im Jugend- und Erwachsenenalter bestehen bleibt.

Außerdem, so die Annahme, könne es unbehandelt zu schweren Folgen führen. (vgl.adhs-schweiz,21.08.2008, S.1)

Die begriffliche Bezeichnung der Störung durchlief einen gesellschaftlich-geschichtlichen Wandel. Zuerst sprach man von “Hyperaktivität“ bzw. dem „Hyperkinetischen- Syndrom“ (HKS), danach folgte die Bezeichnung Aufmerksamkeitsdefizit-Syndrom (ADS, im englischen ADD) für Kinder ohne Anzeichen motorischer Unruhe und Aufmerksamkeitsdefizit-Syndrom mit Hyperaktivität (ADHS, im englischen ADD-H) für Kinder mit Anzeichen motorischer Unruhe.

Der heutige offizielle Begriff der „Aufmerksamkeitsdefizit-Hyperaktivitätsstörung (ADHS), wurde von Psychiatern festgelegt und in die vierte Auflage des „Diagnostischen und Statistischen Manuals der Psychiatrischen Erkrankungen (DSM-IV)“ der amerikanischen psychiatrischen Gesellschaft aufgenommen. Die Krankheits- und Symptombeschreibung wurde von verschiedenen praktizierenden Ärzten, Wissenschaftlern und auch für andere Zwecke verwendet. Auch die früheren Bezeichnungen wie „ADS“ oder „HKS“ tauchen ab und zu noch auf, wie beispielsweise innerhalb von Gesprächen der Elterngruppen. (vgl. Wender, 2002, S.13-14)

Nach heutigem Stand der Forschung, ist für die Entstehung von ADHS eine Stoffwechselstörung verantwortlich, jedoch spielen auch psychosoziale Faktoren eine entscheidende Rolle, wie sich die Krankheit entwickelt. Ein Blick in die Praxis zeigt, dass die Umgebung des Kindes häufig die Krankheit nicht anerkennt, sondern dies als ungezogen, rücksichtslos und disziplinlos bezeichnet. Die Kinder werden oft als störend empfunden, was bei dem Kind zu einem geringen Selbstwertgefühl führt. Viele Eltern sind mit der Erziehung ihres Kindes überfordert und benötigen Hilfsmöglichkeiten durch Therapeuten, Ärzte und Pädagogen. (vgl.Hilverling, Hofmann,2007, S.3)

2.Definition von Aufmerksamkeit

„Als Aufmerksamkeit bezeichnet man einen Prozess der Ressourcenzuweisung der beschränkten Verarbeitungskapazität des Gehirns. Als Maß für die Aufmerksamkeit gilt die Konzentration (Bleuer 1983). Die Ziele der Aufmerksamkeit sind die Wahrnehmung der Umwelt, Gedanken und Gefühle, sowie des eigenen Verhaltens und Handelns.“(zit.n.Wikipedia 28.01.2008, S.1)

2.1 Was man unter Aufmerksamkeit versteht?

Im alltäglichen Leben ist Aufmerksamkeit wichtig. Als Aufmerksamkeit bezeichnet man die Fähigkeit Wachheit zu besitzen und länger an einer Sache bleiben zu können, sowie störende Dinge außer Acht zu lassen. Aufmerksamkeit hat viel mit dem eigenen Interesse und dem eigenen Können zu tun.

Im Gehirn sind verschiedene Teile zuständig um aufmerksam arbeiten zu können. Besonders sind die Gehirnteile betroffen, die für Planungen, Überprüfungen und für die „Energiezufuhr“, sowie für das Abrufen von Wissen und Vorerfahrungen zuständig sind. Es ist im Grunde wichtig, dass man sich nur einer Sache zuwendet und andere Sachen außer Acht lässt. Aufmerksamkeit beschränkt sich also nur auf eine Sache, die im Moment aktuell ist. Nach vielen Untersuchungen sind Forscher darauf gestoßen, dass Aufmerksamkeit in der menschlichen Entwicklung erst im Laufe der Zeit notwenig wurde, weil wir verschiedene Tätigkeiten ausführen können, jedoch uns für eine entscheiden müssen. (vgl.Lauth,Schlottke,Naumann 2007, S.22-23)

„Früher ist man davon ausgegangen, dass Aufmerksamkeit eine Art „Speicher im Gehirn“ sei. Heute weiß man, dass Aufmerksamkeit erst beim konkreten Tun wichtig ist.“(zit.n.Lauth,Schlottke,Naumann 2007, S.23)

Um aufmerksam sein zu können benötigt man:

- eine Zielvorgabe und muss sich sein Ziel immer vor Augen halten,
- das Filtern von Reizen, also störende Reize von sich zu lassen und trotzdem weiter zu arbeiten,
- geistige Wachheit,
- die Kontrolle, Überprüfung und das Korrekturverhaltens des eigenen Handeln,

das Integrieren schon im Vorfeld gesammelter Erfahrungen und die Antizipationsfähigkeit,

- weitere Fähigkeiten wie: genau hinhören oder hinschauen.

Aufmerksamkeit erfordert sehr viel Selbstdisziplin, um diese Fähigkeiten einsetzen zu können. Im Laufe unsrer Entwicklung lernen wir aufmerksam zu sein. Wichtig ist, dass Aufmerksamkeit nicht dasselbe ist wie Konzentration.

Als Konzentration bezeichnet man eine Einschränkung des Bewusstseins beispielsweise, dass man Musik oder andere Geräusche im Hintergrund nicht wahrnimmt.

Konzentration ist ein wichtiger Teil der Aufmerksamkeit. Aufmerksamkeit an sich ist aber noch viel weiter gefasst. Viele Eltern oder Lehrer meinen, dass das Kind sich nur anstrengen müsste. Besonders auffällig werden Kinder in Situationen, in denen man von ihnen viel Selbstdisziplin verlangt und bestimmte Anforderungen an sie gestellt werden.

Dies könnte beispielsweise sein:

- Unterricht
- Hausaufgaben
- Essen am Familientisch oder im Restaurant oder bei Familienfesten
- Kindergeburtstage
- Gruppenspiele
- Arzttermine
- Familienbesuche

In solchen alltäglichen Situationen ist die Einhaltung bestimmter Regeln wichtig. Bei längerfristig geforderter Aufmerksamkeit fällt es den Kindern äußerst schwer, ihre Impulse zu unterdrücken. So rennen sie lieber umher, satt ruhig am Tisch zu essen. Oder sie schauen lieber fern, ohne dabei schnell das Interesse zu verlieren, anstatt sich einem Spiel zu widmen. Dies geht allen Menschen so.

Bei uninteressanten oder langweiligen Aktivitäten oder Verpflichtungen möchte man lieber etwas anderes tun und sich Neuem und Interessantem widmen. Doch was ADHS Kindern von den übrigen Kindern unterscheidet ist, dass die normal entwickelten Kinder sukzessive lernen, so viel Selbstdisziplin aufzubringen, dass sie es dann meistens schaffen, sich den aktuell relevanten Dingen zu widmen.

Die meisten Kinder lernen dies von ganz alleine, was bei aufmerksamkeitsgestörten Kindern nicht zu trifft. (vgl.Lauth,Schlottke,Naumann 2007, S.22-23)

3. ADHS im Kindes- und Jugendalter

3.1 Definition

„Ist ein Kind ständig - und nicht nur gelegentlich - extrem unaufmerksam, übermäßig impulsiv und immer in Bewegung, dann leidet es möglicherweise an einer neurobiologischen Funktionsstörung im Gehirn, kurz ADHS genannt.

ADHS steht für die Abkürzung Aufmerksamkeits-Defizit-Hyperaktivitäts-Störung und ist durch die Hauptsymptomatiken Aufmerksamkeitsschwäche (Aufmerksamkeitsdefizit) Gesteigerte Impulsivität und extreme Unruhe ( Hyperaktivität) gekennzeichnet. Diese Symptome können in unterschiedlicher Ausprägung auftreten. Herrscht nicht die Hyperaktivität, sondern die Aufmerksamkeitsstörung, spricht man auch von ADS oder Aufmerksamkeits-Defizit-Störung. Es ist beweisen, dass ADHS eine der häufigsten chronischen Erkrankungen im Kindes- und Jugendalter ist. Schätzungen gehen davon aus, dass etwa fünf Prozent aller Kinder und Jugendlichen betroffen sind.“(zit.ucb 29.01.2008, S.1). Aber nicht jedes Kind, das unaufmerksamer, unruhiger oder voreiliger als andere Kinder ist, leidet an ADHS.

