In dieser Arbeit sollen zwei theoretische Konzepte, auf ihre Erklärungskraft hinsichtlich der Blockadepolitik im Bundesrat, untersucht werden. Die Leistungsfähigkeit der Theorien, die Entstehung von Blockaden hinreichend zu erklären soll exemplarisch an zwei Beispielen, den Steuerreformen von 1992 und 1998, aufgezeigt werden. [...]
Im ersten Teil der Arbeit wird untersucht, inwieweit sich Blockaden im Bundesrat mit der Vetospielertheorie von George Tsebelis (Tsebelis 1995; 2002) erklären lassen.
Zunächst werden die Grundzüge der Theorie, sowie eine Erweiterung des Konzepts durch Uwe Wagschal (2005), dargestellt. Anschließend wird erläutert, inwiefern der Bundesrat als Vetospieler bezeichnet werden kann. Zuletzt soll am Beispiel der Steuerreformen von 1992 und 1998 dargelegt werden, ob sich Blockaden mit diesem Konzept hinreichend erklären lassen.
Im zweiten Teil dieser Arbeit wird, ausgehend von der Theorie des Strukturbruchs im politischen System von Gerhard Lehmbruch (Lehmbruch 2000), ein zweiter theoretischer Erklärungsrahmen für die Blockaden im Bundesrat aufgestellt. Es soll ebenfalls untersucht werden, ob sich die Vorgänge der Steuerreformen mit diesem Konzept erklären lassen.
Wie oben beschrieben, werden in dieser Arbeit zwei Steuerreformen exemplarisch zur Veranschaulichung von Blockaden im Bundesrat behandelt. Eine der beiden Reformen scheiterte am Veto des Bundesrates, die andere konnte trotz erheblichen Widerstandes durchgesetzt werden. Auf diese beiden Reformen wird in den einzelnen Kapiteln der Arbeit Bezug genommen. Im Folgenden sollen diese beiden Steuerreformen vorgestellt werden.
Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung
2. Der Bundesrat als Vetospieler
2.1 Die Vetospielertheorie nach George Tsebelis
2.2 Der Bundesrat – institutioneller und kompetitiver parteipolitischer Vetospieler?
2.3 Die Bedeutung des Indikators Kohäsion für Blockaden im Bundesrat
3. Der Bundesrat im Mittelpunkt inkongruenter Handlungslogiken
3.1 Die Theorie des Strukturbruchs im politischen System nach Gerhard Lehmbruch
3.2 Die Logik des föderalen Systems: Zwang zu Kooperation und Verhandlung
3.3 Die Logik des Parteiensystems: Kompetitves Verhalten der Parteien
4. Schlussfolgerung
Literaturverzeichnis
1. Einleitung
Divergierende Mehrheiten im Bundestag und Bundesrat stellen keinen Ausnahmezustand, sondern vielmehr eine Regelmäßigkeit dar (Zohlnhöfer 1999: 327). Eine Mehrheit für die Opposition im Bundesrat ermöglicht die Blockade von Zustimmungsgesetzen. Die tatsächliche Bedeutung dieser Blockaden für die Bundespolitik ist jedoch umstritten; statistische Untersuchungen ergaben, dass seit der Gründung der Bundesrepublik lediglich eine sehr geringe Anzahl von Zustimmungsgesetzen durch den Bundesrat blockiert wurde (Statistik des Bundesrates 2008; Stüwe 2004: 28).[1]
Es wird hingegen argumentiert, dass es sich bei den blockierten Gesetzen häufig um wichtige Reformvorhaben der Regierung handelt und die Blockaden demzufolge nicht bedeutungslos für die Politik sein können (Wagschal 2005: 200).
Dabei bleibt jedoch die Frage offen, warum manche Gesetze blockiert werden und andere nicht. Unter welchen Umständen wird der politische Entscheidungsprozess durch eine Ablehnung des Bundesrates lahm gelegt? Welches sind die Ursachen für diese Blockaden, wie lassen sie sich erklären? Der Verweis auf eine Parteipolitisierung des Bundesrates kann dieses Phänomen allein nicht erklären.
In dieser Arbeit sollen zwei theoretische Konzepte, auf ihre Erklärungskraft hinsichtlich der Blockadepolitik im Bundesrat, untersucht werden. Die Leistungsfähigkeit der Theorien, die Entstehung von Blockaden hinreichend zu erklären soll exemplarisch an zwei Beispielen, den Steuerreformen von 1992 und 1998, aufgezeigt werden.
In den 1980er verfügte die Koalition aus CDU/CSU und FDP über eine Mehrheit im Bundesrat. Anfang der 1990er Jahre verlor sie diese Mehrheit, bis zum Ende der Ära Kohl 1998 sah sie sich einem von der Opposition dominierten Bundesrat gegenüber (Renzsch: 2000).[2] Auf diese Phase in den 1990er Jahren bezieht sich die vorliegende Arbeit.