Im folgenden Abschnitt werden die Begriffe und Symptome im Detail aufgegriffen.

(vgl.ucb 29.01.2008, S.1).

3.1.1 Aufmerksamkeitsdefizit ohne Hyperaktivität (ADS)

Kinder mit ADS leiden an Unaufmerksamkeit, Impulsivität, sowie einer Aktivitätsverminderung (Hypoaktivität). Man vermutet, dass Mädchen häufiger an dieser Form erkranken als Jungen. Kinder mit ADS haben eine mangelnde, nicht altersgemäße Konzentrationsspanne. Dies zeigt sich in Gruppensituationen wie im Kindergarten oder in der Schule. Beim Spielen bringen sie kein Spiel zu Ende, sind fahrig und zerstreut, lassen oft Sachen liegen, selbst kleinste Anweisungen werden vergessen. In der Schule haben sie ein langsames Arbeitstempo und wirken verträumt.

Obwohl das überschießende Verhalten vollkommen fehlt, ist bei diesen Kindern oft auffällig, dass sie isoliert werden, weil sie zu Wutanfällen und heftigen Stimmungsschwankungen neigen. In der Schule sind sie aufgrund der Konzentrationsstörung häufig leistungsschwach und gelten deshalb oft als dumm oder faul.

3.1.2 Aufmerksamkeitsdefizit mit Hyperaktivität ( ADHS)

Diese Störung zeichnet sich durch ausgeprägte und sehr lang anhaltende Trotzphasen mit häufigen und imposanten Wutanfällen aus. Dies äußert sich vor allem in Spielverhalten. Die Kinder wirken plan- und ratlos, die Ausdauer im Einzel- und Gruppenspiel ist gering und der Umgang mit Spielzeug ist sinnwidrig und destruktiv.

Kinder mit ADHS sind im Vergleich zu anderen Kindern häufiger von motorischen Teilleistungsstörungen betroffen. Das Sozialverhalten der Kinder kann sich ebenfalls auffällig entwickeln. Bei einem Teil der Kinder ist das Verhalten nicht vorhersehbar und kann sich in aggressivem Verhalten äußern. Dies kann zur Folge haben, dass sich die Kinder isolieren, sowie nicht in der Lage sind, feste Freundschaften einzugehen. Mit zunehmender Klassenstufe und damit immer höher werdenden Leistungsanforderungen nehmen die Schwierigkeiten in der Schule zu. Sie stören den Unterricht, haben wenig Ausdauer Aufgaben zu erledigen und sind sehr schnell abgelenkt.

Es gibt Eltern, die sich fast täglich mit Lehrern auseinander setzen müssen, weil das Kind oder der Jugendliche dazwischen redet, Geräusche produziert, zappelt, den Banknachbarn nicht in Ruhe lässt oder Klassenkameraden verletzt. Auf Ermahnungen reagiert das Kind häufig mit Wutanfällen oder spielt den Klassenclown, um Aufmerksamkeit und Zuwendung zu erhalten. Dies kann widerrum zur Folge haben, dass das Kind unglücklich wird und sein Selbstbewusstsein schwindet.

Bei Kindern, die eine schwere Form von ADHS haben, kommt es oft zu einem ausgeprägten Trotzverhalten, das gemeinsam mit Misserfolgen und Isolation im Kindergarten oder in der Schule zu Problemen unter Gleichaltrigen führt.

Kinder oder Jugendliche mit ADS und ADHS haben ein hohes Risiko für Unfälle. Unbehandelte Kinder oder Jugendliche beginnen oft schon in sehr jungem Alter Zigaretten zu rauchen oder Alkohol zu trinken. Die Gefahr süchtig zu werden, ist bei ihnen höher als bei Kindern und Jugendlichen ohne die Erkrankung. (vgl. Leitfaden ADS/ADHS. Informationsbroschüre des Hamburger Arbeitskreises 2004,S. 11-13)

3.2 Wie oft treten die Aufmerksamkeitsstörungen auf?

Es ist oft so, dass die Zahl der aufmerksamkeitsgestörten Kinder höher geschätzt wird, als sie eigentlich ist. Dies passiert besonders Lehrern, die bis zu fünfzehn Prozent ihrer Schüler als „aufmerksamkeitsgestört“ einschätzen. Dabei liegt die tatsächliche Zahl bei drei und sieben Prozent. Um ein Kind als aufmerksamkeitsgestört zu bezeichnen, bedarf dies einer sorgfältigen Überprüfung. Dies macht man anhand verschiedener Merkmale, die letztendlich entscheiden, ob so eine Krankheit vorliegt. Durch mehrere Studien zur Folge hat man herausgefunden, dass Jungen häufiger betroffen sind als Mädchen.

Aufmerksamkeitsstörungen sind ein Problem der heutigen Zeit. Lehrer und Erzieher beklagen sich oft über die Kinder, wie schwierig sie heutzutage geworden sind. Deshalb ist es nicht verwunderlich, dass die Krankheit schon als Mode-/ Schulkrankheit angesehen wird.

Die tatsächliche Zahl bei Grundschülern liegt jedoch bei drei bis sieben Prozent. (vgl.Lauth,Schlottke,Naumann2007,S.37) „Als realistische Faustregel gilt: Pro Schulklasse sind ein bis zwei Kinder aufmerksamkeitsgestört oder hyperaktiv. Damit sind die Grundschüler am häufigsten von Aufmerksamkeitsstörungen betroffen.“(zit.n.Lauth,Schlottke,Naumann 2007, S.37)

Da es häufig verschiedene Symptome und Einschätzungen der Aufmerksamkeitsstörung gibt, gibt es viele Fehleinschätzungen. Selbst Kinder, die einfach „nur“ konzentrationsschwach sind, wenig Interesse an der Schule haben oder Schwierigkeiten haben dem Lernstoff zu folgen, sich in Gruppenspielen nicht an Spielregeln halten oder als störend erlebt werden, werden schnell in die Schublade „aufmerksamkeitssgestört“ gesteckt. Die meisten Kinder sind jedoch nicht aufmerksamkeitsgestört. Um eine zuverlässige und richtige Diagnose zu haben, bedarf dies einer Überprüfung der Probleme anhand internationale anerkannter Kriterien, um eine Diagnose zu stellen. Wenn man viele Kinder als aufmerksamkeitsgestört etikettiert ist das zu Unrecht.

Aufmerksamkeitsstörungen sind ungleich auf Mädchen und Jungen verteilt. Es gibt mehrere Gründe die hierzu diskutiert werden:

- In der Pubertät bei Jungen zeigen sich öfter Verhaltensstörungen als bei Mädchen. Nach der Pubertät wird dies jedoch nicht besser. Bei Mädchen ist es eher so, dass sie Probleme nicht so sehr an sich heran lassen und sie mehr abwehren. Mädchen neigen dazu, Probleme nicht nach außen sichtbar zu zeigen, z.B. in aggressivem Verhalten, sondern ihre Probleme eher nach innen gerichtet halten, was sich häufig in Ängstlichkeit und Autoaggressionsformen äußert.
- Einige Forscher sind der Ansicht, dass es Jungen heutzutage immer schwerer haben, sich in der Männerrolle unserer Gesellschaft zu erleben, weil sie immer weniger Vorbilder haben (dies ist allerdings nur schwer zu belegen).
- Jungen sind einem höheren Risiko ausgesetzt, krank zu werden.
Diese Thesen allein erklären jedoch noch nicht vollständig die Missverhältnisse zwischen Jungen und Mädchen. Hier muss zusätzlich eine umfangreichere Bandbreite weiterer Faktoren bei der Interpretation berücksichtigt werden. (vgl.Lauth,Schlottke,Naumann 2007, S.38)

3.3 Wer ist besonderst gefährdet, ein ADHS zu entwickeln?

Bevor ein Kind geboren wird, erhöhen elterliche bzw. familiäre Merkmale das Risiko, dass ein Kind an ADHS erkrankt. Diese Risikofaktoren sind zwar nicht nur dafür verantwortlich dass eine ADHS ausbricht Jedoch bedeutet es, dass sie eine bestimmte Vulnerabilität besitzen, dass ein Kind in diese Familie hineingeboren wird, mit erhöhtem Risiko eine ADHS haben wird, als Kinder aus Familien, bei denen diese Risikofaktoren nicht vorhanden sind.(vgl. Barkley 2002,S. 137)

3.3.1 Merkmale der Eltern und der Familien

Wie schon zuvor erwähnt weiß man aus verschiedenen Untersuchungen, dass das Risiko von Eltern, die ein ADHS haben, höher ist, dass auch die weiteren Kinder eine ADHS haben - mit einer Wahrscheinlichkeit von 25-35 Prozent. Nach wissenschaftlichen Schätzungen liegt das Risiko bei Mädchen bei 13- 17 Prozent und bei Jungen bei 27 bis 35 Prozent - unabhängig vom Geschlecht des anderen Kindes mit ADHS. Es ist unklar, warum innerhalb einer Familie Jungen ein höheres ADHS- Risiko haben als Mädchen.

Die Ursachen sind wahrscheinlich genetischer Natur: Klar ist, dass es sowohl weibliche als auch männliche Personen einer Familie weiter vererben können. Allerdings können männliche Personen es auch nur auf männliche Personen einer Familie weitervererben.

Bei den weiteren Risikofaktoren, die ein frühes Auftreten verursachen, handelt es sich um folgende:

- Niedriges Bildungsniveau der Mutter
- Einen niedrigen Sozioökonomischen Status der Eltern
- Aufwachsen bei einem allein erziehenden Elternteil, bzw. in einer Familie, die von einem Elternteil verlassen wurde.

Diese genannten Faktoren sind jedoch nicht zwangsmäßig für die Entstehung des ADHS- Risikos mitverantwortlich, und sie sind wahrscheinlich auch nicht die alleinige Ursache für das Auftreten der Störung. Es bedeutet lediglich, dass die Kinder einem höhern Risiko ausgesetzt sind, aber wahrscheinlich gibt es noch einen dritten Faktor, der sowohl für diese Risikofaktoren als auch für die ADHS selbst verantwortlich ist. Man geht davon aus, dass genetische Faktoren zwischen der ADHS und anderen Persönlichkeitseigenschaften die entscheidende Rolle spielen. (vgl. Barkley 2002,S. 138)

3.3.2 Merkmale der Schwangerschaft

Nach zahlreichen Studien von Müttern, bei denen es während der Entbindung zu Komplikationen kam, ist die Wahrscheinlichkeit höher, dass deren Kinder ADHS haben, als Mütter deren Schwangerschaft problemlos verläuft. Dabei ist es nicht von Bedeutung, welche Art von Komplikationen eingetreten ist sowie deren Anzahl. Es besteht die Möglichkeit eines dritten Faktors: dass die Mutter selbst an ADHS leidet. Hier ist es so, dass die Mutter mit ADHS weniger auf die Schwangerschaft achtet und deshalb auch mehr Komplikationen erleidet. In einem solchen Fall wäre die Ursache für das Entstehen von ADHS genetisch bedingt. Tatsache ist aber, dass es hierfür nur sehr wenige Belegt dafür gibt, dass Komplikationen die Ursache für eine Entstehung von ADHS sind.

In der großen Studie Perinatal Collaborative Projekt in Amerika in den siebziger Jahren wurde dieses Projekt im Auftrag der US-amerikanischen Regierung durchgeführt. Dabei ging mit einer Schwangerschafts- oder Geburtskomplikation eine geringfügige Erhöhung des ADHS Risikos des Kindes einher.

- Zigarettenkonsum der Mutter
- Epileptische Anfälle der Mutter
- Lange Krankenhaus Aufenthalte der Mutter
- Atemschwierigkeiten des Babys während und nach der Entbindung
- Ebenso Gewicht & Zustand der Plazenta bei der pränatalen Untersuchung

Je mehr Faktoren eintreten, desto höher war die Wahrscheinlichkeit, dass das Kind ADHS- Symptome aufweist. Kinder, die früh geboren und ein niedriges Geburtsgewicht hatten, haben ein deutlich höheres Risiko. Dies ist etwa fünf - bis siebenfach höher als bei normalen Geburten. Nach neusten Studien ist dies zurückzuführen auf kleine Hirnblutungen, die häufig bei solchen Babys auftreten. Daraus geht hervor, dass etwa 40 % der Säuglinge mit den genannten Blutungen später an ADHS erkranken oder andere Entwicklungs- und Lernstörungen haben, während andere untersuchte Baby ohne diesen Befund viel seltener an solchen Problemen leiden.(vgl. Barkley 2002,S. 138)

3.3.3 Merkmale in der frühen Kindheit

Wissenschaftler haben auch einige Merkmale in der frühen Entwicklung von Kindern festgestellt, die auf ein erhöhtes Risiko von ADHS hinweisen. Wie schon erwähnt wurde in dem perinatalen Collaborative Projekt in Amerika folgende Risikofaktoren für das Entstehen von ADHS erforscht:

- Verzögerte motorische Entwicklung
- Geringer Kopfumfang bei der Geburt und im Alter von 12 Monaten
- Meconium (material aus dem Darm des Fötus) im Fruchtwasser.
- Anzeichen einer Nervenschädigung nach der Geburt
- Postnatale Teamschwierigkeiten sowie ein niedriges Geburtsgewicht

Kinder, die im Kleinkind- oder Vorschulalter häufiger krank sind oder motorische Entwicklungsstörungen haben, sind gefährdeter als andere später ADHS- Symptome zu entwickeln. Kinder, die schon im Säuglingsalter zu aktiv sind, haben ein erhöhtes Risiko an ADHS zu erkranken. (vgl. Barkley 2002,S.139-140)

3.4 Die verschiedenen Alterstufen und deren klinisches Bild

Die Aufmerksamkeitsstörung ändert sich im Laufe der Altersstufen und ist deshalb durch unterschiedliche Erscheinungsformen gekennzeichnet.

Bei Kleinkindern ist es besonders schwer, eine Aufmerksamkeitsstörung festzustellen. Jugendliche haben meistens zusätzlich soziale und berufliche Schwierigkeiten.

Wichtig ist, dass sich die Aufmerksamkeitsstörung im Laufe des Alters verändert, jedoch selten von alleine verschwindet. Vielmehr verschlimmert sich die Symptomatik über die Jahre, was wiederum ein Entwicklungsrisiko in sich birgt.

Die Betroffenen befinden sich in unterschiedlichen Lebenssituationen und demnach sind die Umstände der Erscheinungsformen auch sehr unterschiedlich: ob ein aufmerksamkeitsgestörtes Kind den Kindergarten oder die Schule besucht, ob sich der Jugendliche in der Berufsausbildung befindet oder nicht. Je nach Anforderungen und Selbständigkeit des Kindes bzw. Jugendlichen fallen Aufmerksamkeitsstörungen völlig unterschiedlich auf.

3.4.1 Kleinkindalter (0 bis ca. 4 Jahre)

Die Aufmerksamkeitsstörung zeigt sich in diesem Alter vor allem in motorischer Unruhe, in erhöhter Reizbarkeit und Anpassungsschwierigkeiten. Besonders auffällig ist, dass diese Kinder sehr schlecht durchschlafen können, Schwierigkeiten haben sich an regelmäßige Essens- und Schlafzeiten zu gewöhnen, am Tag sehr unruhig sind und sich nur schwer beruhigen lassen.

Die zusätzliche Schwierigkeit besteht darin, dass die meisten Kinder sehr temperamentvoll sind, was sich besonders für Eltern als problematisch darstellt, da sie gerne trotzen und sich nicht beeinflussen lassen wollen. Kinder mit dieser Störung, die sich im Vergleich zu anderen Kindern motorisch gut entwickelt haben, haben einen ausgeprägten Bewegungsdrang sowie eine überaus große Neugierde. Sie widmen sich gerne neuen Dingen zu, jedoch nur für kurze Zeit. Sie sind sehr leicht ablenkbar. Oft sind es die „Schreibabys“, die kaum zu trösten sind. Meistens haben sie auch einen unregelmäßigen Schlaf- und Wachrhythmus“ und ihre Bewegungen sind auffällig.

3.4.2 Kindergartenalter (ca.3-5 Jahre)

Meistens entdeckt man eine Aufmerksamkeitsstörung erst in diesem Alter. Das Kind ist im Kindergarten zum ersten Mal ohne ständige Anleitung durch einen Erwachsenen und soll sich in eine komplizierte, neue Welt eingewöhnen. Das Verhalten lässt sich hier gut beurteilen, da es mit anderen Kindern zusammen ist und Regeln einhalten muss. Deshalb fällt bei Interaktionen mit anderen Kindern impulsives, überaktives Verhalten oder eine Aufmerksamkeitsschwäche besonders auf. Anzeichen dafür können sein, dass das Kind beim Geschichten vorlesen nicht zuhört und sich sehr unruhig zeigt.