Im ersten Teil der Arbeit wird untersucht, inwieweit sich Blockaden im Bundesrat mit der Vetospielertheorie von George Tsebelis (Tsebelis 1995; 2002) erklären lassen. Zunächst werden die Grundzüge der Theorie, sowie eine Erweiterung des Konzepts durch Uwe Wagschal (2005), dargestellt. Anschließend wird erläutert, inwiefern der Bundesrat als Vetospieler bezeichnet werden kann. Zuletzt soll am Beispiel der Steuerreformen von 1992 und 1998 dargelegt werden, ob sich Blockaden mit diesem Konzept hinreichend erklären lassen.
Im zweiten Teil dieser Arbeit wird, ausgehend von der Theorie des Strukturbruchs im politischen System von Gerhard Lehmbruch (Lehmbruch 2000), ein zweiter theoretischer Erklärungsrahmen für die Blockaden im Bundesrat aufgestellt. Es soll ebenfalls untersucht werden, ob sich die Vorgänge der Steuerreformen mit diesem Konzept erklären lassen.
Wie oben beschrieben, werden in dieser Arbeit zwei Steuerreformen exemplarisch zur Veranschaulichung von Blockaden im Bundesrat behandelt. Eine der beiden Reformen scheiterte am Veto des Bundesrates, die andere konnte trotz erheblichen Widerstandes durchgesetzt werden. Auf diese beiden Reformen wird in den einzelnen Kapiteln der Arbeit Bezug genommen. Im Folgenden sollen diese beiden Steuerreformen vorgestellt werden.
Es handelt sich dabei zum einen um das Steueränderungsgesetz 1992.[3] Dieses beinhaltete im Wesentlichen eine Erhöhung der Mehrwertsteuer um einen Prozentpunkt, Maßnahmen beim Familienlastenausgleich und eine Senkung der betrieblichen Vermögenssteuer, sowie auch der Gewerbeertragssteuer (Wagschal 2005: 213). Hierbei handelte es sich um ein Zustimmungsgesetz, die erfolgreiche Verabschiedung hing somit von der Zustimmung des Bundesrates ab. Der Regierungskoalition fehlten im Bundesrat 8 Stimmen für eine Mehrheit. Die SPD lehnte das Gesetz mehrheitlich ab und ging von einem Scheitern im Bundesrat aus (Zohlnhöfer 2001: 33). Der Regierungskoalition gelang es jedoch, zwei Länder aus der Ablehnungsfront zu lösen und die notwendige Mehrheit zu erreichen (Renzsch 2000: 61). Das Gesetz wurde dementsprechend letztendlich nicht blockiert, beziehungsweise der Blockadeversuch der Opposition im Bundesrat scheiterte (Lehmbruch 2000: 167).
Zum anderen handelt es sich um die Große Steuerreform 1997/98.[4] Das Konzept der Regierungskoalition sah eine grundsätzliche Reform der Steuerstrukturen, mit dem Ziel einer wesentlichen Vereinfachung des Steuersystems, vor. Der Streit zwischen Regierungsmehrheit und Oppositionsmehrheit im Bundesrat entzündete sich an verschiedenen Einzelfragen der Reform. Die geplante Senkung des Spitzensteuersatzes auf 39 Prozent sowie die Besteuerung von Zuschlägen auf Schichtarbeit, Lohnersatzleistungen und Lebensversicherungen wurde von der SPD besonders heftig kritisiert (Zohlnhöfer 1999: 329-331).
Des Weiteren wurde von den SPD- regierten Länder auch die vorgesehene Lastenverteilung abgelehnt. Die angestrebten Steuerentlastungen sollten hauptsächlich von den Ländern getragen werden (Renzsch 2000: 70).
Bereits vor der Bundestagsentscheidung verhandelten Vertreter der Regierungskoalition mit der SPD und versuchten zu einer Einigung zu gelangen. Diese Gespräche scheiterten jedoch, ebenso wie der zu einem späteren Zeitpunkt eingesetzte Vermittlungsausschuss. Ein tatsächlicher Aushandlungsprozess, der zu einem Kompromiss hätte führen können, kam nicht zustande. Das Vorhaben wurde letztendlich vom Bundesrat abgelehnt (Zohlnhöfer 1999).
2. Der Bundesrat als Vetospieler
2.1 Die Vetospielertheorie nach George Tsebelis
Im Folgenden werden zunächst die Grundzüge der Vetospielertheorie erläutert[5].
Die Vetospielertheorie stellt ein neueres Konzept in der vergleichenden Analyse politischer Systeme dar. George Tsebelis entwickelte einen umfassenden Ansatz, welcher die vergleichende Klassifizierung politischer Systeme hinsichtlich ihrer Steuerbarkeit, anstrebt. Im Mittelpunkt steht die Reformfähigkeit politischer Systeme. Tsebelis untersucht, wie schwierig es ist den Status quo, den Ist-Zustand in einem bestimmten Politikfeld, zu verändern. Als zentrale Variable der Untersuchung dient die „policy stability“ (Tsebelis 1995: 293), die Unfähigkeit, diesen Ist-Zustand zu verändern.
Um eine Reform durchführen zu können, muss demnach der Status quo verändert werden. Die Veränderung des Status quo erfordert die Zustimmung einer bestimmten Anzahl von individuellen und kollektiven Akteuren, diese werden Vetospieler genannt.
Vetospieler können als Einzelpersonen auftreten, sie werden dann individuelle Vetospieler genannt. Sie können jedoch auch als Kollektiv auftreten, diese nennt Tsebelis kollektive Vetospieler. Tsebelis differenziert des Weiteren zwischen institutionellen und parteipolitischen Vetospielern.
Die institutionellen Vetospieler eines politischen Systems werden in der Verfassung festgelegt. Die Erforderlichkeit ihrer Zustimmung ergibt sich aus verfassungsrechtlichen Bestimmungen. Parteipolitische Vetospieler hingegen ergeben sich aus dem politischen System. In einem Mehrparteiensystem, beispielsweise, sind Parteien meist gezwungen Koalitionen zu bilden, um regieren zu können. Die Partner in einer solchen Koalition sind parteipolitische Vetospieler. In Deutschland kann jedoch unter bestimmten Bedingungen auch der Bundesrat zu einem parteipolitischen Vetospieler werden.
Tsebelis legt in seiner Analyse drei Indikatoren fest, welche die policy stability beeinflussen.
Die policy stability steigt erstens, mit der Anzahl der Vetospieler, zweitens, mit der ideologischen Distanz zwischen den Vetospielern und drittens, mit der inneren Kohäsion eines kollektiven Vetospielers. Je mehr Vetospieler in einem politischen System einer Reform zustimmen müssen, desto schwieriger lassen sich Reformen durchsetzen.
Die ideologische Distanz bezieht sich auf die parteipolitischen Vetospieler. Je weiter die beteiligten Parteien einer Koalition ideologisch von einander entfernt sind, desto schwieriger gestaltet sich die Einigung auf eine gemeinsame Position. Solange man sich jedoch nicht auf eine gemeinsame Position einigen kann, können keine Reformen durchgeführt werden. Die interne Kohäsion spielt bei kollektiven Vetospielern eine große Rolle. Ein kollektiver Vetospieler wird nach dem Mehrheitsprinzip abstimmen. Ein möglichst großer interner Zusammenhalt, der die Verteidigung eines gemeinsamen Standpunktes ermöglicht, ist deshalb für ihn besonders wichtig.
Es wurde bereits angesprochen, dass es im deutschen politischen System unterschiedliche parteipolitische Vetospieler geben kann. Tsebelis differenziert jedoch nicht zwischen den verschiedenen parteipolitischen Vetospielern, die in einem politischen System auftreten können. Er behandelt den parteipolitischen Vetospieler in einer Koalition gleich dem parteipolitischen Vetospieler Bundesrat (Tsebelis 1995: 310).
Dies wurde von Uwe Wagschal bemängelt (Wagschal 2005). Wagschal betrachtet eine Differenzierung zwischen den parteipolitischen Vetospielern als sinnvoll. Er unterscheidet zwischen kompetitiven und konsensualen parteipolitischen Vetospielern (Wagschal 2005: 166). Ein konsensualer Vetospieler ist prinzipiell an einer Einigung interessiert, da sie sich für seine Position in der Regel vorteilhaft auswirkt.
Als konsensuale Vetospieler betrachtet Wagschal die parteipolitischen Vetospieler in einer Koalition. Es mögen zwar ideologische Differenzen bestehen, zwischen den Partnern in einer Koalition, eine Blockade würde jedoch sowohl dem Blockierten als auch dem Blockierer schaden (Wagschal 2005: 167). Ein kompetitiver Vetospieler hingegen, richtet sein Verhalten vielmehr strategisch aus. Er wird im Einzelfall abwägen, ob sich eine Einigung für ihn bezahlt macht, oder ob er von einer Blockade mehr Nutzen erwarten kann. Die Konfliktintensität ist somit bei einem kompetitiven Vetospieler entscheidend höher, als bei einem konsensualen Vetospieler (Wagschal 2005: 166).
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[1] Von 1949 bis 2008 lehnte der Bundesrat lediglich 72 Zustimmungsgesetze endgültig ab. Bis 1997 scheiterten 60 Verfahren am Veto des Bundesrates, vgl. Der Bundesrat im Spiegel der Zahlen, S. 7.
[2] Auf die genaue Situation der Mehrheitsverteilung im Bundesrat wird zu einem späteren Zeitpunkt eingegangen.
[3] Das Steueränderungsgesetz wird im Folgenden „Steuerreform 1992“ genannt.
[4] Die Große Steuerreform von 1997/98 wird im Folgenden „Steuerreform 1998“ genannt.
[5] Dieser Abschnitt der Arbeit bezieht sich auf Tsebelis 1995 und Tsebelis 2002, insbesondere Kapitel 1 und 2.
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