Es ist ständig in Bewegung, kaspert viel herum, handelt vorschnell und erzeugt damit Unruhe und stört somit andere Kinder. Es kann nicht bei einer Sache bleiben, sondern wechselt ständig von einer Aktivität zur anderen. Kurz gesagt ist es im Vergleich zu anderen Kindern besonders auffällig.

Bei Gruppenspielen fällt es dem Kind schwer zu warten bis es an der Reihe ist. Zu Hause bei den Eltern wird die überschießende Unruhe bemerkt. Beim Toben geht viel kaputt, weil die Kinder herum rennen, gegen Gegenstände stoßen und sich häufig verletzen.

Wenn dieses Verhalten in verschiedenen Situationen beobachtet werden kann, wie beispielsweise im Kindergarten beim Spielen und Basteln oder im Alltag zu Hause, dann liegen mehrere Hinweise für eine Aufmerksamkeitsstörung vor. Wenn dies der Fall ist, sollte man Hilfe von professionellen Fachkräften wie Kinderpsychologen, Erziehern, Kinderärzten oder Neuropsychiatern einholen.

Beobachtet man solche Verhaltensweisen, jedoch nicht regelmäßig und nur in bestimmten Situationen im Kindergarten oder in der Schule, nicht aber zu Hause, so deutet dies darauf hin, dass besondere Umstände oder Ereignisse im Kindergarten / in der Schule dafür maßgebend sind. Es könnte zum Beispiel sein, dass das Kind mit großen Kindern Probleme hat oder sich mit den Erziehern nicht versteht. Solche Möglichkeiten sollte man bedenken, wenn das Kind nur in bestimmten Situationen unruhig, ablenkbar und unbedacht ist, ansonsten aber unauffällig bleibt. Wenn es beispielsweise mit den Nachbarskindern ohne Probleme spielen kann, sich mit den Geschwistern angemessen versteht und sich auch über einen längeren Zeitraum allein intensiv mit einem Spiel beschäftigen kann, sind die Ursachen fraglich.

3.4.3 Jüngere Schulkinder (ca. 6- 10 Jahre)

Beim Schuleintritt ist es besonders wichtig, dass die Kinder „bei der Sache bleiben“ können, also Ausdauer, Konzentration und Geduld haben. Typisch und logisch ist es, wenn aufmerksamkeitsgestörtes Verhalten in der Schule Nachteile mit sich bringt. Dies kann sich darin äußern, dass es dem Kind schwer fällt, still sitzen zu bleiben, dass es seine Aufmerksamkeit nicht auf die momentan relevanten Informationen fokussieren kann, vorschnell reagiert und sich nicht an die Regeln des Unterrichts hält. Daraus resultieren Misserfolge, Klagen bis hin zu gravierenden schulischen Schwierigkeiten.

Es dauert meist nicht lange, bis diese Kinder und deren Eltern negative Rückmeldungen von Lehrern bekommen, was zur Folge haben könnte, dass die Begeisterung für die Schule deutlich nachlässt und das Kind schulische Anforderungen meidet. Dazu gehört auch, dass das Kind versucht zu Hause bleiben zu dürfen, morgens beim Anziehen herumtrödelt, Wutanfälle bekommt, wenn es losgeschickt oder zur Schule gebracht wird.

Wenn das Kind dann immer öfter vom Unterricht fernbleibt, da die Schule nur noch eine Belastung darstellt, entstehen große Wissenslücken, was weitere Probleme nach sich zieht. Eine Aufmerksamkeitsstörung wird meistens schnell bemerkt, weil den Lehrern oder Erziehern das negative Verhalten auffällt und eine Veränderung suchen.

Eine weitere typische Folge für ein ADHS- Kindes ist zusätzlich, dass soziale Probleme entstehen. Dem Kind fällt es schwer Freundschaften zu schließen, oft ist es bereits im zweiten Schuljahr ein Außenseiter. Das Kind ist gefährdet, sowohl von Lehrern als auch von Schülern, abgestempelt zu werden. Aufgrund der negativen Erfahrungen entwickelt es Folgeprobleme wie Schulunlust, Aggressivität, Selbstzweifel, die ihm die Alltagsbewältigung noch schwerer machen.

3.4.4 Ältere Schulkinder (ca.11-14 Jahre)

Die schulischen Anforderungen und Erwartungen an das Kind werden höher, die Freiräume immer geringer. Mit den Jahren wird vom Heranwachsenden immer mehr erwartet - vor allem, dass es mit seinen Schwierigkeiten zunehmend alleine fertig wird. Dies ist aber nicht mehr so leicht für das Kind, da es schon lange mit der ADHS- Störung lebt und als aufmerksamkeitsgestörtes Kind mittlerweile schon große Wissensdefizite hat. Auch für intelligente Kinder und Jugendliche ist es schwer den Schulalltag zu meistern.

Die Probleme bestehen meistens darin, dass sie dem Lerntempo nicht folgen können und sich nicht gut in die Klasse integrieren können. Des weiteren erleben die Kinder in der Schule ständig Misserfolge.

Es fehlt ihnen an hilfreichen Lernstrategien, um den umfangreichen und anspruchsvollen Lernstoff aufzunehmen und zu strukturieren. Da in diesem Alter der Kontakt zu Gleichaltrigen immer wichtiger wird, ist es für die Betroffenen besonders schwer soziale Kontakte zu knüpfen, da sie mit der Aggressivität oder ihrer Launenhaftigkeit schnell ins soziale Abseits geraten.

Die beginnende Pubertät in diesem Alter führt zu weiteren Problemen. Jugendliche gehen in diesem Alter eigene Wege und entwickeln zudem auch eigene Interessen außerhalb der Schule.

3.4.5 Jugendliche (ca.15- 20 Jahre)

Die Probleme in der Schule und im Umgang mit Gleichaltrigen verschlimmern sich zunehmend in der Pubertät. Dieser neue Lebensabschnitt ist mit vielen neuen Herausforderungen und Neuorientierungen verbunden. In dieser Phase ist der Jugendliche bemüht, seine Persönlichkeit zu entfalten und zu finden, neue Wege zu gehen, sich vom Elternhaus zu lösen, Bindungen außerhalb der Familie einzugehen, neue Entscheidungen zu treffen in Beruf und Ausbildung und vor allem sich selbst zu akzeptieren, sowie seine Rolle im sozialem Umfeld zu finden. Untersuchungen haben gezeigt, dass fast alle Jugendlichen in der Phase der Neuorientierung Probleme haben, egal ob sie ADHS haben oder nicht. Sie sind nicht im Einklang mit sich, haben Angst vor Zurückweisungen durch Gleichaltrige, vor Konflikten mit ihren Eltern, sind emotional verunsichert und haben mangelnde Zukunftsperspektiven.

In diesem Lebensabschnitt kommt es auch vermehrt zu Auseinandersetzungen zwischen Eltern und Jugendlichen. Im Vergleich zu anderen Jugendlichen, die nicht aufmerksamkeitsgestört sind, sind sie sehr eigenwillig. Ein Grund dafür ist, dass sie in ihrer Impulsivität weniger über die Folgen ihres Handelns nachdenken. Dadurch geraten sie leichter in Auseinadersetzungen mit anderen. Dazu gehört auch, dass sie unbedachter vorgehen, beispielsweise unter Alkoholeinfluss Autofahren bzw. weitere Verkehrsverstöße begehen. Ihr großes Interesse an neuen Dingen führt zwangsläufig dazu, dass sie auch risikoreichere Dinge ausprobieren. Ihre geringe soziale Geschicklichkeit hat oft zur Folge, dass sie sich eventuell strafbar machen und schlecht aus solchen Situationen herauskommen.

Durch solche wiederkehrenden Situationen ist die Eltern-Kind-Beziehung oft konfliktreicher als bei anderen Jugendlichen. Da diese Jugendlichen meist keinen verlässlichen Freundeskreis haben, der sie stützen könnte, verläuft diese Phase oft krisenhaft. So bleiben die Jugendlichen meist nicht davon verschont häufige Schulwechsel zu durchleben – sie werden nicht selten „nach unten durchgereicht“. Zusätzlich führt wiederholter Schulabbruch zu verschlechterten Chancen einen Ausbildungsplatz zu finden.

Bei den jugendlichen ist Hier besteht dann die Gefahr, dass die Aufmerksamkeitsstörung ernste sozial-gesellschaftliche Probleme zur Folge hat. (vgl.Lauth,Schlottke,Naumann 2007, S.39-44)

3.5 Der Drang nach dem Extremen

Die Jugendlichen mit ADHS hinterlassen oft den Eindruck einer überzeugten und selbstbewussten Person. Aber es ist oft so, dass sich hinter ihrem ich-bezogenen Verhalten oft eine große Verletzlichkeit verbirgt. Sie leiden sehr darunter, dass sie anders sind wie ihre Gleichaltrigen. „Entweder sie resignieren, oder sie wollen um jeden Preis respektiert werden.“ ( zit. n. info-adhs, 02.02. 2008,S.2) Bei Mädchen zeigt sich oft das Verhalten, dass sie sich sehr stark auf ihr Äußeres fixieren und glauben abgelehnt zu werden, weil sie nicht perfekt aussehen. Aus dieser Angst können sich Essstörungen oder ein Hang zur Selbstverletzung entwickelt werden.

„Manche ADHS- Jugendliche lassen sich in extremem Ausmaß tätowieren oder piercen. Häufig tun sie sich mit anderen "Exoten" (Peergroups) zusammen. Ihre Offenheit gegenüber allem Neuen und ihr mangelnder Sinn für Gefahreneinschätzung macht sie besonders anfällig für risikoreiches Verhalten und das Experimentieren mit Drogen. Die Jugendlichen sind häufig auf der Suche nach Extremen und wollen alles ausprobieren. Aus gemachten Fehlern lernen sie meist nicht. Sie leben im Hier und Jetzt. Für sie ist vieles immer wieder neu. Die Fähigkeit abzuwägen, zu vergleichen, zu relativieren, Einsichten zu entwickeln, auch abwarten zu können und einen realistischen Überblick über die Situation zu erhalten, bleibt Jugendlichen mit ADHS lange verwehrt. Daher sind sie leicht zu beeinflussen. Zwar ist der Wunsch nach Unabhängigkeit meist sehr ausgeprägt, Jugendliche mit ADHS neigen aber dazu, sich immer wieder von anderen Personen abhängig zu machen und sich viel zu früh an einen Partner zu binden. Oft werden sie auch viel zu früh Eltern.“ ( zit.n. info-adhs, 02.02.2008, S. 2)

3.5.1 Die Folgen für die Psyche

Jugendliche, die an ADHS leiden, sind oft stimmungslabil. Oft ist es so, dass sie gehäuft an depressiven Verstimmungen leiden ohne ersichtlichen Grund. Dies kann bis zur Selbstmordgefährdung führen. Die Phase der ersten Verliebtheit kann sich mit heftigen Gefühlen äußern.

Diese Jugendlichen haben ein stärkeres Bedürfnis nach Harmonie, jedoch fällt es ihnen schwer, sich in andere Menschen einzufühlen und auf andere Bedürfnisse einzugehen. Der Partner wird oft kontrolliert und Eifersucht spielt eine große Rolle. Dabei kann es schon passieren, dass es zu heftigen Wutausbrüchen kommt.

Es ist nicht einfach für die Jugendlichen mit Gleichaltrigen Beziehungen einzugehen oder aufrecht zu erhalten. Die Folge ist, dass sich die Jugendlichen immer mehr zurückziehen - in Verbindung mit einer ausgeprägten Angst vor dem Verlassenwerden. Eine Trennung von Partnern oder Freunden wird mit heftigen Gefühlen erlebt. (vgl. info-adhs, 02.02.2008, S. 3)

3.6 Mädchen mit ADHS

Die meisten Forschungen zu ADHS sind Untersuchungen mit Jungen. Da der größte Teil der Betroffenen sie sind. Es gibt wenig Mädchen, die hyperaktiv sind. Jedoch gibt es auch Mädchen, die von dieser Störung betroffen sind. Bei Ihnen äußert sich die Erkrankung anders. Ein Grund dafür ist, dass Jungen und Mädchen biologisch unterschiedliche Entwicklungsverläufe haben. Mädchen neigen dazu, Schwierigkeiten oder Probleme zu kompensieren, um nicht abgelehnt zu werden. Impulsives Verhalten bei Mädchen wird öfters von außen unterdrückt.

3.6.1 Wie reagieren Mädchen mit ADHS

- Mädchen mit ADHS leiden oft unter einem schwachen Selbstwertgefühl und neigen schneller dazu depressiv zu werden.
- Sie leiden gehäuft unter Angststörungen.
- Sie haben ein erhöhtes Suchtrisiko.
- Die Mädchen haben meist einen hohen IQ und neigen dazu, mehr zu psychischem Stress und fressen oft Probleme in sich hinein.
- Sie haben oft mehr Probleme in der Pubertät, mit einer gravierenden Verstärkung der Stimmungslabilität und der emotionalen Reaktivität.
- Sie erleben Schmerzen intensiver, sind hypersensibel und reagieren oft mit unklaren Krankheitszeichen.
- „Mädchen mit ADHS vom kombinierten Typ erscheinen übereloquent, übersozial (Für andere weiß sie so gut Rat - warum nicht für sich?), über reagibel, immer beschäftigt, oft mit speziellem Charisma, oft chaotisch, immer beschäftigt, sie wirken etwas „verdorben“ und schreiben Schuld auf andere“(zit.n. Neuhaus 2000, S. 36).
- Mädchen, die Symptome vom unaufmerksamen Typ haben, wirken oft tagträumerisch, lethargisch. In der Schule, wenn Leistungen gefordert werden, sind sie eher zurückhaltend und haben Schwierigkeiten sich gewandt und flüssig auszudrücken. Sie sind schnell entmutigt und eher scheu und ängstlich.

3.6.2 Die Probleme, die Mädchen mit ADHS haben, ...

- sind entwicklungsverzögert,
- haben oft Schwierigkeiten, Gelerntes anzuwenden,
- können sich selbst schlecht überwachen,
- zeigen Probleme, mehrere Tätigkeiten gleichzeitig zu tun,
- fallen von einer Situation in die nächste,
- haben oft ein sehr sensibles Nervensystem, mit oft auffälliger Berührungsempfindlichkeit,
- haben oft Probleme, ihre Blase zu kontrollieren,
- zeigen oft Hypersensibilität gegenüber Geschmack, Geruch, Geweben (z.B. das Gefühl, dass Faserstrukturen kratzen oder elektrisch aufladen),
- haben oft ein ausgeprägtes prämenstruales Syndrom und reagieren heftigst auf zugefügte Hormone („ Pille“).

Bei den Mädchen zeigt sich auch sehr früh Scham und emotionale Bedürftigkeit. Es zeigen sich öfters Verhaltensweisen wie Nagelbeißen, Daumenlutschen, Rauchen, übermäßiges Essen und danach oft wieder Erbrechen. Gehäuft kommt es auch vor, dass Mädchen mit ADHS ein hohes Risiko haben, viel zu früh sexuell aktiv zu werden und/ oder Substanzmissbrauch zu betreiben. Angst und Depressionen sind meistens auch vorhanden. (vgl. Neuhaus 2000, S. 36: Nadeau, 2000, Biederman et al., 1999)

3.7 Verschwinden Aufmerksamkeitsstörungen von alleine?

Das Erscheinungsbild der Aufmerksamkeitsstörung äußert sich je nach Alter unterschiedlich. Leider ist es so, dass Aufmerksamkeitsstörungen nicht von alleine verschwinden. Aufmerksamkeitsstörungen „wachsen in sich “, viele Menschen hoffen, dass sie sich im Laufe der Jahre auswächst. Es ist gerade das Gegenteil der Fall, je länger sie unbehandelt bleibt, desto mehr Komplikationen treten auf. Vielfältige Untersuchungen auf dem Gebiet der Aufmerksamkeitsstörung haben ergeben, dass Kinder im Laufe ihres Lebens eine traurige „Karriere“ einschlagen.

In der Alterspanne von 18 bis 23 Jahren hatten viele Probleme mit Unaufmerksamkeit, Impulsivität und Überaktivität (ca. 40 bis 60 Prozent). Außerdem haben sie meist schlechtere Lern- und Ausbildungsergebnisse als Gleichaltrige. Dazu fallen sie meist in ihrer Jugend öfter durch soziale Schwierigkeiten auf (wie beispielsweise lügen, stehlen, Zerstörungsdrang, körperliche Angriffe oder zündeln). Ein Teil der Jugendlichen war sogar schon durch ihre Kriminalität (dies sind durchschnittlich 38 Prozent) und Drogenmissbrauch (durchschnittlich 13 Prozent) auffällig geworden. In allen diesen Untersuchungen gibt es auch einen Teil von aufmerksamkeitsgestörten Kindern, die später überhaupt keine Probleme mehr hätten. Ob sich eine Aufmerksamkeitsstörung verschlimmert oder doch eine Verschlimmerung zu verhindern ist, scheint davon abzuhängen, ob das Kind noch zusätzlich soziale Probleme hat (wie Aggressivität, soziale Isolierung). Kinder die eine „reine“ Aufmerksamkeitsstörung haben, weisen leichtere Symptome von Überaktivität und Impulsivität auf, besitzen eine höhere Intelligenz, verfügen über gute soziale Kompetenzen und besitzen einen stabilen Rückhalt in der Familie.

Wer rechtzeitig professionelle Beratung erhält, hat nach mehreren wissenschaftlichen Untersuchungen die besten Möglichkeiten, sich gut und nicht abweichend zu entwickeln. Bei diesen Kindern weitet sich die Störung nicht aus. (vgl.Lauth,Schlottke,Naumann 2007, S.44-46)

4. Klassifikationen

4.1 Die Veränderung der Aufmerksamkeitsstörung und ihre Erkenntnisse

Aufmerksamkeitsstörungen sind kein Problem der heutigen Zeit, sondern waren auch schon früher für Eltern, Erzieher und Lehrer ein Thema. Der berühmte Frankfurter Neurologe Heinrich Hofmann hatte bereits im Jahr 1845 von den typischen Problemen aufmerksamkeitsgestörter Kinder berichtet. Seine Kindergeschichten, wie der „Struwwelpeter“, „Zappelphillip“ und „Hans Guck- in- die- Luft“ beschrieben genau, welche Probleme Kinder mit Aufmerksamkeitsstörungen haben.

Im Laufe der Zeit wurde immer mehr nach naturwissenschaftlichen Erkenntnisse und biologischen Erklärungen geforscht. Ein englischer Kinderarzt Namens George F. Still hatte im Jahre 1902 nach mehren Untersuchungen an Kindern festgestellt, dass die Kinder nach einer Hirnhautentzündung häufig unruhig, ablenkbar und unkontrolliert wurden.

Er kam zu diesen Erkenntnissen, da die Kinder vor der Hirnhautentzündung unauffällig waren. Er nahm an, dass diese Ursache Hirnschädigungen zur Folge hatte. Nach einigen Jahren fand man jedoch Kinder, die auch diese Auffälligkeiten hatten, aber keine Hirnentzündungen. Damit waren also auch weniger dramatische Erklärungen gefragt.

Im Jahre 1954 kam man zu dem Begriff der minimalen Gehirnschädigung („minimale cerebrale Dysfunktion“). Dies deutete daraufhin, dass kaum erkennbare minimale Beeinträchtigungen im Gehirn diese Symptome hervorrufen können.

Auch nach einiger Zeit wurde diese Theorie als unbefriedigend angesehen, da nicht bei allen aufmerksamkeitsgestörten Kindern eine minimale cerebrale Dysfunktion festzustellen. Ab 1975 wurde diese Diagnose immer weniger anerkannt und wurde letztendlich verworfen. Heutzutage untersucht man Kinder, die den Verdacht auf Aufmerksamkeitsstörungen haben, mit Hilfe Bildgebender Verfahren und elektrophysiologischer Abbildungen auf der Schädeloberfläche. Diese Verfahren, z.B. die funktionale Magnet-Resonanz-Bildgebung, Funktional Magnetik-Tomografie( PET), ermöglichen es Bilder zu sehen, während das Gehirn arbeitet. (vgl.Lauth,Schlottke,Naumann 2007, S.54)

„Die bei Aufmerksamkeitsgestörten Kindern bekannte Beeinträchtigung, Informationen im Gehirn aufzunehmen und zu verarbeiten, kommen hier u. a. zum Ausdruck, dass die Durchblutung der Frontalfunktion des Großhirns als eine Planungs-, Koordinations- und Schaltzentrale keine vergleichbare Aktivierung zeigt wie bei ihren unauffälligen Altersgenossen.“ (zit.n.Lauth,Schlottke,Naumann 2007, S.54)

Diese genannten Probleme mit der „Schaltzentrale“ des Gehirns hängen auch mit der Wachheit (auch Aktivierung genannt) im Gehirn zusammen.

Elektrophysiologische Ableitungen auf der Schädeloberfläche belegen, dass aufmerksamkeitsgestörte Kinder ihre Aktivierung nicht so schnell an veränderte Situationen anpassen können. Die Symptome der Kinder sind meistens Über- oder Untererregung, was typisch ist für die Verhaltensweisen eines Kindes mit ADHS. Das größte Problem von ADHS Kindern stellt jedoch die Wachheit dar. Im menschlichen Gehirn werden in Sekunden viele Botschaften und Impulse von einer Nervenzelle zur nächsten weitergeleitet.

Wie schnell diese Reizweiterleitung funktioniert, hängt mit der Wachheit (Aktivierung) des Gehirns ab. Bei Kindern mit Aufmerksamkeitsstörungen funktioniert die Aktiviertheit des Gehirns nicht richtig. Entweder sie sind überregt oder sie sind untererregt. Ein Kind kann sich deshalb nur schwer auf Dinge einstellen, die augenblicklich zu tun sind. Die Folge des Defizits ist, dass sie nicht in der Lage sind, anstehende Aufgaben zu erledigen. Die Informationen werden weniger schnell im Gehirn weitergeleitet. Das Kind kann sich nicht so schnell an die Gegebenheiten in der Umwelt anpassen, es gelingt ihm nicht neue Energie für etwas aufzubringen oder wieder zur Ruhe zukommen.

Im Allgemeinen ist es günstig, dass eine mittlere Wachheit vorhanden ist, da diese best möglichst eine Informationsweiterleitung garantiert und gleichzeitig auch die Möglichkeit zum „ Zulegen“ besteht. Bei aufmerksamkeitsgestörten Kindern besteht im jungen Alter noch nicht die Fähigkeit, ihre Wachheit zu beeinflussen. Erwachsene hingegen haben schon gewisse Zielvorgaben, die sie sich setzen und die sie erreichen wollen, beispielsweise indem man sich selbst motiviert. Kinder, die Probleme mit der „Schaltzentrale“ haben, gelingt es weniger, sich zu kontrollieren. Die Probleme der Kinder gehen nicht nur auf die „Schaltzentrale“ im Gehirn zurück, sondern man vermutet auch einen Mangel von Botenstoffen, den so genannten Neurotransmittern.

Allerdings lässt sich die These nur schwer beweisen, da den Kindern besonders der Botenstoff Dopamin fehlt, welcher die Unruhe steigert und die geistige Wachheit herabsetzt, die eine optimale Reaktion ermöglicht.

Dieser Mangel hat den weiteren Einfluss, dass die Kinder nur wenig aus ihren Erfahrungen lernen. Hinweise, Anweisungen, Tadel oder Lob können von ihnen weniger als von anderen genutzt werden. Die Folge dessen ist, dass sie immer wieder Dinge tun, die ihnen verboten worden sind. Daraus lässt sich ableiten, dass es nicht der Unwille der Kinder ist, sondern, dass sie einfach nicht in der Lage sind Regeln umzusetzen. (vgl.Lauth,Schlottke,Naumann 2007, S.54-56)

4.2 Die Klassifikation nach dem ICD-10

Es gibt derzeit zwei gültige internationale Klassifikationssysteme: die International Classification of Diseases (ICD-10, Weltgesundheitsorganisation, 1991) und das US-amerikanische Diagnostic and Statistical Manual of Mental Disorders (DSM-IV, Saß et, al.1996). Diese Klassifikationssysteme weisen auf konzeptionelle Unterschiede hin. Im ICD-10 steht der Begriff für Aktivitäts- und Aufmerksamkeitsstörung unter F 90.0. Der DSM-IV bezeichnet es als Aufmerksamkeitsdefizit/ Hyperaktivitätsstörung.

In beiden Systemen sind die Symptome übereinstimmend definiert.

Das Störungsbild kennzeichnet sich durch eine Beeinträchtigung der Aufmerksamkeit (Aufmerksamkeitsstörung, Ablenkbarkeit), der Impulskontrolle ( Impulsivität ) und der Aktivität (Hyperaktivität).

Diese Symptome sind gut erkennbar ab dem sechsten Lebensjahr und treten in verschiedenen Situationen auf (Kindergarten, Schule, Familie). Die Symptome müssen über einen Zeitraum von sechs Monaten andauernd vorhanden sein und das Kind in seiner Entwicklung erheblich hemmen, so dass man von einer Aufmerksamkeitsstörung ausgehen kann.

Bei beiden Diagnosesystemen gibt es kaum Unterschiede in der Definition und Symptomatik, jedoch in der Bestimmung, Anzahl und Kombination dieser Kriterien. Nach dem ICD-10 müssen für die Diagnose einer hyperkinetischen Störung und für die Aufmerksamkeitsstörung, Überaktivität und Impulsivität in mindestens zwei Lebensbereichen in stärkerer Form vorliegen. Leidet das Kind zusätzlich an oppositionellen und aggressiven Verhaltensweisen, wird das Störungsbild als hyperkinetische Störung des Sozialverhaltens F 90.1 bezeichnet. (vgl.Lehmkuhl, Adam,Fröhlich,Sevecke,Döpfner, S.25)

Im Folgenden zu entnehmen sind Kriterien für die diagnostische Einteilung sowie Subgruppen einer hyperkinetischen Störung nach ICD_10 sowie einer Aufmerksamkeitsdefizit-/Hyperaktivitätsstörung nach DSM-IV.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

aus: Lehmkuhl, Adam,Fröhlich,Sevecke,Döpfner, S.26

Im DSM-IV werden drei verschiedene Gruppen unterschieden:

- Es gibt einen Mischtyp einer Aufmerksamkeitsdefizit / Hyperaktivitätsstörung, bei dem ähnlich der hyperkinetischen Störung nach dem ICD-10 die Symptome Aufmerksamkeitsstörung, Hyperaktivität und Impulsivität auftreten.
- Weiterhin ist der unaufmerksame / verträumte Typ zu erwähnen, der an einer ausgeprägten Aufmerksamkeitsstörung leidet, wobei die Hyperaktivität und Impulsivität nicht so stark ausgeprägt sind.

Der hyperaktive- impulsive Typ, der durch ausgeprägte Hyperaktivität und Impulsivität auffällt, leidet weniger unter Aufmerksamkeitsstörungen.(vgl.Lehmkuhl, Adam,Fröhlich,Sevecke,Döpfner, S.26)

4.3 Das multiaxiale Klassifikationsschema anhand eines Beispiels

Die Diagnose sollte nach dem multitaxialen Klassifikationsschemas psychischer Störungen des Kindes und Jugendalters nach ICD-10 der WHO gestellt werden. Dies gilt ebenso bei jungen Erwachsenen. Mit diesem Diagnoseschema hat man die Möglichkeit einer komplexen Erfassung der Gesamtbeeinträchtigung eines Menschen. Gleichzeitig bietet es die Möglichkeit zur differenzial diagnostischen Abgrenzung - d.h. es lassen sich unter Umständen die Schwierigkeiten auch anders erklären.

„Auf der Achse 1 sollte das klinisch psychiatrische Syndrom S.72 nach ausführlicher Befragung zur lebensgeschichtlichen Entwicklung und Abprüfung der Symptome diagnostiziert werden. Als hilfreich erweisen sich hier spezielle Fragebögen.“ (zit.n.Lauth,Schlottke,Naumann 2000, S.73)

Auf der Achse 2 werden die Entwicklungsstörungen wie Lese-Rechtschreibschwäche oder Rechenschwäche, die meistens zu der ADHS –Störung hinzukommen, abgeklärt.

Häufig haben Jugendliche oder Erwachsene auch noch Probleme mit Lese- und Rechtschreibproblemen. Syndromtypisch haben sie oft die Buchstaben nicht ausreichend automatisiert, auch die motorische Umsetzung fällt schwer, der oberflächlich- überhüpfend- abtastende Wahrnehmungsstil macht Sinnerfassendes und Bedeutungsstiftendes Lesen schwierig.

Die Aufmerksamkeitsspanne sollte auch abgeklärt werden, dies macht man mit einem Papier und Bleistift oder mit dem Computer (TOVA, CPT). Hier bekommt man erst ein gutes Ergebnis bei der 1.1 – Situation. Dies ist am hoch motivierenden Computer kein zwingendes Ausschlusskriterium für ADHS!

Auf der Achse 3 sollte der Entwicklungsstand und der Intelligenzquotient ermittelt werden.

Auf der Achse 4 wird die körperliche Symptomatik abgeklärt. Der Wahrnehmungsstil des ADHS kommt auch bei Jugendlichen oder jungen Erwachsenen vor, der z.B. Diabetes oder Asthma oder eine Seh- oder Hörschwäche hat, unter einer Köperbehinderung sowie einem Anfallsleiden leidet. Ein Zusammenhang zwischen einer körperlichen Symptomatik und ADHS kann bestehen, wenn z.B. 40-50 Prozent der Kinder und Jugendliche mit einer chronischen motorischen Tic-Störung (Gilles-de-la-Tourette-Syndrom) und gleichzeitig auch ADHS (der Umkehrschluss ist nicht zulässig) haben.

Menschen, die an Neurodermitis leiden, haben häufig ADHS. Es zeigt sich immer mehr, dass ADHS vor keiner Krankheit oder vor intelligenten oder weniger intelligenten Menschen Halt macht. Dennoch gibt es Erkrankungen, die häufig mit ADHS auftreten (z.B. Schielen, Migräne). (vgl. Neuhaus 2000, S. 73-74)

„Auf der Achse 5 sollen assoziierte, aktuelle, abnorme psychosoziale Umstände, wie Schulschwierigkeiten oder Ausgrenzungstendenzen eingeschätzt werden.

Wie beispielsweise inwieweit der Jugendliche eine Außenseiterposition hat. Lässt sich z.B. eine abnorme Streitbeziehung mit Mitschülern beobachten? Inwieweit ist das Verhalten störend? Hierbei wird auch ein Zusammenhang zwischen auffälligen intrafamiliären Beziehungsstrukturen und einer evtl. psychischen Störung hergestellt, zwischen abweichendem Verhalten eines Familienmitglieds, abnormen Erziehungsbedingungen oder problematischen Umgebungsfaktoren. Auch akut-belastende äußere Lebensumstände des Jugendlichen, wie z.B. die Erziehung im Heim, müssen hier zusammengetragen werden.“ (zit.n. Neuhaus 2000, S. 74-75)

Beispiel:

„In seiner Klasse hatte der Junge eine deutliche Außenseiterposition und ständig soziale Probleme mit Mitschülern. Im Bereich Computerkenntnisse hatte er hingegen eine herausragende Stellung und konnte dadurch sein Selbstwertgefühl etwas stabilisieren. In allen anderen Bereichen stand er eher am Klassenrand. Es ließ sich eine abnorme Streitbeziehung zu Mitschülern beobachten. Auffälligkeiten wie eine Vorleibe für Feuer, Feuerwerkskörper und alles, was mit Feuer und Brand zusammenhing, ließen sich feststellen. Dadurch entstanden mehrere gefährliche Situationen, auch wiederholtes störendes Verhalten. Die Schulsituation im ersten Halbjahr der 9.Klassse war durch einen sozialen Rückzug und Schulverweigerung gekennzeichnet. Der Junge verlor das Vertrauen in seine Fähigkeit, wodurch sich eine gravierende Misserfolgserwartung ergab. Dabei kamen neben der ausgeprägten ADHS- Problematik sicher pubertäre Verhaltensweisen hinzu. Es ergab sich schließlich, dass er die Schulleistung verweigerte, keine Aufgaben mehr erledigte und auch keine Arbeiten mehr mitschrieb. Bei dieser Problematik handelte es sich wohl um ein dekompensations Phänomen einer zugrunde liegenden ADHS- Problematik, die nicht mehr aufgefangen werden konnte. Ein kinder-/und jugendpsychiatrischer Befund eines Jugendlichen auf der Achse 5.“(zit.n. Neuhaus 2000, S.75)

Oft ist es bei Jugendlichen so, dass sie sich in der Pubertät oft zurückziehen oder die Schule verweigern. Gerade wenn dies der Fall ist, ist es wichtig, dass man die Misserfolgserwartungen des Jugendlichen abklärt. (vgl. Neuhaus 2000, S.75)

„Auf der Achse 6 wird eine Globalbeurteilung der psychosozialen Anpassung gemacht - mit der Einschätzung eines Schweregrads der Abweichung, damit entsprechend gezielte Maßnahmen geplant werden können.

In der Pubertät oder Adoleszenz kann es auch sein, dass das Störungsbild der Krankheit ein Ausmaß erreicht bis zu einer „Bedrohung durch eine seelische Behinderung.“(zit.n. Neuhaus 2000, S.76)

4.4 Typische Merkmale einer Aufmerksamkeitsstörung

4.4.1 Die Grundmerkmale am Beispiel von Nicolas

„Nicolas ist sieben Jahre alt. Er redet während des Unterrichts ständig dazwischen, platzt mit seiner Antwort heraus, wenn ein anderes Kind an der Reihe ist, zappelt ständig herum, wippt auf seinem Stuhl, bis er umkippt (zum großen Vergnügen seiner Mitschüler), oder er sitzt einfach nur da und schaut träumerisch zum Fenster hinaus. Es kann auch sein, dass er plötzlich aufsteht und in die Klasse herumrennt. Wenn ihn die Lehrerin ermahnt, gibt er patzige Antworten oder ignoriert ihre Aufforderungen. Auch zu Hause gibt es Probleme. Besondere „Nervenkriege“ sind die Hausaufgaben. Er ist nur mit Mühe dazu zu bringen, dass er überhaupt damit anfängt. Seine Bereitschaft, sich anzustrengen ist schon bei der ersten Hürde am Ende und er bemüht sich nicht einmal, die gestellten Aufgaben richtig zu verstehen. Wenn die Mutter ihm helfen will, wird er wütend und über kurz oder lang wirft er den Bleistift oder das Heft zu Boden. Nur mit Androhung von Strafen bringt sie ihn wieder dazu, es wenigstens noch einmal zu probieren. Nicolas hat wenige Freunde. Er lernt zwar immer wieder Kinder kennen, aber es geht beim gemeinsamen Spielen nie lange gut. Schnell kommt es zum Streit, z. B. wegen Nichteinhalten der Spielregeln. Die anderen Kinder meiden ihn deshalb. Sie sagen, dass Nicolas so viel „Mist baut“ und man nicht gut mit ihm zurechtkommt. Mittlerweile hat sich Nicolas mit jüngeren Kindern aus der Nachbarschaft zusammengetan. Er führt hier das große Wort und bestimmt, wo es langgeht. Zwar kommt es auch mit diesen Kindern öfter zu Streitereien, Nicolas ist ihnen aber körperlich überlegen und kann sich deshalb immer wieder durchsetzen. Den Eltern von Nicolas ist dieser Umgang nicht recht. Sie denken, dass diese Freundschaften einfach nicht angemessen sind. Nicolas hatte bereits im Kindergarten große Probleme.

Er konnte schon damals nicht gut zusammen mit anderen Kindern spielen. Schon nach kurzer Zeit fing er an, ihre Bauten zu zerstören, schüttete Sand über andere Kinder oder schlug einfach zu, wenn er von einem anderen Kind etwas haben wollte. Bei Kreisspielen oder beim Basteln wollte er überhaupt nicht mitmachen, und nicht einmal beim Geschichtenvorlesen blieb er ein paar Minuten ruhig sitzen.“(zit.n.Lauth,Schlottke,Naumann 2007, S.17)

Am Beispiel von Nicolas erkennt man deutlich, unter welchen typischen Merkmalen aufmerksamkeitsgestörte Kinder leiden. Hier lässt sich deutlich erkennen, dass die Verhaltensweisen einerseits auf eine Aufmerksamkeitsschwäche und anderseits auf eine übergroße motorische Unruhe hinweisen. (vgl.Lauth,Schlottke,Naumann 2007, S.18)

4.4.2 Aufmerksamkeitsschwäche - „ablenkbar und nicht bei der Sache“

Für Kinder mit Aufmerksamkeitsstörungen ist es schwer, sich über längere Zeit zu konzentrieren oder sich bestimmten Aufgaben zu widmen. Häufig wechseln sie zu neuen Aktivitäten, bringen selten etwas zu Ende, machen oft Flüchtigkeitsfehler oder wirken als verträumt. Dass die Kinder die mangelnde Fähigkeit besitzen, bei einer Sache zu bleiben, z.B. sich über einen längeren Zeitraum zu konzentrieren, wird oft erst im Kindergartenalter oder in der Schule bemerkt, da gerade in der Schule konkrete Anweisungen und längere Aufmerksamkeitsspannen verlangt werden. (vgl.Lauth,Schlottke,Naumann 2007, S.19)

4.4.3 Impulsivität und Überaktivität - „aufgedreht und chaotisch!“

Auffällig bei Kindern mit ADHS ist ihr unruhiges, zappeliges, ratloses (überaktives) Verhalten. Diese Kinder haben überaus viel Energie, sie springen herum, trommeln auf Tischen, schaukeln mit den Stühlen und kommen nur schwer zur Ruhe. Sie sind allgemein aktiver im Vergleich zu anderen Kindern. Dies fällt besonders dann auf, wenn von ihnen verlangt wird, sich ruhig zu verhalten, wie z. B. im Unterricht, beim Essen oder bei den Hausaufgaben. Dieses aktive Verhalten kann man bei vielen aufmerksamkeitsgestörten Kindern beobachten. Etwa ein fünftel der aufmerksamkeitsgestörten Kinder fällt nicht durch den erhöhten Bewegungsdrang auf, sondern eher durch ihre Scheuheit, Ängstlichkeit oder Verträumtheit, dennoch sind sie auch leicht ablenkbar.

Als „Impulsive“ bezeichnet man jemanden, der etwas tut ohne darüber nachzudenken. Sie denken nicht darüber nach, was noch zu tun ist, wie man etwas tun kann oder welche Folgen ihr Tun haben könnte. Im Unterricht können sie nicht abwarten bis sie an der Reihe sind, sondern rufen einfach die Antwort in die Klasse. Typisch ist auch, dass sie dazu neigen, viele Flüchtigkeitsfehler zu machen, da sie einfach drauflos arbeiten. Diese Unaufmerksamkeit kann man auch im Sport oder auf dem Pausenhof erleben.

Aufmerksamkeitsgestörte Kinder haben weniger Angst und sind sehr erkundungsfreudig, klettern gerne auf Bäume und über Zäune, jagen kopflos einem Ball hinterher oder schauen sich im Straßenverkehr nicht um, ob vielleicht ein Auto kommt.

[...]

Ende der Leseprobe aus 132 Seiten

Details

Titel
Vom Zappelphillip zum unkonzentrierten Chaoten. ADHS bei Kindern und jungen Erwachsenen
Untertitel
Welche Hilfsmöglichkeiten kann die soziale Arbeit bieten?
Hochschule
SRH Hochschule Heidelberg  (SRH Hochschule Heidelberg)
Veranstaltung
Bachelorthesis
Note
1,6
Autor
Jahr
2008
Seiten
132
Katalognummer
V122489
ISBN (eBook)
9783640295517
ISBN (Buch)
9783640301478
Dateigröße
2285 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Zappelphillip, Chaoten, ADHS, Kindern, Erwachsenen, Bachelorthesis, Thema ADHS
Arbeit zitieren
Anja Schmid (Autor:in), 2008, Vom Zappelphillip zum unkonzentrierten Chaoten. ADHS bei Kindern und jungen Erwachsenen, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/122489

Kommentare

  • Gast am 13.11.2011

    Eine Atbeit ohne Plan - äußerst unstrukturiert und ohne roten Faden. Eine Aneinanderreihung von verschiedenen Unterkapiteln. Desweiteren äußerst oberflächlich.

  • Gast am 3.10.2011

    Viele Fehler, wenig Fakten. Im Prinzip könnte man die Arbeit auf 50 Seiten einkürzen, ohne inhaltliche Verluste zu erleiden. Insgesamt enttäuschend!

Blick ins Buch
Titel: Vom Zappelphillip zum unkonzentrierten Chaoten. ADHS bei Kindern und jungen Erwachsenen



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